Dokumentiert: Dr. zu Guttenberg

Hm, mehreren Mails entnehme ich, dass einige Leser glauben, ich hätte die Aufregung um die Doktorarbeit des Karl-Theodor zu Guttenberg schlicht verpennt. Das ist nicht so (heute morgen um kurz nach sieben hatte ich per Twitter auf den Bericht der Süddeutschen Zeitung hingewiesen), aber ich hielt es bislang nicht für ein Thema für dieses Blog.

Das scheint mir eigentlich immer noch so… aber ich will wenigstens neben der allgemeinen Empörung (bei der auch das beliebte Mittel verwendet wird, Kritikern ihr politisches Lager vorzuwerfen, was wiederum einiges über die sagt, die diesen Vorwurf äußern…) zur Dokumentation zusammenstellen, was es bislang an halbwegs harten Nachrichten gibt. (Die darüber ausgebrochene Diskussion lässt sich ganz gut bei Google News verfolgen, wo bislang an die 1.400 Artikel dazu gelistet sind.)

Ausgelöst, nein, der breiten Öffentlichkeit bekannt wurde es durch den heutigen Bericht der Süddeutschen Zeitung: Guttenberg soll bei Doktorarbeit abgeschrieben haben

Der eigentliche Auslöser war die Rezension von Guttenbergs Dissertation durch Adreas Fischer-Lescano in der Zeitschrift Kritische Justiz (der Text steht hier als Faksimile zum Download bereit).

Die FAZ erhebt unterdessen den Vorwurf, der Anfang der Dissertation sei bei ihr abgeschrieben. Auch die Neue Zürcher Zeitung wirft Guttenberg eine Übernahme aus einem ihrer Texte vor.

Zu den Vorwürfen gab es heute auch ein munteres Frage-und-Antwort-Spiel in der Bundespressekonferenz, dem sich Ministeriumssprecher Steffen Moritz stellen musste:

FRAGE: Herr Dr. Moritz, ich wüsste von Ihnen gern, wieso es den Herrn Dr. Guttenberg…

MORITZ: Um dem Vorwurf eines Plagiats gleich zu entgehen: Ich habe keinen Doktortitel.

ZUSATZ : Entschuldigung, dann habe ich das verwechselt.

MORITZ: Ich wollte das nicht zu lange im Raum stehen lassen.

ZUSATZFRAGE: Aber Ihr Minister hat einen Doktortitel. Deswegen würde mich interessieren, welche Erklärung Minister zu Guttenberg Ihnen gegenüber gegeben hat, warum es ihm passieren konnte, in seiner Doktorarbeit seitenlang zu zitieren, ohne die Zitate kenntlich zu machen. Das war nicht an einer Stelle der Fall, sondern an einem Dutzend. Wie konnte das passieren? Hat er Ihnen gegenüber eine Erklärung abgegeben? Aus der Erklärung, die Sie schriftlich verteilen ließen, erkenne ich das nicht.

Zweitens. Wie sicher sind Sie, dass der Bundesminister zur Erstellung seiner Promotionsarbeit nicht Mitarbeiter des Bundestages in der einen oder anderen Weise engagiert, angestellt, gebeten usw. hat? Erstaunlicherweise erwähnt der Bundesminister heute in seiner Erklärung von sich aus, dass möglicherweise Mitarbeiter beteiligt waren. Wie kommt er darauf?

MORITZ: Der Minister hat mir die gleiche Erklärung gegeben, die er der Öffentlichkeit gegenüber gegeben hat. Ich kann nur auf die Erklärung verweisen, die Ihnen auch vorliegt. Ich sehe, ehrlich gesagt, nicht so wahnsinnige viele Punkte, die offen bleiben. Der Minister hat gesagt, dass der Vorwurf eines Plagiats abstrus sei, dass er natürlich bereit ist zu prüfen, inwiefern einzelne Fußnoten von diesen über 1.200 Fußnoten, die in seiner Arbeit enthalten sind, eventuell verbesserungswürdig sind und dass er das in einer Neuauflage der Arbeit entsprechend berücksichtigen würde.

Ich müsste Sie fragen, was für Sie an der Erklärung unvollständig ist. Das Gleiche gilt für den weiteren Satz zu den Mitarbeitern, wo er eindeutig gesagt hat, dass die Verfassung dieser Arbeit seine eigene Leistung war und er dafür keine Mitarbeiter seines Büros dafür in Anspruch genommen hat.

ZUSATZFRAGE: Ich werde bei solchen Dingen immer hellhörig.

MORITZ: Nicht nur bei denen.

ZUSATZFRAGE: Ich kenne niemanden, der den Vorwurf erhoben hat, Herr zu Guttenberg habe nicht nur falsch zitiert, sondern habe die Arbeit auch noch von anderen schreiben lassen. Im Zuge der vorbeugenden Gefahrenabwehr hat Herr zu Guttenberg dieses letztere Thema aufgemacht. Das wundert mich.

MORITZ: Es gab heute dazu schon entsprechende Presseanfragen, die wir gerne mit beantworten wollten.

ZUSATZFRAGE: Der Minister ist als ein Herr der schnellen Entscheidungen bekannt. Wieso äußert er sich eigentlich nicht direkt zu dieser Thematik im Sinne des demokratischen Frage-Antwort-Spiels, die ja vielleicht den einen oder anderen interessiert?

MORITZ: Er sah dazu im Moment keinen Anlass. Er hat sich auf die Art und Weise geäußert, wie er meinte, sich äußern zu müssen.

FRAGE: Sie sprechen in der Erklärung von „vereinzelten Passagen“, die das betreffen möge. Meint der Minister damit die von der „Süddeutschen Zeitung“ enthüllten Passagen?

MORITZ: Man muss hier noch einmal kurz den Sachverhalt darstellen: Von Herrn Rechtsprofessor Fischer-Lescano, der an der Universität in Bremen Rechtswissenschaft lehrt und Vertrauensdozent bei der Friedrich-Ebert-Stiftung ist, ist offensichtlich in einer sehr akribischen Art und Weise die Promotion des Ministers überprüft worden und man hat an zehn Fußnoten von über 1.200 Fußnoten etwas auszusetzen gehabt.

Mit diesen Überprüfungsergebnissen sind wir gestern mit einer Rückäußerungsfrist von, wie ich glaube, zwei Stunden konfrontiert worden. Dazu sollte von uns im Einzelnen Stellung genommen werden. Sie werden verstehen, dass bei dem Umfang der Arbeit und generell der Komplexität der gesamten Materie nicht innerhalb von zwei Stunden zu jedem einzelnen Rechercheergebnis, das dort erhoben wird, Stellung genommen werden kann.

Es ist so, dass der Minister das hat er heute auch angekündigt gerne bereit ist, das zu überprüfen. Sie wissen auch, dass der Ombudsmann für wissenschaftliche Selbstkontrolle der Universität Bayreuth, bei dem die „Süddeutsche Zeitung“ es gestern praktischerweise auch noch anhängig gemacht hat, die ganze Arbeit überprüfen wird; auch hinsichtlich der Rechercheergebnisse, die jetzt getroffen wurden, und hinsichtlich der Vorwürfe, die erhoben wurden. Man muss einfach abwarten, was diese Überprüfungen ergeben. Es macht zu diesem Zeitpunkt schlicht keinen Sinn, in die einzelnen Punkte einzusteigen, weil es relativ zeitaufwendig ist, sich das im Einzelnen anzuschauen.

ZUSATZFRAGE: Der Bremer Professor hat drei wiedergegebene, aber eben nicht korrekt als Fußnote markierte Quellen genannt: einen Fachvortrag, einen Aufsatz und einen Artikel aus der „Neuen Zürcher Zeitung“. Wenn der Minister schreibt, es mag solche vereinzelten Fälle geben, schließen Sie dann aus, dass es noch weitere Fachaufsätze oder andere Quellen gibt, die ebenfalls plagiiert worden und nicht als Quelle genannt worden sind?

MORITZ: Zunächst einmal würde ich davon ausgehen, dass der Herr Professor aus Bremen diese Stellen mit Sicherheit entdeckt hätte. Es ist so, dass der Ombudsmann für wissenschaftliche Selbstkontrolle der Universität Bayreuth alles einer genauen Prüfung unterziehen wird. Das Ergebnis dieser Prüfung bleibt abzuwarten. Dem kann man hier auch nicht vorgreifen. Aber der Minister hat gestern schon gesagt, dass er dem Ergebnis dieser Prüfung mit großer Gelassenheit entgegensieht und dass er der festen Überzeugung ist, dass diese Doktorarbeit kein Plagiat ist und der Vorwurf eines Plagiats abstrus ist.

FRAGE: Herr Seibert, es scheint nicht ganz undenkbar, dass Herrn zu Guttenberg dieser Doktortitel aberkennt wird. Er hat in seiner heutigen Erklärung im Grunde schon selbst eingeräumt, dass bestimmte Dinge nicht so ganz korrekt sind, indem er andeutete, dass man bei einer Neuauflage Korrekturen vornehmen könne. Wenn man ihm den Doktortitel aberkennen würde, was würde das dann bedeuten? Wie nimmt die Bundeskanzlerin das wahr? Dann wäre er sozusagen des Betrugs überführt.

STS SEIBERT: Wir haben hier eine ganz gute Übung, auf hypothetische Fragen nicht zu antworten. Das ist eine besonders hypothetische Frage. Ich kann nur sagen, dass die Bundeskanzlerin die Erklärung des Ministers ganz anders verstanden hat als Sie, nämlich eher in dem Sinne, den Herr Moritz gerade wiedergegeben hat.

ZUSATZFRAGE: Die Bundeskanzlerin sieht in dem ganzen Vorgang kein Problem?

STS SEIBERT: Das habe ich auch nicht behauptet. Die Bundeskanzlerin hat, wie der Rest der Republik, davon gerade erst erfahren. Sie interessiert sich dafür und glaubt, dass es beim Ombudsmann der Universität Bayreuth in genau den richtigen Händen ist und dass es jetzt sinnvoll ist, das Verfahren abzuwarten.

FRAGE: Herr Seibert, hat das heute im Kabinett eine Rolle gespielt, hat sich der Verteidigungsminister erklärt?

Herr Moritz, gibt es eine Art Zeitplan? Haben Sie also schon Hinweise darauf, wann es so weit sein wird, dass man das alles geprüft hat?

STS SEIBERT: Das Kabinett hat sich heute, wie ich Ihnen vorzutragen versucht habe, mit ein paar schönen substanziellen Themen beschäftigt. Dies war nicht Thema im Kabinett.

MORITZ: Da der Ombudsmann für wissenschaftliche Selbstkontrolle nicht dem Verteidigungsministerium untersteht, kann ich Ihnen zu Prüfungszeiträumen leider nichts sagen.

FRAGE: Herr Moritz, Sie sagten, man solle abwarten, was für ein Ergebnis die Überprüfung des Ombudsmannes der Universität Bayreuth bringt. Gibt es seitens des Ministers das Angebot, zu helfen, Unterlagen zur Verfügung zu stellen, sich zu erklären? Oder gab es seitens der Universität schon die Anfrage um eine entsprechende Mitarbeit oder die Beantwortung von Fragen?

MORITZ: Natürlich ist der Minister bereit, dabei mitzuarbeiten. Es gab gestern auch schon Kontakt zwischen dem Ministerium und dem Ombudsmann für wissenschaftliche Selbstkontrolle. (Der Ombudsmann hat) im Übrigen natürlich auch die Prüfungsakte vorliegen, in der die einzelnen Gutachten zu der Arbeit selber enthalten sind. Falls es dazu noch Fragen gibt, ist der Minister natürlich jederzeit bereit, weiterzuhelfen.

FRAGE: Herr Moritz, teilt Ihr Minister soweit Sie das wissen den Ratschlag der Grünen, dass man sich, wenn man schon abschreibt, wenigstens nicht erwischen lassen sollte, als Grundprinzip für Arbeiten?

Herr Seibert, es kommt in letzter Zeit ja ein bisschen dick für den Verteidigungsminister. Wissen Sie, ob die Kanzlerin der Ansicht ist, dass sich da eine politische Kampagne gegen Ihren Verteidigungsminister zusammenbraut? Oder würden Sie sagen, dass das eine Summierung von einzelnen Punkten ist, die kampagnenlos nebeneinander stehen?

MORITZ: Ich weiß nicht, mit welchem Anspruch die Grünen an die Erstellung von wissenschaftlichen Arbeiten herangehen, aber das ist mit Sicherheit nicht der Anspruch des Ministers.

STS SEIBERT: Ich glaube, die Bundeskanzlerin sieht, dass der Minister in seinem Amt als Bundesverteidigungsminister vor vielen Herausforderungen steht und diesen Herausforderungen sehr gut gewachsen ist.

FRAGE: Es ist sicherlich so, dass das nicht im Kabinett besprochen wurde, aber hat die Kanzlerin denn einmal selber direkt mit dem Minister darüber gesprochen, wie mit dieser Affäre umzugehen sei?

STS SEIBERT: Meines Wissens heute nicht der Tag war mit den großen Themen, über die ich zu berichten versucht habe, ganz gut gefüllt , und wenn es dazu Gespräche gibt, dann wären das vertrauliche.

FRAGE: Herr Moritz, Sie hatten gerade ausdrücklich erwähnt, dass der enthüllende Professor Vertrauensdozent der Friedrich-Ebert-Stiftung sei. Kann man daraus den Schluss ziehen, dass Sie den Vorwurf erheben, dass dieser Professor ein parteitaktisches Spiel treibt?

MORITZ: Ich bin nicht für das Ziehen von Schlüssen zuständig. Ich habe Ihnen lediglich den Urheber dieses Textes, der demnächst offensichtlich auch in einer juristischen Fachzeitschrift veröffentlicht wird, beschrieben.

ZUSATZFRAGE: Es war also reiner Zufall, dass Sie das mit der Friedrich-Ebert-Stiftung erwähnt haben?

MORITZ: Das war eine Beschreibung seiner Funktion, über die ich vorher auf Wikipedia nachgelesen habe. Insinuieren wollte ich damit nichts.

FRAGE: Herr Moritz, warum braucht der Minister eigentlich einen Ombudsmann, um zu klären, aus welchen Quellen er seine Arbeit speist? Das müsste er doch selber am besten aufklären können, was einem Ombudsmann oder anderen Vertrauensdozenten die Arbeit ersparen würde, jetzt danach suchen zu müssen, an welchen Stellen nicht gekennzeichnete Zitate in seiner Arbeit stehen.

Zweite Frage: Es ist ja durchaus üblich, in Arbeiten zu zitieren und das durch entsprechende Markierung darzustellen. Es ist aber, wenn ich das richtig weiß, unüblich, in den Bewertungsteilen zu zitieren, in denen der Autor selber zu Schlüssen kommt, wie bestimmte Kenntnisse zu bewerten sind; das hat er aber offensichtlich auch getan. Ist es damit getan, solche nicht gekennzeichneten Zitate nachträglich in einer neuen Auflage sollte es die geben zu kennzeichnen, oder stellt das nicht die Substanz einer solchen wissenschaftlichen Arbeit grundsätzlich infrage?

MORITZ: Zur formalen Frage der Einschaltung des Ombudsmannes: Der Ombudsmann für wissenschaftliche Selbstkontrolle ist genau für diese Vorwürfe zuständig. Das heißt, an der Universität Bayreuth gibt es extra diese Stelle, um Überprüfungen anzustellen, wenn Zweifel an einer wissenschaftlichen Arbeit aufkommen; dafür ist diese Einrichtung da. Der Ombudsmann alle diese Punkte auch die, die Sie jetzt erwähnen im Einzelnen zu überprüfen und die Frage zu beantworten: Mit welcher Gewichtung müssen an welcher Stelle zum Beispiel in bewertenden Teilen welche Fußnoten und welche Zitate gebracht werden oder nicht gebracht werden? Das ist eine wissenschaftliche Diskussion, die auch von der Wissenschaft geführt werden muss, und, ehrlich gesagt, nicht von dieser Stelle aus; deshalb kann ich Ihnen dazu jetzt nichts weiter sagen. Lassen Sie uns abwarten, was von dort aus dann entschieden wird.