Antrittsbesuch in Afghanistan
Es ist eher Zufall, dass der neue Verteidigungsminister Thomas de Maizière seinen Antrittsbesuch bei den Soldaten im Einsatz gerade am Hindukusch macht. Eigentlich hatte er bereits in der vergangenen Woche auf den Balkan reisen wollen, wegen des AWACS-Mandats in Kabinett und Bundestag hat er diesen Besuch im Kosovo und in Bosnien aber erst einmal vertagt.
Eine Linkssammlung zu den Berichten der ersten Afghanistan-Reise von de Maizière als Verteidigungsminister (als Bundesinnenminister war er ja schon mal dort):
FAZ – „Ich komme als Lernender“
dpa – De Maizière lobt deutsche Soldaten in Afghanistan (identisch auf den Onlineseiten mehrerer Zeitungen)
dapd – Vorbereitung für Entsendung der AWACS-Besatzungen läuft (ebenfalls mehrfach)
ToloNews – Afghan Defence Minister Emphasises on Equipment
Bild – „Entschuldigung, dass ich hier mit Schlips sitze“
Ergänzung nach Lage – es steht doch sehr zu erwarten, dass der Minister nicht nur Kabul, sondern auch Masar-i-Scharif und andere Einsatzorte im Norden besucht…
(Entschuldigung, dass ich hier nur Links poste. An Bord der Ministermaschine habe ich’s nicht geschafft.)
Nachtrag: Aktuelle Bilder vom Besuch des Ministers in Masar-i-Scharif – de Maizière mit Soldaten im Atrium des Camps Marmal:
(Fotos: ISAF RC North)
Jedenfalls würde es mich für den neuen Minister freuen, wenn er mal die Truppen besuchen kann oder überhaupt etwas von sich geben kann ohne mit seinem Vorgänger verglichen zu werden. Ob die Krawattenfrage dabei berichtenswert ist, muss jeder für sich entscheiden.
Minister tragen in der Regel Krawatten (gehört zur Dienstkleidung eines Ministers) und selbst ein Soldat trägt in Kampfpausen häufig keinen Stahlhelm. Wenn er sich wie ein Soldat kleiden würde, wäre dies in seinem Alter mehr als albern. Ohne Krawatte sieht er auch nicht volksnäher aus. Es geht nicht um den Schein, sondern um das Sein! Er soll sich lieber um vernünftige Ausrüstung und Kampftechnik kümmern. Flugzeugträger, Hubschrauberträger, Großraumtransportflugzeuge (z.B. An-124, Mi-26) usw..
War der Herr in Kunduz und hat die die Brüder im PRT besucht? bzw.mit Ihnen persönlich geredet?
ähm……nein. das sagt doch alles, oder?
@UmPp
Es war sein erster Besuch.
@UmPp
Da waren Sie, glaube ich, ein bisschen vorschnell…
Jetzt war er in Kundus.
Schön das es gut unterrichtete Journalisten gibt ;-)
Danke für den Hinweis.
Nebenbei, an niemanden bestimmtes: Er war im Feldlager Kunduz.
Bei allen angeblichen „Erfolgen“: Hat sich ein deutscher Verteidigungsminister mal in die Provinz unter Afghanen getraut?
„ähm……nein. das sagt doch alles, oder?“ ;)
Aber was werden denn jetzt die Bildzeitungsleser sagen wenn der neue IBuK nicht mehr so Medienwirksam die Frontsau mimt?
@J.R.
Aber ja doch. Jung hat vor ein paar Jahren an einer Shura in Char Darrah teilgenommen. Damals versprachen die Deutschen den Afghanen den Aufbau des Distrikts. Kurz danach war er die Hochburg der Aufständischen.
(SCNR)
@Sebastian
Der Bohlen wirds schon richten ;-)
@ T.Wiegold
Danke für den Hinweis, die Info war mir in der Tat neu. :)
Aber es ist ja nicht so, als würden deutsche Politiker nicht schon wieder durchs RC Nord touren. Dazu dann noch die derzeitige „winterbedingte“ Ruhe.
Von daher wäre die Gelegenheit, eine „Verbesserung der Sicherheitslage“ medienwirksam zu demonstrieren, durchaus gegeben gewesen.
Umweltminister schwimmen ja auch durch den Rhein, und die US-Streitkräfte fliegen Verteidigungsminister und Kongressabgeordnete nach Marjah. Geschichten sind immer noch interessanter und einprägsamer als Fakten.
Und da ist es schon irgendwie bezeichnend, dass der Narrativ der deutschen Verteidigungsminister immer stärker „Solidarität mit meinen Soldaten“ geworden ist, und „Sicherheit in Afghanistan“ immer mehr in den Hintergrund trat.
Insgesamt ein erfolgreicher Besuch, ein unprätentiöser Minister, ganz unsere Kragenweite. Er wird etwas bewegen, ob es gleich Flugzeugträger sind wage ich zu bezweifeln… ein Landungsschiff würde mir reichen. Ich glaube er hat die richtigen Eindrücke gewonnen, nicht die Anzahl zählt sondern die knallharte Ausrichtung an Einsatzrealitäten. Ein guter Mann, ein anderer eben mit Profil.
Passend zu dem Besuch ein schönes Foto von de Maizière auf Bild.de.
Wirkt zwar nicht ganz so schneidig wie bei Guttenberg aber bei den Soldaten kam es wahrscheinlich trotzdem gut an.
http://tinyurl.com/46z9ovx
Den Soldaten ist es, mit Verlaub gesagt, völlig egal ob der neue Minister jetzt einen Fliegerhelm trägt oder nicht – es ging um die Persönlichkeit und die Botschaft, die er verteilte. Und da habe ich bisher aus dem Einsatzland eine positive Wahrnehmung vernommen.
Und könnten sie, werter J.R., mal präszisieren, unter welche Afghanen ein Minister sich trauen sollte? In einem Dorf im RC? Einer Polizeistation? Wozu? Um Photos zu haben, „das es wieder sicher ist“? Meinen sie, die Afghanen würden da alle einen KTzG oder d.M. kennen und mit dem Besuch etwas anfangen können? Und muss ein Verteidigungsminister das, wo der Entwicklungsminister das letztes Jahr mehrmals tat?
Um Photos zu haben, “das es wieder sicher ist”?
Genau.
Was genau er dazu tut ist glaub ziemlich egal, und wenn er sich nur in Kunduz Stadt mit ’nem Pakol auf dem Kopf ablichten läßt. (Die Kopfbedeckung ist bei solchen Besuchen doch eh das Wichtigste. Ob Niebel-Käppi, Guttenberg-Helm oder jetzt die Mazière-Fliegerhaube.) Gemäß der Tradition politischer Medienarbeit würde er dazu wohl das afghanische Äquivalent einer Rostwurst verspeisen.
Oder glaubt irgendwer, bei den Afghanistan-Rundflügen deutscher Minsiter handele es sich um „Arbeitsbesuche“?
Der einzige politische Punkt dürfte der Antrittsbesuch bei Präsident Karzai gewesen sein.
Der Rest ist neben Atmosphäre-Schnuppern* und Truppenbetreuung vor allem mediales Schaulaufen. Und da erzeugt ein Verteidigungsminister deutlich mehr Aufmerksamkeit als ein Herr Niebel** oder gar ein Herr Nachtwei.
Auch von daher ist das derzeit prägende deutsche Afghanistanbild immer noch von Herrn zu Guttenberg, wie er den Deutschen zeigt dass in Afghanistan die Neuauflage des zweiten Weltkriegs stattfindet.
—–
* Wie wichtig das ist kann ich schlecht beurteilen. Aber wenn es relevant ist: sich nur auf die Bundeswehr-Seite zu beschränken scheint fast schon fahrlässig. Mit seinen Soldaten kann er sich auch nach dem Einsatz austauschen, mit den Afghanen wird das deutlich schwerer.
** Sind von Herrn Niebels Projektbesuchen überhaupt Bilder in die Presse gekommen?
Ich würde weniger Arroganz verwenden, das steht ihnen besser. Denke kaum, das ein d.M. Truppenbetreuer spielt und mit der Presse liebäugelt, denn das wäre ein völlig neuer Wesenszug an diesem Mann. Viel eher wird die Informationsgewinnung „aus erster Hand“ das bestimmenden Element gewesen sein, was der Minister gesucht hat. Und die bekommt er eben nicht im EinsFüKdo, sondern vom Oberkommanierenden RC N in MeS, inkl. der vor Ort anwesenden Verbündeteten (soviel zum Beschränken auf Bw-Seite).
[Am Rande erwähnt finde ich es daher auch immer befremdlich und putzig, wenn gefragt wird, „ob er schon in KDZ war“ – bei allem Respekt, aber KDZ ist nicht der Nabel der operativen Welt und auch in MeS oder FAI gibt es Verbände, die jede Woche aus dem Feldlager fahren und in der gesamten Region (eben auch KDZ und südl) unterwegs sind. Das dürfte spätestens der April 2010 oder die Verluste des ASB MeS gezeigt haben…]
Aber nehmen wir mal den Worst Case an, in dem ein Minister in MeS oder KDZ im Volk badet und von einem Schläfer oder Gelegenheitsattentäter getroffen wird… Welches Bild vermitteln wir dann? Kann man das Risiko abschätzen? Nur als Wink der Geschichte: Der Attentäter von 1914 in Sarajevo war schon niedergeschlagen auf dem Nachhauseweg, als Erzherzog Franz Ferdinand aufgrund eines Zufalls doch noch an ihm vorbei fuhr…
Hallo zusammen
Den „Neuen“ vor Ort zu erleben war wenig spektakulär, aber grundsätzlich sehr angenehm. Er ist nicht so Publikumsaktiv und redegewandt wie sein Vorgänger, aber das ist für mich auch nicht so sehr wichtig.
Er kam sehr persönlich, authentisch und ehrlich rüber… mehr habe ich nicht erwartet. Alle weiteren (internen) Gespräche hatten einen anderen Charakter und waren ebenso positiv, wenn man bedenkt wie lange er schon im Amt ist und wie kurzfristig der Wechsel war.
Was ich schade finde ist, dass hier immer wieder ganz schnell auf Züge aufgesprungen wird, von denen man nicht weiß woher sie kommen und in welche Richtung sie fahren. Den Neuen kritisieren und dann selbst Dinge ohne langes Nachdenken schreiben… echt schade!
@ Voodoo
Auch ein de Mazière kann ein positives Echo in der Truppe und in den Medien gebrauchen, nicht zuletzt als Anlauf für die Bundeswehrreform. Als erfahrener Politiker weiß er das, da muss man ihm nichtmal persönliche Eitelkeit unterstellen.
Hätte er nicht früher oder später eine Afghanistanreise unternommen wäre ihm das als Desinteresse, Beamtendenken, Fehlende Nähe zur Truppe etc. ausgelegt worden.
Und der Besuch scheint ja gut aufgenommen zu werden.
(Nebenbei, eher interessehalber: Könnte er angesichts des seit Ende Februar laufenden Kontingentswechsel derzeit viele „erfahrene“ Stimmen zum Einsatz hören?)
Kann er, da das Schlüsselpersonal schon früher ausgetauscht wurde. Und wie ich schon sagte, die Verbündeten im RC Stab haben eine andere Stehzeit bzw. Rotation als die deutschen Kontingente.
Wenn erfahrene Stimmen gehört werden solten sind die nach Einsatzende nicht aus der Welt, sondern höchsten drei, vier Wochen im Urlaub.
Zur aktuellen Lage in KDZ, der Abschluss der NYT-Serie „A Year at War“:
http://tinyurl.com/4rckcyg
– Die Miliz-Problematik wird nochmal anschaulich dargestellt.
– Zudem werden die US-Kräfte in KDZ wohl schon jetzt reduziert, diese Lücken sollen ANSF und Deutsche füllen.
– Die Deutschen werden weiterhin als restriktiv charakterisiert.
Wenn ich die Lesart ändern dürfte: Da steht nicht „Die Deutschen“, sondern das die deutschen Kräfte an Regeln (ROE) gebunden sind, die ihre Effektivität behindern.
@ Vodoo: Ja, so war es gemeint.
Wobei es sich hier n.m.E. nicht mehr um die ROE handelt, die wurden ja recht deutlich „angepasst“.
Gemeint ist wohl eher das an den Tag gelegte Führungsverhalten im RC-N (reaktiv, zögerlich, übermethodisch, stabszentriert). Und damit meine ich sicher nicht die Ebene KpChef abwärts…
Da es in den USA weiterhin wilde Gerüchte über deutsche ROE gibt (dürfen nachts nicht raus, Parlament verbietet offensive Einsätze) wird derlei Verhalten dann schnell auf das Thema ROE reduziert.