Mehr Wert fürs Geld: Briten machen Rüstungs-Schlamperei öffentlich
Das ist ein interessanter Ansatz (danke für den Leserhinweis!): Der britische Verteidigungsminister Liam Fox hat bei einer Rede gestern nicht nur, wie vermutlich derzeit von allen europäischen Verteidigungsministern zu erwarten, einen effizienteren Umgang mit Haushaltsmitteln bei den Verteidigungsausgaben angemahnt. Sondern er will auch Aktionäre und Öffentlichkeit bei dem Druck auf Unternehmen einbeziehen:
And in addition we will publish a list every quarter of the Major Project Review Board’s ‘Projects of Concern’.
That way the public and the market can judge how well we and industry are doing in supporting our Armed Forces while offering value for money to the taxpayers.
I want shareholders to see where projects are under-performing so that they can bring market discipline to substandard management where required.
Also: jedes Vierteljahr eine öffentliche Liste, welche Unternehmen mit welchen Projekten nicht im Zeit- oder Kostenrahmen sind. Das klingt doch wie eine Idee?
Wieso sollten z.B. die Aktionäre von EADS sauer sein wenn der A-400 sich verspätet? Die bekommen dann doch vom BMVg noch eine Extrazahlung. Das ist in Großbritannien auch nicht anders.
Das ist billiger Populismus und vmtl. nur heiße Luft. So eine Liste würde ja bedeuten, dass das britische Verteidungsministerium frei von Fehlern ist und der schwarze Peter nur bei der Industrie ist. Neben all den Panne beim A400M bin ich der festen Überzeugung, das so gut wie alle Rüstungsprobleme unser hausgemachter Mist sind. Schon alleine die Problematik der Bedarfsträger/Bedarfsdecker-Konzeption ist wohl einmalig dämlich in der Welt.
Solange sich die Politik von der wehrtechnischen Industrie von vorn bis hinten an der Nase herumführen lässt, bringt auch eine solche Liste nichts.
Beim A400M gab es anfangs ganz gute Ansätze, die Kosten im Rahmen zu halten, indem das Risiko bei der Industrie lag.
Dann hat EADS etwas rumgejammert, den möglichen Verlust von Arbeitsplätzen beklagt, das böse Wort von Standortschließungen ins Spiel gebracht, seine Lobbyisten zum Golf spielen mit ein paar Politikern losgeschickt und schwups lag das Kostenrisiko wieder beim Steuerzahler und EADS-Manager können sich vor lachen nicht mehr halten, sobald die Öffentlichkeit ausgeschlossen ist.
Solange altbekannte Mechanismen der Politik nicht durchbrochen werden, und das geht in meinen Augen nur über Transparenz und individuelle Haftung der politischen/staatlichen Entscheider, gepaart mit starken Anti- Korruptionsbehörden, solange geht die Verschwendung weiter. Von so einem öffentlichen „Du bist aber zu spät und zu teuer!“ lassen sich die Akteure schon lange nicht mehr beeindrucken.
Denn Verschwendung von Steuergeld hat immer einen lachenden Nutznießer auf der anderen Seite zur Folge … und der wird alles tun, damit sein Goldesel weiter „kackt“.
Dafür aber gründlich DEUTSCH !
Es wäre ein Schritt in die richtige Richtung, aber trotzdem nur ein Kratzen an der Oberfläche. Letztlich würde politisches Versagen (etwa Korruption oder Verschwendung bei der Auftragsvergabe) oder technisches Versagen der Systeme (wie war das mit den Treibsätzen für die Panzerhaubitze?) nicht erfasst.
Was es eigentlich bräuchte wäre einerseits Transparenz in den politischen Entscheidungsprozessen und vermutlich noch mehr: Einen Rüstungs-Watchdog.
Entsprechende Organisationen gibt es in den „klassisch linken“ Bereichen wie Soziales, Umwelt oder Internet etc., aber in den Bereich Rüstung und Militär sind Bürgerbewegungen jetzt noch nicht wirklich vorgedrungen.
Dass „klassisch linke“ Bürgerbewegungen mit „dem Militär“ nicht viel am Hut haben ist dabei nur die eine Seite der Medaille. Dass die „Insider“/“Experten“ nur allzu bereitwillig die Klappe halten ist die andere.
Und das geht doch schon bei den Kosten für das Gerät los. Schonmal probiert im Netz die Kosten für ein Waffensystem rauszusuchen? Bestenfalls ist das ’ne mühselige Friemelei. Auch auf Wikipedia – wo man so ziemlich jedes Waffensystem detailiert beschrieben findet – wird man dazu meist kaum schlauer.
Also ich finde es ist wahrscheinlich schon ein Schritt in die richtige Richtung, denn die Marktstruktur schafft einfach unglaubliche Probleme bei der Anschaffung von militärischen Gerät und Waffen. Die Firmen haben eben auf Grund der Tatsache das es nur wenige Anbieter gibt, bzw. aus Sicherheitsgründen nicht auf andere Anbieter zurückgegriffen wird ein sehr gute Verhandlungsposition wenn es um Fristen und deren Einhaltung geht.
Dennoch würde ich das Problem nicht zu Einseitig sehen. Oft genug liegt das Problem nämlich genauso bei den Militärs und der bürokratischen Infrastruktur (Ministerium). Zumeist werden Ausschreibungen nach deren Vergabe noch um weitere Anforderungen ergänzt. Besonders bei Waffensystemen, Fahrzeugen und Flugzeugen wird dann schnell eine eierlegende Wollmilchsau gefordert. Gerade bei Länder deren Streitkräfte öfters im Einsatz sind (UK, US) sieht man dass Erfahrungen aus dem Einsatzgebiet sofort auf vergeben Aufträge umgewälzt wird. Da muss dann der leichte Truppentransporter doch plötzlich mehr Panzerung haben weil ja überall IEDs rumliegen (ungeachtet der Tatsache, dass das u.U. kein Problem mehr ist wenn die produktreife erzielt ist) und ähnliches. Das zögert natürlich jedes mal die Entwicklung und Umsetzung um viele Wochen und Monate hinaus. In diesem Bereich sind es auch gerade of Politiker die sich dann besonders schlau presentieren wollen und auf die Änderung solcher Aufträge pochen aus rein populistischen Gründen (Our boys on the ground Gerede).
Will nicht sagen dass es immer das Militär selbst ist, dass dann einfach immer mehr eingebaut haben will, aber es ist halt auch nicht immer der große Rüstungskonzern der ganz Frech seine gute Verhandlungsposition ausnutzt. Ich finde da muss man schon auch unterscheiden. Trotzdem finde ich so eine Liste generell eine gute Maßnahme wenn man sie richtig anwendet (mal ganz abgesehen von den zwei erwähnten Extremen, kann es ja auch einfach sein das wirklich unvorhergesehene Probleme ein Projekt verzögern).
Das würde ihnen auch im Bezug auf die Bw auch nichts bringen, werter J.R., denn da müssten sie am Ende erst einmal alle Nachrüstungen zusammenrechnen :-)
Beispiel gefällig? Der EAGLE IV wurde von MOWAG komplett mit Waffenstation konzipiert, vorgestellt und gebaut. Die Bundeswehr kaufte sie aber zur Sicherheit erst einmal ohne; dann stellte man fest, das es gefährlicher in AFG wird und entschloss sich, eine Waffenstation nachzurüsten. Man entschied sich für die Lösung eines Konkurrenzunternehmens und war glücklich. Aber hossa, wie konnte das passieren, der Einbau und die Verkabelung passte nicht und musste komplett neu (!) konzipiert und verlegt werden und das bei Autos mit zwei- bis dreistelligen Gesamtkilometerzähler-Werten…
Fragen sie lieber nicht nach, um wieviel teurer es wurde, ich will es auch nicht wissen. Aber hauptsache nicht von Anfang an eine komplette Lösung nach dem Motto „Haben ist besser als brauchen“ kaufen, damit es billiger wird.
@Vodoo
Das hat aus politischen Gründen System und ist kein Versäumnis. Zum einen ermöglicht ein solches Verhalten die Aufspaltung von Aufträgen auf mehrere Firmen und damit politische Interessensträger, zum anderen lässt dies bei kameralistischer Buchführung, trotz der insgesamt enorm steigenden Kosten, die einzelnen Haushaltsposten über die politisch verhandelt wir kleiner erscheinen.
So wurde die PzH2000 zunächst bewusst ohne Feuerleitsystem beschafft um den ursprünglichen Systempreis niedrig zu halten. Die absolut notwendige „Aufrüstung“ mit den notwendigen Komponenten wurde dann in einem separaten, später verhandelten Hazushaltsposten angelegt. Insgesamt hat das den Steuerzahler natürlich unnötig Millionen gekostet. Ähnlich geht man bei vielen Projekten vor. Aus militärischer Sicht als zwingend notwendig angesehene Eigenschaften werden so in der Beschaffung bewusst nach hinten geschoben und die Produkte, die mit dem „Originalvertrag“ beschafft werden, können so gar nicht einsatzfähig sein, die erste „Aufrüstung“ ist schon Teil des Beschaffungskalküls auch wenn das den Steuerzahler gegenüber einer „ehrlichen“ Beschaffung im Aggregat Milliarden kostet. Dies geht nicht von der Industrie aus sondern ist Ergebnis der aus der Kameralistik hervorgehenden Anreizstruktur für Haushälter und Politiker.
Das hat mittlerweile System und führt auch zur Weiternutzung von Systemen weit über den wirtschaftlichen Ersatzzeitpunkt hinaus (wenn die Nutzungskosten des Altsystems die Summe der Nutzungskosten des neuen Systems und der Abschreibung von dessen Anschaffungskosten überschreiten) und Dingen wie BwFPS, die alle im Endeffekt den Steuerzahler mehr kosten, was aber nur bei kaufmännischer Buchführung zwangsläufig auffiele.
Die Veröffentlichung einer solchen Liste wird gewollte und ungewollte Konsequenzen haben. So ein „Project Review“ dient nicht zuletzt dazu, sehr offen alle Risiken aufzudecken und Konsequenzen zu ziehen – möglichst rechtzeitig.
Transparenz ist ja schön und gut, aber wo keine Fehler mehr gemacht werden dürfen, werden eben auch keine mehr passieren – sprich: da der Mensch ein höchst anpassungsfähiges Wesen ist, werden alle Beteiligten öffentlich nur noch Sonnenschein berichten, bis der Karren dann richtig, vielleicht unumkehrbar im Dreck steht. Damit würden Project Reviews zur reinen Powerpoint-Sow ohne Realitätsbezug degenerieren.
Gut gemeint ist eben nicht immer gut gemacht.
Warum so etwas veröffentlichen? Warum ein Watch-Dog-Netzwerk mit irgendwelchen Typen, die nicht die erforderlichen Zugangsberechtigungen besitzen, gescheige denn die notwendige militärische und finanzplanerische Expertise mitbringen.
Wir haben eine sehr gut arbeitende Institution namens Bundesrechnungshof. Dort ist alles vorhanden, was solch ein Gremium mitbringen muss. Einfach nur den Maulkorb und die zigfachen Vorprüfungen der Berichte abschaffen und die Ergebnisse wirklich in den Planungsprozess mit einbringen. Vielleicht sogar eine Stellungnahme wie beim Bericht des Wehrbeauftragten erzwingen, den der Bundestag auch annehmen muss. Das würde meines Erachtens schnell und praktikabel sein und den Aufbau unnötiger Strukturen im Prüfungswesen ersparen.
@ Voodoo
Das käme noch dazu – und sie werden mir wohl recht geben, dass das für Nicht-Insider jenseits einer sehr groben Abschätzung derzeit eine fast unmögliche Aufgabe ist? ;)
Dabei ist der Eagle ja schon eins der Systeme, bei dem ein fast schon präziser Preis in der Wikipedia angegeben ist: 0,5 Mio € bis 1 Mio € das Stück, dazu noch der Umfang zweier Beschaffugsaufträge. Das ist angesichts des derzeit Üblichen ja schon fast vorbildlich.
Bei der Waffenstation wird man hingegen wieder im Dunkeln gelassen.
Auch bei so etwas „simplen“ wie dem Preis einer TOW (keine eigene Forschung, keine Aufrüstungen, große Stückzahl) kann man nur raten.
Mit ihrem Hinweis auf versteckte Kosten haben sie durchaus recht. Aber derzeit reichen die Informationen oft nichtmal zum Abschätzen einer unteren Grenze…
@ J.R.
Solange es sich um Rüstungsgüter handelt die in den US-Streitkräften eingeführt sind kann man deren Kosten (zumindest dass was die Amerkianer gezahlt haben) relativ einfach herausfinden da dort bis auf die „schwarzen“ Projekte alle Haushaltsmaterialien offen und frei im Internet verfügbar sind. Hier z.B. der Haushaltsentwurf der US Army für FY2012:
http://asafm.army.mil/offices/BU/BudgetMat.aspx?OfficeCode=1200
Dann das pdf Dokument Army Procurement – Procurement Justification Book – Missiles nach der TOW durchsuchen und die „flyaway unit cost“ ablesen. In dem Jahr nicht vermerkt? In den anderen Jahren nachsehen (die Materialien stehen seit 1997 online). An den Vertragspartnern, statements of work etc. interessiert? Das meiste davon findet man hier, auch bei bereits abgeschlossenen Verträgen:
https://www.fbo.gov/?s=main&mode=list&tab=list
Die Transparenz in den Formalien ist in den USA extrem. Was intransparent ist sind die Prozesse „hinter den Zahlen“ und die Art und Weise der politischen Einflussnahme. Doch auch da hat Obama etwas geändert, denn seit 2008 muss das US Militär jede schriftliche Kommunikation zu „Earmarks“ (wenn z.B. ein Abgeordneter nachfragt wann denn der Zeltherstelle in seinem Wahlkreis endlich mit der Bestellung rechnen kann nachdem er die Gelder dafür „geearmarkt“ hat) öffentlich ins Netz einstellen. Doch so etwas verlagert die Vorgägne dann eher ins mündliche und fernmündliche…
@ TBR
Danke für den Hinweis, wusste wirklich nicht, dass man dort mit hinsichtlich Open Data schon so weit ist.
(Meine bisher beste Quellen waren Datenbanken wie army-guide.com, und dort war die Datenlage je nach System sehr unterschiedlich.)