MEADS ohne Amis
Das dürfte ein schwerer Schlag für das amerikanisch-deutsch-italienische Raketenabwehrsystem MEADS sein: Die USA wollen die Finanzierung des milliardenteuren Waffensystems nur bis zur vertraglich vereinbarten ersten Teilentwicklung 2013 mitmachen, dann aber aussteigen. In erster Linie hat es damit zu tun, dass selbst das Pentagon sparen muss – allerdings, wie Reuters aus Washington berichtet, auch mit der U.S.-Bewertung der Leistungsfähigkeit des Programms: The Pentagon said it remained concerned about the overall track record of the program and might ordinarily have canceled it. But Hale noted that continuing development of the program until 2013 would avoid costly termination fees and benefit the partner nations on the program.
An dem geplanten Medium Extended Air Defense System beteiligen sich die USA mit 58 Prozent, Deutschland mit 25 und Italien mit 17 Prozent. Ob die beiden europäischen Länder das Programm ohne den Hauptpartner stemmen können? Ist eine interessante, angesichts der Haushaltszwänge vielleicht eher rhetorische Frage.
Die europäische MBDA, der Hauptauftragnehmer auf europäischer Seite, macht allerdings noch tapfer in Zuversicht:
Position der MBDA – Deutschland zur Entscheidung der USA, die weitere Zusammenarbeit im transatlantischen Programm MEADS bis auf weiteres auf den Abschluss der Entwicklungsphase 2013 zu begrenzen.
1.Die USA halten am trinationalen MoU zur Entwicklung des Luftverteidigungssystems MEADS fest. D.h. die Entwicklungsarbeiten werden bis 2013 – wie vertraglich vereinbart – fortgeführt und gemäß den Festlegungen der drei Nationen (auf der Ebene der NAMEADSMA) bis dahin entsprechend inhaltlich gestaltet. Dafür stehen noch erhebliche Mittel (ca. 1 Mrd. €) zur Verfügung.
2.Ziel ist es, dass mit dem trinationalen Entwicklungsabschluss 2013 durch zwei Testschüsse mit einem „Proof of Concept“ die Voraussetzungen dafür geschaffen werden, dass danach die Entwicklungsarbeiten auf nationaler (deutscher) oder bilateraler (deutsch-italienischer) Ebene bis zur Fertigentwicklung fortgesetzt werden können und damit der Einstieg in eine Vorserie bzw. Serie möglich wird. Die USA erhalten sich die Option, MEADS-Technologien für ihre künftigen Luftverteidigungsaktivitäten zu nutzen. Die USA schließen auch einen späteren Wiedereinstieg nicht aus.
3.Die aktuelle Entscheidung der USA hat unmittelbar keine Auswirkungen auf die Beschäftigungssituation in der MBDA Deutschland bis 2013. Sollte danach allerdings Deutschland oder Deutschland gemeinsam mit Italien die Fertigentwicklung bis 2015 nicht beauftragen, hätte dies sehr wohl gravierende Folgen für die Arbeitsplätze und Fähigkeiten bei der MBDA Deutschland.
4.Eine Finanzierung der Fertigentwicklung bis zum vollständigen Systemnachweis kann in Deutschland mit den für die Post-CDR-Phase eingeplanten Mitteln sicher gestellt werden.
5.Wir begrüßen ausdrücklich, dass die Deutsche Luftwaffe am Programm MEADS festhält. Dies belegen zahlreiche öffentliche Äußerungen der Luftwaffenführung aus den letzten Monaten. Die Luftwaffe sieht MEADS als Deutschlands künftigen Beitrag für eine NATO-Raketenabwehr, wie sie auf dem jüngsten NATO-Gipfel in Lissabon festgelegt wurde. Alternativen zu MEADS werden nicht gesehen.
6.Wir verstehen die US-Entscheidung nicht als grundsätzliche Absage an die operativen Fähigkeiten des Luftverteidigungssystems MEADS (vgl. Punkt 2 oben). MEADS ist uneingeschränkt die richtige Antwort auf die aktuellen und künftigen Bedrohungen. Die US-Entscheidung ist ausschließlich der angespannten Haushaltslage in den USA geschuldet.
Zur Erinnerung: Der Koalitionspartner FDP hatte in den Koalitionsverhandlungen 2009 noch versucht, in den Vertrag mit der Union den Passus aufzunehmen, dass MEADS gestoppt wird. Dazu kam es nicht. Allerdings dürfte, siehe die Aussagen sowohl aus Washington wie von MBDA, maximal die Entwicklung des Systems wahrscheinlich sein. Für eine Beschaffung sieht es zappenduster aus. Allerdings positioniert sich MEADS zumindest aus deutscher Sicht, auch dazu siehe die MBDA-Stellungnahme, als deutscher Beitrag zum in der NATO verabredeten Raketen-Abwehrschild…
Nachtrag: FDP-Haushälter Jürgen Koppelin äußert sich wie erwartet:
BERLIN. Zur Ankündigung des US-Verteidigungsministeriums, aus der Entwicklung und damit auch aus der Finanzierung des Raketenabwehrsystems MEADS ab 2013 auszusteigen, erklärt der FDP-Obmann und Hauptberichterstatter für den Etat des Bundesverteidigungsministeriums Jürgen KOPPELIN:
Die Ankündigung des US-Verteidigungsministeriums aus der Entwicklung und damit auch aus der Finanzierung des Raketenabwehrsystems MEADS ab 2013 auszusteigen kommt nicht unerwartet und ist richtig.
Dieses gemeinsame Rüstungsprojekt von USA, Italien und Deutschland wurde noch von der rot-grünen Bundesregierung vereinbart, obwohl es als Alternative zum Raketenabwehrsystem PATRIOT wenig Mehrleistung erbracht hätte. Zudem hat die bisherige Entwicklung bereits fast eine Milliarde Euro verschlungen, die Beschaffung hätte nochmals für Deutschland drei Milliarden Euro gekostet.
Die FDP hat schon zur Zeit der rot-grünen Bundesregierung das Projekt abgelehnt, da der finanzielle Aufwand in keinem Verhältnis zur Leistung von MEADS steht.
Bereits bei den Haushaltsberatungen für die Etats 2010 und 2011 hat die FDP den Ausstieg aus MEADS verlangt. Wenn die USA nun im Zuge der Haushaltssanierung auf MEADS verzichten, sollte Deutschland dem nicht nachstehen.
Oh jee, MEADS zur Abwehr von ballistischen Raketen. Na gut, man kann auch versuchen mit einem G36 einen Eurofighter abzuschießen. Wenn zu Guttenberg unbedingt seinen Raketenabwehrschirm haben möchte, soll er SM-3 für die Sachsen-Klasse Fregatten kaufen. Da bekommt man für weniger Geld wesentlich mehr und sinvolleres.
Ist das wirklich soviel sinnvoller? Wenn wir die geographische Lage betrachten, dann macht die Stationierung eines Raketenschirm bzw. der Trägersystem auf Schiffen für die USA durchaus Sinn. Schließlich wird Kanada vmtl. nicht zum Agressorstaat mutieren.
Für D ist die seegetützte Variante aber wohl wenig empfehlenswert. Entweder wir schicken die Marine ins Schwarze Meer bzw. in das ostwertige Mittelmeer (mit all seinen logistischen und diplomatischen Problemen) oder die Fregatten kurven auf der Spree herum. Die Leistungsfähigkeit von MEADS ist wie bei jedem deutschen Rüstungsprojekt der letzten Jahre stark zu bezweifeln, aber ich behaupte mal, für eine landgestützte Variante gibt es keine sinnvolle Alternative.
THAAD ist die sinnvolle (Landgestützte) Alernative und an das was man Denkt, wenn man von einem Raketenschirm spricht.
bzgl. SM-3
Wie Sie gesagt haben ostwertige Mittelmeer (vor der Küste Griechenlands) oder Golf von Oman tut es auch. Wobei das Schwarze Meer auch nicht ausgeschlossen ist, da ein Raketenschirm ohne Zustimmung der Russen wieso fast nicht möglich ist und die NATO eine Kooperation mit Russland anstrebt. Dabei dürften die Russen über einen Raketenschirm in der Achse Iran-Moskau nicht abgeneigt sein. Besonders dann wenn diese Schiffe keine Marschflugkörper tragen welche wiederum Moskau gefährlich werden könnten.
p.s Israel erprobt gerade ein Landgestütztes SM-3 System.
Davon abgesehen bin ich der Meinung das diese ganze Raketenschirm ja / Atomwaffen nein Ideologie in Europa zum Scheitern verurteilt ist. Die Zahl der Atomwaffen nimmt in Schwellenländern mehr zu als ab. Diese durchgeknallten Machthaber lassen sich jedoch ehr durch eine reale atomare Abschreckung einschüchtern, als durch eine theoretische Abwehrmöglichkeit.
Habe gerade mit google earth gespielt. Es sieht so aus, als ließe sich das gesamte Bundesgebiet aus der Ostsee und der Adria mit SM-3 abdecken.
Ich bezweifel ja sehr stark, dass Abschreckung in einem europäischen Kontext eine Rolle spielt.
Ganz im Ernst: Einen Atomwaffeneinsatz seitens der NATO in einem regionalen Konflikt erwartet glaub derzeit niemand.
Gerade Iran hat die derzeitige Lage ja sehr gut verstanden: Keine offene Invasionen, aber massive Einflussnahme in der Region (bis hin zum Ausbilden und Ausrüsten von Kämpfern gegen Israel und die US-Streikräfte im Irak).
Da wirkt das Nato-Gerede über Raketenschutzschirme und Atomare Abschreckung schlicht wie von einem anderen Stern. Dort wo’s schwelt interessiert das niemanden. Dort zählt, wenn überhaupt, dass die USA in zwei Kriegen feststecken und einen dritten nur anfangen werden, wenn er ihnen aufgezwungen wird.
Und – oh Wunder – trotzdem geht die Welt gerade aus militärischer Sicht nicht massiv den Bach runter. Vielleicht ist Weltpolitik doch keine Partie „Risiko“, wo die Despoten nichts besseres zu tun haben als sich zu überlegen, welches Land sie denn als nächstes überfallen werden.
Für einen „militärischen Akteuer Europa“ sind Atomwaffen und Raketenschirm schlicht überflüssig. Beides sind mittlerweile rüstungsseitig vorangetriebene „Problemlösungen ohne Problem“.
Was fehlt ist europäische Interventionsfähigkeit. Und vor allem eine weltweite Ordnungspolitik, die einerseits einen „Abschreckungsrahmen“ vorgibt, und anderseits Konflikte rechtzeitig entschärft.
Danach siehts aber nicht aus. Die beschämende, menschenverachtende und kurzsichtige Nordafrikapolitik der EU, die derzeit ja etwas ausführlicher beleuchtet wird, unterstreicht das ja leider sehr gut.
Ob in diesem oder einem anderen Kontext kann man ja gerne mal den folgenden Satz laut aussprechen: „Benehmt euch, oder wir schicken die Bundeswehr vorbei.“ Klingt unglaubwürdig bis zur Lächerlichkeit, oder?
Wenn die EU ein Druckmittel hat, dann als Wirtschaftsmacht. Das ist auch erstmal gut so.
Dumm wird’s halt dann, wenn jemand nicht am europäischen Markt interessiert ist. Etwa im Kongo. Oder im Sudan. Oder in Somalia. Da bleibt dann a) schmieren und hoffen dass es wirkt, oder b) wegschauen und kleinreden.
Und weder Raketenabwehr noch Atomraketen werden daran etwas ändern.
@J.R – ich gebe Ihnen prinzipiell recht. Nur haben Raketenschirme oder atomare Abschreckung nun einmal nichts mit konventionellen Krisen/Konfliktszenarios zu tun. Deutsche wollen den Raketenschirm weil da jemand aus dem Osten mit der Atombombe schmeißen könnte. Das sieht eben so schön unschuldig und sauber aus nach dem Motto:“ Wir verteidigen uns nur selbst, was böses machen tun wir ja gar nicht“.
Ich sage jetzt, dass für dieses Szenario ein Raketenschirm die schlechteste Lösung ist da:
1.Die Systeme technisch nicht ausgereift sind und die Abwehrchance in einem realen Szenario nicht wirklich toll ist.
2. Was macht man nachdem man eine Atomrakete abgewehrt hat? Fliegt dann Herr Westerwelle in den IRAN und verbietet sich solche Aktionen in Zukunft?
Letztlich wird nur eine reale atomare Bewaffnung, irre Machhaber aus dem Osten davor abschrecken überhaupt mit etwas zu schmeißen. Falls die doch so irre sind und mit etwas schmeißen muss der Westen innerhalb von wenigen Stunden eine Antwort generieren über die man noch in tausend Jahren sprechen wird. Bei allem anderen verliert der Westen jede Abschreckung und wir können unsere Bevölkerung dann gleich in den Sarg legen.
Ein Raketenschirm macht höchstens als Ergänzung Sinn. Das haben alle NATO Atommächte kapiert. Nur Deutschland und allen voran Herr Westerwelle wiedereinmal nicht.
@ Bang50
Letztlich ist ein Nuklearschlag auch nur ein schlagkräftiger Angriff mit Sahnehäubchen (und einigem am Ballast). Bei Abschreckung gibt es doch nur wenige Fälle:
a) Es handelt sich um einen rationalen Akteur. Der macht vor einem Angriff die Rechnung auf, stellt fest, dass das Echo für ihn vernichtend wäre, und läßt es bleiben. Dazu braucht es keine Atomraketen, und ob es einen tiefen Krater gibt ist auch nebensächlich.
b) Es handelt sich um einen irrationalen Akteur. Angriff ohne Rücksicht auf die Kosten oder das eigene Wohlergehen. Das wäre praktisch der einzige Fall, in dem ein Raketenschirm – und sei er noch so untauglich – zu rechtfertigen wäre. Nur fehlt es hier schlicht an einem ausreichend durchgeknallten Alleinherrscher als Bedrohung. Von Koffer-Atombomben fangen wir hier lieber gar nicht an. (Die Ironie an der Geschichte ist, dass hier der beste Schutz eben Volks-Herrschaften sind. Schlicht weil die Bevölkerung kaum so durchgehend fanatisiert ist, dass sie Lust hätte einen allesvernichtenden Krieg auszubaden.)
c) Es handelt sich um einen rationalen Akteuer, der bereit und geschickt genug ist, seine Aggression unter der Messlatte für einen massiven Vergeltungsschlag zu halten. Der ist dann zwar (noch) keine Bedrohung für Europa oder die USA, aber sehr wohl für seine Region.
Da zieht dann atomare Abschreckung oder die Drohung einer Invasion wie im Irak oder in Afghanistan schlicht nicht. Da braucht es die Fähigkeit angemessen zu reagieren – und um die ist es ziemlich schlecht bestellt.
(Dabei hat doch gerade die deutsche Geschichte gezeigt, dass man solchen Aggressoren besser den Wind aus den Segeln nähme, solange sie noch klein und leicht in den Griff zu kriegen sind.)
Und gerade bei c) stellt sich die Frage, ob man die weiterhin ignorieren will. Die größte Gefahr geht wohl letztlich von einem regionalen Konflikt aus, in den die Weltmächte als Konfliktparteien hineingezogen werden. (Wahlweise auch einem regionalen Kriegstreiber der größenwahnsinnig wird oder nur noch maximalen Schaden anrichten will – wobei letzteres nebenbei weder auf Iran noch Nord-Kora zutrifft.)
Und da ist der beste Schutz letztlich ein ordnungspolitischer Rahmen und die Fähigkeit (und der Wille) solche Konfliktherde schnell zu entschärfen.
Wenn man sich da anschaut, wie die Bereitschaft zu Stabilisierungsmissionen gesunken ist weil die Nato-Staaten schlicht nicht über die notwendigen Fähigkeiten verfügen, dann seh ich da schwarz.
Fazit: Europa schreckt gegen eine Gefahr ab, die es nicht gibt (den Superstaat, der eine Invasion Europas oder einen neuen Kalten Krieg versucht), und wird von all den kleinen Kriegstreibern der Welt schlicht ignoriert, weil es an einem Rahmen zum Eingreifen fehlt (Fähigkeiten, Wille, nötige Absprachen mit anderen weltpolitischen Akteuren wie China und Russland; sowohl militärisch, politisch, wirtschaftlich).
Dass die MBDA Zuversicht streut ist nachvollziehbar. :)
Mal im Ernst. Das ganze Projekt gehört doch in die Sektion „Luxus“ oder laut Bang 50 eher „Unfug“ und muss auch dementsprechend gering prorisiert oder gleich eingestampft werden.
Jetzt noch zu zweit einen solchen Geldfresser weiterzuschleifen ist schlicht verantwortungslos und entbehrt irgendwo einem konkreten Bedarf.
Es gibt aber leider noch genügend Generale, Stabsoffiziere und Beamte, die dieses Projekt tootaaaaal wichtig finden… Es würde mich also nicht wundern, wenn man krampfhaft versucht, es irgendwie am Leben zu halten, koste es, was es wolle.
Und spätestens, wenn die Arbeitsplatzkeule eines unbedeutenden Ministerpräsidenten ausgepackt wird, ist das Projekt zurück im Ring. Ich sage nur Predator vs. Heron…
@Voodoo: Huch, wie viele Arbeitsplätze soll den Heron Ihrer Meinung nach in D geschaffen haben? Ein paar Projektleiter bei Rheinmetall vielleicht.
@alle: da verabschiedet sich gerade eine weitere Altlast realitätsferner Rüstungspolitik. Wer eine ernsthafte Alternative für einen Raketenabwehrschirm sucht, braucht doch kein MEADS, welche Bodenanlagen oder -truppen in bestimmten Sektoren schützt, sondern ein system strategischer Reichweite. Mal ehrlich, eine Massenvernichtungswaffe zerstöre ich doch nicht im Anflug auf meine eigene Bevölkerung, sondern in der Aufstiegsphase, beim „Verursacher“. Deshalb stellt man bei Bedarf ein Schiff vor die Küste des Gegners und hat eine echte Abschreckung – mit der marktverfügbaren SM3 vermutlich sogar kostengünstiger als MEADS. Alles andere ist doch typisch deutsche kontinentale Beschränktheit und ein dreistes Täuschungsmanöver.
Ich hatte Heron zum einen aufgeführt um deutlich zu machen, das hierzulande ein unbedarfter Politiker „mal eben im Alleingang“ dafür sorgen kann, das man Gerät anschafft, gegen das sich die Truppe (und diesmal sogar ein paar hochrangige Beamte) an höchster Stelle gewehrt hat, weil es die Anforderungen schlichtweg nicht erfüllte.
Und zum anderen hier nochmals zum Nachlesen, welche Arbeitsplätze wohl mit der Heron-Entscheidung zusammenhängen:
http://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/warum-heron-1-doch-gewann;2375043
1. Ein bodenständiges raketengestütztes Luftabwehrsystem ist unverzichtbar, weil sich die politische Situation und damit die Bedrohungslage schneller ändert, als wir mit einer kurzfristigen Aufstellung eines solchen Luftabwehrsystems reagieren könnten.
2. Es muß nicht MEADS sein. Neben all der hier bereits erwähnten Alternativen könnte es der russische Komplex S-400 Triumph sein. Vorausgesetzt wir können es mit unserem falschen Stolz vereinbaren. Es wäre sicher ein positives Signal für die angstrebte Partnerschaft NATO-Russland. Die IRIS-T SL ließe sich dort sicher auch integrieren.
„Gegenüber dem Patriot-Flugabwehrsystem der NATO wird die S-400 als überlegen angesehen. So besitzt die S-400 beispielsweise die doppelte Reichweite zur Bekämpfung von Luftzielen.“
Wenn man schon keine amerikanischen Hubschrauber kauft, sondern lieber an eigenen Mühlen herumdoktort, weil es „politisch / wirtschaftlich gewollt“ ist, dann wird man erst recht keine russischen FlaRakSysteme einkaufen…
Wobei, ´Falscher Stolz´ ist gar nicht so verkehrt ausgedrückt.
Ich würde es eher mit Weitsicht umschreiben als mit „falschem Stolz“.
Wer weiß ob die Russen damit einverstanden sein werden und nicht den Support einstellen, wenn die Bundeswehr irgendwann mal in B-Stan eingesetzt wird.
Russische Luftabwehr ist vermutlich nicht besonders gut in die integrierte Luftverteidigung zu integrieren. Das dürfte schon beim IFF scheitern, und derart wichtige Krypto-Geräte geben wir bestimmt nicht den Russen zum Ausprobieren. Und die uns umgekehrt auch nicht ihre modernste Luftabwehr.
Aber hört sich ja immer erst einmal gut an, die Mär von den ach-so-tollen und ach-so-billigen russischen Anlagen…
@ Stefan
Ganz im Ernst: Wo soll denn diese Bedrohung mit Kurz- und Mittelstreckenraketen bitteschön herkommen? Glaubt hier wirklich einer an eine Neuauflage des V2-Kriegs, diesmal Deutschland-Iran?
„Die Sicherheitslage kann sich ändern“ ist schlicht kein Freibrief das Hirn abzuschalten und jeden Mist zu kaufen.
Aber sowas kommt wohl dabei raus, wenn man das Geld in Industriesubventionen steckt statt in ortskundige Experten.
Unser Verteidigungsminister hält ja auch ein stärkeres Engagement Indiens in Afghanistan für stabilisierend für die Region. Was man halt so nicht alles sagt wenn man ein paar Eurofighter in eine der explosivsten Regionen der Welt verkaufen will…
Diese rüstungsgetriebene Politik ist einer der Hauptgründe, warum a) das Vertrauen der Bevölkerung in das deutsche Militär (und die deutsche Militärpolitik) so miserabel ist, und b) das deutsche Militär trotz enormem Budget immernoch für Standardaufgaben nicht ausgerüstet ist.
Davon abgesehen das wie immer wenn Russische Technik angeführt wird ich den Spielverderber mache und sage so einfach ist das alles nicht. Das hat wenig mit „falschem Stolz“ zu tun als viel mehr damit, das Technik nun einmal kompliziert ist.
Auf welcher Grundlage basiert diese Erkenntniss?
Zitat:“Die IRIS-T SL ließe sich dort sicher auch integrieren.“
Warum sollte sich D soetwas antun, wenn moderne westliche Systeme verfügbar sind? Weil die Russen einfach geil sind und man die Rüstung einfach kaufen muss?
Nur als kleiner Hinweis bevor jetzt jemand schon wieder feuchte Träume bekommt.
Die Erfassungs und Kommunikationstechnik für ein strategisches Abwehrsystem ist füchterlich kompliziert. Als die Amerikaner einen Satelliten mit SM-3 abgeschossen haben, wurden die Zieldaten von einem THAAD System geliefert. Was sagt uns das? strategische Luftabwehrsysteme sind vernetzt. Diese Vernetzung basiert auf NATO Link 16 Technik und die Verschlüsselung ist so ziemlich das Geheimste was man neben den Startcodes für Atomraketen so bekommen kann (Für die deutschen LINK 16 Systeme in Eurofighter, Fregatten etc.. werden extra amerikanische Offiziere abgestellt die nur diesen Schlüssel hüten. ) Deshalb werden die Deutschen einen Teufel tun, ein LINK 16 Terminal mit einer russischen Radaranlage zu koppeln. sorry
@J.R Nochmal..ich stimme mit Ihnen vollkommen überein. Für mich gibt es auch wichtigere Sachen. Aber in diesem Szenario geht es einfach nur um die Möglichkeit das eine Nation X von irgendwo her, aus irgendeinem Grund ABC Waffen auf Europa schmeißt. Nur für dieses Szenario wollen deutsche Politiker den Raketenschirm, gleichzeitig meinen die selben Herren man könnte dadurch eine Welt ohne Atomwaffen schaffen. Das diese Annahme vollkommen Naiv ist, war die Intention meiner Beiträge.
@Bang50
„Deshalb werden die Deutschen einen Teufel tun, ein LINK 16 Terminal mit einer russischen Radaranlage zu koppeln. sorry “
Es geht aber dann eher um die Koppelung eines „LINK 16 Terminals“ mit deutscher Militärtechnik, aus russischer Produktion. Die Griechen kriegen dies doch auch hin. Die verfügen dort massenhaft über russische Militärtechnik, insbesondere Radargeräte, und sind trotzdem NATO-kompatibel. An Fla-Raketensystemen verfügen die Griechen z.B. neben Patriot PAC III und MIM-23 Hawk über russische S-300 PMU1 und Tor M1. Und die arbeiten recht gut vernetzt zusammen.
Eine Radaranlage, die natürlich zu jedem Fla-Raketenkomplex gehört, läßt sich selbstverständlich mit jedem vernünftigen Datenübertragungssytem problemlos, mit einem vertretbaren Aufwand, koppeln. Das kriegt jeder gute Ingenieur hin. Und davon soll es nach meinen Informationen in Deutschland noch einige geben. Glauben Sie einem alten ehemaligen Offizier und Ingenieur, der allein 17 Jahre seiner Dienstzeit in Radar – und Fla-Raketeneinheiten zugebracht hat.
Meinetwegen auch US-Technik oder besser französische bzw. europäische Technik. Aber auf eine bodengestützte Luftabwehr für mittlere und große Höhen zu verzichten ist sträflicher Unsinn.
@ Bang50
Ich weiss halt nicht, ob „die Politiker“ wirklich so denken, würde es sogar eher bezweifeln. Mein Eindruck ist da eher, dass viele mittlerweile den Nicht-Einsatz von Atomwaffen als gegeben hinnehmen und keine weiteren Gedanken daran verschwenden. Ich hab auch nicht den Eindruck, dass das in Bevölkerung und Militär groß anders ist.
Dass diese Entspannung nur durch eine Deckelung der Streitkräftegrößen und eine Kontrolle der Aufwuchsfähigkeiten möglich war wird mittlerweile glaub gerne vergessen. Politik ist halt nicht so sexy wie Rüstung. Die jetzt gegebenen Chance, endgültig die Atomwaffen der Blockstaaten auszumustern und so das Gespenst des „Irren am roten Knopf“ nachhaltig zu beseitigen wird leider nicht genutzt.
Und das ist auch der Punkt, wo ich anderer Meinung bin: Der Raketenschirm wird eben nicht im Kontext atomarer Abschreckung gesehen. Dem Kräfte-Gleichgewicht in Europa (dass sich ja eh schon stark zugunsten West-Europas geneigt hat) schadet er ja eher. Aber die NATO ist derzeit ja deutlich lauter und präsenter als die OSZE – bleibt zu hoffen, dass sich das nicht irgendwann rächt.
„Mehr Sicherheit durch weniger Waffen“ ist halt verdammt unsexy und paßt nicht zur deutschen Rüstungspolitik.
Dass der Raketenschirm als „Schutz“ vor „Schurkenstaaten“ vermarktet wird, d’accord. Aber die Tendenz ist doch eher „Zum Schutz vor Schurkenstaaten nehmen wir selbst verstimmungen mit Russland in Kauf“. Er dient halt nicht der Stabilisierung des Friedens in Europa, sondern es wird einfach angenommen, dass der europäische Friede auch noch einen einseitigen Raketenschirm verkraften wird.
Dabei läßt man einen Punkt völlig außer acht: Dass es als Schurkenstaat ziemlich blöd wäre zurückverfolgbare Raketen aus leicht auszuschaltenden Stellungen abzufeuern, wenn man genausogut Terrorgruppen einsetzen könnte; Lockerbie, Hisbollah – ist jetzt nicht so, als gäbe es da einen Mangel an Referenzmaterial. Dass diese ganze Raketenschirmdebatte so entgegen aller „Kalter Krieg“- und „Krieg gegen den Terror“-Erfahrungen abläuft ist das eigentlich Erschreckende.
Es zeigt vor allem eins: Wie unabgestimmt und panisch die Reaktionen auf eine angehende Mittelmacht wie Iran sind, wenn diese die althergebrachten Bluffs durchschaut, und daraus kein Geheimnis macht.
Und damit wäre man dann wieder bei den fehlenden Fähigkeiten angemessen zu reagieren. Meine Güte, es reicht ja nichtmal für ein automatisiertes System europaweiter Wirtschaftssanktionen.
Aber in einer Welt, in der Siemens Reaktortechnik und Telefonüberwachungssysteme nach Iran liefert, während EADS an der Entwicklung einer Raketenabwehr gegen irgendwann mal existente atomar bewaffnete Regime aus dem Nahen Osten verdient, wäre das wohl zu schlecht fürs Geschäft.
Geradezu ein Treppenwitz in dem Zusammenhang ist es ja, dass man früher einen Ausstieg aus MEADS nicht zuletzt mit der letzten verbliebenen transatlantischen Rüstungszusammenarbeit gerechtfertigt hat. Und jetzt wird diese Zusammenarbeit gerade von jenseits des Atlantiks aufgekündigt.
@J.R.
„Dabei läßt man einen Punkt völlig außer acht: Dass es als Schurkenstaat ziemlich blöd wäre zurückverfolgbare Raketen aus leicht auszuschaltenden Stellungen abzufeuern, wenn man genausogut Terrorgruppen einsetzen könnte;“
Die meisten Raketensysteme sind hoch mobil. Eine Zurückverfolgung bringt fast garnichts, denn nach dem Start erfolgt in der Regel ein sofortiger Stellungswechsel. Ein Gegenschlag ginge also ins Leere. Zumindest war es vor 30 Jahren so. Raketen kann man vom eigenen Territorium aus ungestört einsetzen, wärend man Terrorgruppen erst einmal im Ausland unbemerkt in Stellung bringen muß.
Oder man packt den Startcontainer auf ein Schiff und los gehts. Vielleicht sogar noch billiger. Einfach die Bombe in einen Seecontainer verladen. Dann nach China, im Freihafen umladen und zurück dann nach Bosten, Hamburg oder Amsterdam. Sobald der Zoll das Ding röngt oder öffnet: Bumm. Ansonsten aufladen und per LKW dahin wo man es noch besser einsetzen kann. Damit spart man sich die teure Entwicklung von Trägersystemen und wenn man es gut anstellt dann findet es niemand raus wer es war. Selbst wenn es daneben geht und das Ding nicht zündet oder zu zeitig oder was auch immer. Der globale Welthandel ist dann erstmal ausgesetzt. Und die Wirtschaftskosten dafür sind dann unvorstellbar.