RC N Watch: Natürlich weiter Night Raids
Nachdem in der vergangenen Woche eine nächtliche ISAF-Aktion in der nordafghanischen Provinz Takhar zu gewalttätigen Protesten in der Stadt Taloqan geführt hatte, bei denen auch die Bundeswehr scharf schoss, wurde über eine Änderung der Praxis dieser Night Raids spekuliert.
Das scheint in der Tat pure Spekulation – natürlich setzt ISAF die nächtlichen Kommandoaktionen fort, mit denen vor allem führende Personen der Aufständischen festgesetzt oder auch getötet werden sollen. Und natürlich auch im deutschen Kommandobereich im Norden Afghanistans, wie ISAF heute meldet:
In Doshi district, Baghlan province, a combined Afghan and coalition security force killed several insurgents during a security operation targeting a senior Taliban leader yesterday.
The leader is the senior military commander for Kunduz province and former district commander for Chahar Darah district. He works with Kunduz suicide attack network leadership to plan complex attacks and IED placements targeting Afghan security forces.
He is also directly involved with military operations in Takhar province. The leader maintains close contact with senior IMU leadership and works with members of the Peshawar Shura Council.
The combined security force, led by intelligence reports, targeted a remote compound in Doshi district. Upon arriving on scene the force noticed several insurgents attempting to flee the area. The force identified themselves as an ISAF security force in native languages. In an attempt to engage the insurgents without using force, the security force used a spot light as a de-escalation measure, but insurgents did not cooperate. As the force moved into position they were met with small arms fire from the insurgents. The security force then engaged the armed insurgents, killing several of them.
Die kritisierte Vorgehensweise gehört zu den wirksamsten im Kampf gegen die Aufständischen. Um von ihr grundsätzlich Abstand zu nehmen, sollten die negativen Wirkungen die positiven übersteigen.
Würde man sie wegen einer gewaltsamen Demonstration einstellen, wäre das nicht nur unangemessen, sondern würde den Aufständischen auch vermitteln, dass sie künftig gegenüber jeder ihnen unangenehmen Vorgehensweise von ISAF ein Vetorecht haben bzw. nur ein paar gewaltsame Demonstrationen organisieren müssen.
Die Tötungen und Festnahmen werden daher m.E. mit Sicherheit weitergehen, auch wenn man vielleicht an der Kommunikation etwas ändern wird und z.B. das afghanische Gesicht stärker in den Vordergrund stellt oder durch andere Maßnahmen versucht, Gerüchtebildung entgegenzuwirken.
Noch eine Anmerkung: Die Reaktion der Afghanen erschien mir selten berechenbar zu sein: Manchmal gab es Demonstrationen mit mehreren Toten, weil jemand behauptet hatte, ISAF hätte irgendein Koranexemplar respektlos behandelt, während es nach realen Kollateralschäden oft ruhig blieb. Die Dynamik, die hinter afghanischen Protesten steht, wäre einen ausführlichen Aufsatz wert, wobei ich niemanden kenne, der behaupten könnte, sie verstanden zu haben.
„Die Reaktion der Afghanen erschien mir selten berechenbar zu sein: Manchmal gab es Demonstrationen mit mehreren Toten, weil jemand behauptet hatte, ISAF hätte irgendein Koranexemplar respektlos behandelt, während es nach realen Kollateralschäden oft ruhig blieb.“
Religion hat einen höheren Stellenwert als Menschenleben?
Nicht nur im deutschen Verantwortungsbereich, sondern auch unter Teilnahme von deutschen Kräften. Die TF47 hat ja eigentlich gar keine andere Aufgabe als die beschriebene.
Diese raids sind ein Standbein von mehreren einer erfolgreichen Bekämpfung der Aufständischen und muß von ISAF , wenn Erfolg sich einstellen soll , auch fortgesetzt werden.
Sie sollte aber immer mehr ein AFG – Gesicht bekommen und nicht nur von ISAF getragen werden.
OT: http://www.longwarjournal.org/threat-matrix/archives/2011/05/isaf_spokesman_bungles_haqqani.php
Da kann man nur den Kopf schütteln…
Das Problem ist wohl weiterhin unzureichende Intel – siehe Aufsatz von Flynn (J2-Chef bei ISAF) im letzten Jahr.
@Nico
Bei Taliban, HQN und HIG handelt es sich sehr wohl um unterschiedliche Strukturen, die durch ähnliche Ziele und gewisse Koordination miteinander verbunden sind. Das ist ein Grund dafür, warum man von „Insurgents“ spricht, wenn man sich auf die Aufständischen allgemein bezieht.
Was die Gründe für die Bekennerschaft angeht, so muss man die Schlußfolgerung von General allerdings nicht teilen, aber seine Darstellung ist auch nicht grundsätzlich unplausibel.
Niemand bestreitet, dass es sich um unterschiedliche Strukturen handelt. Aber sie operieren unter einem Schirm.
Französische und deutsche Truppen in Afghanistan sind auch „unterschiedliche Strukturen“, operieren aber trotzdem als ISAF.
Schauen Sie auch mal in den dritten Absatz.
Vielleicht in diesem Zusammenhang interessant:
„Die Ermittler der Isaf halten den nun festgenommenen Mann aus Deutschland offenbar für eine wichtige Quelle für weitere Recherchen. “
http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,764508,00.html
Militante Islamisten aus Deutschland sind ja häufig schon vor ihrer Festnahme sehr kooperationswillig, z.B. wenn sie als Hartz-IV-Verwöhnte feststellen, dass das Leben im unwirtlichen afghanisch-pakistanischen Grenzgebiet auf Dauer doch nicht so attraktiv ist und auch die Heldenerlebnisse sich nicht einstellen wollen. Manch einer will sich dann doch die Hintertür nach Hause offenhalten. Anders sind bestimmte Erfolge wie der vom Spiegel gemeldete oder so mancher Drohnentreffer ja auch kaum zu erklären. Man kann den diversen Feindnetzwerken also fast dankbar sein, dass sie diese Leute bei sich aufnehmen
Ist denn niemandem hier aufgefallen das der Raid fehlgeschlagen ist?
Ziel war es einen „senior military commander“ festznehmen, der Bericht enthält aber nichts was darauf schließen läßt das dieses auch gelungen ist.
Statt dessen hat man wieder mal irgendwelche Leute erwischt die nachts um drei keine Lust hatten sich von Fremden festnehmen zu lassen und geflüchtet sind.
Nebenfrage: In welcher Sprache hat man die Flüchtenden angesprochen? In dem Distrikt leben Pashtunen aber auch Tajiken und Usbeken. Mit dem üblichen Dari Übersetzer kommt man da wohl nicht klar.
@b: Was ist daran ungewöhnlich?
@b
„Mit dem üblichen Dari Übersetzer kommt man da wohl nicht klar.“
Dari ist als Verkehrssprache im Norden gängig. Für Tadschiken ist es übrigens Muttersprache.
„Statt dessen hat man wieder mal irgendwelche Leute erwischt die nachts um drei keine Lust hatten sich von Fremden festnehmen zu lassen und geflüchtet sind.“
Interessant. Sie scheinen über direkte Informationen zum Geschehen zu verfügen. Um bloße Mutmaßungen wird es sich ja wohl nicht handeln, sonst hätten Sie ja im Konjunktiv formuliert.
1 BW Soldat KIA in Kunduz laut SPON: http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,764805,00.html
Keine Meldung der ISAF bisher.
Allerdings ist gestern in Westafghanistan eine Maschine runtergekommen.