Vorfälle um gekaperte „Beluga Nomination“ bleiben mysteriös

Die (zumindest deutsche) Nachrichtenlage ist eindeutig: auf dem von somalischen Piraten gekaperten Frachter Beluga Nomination, der der deutschen Reederei Beluga Shipping gehört, kam es bei einem Befreiungsversuch zu einem Schusswechsel zwischen Soldaten und den Piraten. Dabei soll zumindest ein Seemann getötet worden sein, zwei werden vermisst, zweien gelang die Flucht. Allerdings ist die tatsächliche Faktenlage bislang ein bisschen weniger eindeutig:

Die Berichte über einen gescheiterten – um nicht zu sagen: diletttantischen – Befreiungsversuch stützen sich vor allem auf Angaben von Beluga-Reeder Nils Stolberg. Dessen Aussagen werden vom Bremer Weser-Kurier so widergegeben:

Ein von den Seychellen entsandtes Patrouillenboot und eine dänische Fregatte, die seit Dienstag das Beluga-Schiff verfolgen, hatten am Mittwoch das Feuer eröffnet und einen Piraten getötet. Warum der Befreiungsversuch misslang oder abgebrochen werden musste, ist bislang nicht bekannt. Das Durcheinander auf der Brücke nach dem Schusswechsel konnten dann vier Besatzungsmitglieder zur Flucht nutzen.

(…)

Informationen fließen auch eine Woche nach der Entführung rund 700 Kilometer nördlich der Seychellen nur äußerst spärlich. Was an Bord geschah, hat die Reederei erst aus den Schilderungen der beiden geretteten Seeleute und des Kapitäns erfahren, dem die Piraten gestern Morgen nach Erreichen der somalischen Küste einen Anruf nach Bremen gestatteten. Ansonsten seien Informationsaustausch und Kommunikation gerade mit den Einsatzstäben der internationalen Seestreitkräfte „ein Desaster“, klagt der Reeder.

Von dem Gefecht hatte auch, ohne klare Quelle, zuvor der Spiegel berichtet. (Der allerdings vor ein paar Tagen die Version hatte: Ein Patrouillenboot der „Seychelles Coast Guard“ folge der gekaperten „Beluga Nomination“ mit einigen Meilen Abstand, habe jedoch zwischenzeitlich aufgrund schlechten Wetters die Jagd unterbrechen müssen.)

Bei der NATO, unter deren Kommando das dänische Kriegsschiff Esbern Snare (übrigens keine Fregatte, sondern ein Kommando- und Unterstützungsschiff der Absalon-Klasse) steht, klingt das anders als beim deutschen Eigner:

Upon hearing that the MV Beluga Nomination had been attacked by pirates the NATO warship raced to the scene. Upon arrival, the master of MV Beluga Nomination requested that HDMS Esbern Snare stay at a distance to ease the increasing tension on board.

After 2 days the crew of MV Beluga Nomination attempted to overwhelm the pirates, and some managed to escape in one of the ship’s life boats. HDMS Esbern Snare, together with Maritime Patrol Aircraft from Spain and the US, immediately started a full scale search for the life boat and at 4 o’clock this afternoon the NATO warship found the relieved men safe and well.

Also zwei sehr gegensätzliche Aussagen: Haben Soldaten, auch die Dänen, einen gewaltsamen Befreiungsangriff auf den Frachter gestartet? Stolberg sagt ja, die NATO redet in ihrer Stellungnahme vom Gegenteil. Wenn die NATO-Truppen tatsächlich mit Gewalt gegen die Piraten vorgehen wollten – warum haben sie dann womöglich zwar erst geschossen, dann aber den Einsatz abgebrochen? Welche Rolle spielen die Seychellen, deren Patrouillenboot offensichtlich auch in der Nähe war?

Ich habe zwar schon heute mittag die NATO-Mission Ocean Shield um eine Stellungnahme der Vorwürfe des Reeders gebeten – aber bislang noch keine Antwort bekommen.

Nachtrag: Der Bloggerkollege von Bruxelles2 hat es bei den Behörden auf den Seychellen versucht. Die wissen auch nichts von einem Angriff:

Les autorités des Seychelles que « Bruxelles2″ a contactées ne confirment pas toute la séquence. « Les gardes-cotes seychellois ont bien poursuivi le navire jusqu’à être prêt de la Somalie. Mais ils sont retournés car le fuel commençait à être à un niveau limite et les conditions en mer très difficiles. C’est un navire de l’OTAN qui a pris ensuite le relais. » Les échanges de feux ne sont donc pas confirmés, ni infirmés. Seule certitude « aucun garde-côte n’a été blessé ».