RC N Watch: Arbaki – die falschen Freunde?
Die internationalen Truppen im Norden Afghanistans arbeiten zunehmend mit den Arbaki zusammen, Stammesmilizen – die Sicherheitsaufgaben übernehmen, gemeinsam mit U.S-Truppen und auch der Bundeswehr gegen Aufständische kämpfen und zum Teil wohl in die neue Afghan Local Police übernommen werden.
Diese Kämpfer können allerdings ein Problem werden – oder sind es schon, wie ein Bericht über deren Vorgehen in den Nordprovinzen Baghlan und Kundus bei Al-Jazeera zeigt: Rogue militias abuse rural Afghans
Dieses Bild habe ich schon öfter hier gezeigt: Before moving out on a joint foot patrol in the Isa Khan region of the Northern Afghanistan province of Kunduz, Spc. Charles Hatch, an infantryman with Charlie Company, 1st Battalion, 87th Infantry Regiment from the 10th Mountain Division’s 1st Brigade Combat Team does pre-combat checks with a group of Arbaki fighters. (Foto: U.S. Army)
Da bleibt einem doch nur ein lakonisches „Wer hätte das gedacht…“ ….
Welch Überraschung! Es ist nir ein Rätsel das gerade die Amerikaner dieses Milizsystem einführen, wo sie es doch besser wissen müssten. Das hat in Vietnam nicht funktioniert und auch in keinem anderen Konflikt und wird auch nicht funktionieren! Als ob ANP und ANA nicht schon genug Probleme machen würden, nein da erschafft man sich noch so eine Plage.
Wer sich über die „hervorragende“ Arbeit von Milizen informieren will, kann jeden beliebigen afrikanischen Konflikt der Neuzeit anschauen(kann man nicht 1:1 übertragen, aber gerade die verworrene Stammessituation ist doch sehr ähnlich).
Eine kurze Linkliste zum Thema:
Susanne Koelbl im Spiegel:
Jeder gegen jeden(01.03.2010)
Afghan Analyst Network:
For a Handful of Dollars: Taleban allowed to join ALP (08.01.2010)
Another Militia Creation Gone Wrong (18.10.2010)
Institute for War & Peace Reporting:
Afghan Village Militias Accused of Abuses
Free Range International:
Arbaki (17.07.2010)
Tribal Militias (22.05.2010)
The Tribes (22.11.2009)
The Tribes – A Bottom Up Approach (07.11.2009)
Persönlich habe ich den Eindruck, dass es funktionieren kann, wenn man die Milizen wirklich aus den Dörfern rekrutiert die sie schützen sollen, und sie eben auch durchgehend betreut/kontrolliert/unterstützt. Das hat auch schon in Vietnam funktioniert. ;)
Nicht funktionieren dürfte, existierenden Banden „Freibeuterbriefe“ auszustellen, und sie dann einfach machen zu lassen.
Letztlich läuft es wohl auf die Frage hinaus: Was hält die Milizen davon ab, sich einfach zu nehmen was sie wollen?
Zitat J.R. : „Persönlich habe ich den Eindruck, dass es funktionieren kann, wenn man die Milizen wirklich aus den Dörfern rekrutiert die sie schützen sollen, und sie eben auch durchgehend betreut/kontrolliert/unterstützt. Das hat auch schon in Vietnam funktioniert. ;)
Nicht funktionieren dürfte, existierenden Banden “Freibeuterbriefe” auszustellen, und sie dann einfach machen zu lassen.
Letztlich läuft es wohl auf die Frage hinaus: Was hält die Milizen davon ab, sich einfach zu nehmen was sie wollen?“
Das bringt es gut auf den Punkt.
Dazu kommt die Frage nach den Interessenlagen. Man muss genau hinschauen, wo die Schnittmengen der Interessen zwischen ISAF und der lokalen Bande sind.
Gibt es hier zu wenige gemeinsame intrinsische Interessen und Motivationen, kann das nicht gut gehen.
@JTR: „und auch in keinem anderen Konflikt“
Zumindest im Irak haben die Amerikaner mit dem Aufkaufen von kriminellen Banden und Teilen der sunnitischen Stämme (oftmals ein und dieselben…) ihre Niederlage abgewendet. ;-)
Klar kann das funktionieren, ist aber kein Selbstläufer.
Mit „betreuen / kontrollieren / unterstützen“ ist das schön umschrieben ;-)
aber auch zwingend erforderlich um den beschriebenen Mißständen entgegenzutreten.
Und lokale Kräfte die einen unterstützen, was will man denn mehr ?
An der Stelle auch noch der Link zum Spiegel-Artikel Schlacht um Shahabuddin, der von den gleichen Ereignissen berichtet wie „Another Milita Creation Gone Wrong“.
Ein bisschen erweckt das den Eindruck, als sei die Bundeswehr auf die Zusammenarbeit nicht vorbereitet, und als müßten die Kompanieführer improvisieren. Im September 2010 schien das Ergebnis noch ziemlich unausgewogen: erst keine Soldaten, dann gleich hundert. (Das jetzt bitte nicht als Kritik an den Führern vor Ort verstehen, die sich in einer unübersichtlichen Situation was aus dem Ärmel schütteln mußten.)
Seitdem hat man leider nicht mehr viel gehört, und wie das deutsche Konzept zum Umgang mit den Milizen aussieht (falls es sowas überhaupt gibt) bleibt weiter im Unklaren. Ich würde ja nicht vermuten, dass das vor der Mandatsabstimmung noch zum Thema gemacht wird, falls überhaupt.
Ob die Bundeswehr wirklich fähig, willig und befugt ist, kleine Teams in Milizen einzugliedern wäre dabei wohl die Gretchenfrage.
Nachtrag: Thomas Ruttig von AAN hat schon Winter 2009 eine ziemlich beeindruckende Linkliste zu den Milizen zusammengetragen: Militia Sightings
Unter Beobachtung kann ich sie vielleicht kontrollieren, aber das ist nicht der Punkt. In allen bisherigen Fällen hat man diese Milizen danach aber nicht richtig entwaffnet bzw. in die Polizei integriert. Was nützt es der afghanischen Regierung, wenn sie ohne westliche Truppen keinen Einfluss auf diese Banden hat…
Die dienen dann dem Meistbietenden und das trägt nicht nachhaltig zur Stabilisierung dieser Region bei. Und auch die gleiche Religionszugehörigkeit(z.b. Sunniten..) schützt die Bevölkerung nicht vor der Macht der AK, denn die Familie steht immernoch über allem.
Dem Vernehmen nach gibt es deutliche Unterschiede zwischen den Banden der ehemaligen Bürgerkriegs-Anführer v.a. im Norden und traditionellen paschtunischen Dorfmilizen. Letztere sollen z.T. durchaus in der Lage sein, Aufständischen den Zugriff auf die jeweilige Bevölkerung zu verweigern ohne sich die lokale Bevölkerung dabei zum Feind zu machen. Allerdings haben auch solche Milizen das Potential, bei internen Konflikten eingesetzt zu werden. Dem Ziel der Stärkung der Zentralregierung ist diese Politik vielleicht nicht zuträglich, aber an das Erreichen dieses Ziels glaubt seit Mitte 2009 ohnehin keiner mehr.
Mal abgesehen davon, dass Militia, Arbaki, ALP und die Gruppe um Sher („another Milita Creation Gone Wrong“) hier etwas sehr vereinfacht über einen Kamm geschoren werden, geht es für den Westen doch vor allem darum, die Sicherheitslage einigermaßen in den Griff zu bekommen. Dass es auch zukünftig Übergriffe durch bewaffnete Gruppen geben wird, ist doch völlig klar. Wir brauchen gar nicht so zu tun, als wenn Deutschland eine Verbrecherfreie Zone wäre, Verstöße gegen das Gesetz sehen hier nur anders aus.
Auch nach meiner Erfahrung dort unten sehe ich es wie J.R.: Entscheidend bei der Rekrutierung von zusätzlichen Bewaffneten muss die lokale Zugehörigkeit sein. AUP/ANA müssten dann vor allem überwachen, dass die alle weitgehend in ihren Bereichen bleiben.
„Entscheidend bei der Rekrutierung von zusätzlichen Bewaffneten muss die lokale Zugehörigkeit sein.“
Sollte der Augenmerk nicht eher darauf liegen, dass man da keine marodierenden Banden subventioniert?
Sicher, aber bei, wie oben schon geschrieben, „betreuten“ Milizen ist der Faktor das sie sich lokal rekrutieren ein Stabilisierender.
Einfach ein paar AK`s verteilen ist da nicht.
Wenn dieses Konzept richtig umgesetzt wird, die Milizen betreut und ganz wichtig ordentlich bezahlt werden, der Sold auch bei den Männern ankommt, dann kann das klappen.
„Wenn dieses Konzept richtig umgesetzt wird, die Milizen betreut und ganz wichtig ordentlich bezahlt werden, der Sold auch bei den Männern ankommt, dann kann das klappen.“
Womit Sie all das aufgezählt hätten, was momentan eben nicht funktioniert…
Der gravierendste Nachteil von COIN (vor allem in Zeiten der Mediendemokratie) ist wohl, dass COIN eben NICHT „Strategie“ im klassischen Sinne ist. COIN ist kein System, das man nur zu implementieren braucht, um dann ab und zu ein update zu installieren. COIN ist eine Methode, mehr durch die Herangehensweise an ein Problem definiert, als durch ein Lösungsschema. Kein konventioneller Konflikt ist -vor allem aus Sicht der örtlich Handelnden- so komplex wie eine insurgency. Die Frage „Miliz – Ja oder Nein?“ greift viel zu kurz. Ob eine Miliz hilft oder nicht, hängt von den Milizionären genauso ab, wie von der örtlichen Bevölkerung -und den Soldaten vor Ort. Was in einem Dorf zum Erfolg führt, kann schon ein Dorf weiter scheitern. Hier wirkt ein Faktor bestimmend, der allen „Systematikern“ seit je ein Greuel war: der Mensch.
„Sollte der Augenmerk nicht eher darauf liegen, dass man da keine marodierenden Banden subventioniert?“
Exakt das sollte man! Aber bisher waren eher marodierende Banden die Regel. Afghanistan wird in den nächsten 100 Jahren nicht in der Lage sein sich neben Militär und Polizei noch Milizen zu leisten.
Ob uns eine Marionette in Kabul mehrere Milliarden Euro und tausende Menschenleben wert ist muss jeder selber wissen, man hätte es allerdings wesentlich billiger haben können.
Die „Strategie“ scheint ja eh zu sein „nach uns die Sinnflut“, da kann man auch getrost alle Truppen in diesem Jahr abziehen.
Konzept = ? Allein das typisch deutsche Affentheater um eine konzeptionelle/politisch korrekte Übersetzung des Begriffs COIN beschäftigt die Militärburokratie deutlich intensiver als Inhalte und Umsetzung. Den englischen Begriff zu benutzen geht ja gar nicht, da Sprachpurismus ja auch sooo wichtig ist…
Betreuung = Wird ein Baghlan m.E. vorbildlich zunächst durch die QRF und dann noch intensiver durch amerikanische Spezialkräfte durchgeführt
Sold = Immer ein Problem, auch bei ANA/ANP, aber der kommt schon an, wenn auch nicht mit deutscher Überweisungsgründlichkeit. Hier sollte dem typisch afghanischen Gejammer und Tatsachen verdrehen auch nicht immer alles abgenommen werden…
Also von „funktioniert alles nicht“ kann keine Rede sein.
@Ash: Bzgl. Sold: Wer zahlt den denn, wenn ISAF abzieht? Denn ansonsten hat man eine Miliz, die plötzlich ohne Arbeitgeber da steht. Die wird dann sicherlich nicht ihre Waffen verkaufen und Bauer werden.
Aber das Problem besteht ja auch bei den ANSF, in wesentlich größerem Ausmaße.
Scheinbar denkt da jemand nur bis 2014 … oder so…
@nico: Nein, ein Problem ist es ja gerade, dass nicht ausschließlich auf dem „kurzen“ ISAF-Weg gezahlt wird, sondern beispielsweise durch USAID, was eine gewisse Durchhaltefähigkeit sicherstellen sollte.
Wie lange zahlt USAID?
Arbaki sind die übergelaufene Taliban. Im Grunde sind es nur Söldner, die ihre Dienste an den Höchstbietenden verkaufen. Sie sind genauso korrupt wie die ANA und die ALP. Sie sind gewiss keine Freunde und sollten als solche nicht betrachtet werden. Die haben schon öfter die Seiten gewechselt und oft in einem unpassenden Moment (mitten in Operationen) Sie kommen direkt aus den umkämpften Gebieten, sind Ortskundig und sind mindestens genau so gefährlich wie die Taliban, oder besser gesagt die „Insurgents“. Es gibt momentan nur keine andere Alternative zu den Arbakis. Oder besser gesagt, die Alternative wäre sie alle zu töten.
Zur Einschätzung „übergelaufene Taliban“: einer der Grundsätze, die bei counterinsurgency-Operationen eine Rolle spielen, ist der, daß „local forces“ in ihrer Struktur die insurgents spiegeln sollen und nicht etwa (möglicherweise eingesetzte) reguläre (ausländische) Truppen. Und noch einmal: es gibt bei COIN kein einfaches Ja oder Nein und schon gar keine Patentlösungen. Darin sind sich diejenigen einig, die schon vor uns mit COIN konfrontiert waren und versucht haben, Lehren aus ihren Erfolgen bzw. ihrem Scheitern zu ziehen. In gewisser Weise erinnert COIN an „streetworking“ – was in erster Linie zählt ist Vertrauen und Respekt vor Ort. Es ist nicht ausgeschlossen, daß wir am Ende begreifen, daß unsere Einsatzstruktur und Herangehensweise hierfür nicht ausreichend angepasst und durchdacht waren, um erfolgreich zu sein.