Die SoWi-Berichte zur Marineausbildung – incl. Gorch Fock
Ich glaube, es ist gar nicht schlecht, dass ich gerade weit weg bin von Berlin…. Aber als Beitrag zur aktuellen Diskussion – wer viel Zeit zum Lesen hat:
Die Berichte des Sozialwissenschaftlichen Instituts der Bundeswehr zur Ausbildung von Marineoffizieren und damit auch auf der Gorch Fock finden sich (hat auch ein Leser schon drauf hingewiesen) zumindest zum Teil auf der Internetseite des Instituts.
Forschungsbericht 85: Die Berufsbiografie von Marineoffizieren vom August 2008
und
Forschungsbericht 91: Panelstudie zur beruflichen Entwicklung von Marineoffizieren vom Mai 2010.
Da sind die abgefragten Daten nach dem Muster Wie fanden Sie die Ausbildung? nachzusehen.
Da läßt man Laien nach Wohlfühlparametern ein Ausbildungssystem schrittweise beurteilen. Das ganze wird von einem Zivilisten (nur abgeleisteter Grundwehrdienst) analysiert. Wie unwissenschaftlich ist das denn ?
@Julia Münkemüller:
Entschuldigung, aber das ist jetzt gerade äußerst dünnes Eis auf das Sie sich begeben haben. Ein klares Veto.
Die jeweiligen Studien wurden nach wissenschaftlichen Grundsätzen, unter Anwendung von empirischen Erhebungen und statistischen Auswertungen angefertigt (und nur weil hier Statistik genutzt wird, muss nicht schon wieder der Ausspruch von Winston Churchill zitiert werden…). Somit sind die Mindestvoraussetzungen für die Wissenschafltichkeit der Arbeit erfüllt. Die intersubjektive Überprüfbarkeit der Ergebnisse ist gegeben. Die herausgestellten Thesen haben damit zunächst nichts zu tun. Eine wissenschaftliche These hat so lange Bestand bis Sie wissenschaftlich wiederlegt worden ist. So lange gibt es einen entsprechenden Diskurs zu dieser These. Ein völlig normaler Vorgang innerhalb der Geistes- und Sozialwissenschaften.
Ihre Aussage über die Laien, die eine solche Studie anfertigen hat in der Bewertung nichts zu suchen. Ihrer Ansicht nach dürfen also nur ausgewiesene Experten mit unermesslicher Erfahrung sich überhaupt äußern? Schön, dann müssen wir aber ganz dringend sämtliche Universitäten weltweit sofort schliessen und die wissenschaftliche Forschung einstellen. Dann hätte ich niemals meine Magisterarbeit über Lübeck im 14.Jh schreiben dürfen. Denn schliesslich habe ich ja keine Ahnung davon und hätte als Marineoffizier nur über Marine schreiben dürfen.
Wie hätte denn die Studie Ihrer Meinung nach angegangen werden müssen, wenn keine „Wohlfühlparameter“ abgefragt werden dürfen. Es geht hier um die objektive Analyse von subjektiven Aussagen der Befragten.
Und der Hinweis sei erlaubt, dies sind normale Fragestellungen, die im Rahmen von sozialwissenschaftlichen aber auch phsychologischen Studien entsprechend genutzt werden.
Um empirische Daten zu erheben und auszuwerten muss man nicht beim Militär gewesen sein.
Aber davon ab ist die Kritik, dass der Bericht letztlich nur eine bessere Meinungsumfrage ist, durchaus berechtigt. Die ist aber durchaus interessant – nicht zuletzt, weil auch die Entscheidung für die Bundeswehr und die damit verbundene Erwartungshaltung beleuchtet wird.
Allgemeines:
Wenn da bei der Erwartungshaltung (Bericht 91, S.50) zum Punkt „Gute Vorgesetzte“ das Ergebnis 38% ja, 41% vielleicht und 11% nein ist, dann sollte einem das schon zu denken geben.
Selbst der Punkt: „Gesunde Arbeitsbedingungen“ schneidet da mit 51-40-9 besser ab. Schlechter sind da nur noch die Punkte „Vereinbarkeit von Familie und Beruf“ und „geregelte Dienstzeiten“.
Interessant ist auch der Vergleich in der Einschätzungen vorher-nachher (Bericht 91, S. 111). Gerade „Nützliche Tätigkeit“ kriegt da einen ziemlichen Dämpfer, aber auch „Kameradschaft“ oder „Chancengleichheit“.
Gorch Fock:
Was die Gorch Fock angeht (S.77): Die am meisten bemängelten Punkte sind Ausbildung/Unterricht (32 Nennungen) und Stammbesatzung (30). Während auf der Haben-Seite ähnlich viele Anwärter Ausbildung/Unterricht gut fanden (25) kommt der wesentlich allgemeinere Punkt Kameradschaft nur auf 19 Nennungen. Zum Vergleich: „Sicherheitskonzept, i. V. m. Tod einer Kameradin“ wird nur 11 mal negativ erwähnt.
Interessant finde ich da auch den Vergleich der Seemännischen Basisausbildung zu anderen Ausbildungsetappen, wo sie etwa in den Kategorien „Lehrpersonal“, „Anerkennung durch Vorgesetzte“ schlechter abschneidet.
Das sind jetzt so die negativen Punkte, die mir so beim Überfliegen aufgefallen sind. Insgesamt scheint die Ausbildung aber recht positiv bewertet zu werden.
Fragen, Fragen, Fragen…
– Ist der Kommandant Gorch Fock eine Person des öffentlichen Leben?
– Dürfen die Medien seine Photos, etc veröffentlichen?
– Welcher Vorgesetzte / welche Dienststelle überwacht die Wahrung seiner Rechte in der Heimat?
– Wen kann man, im Fall der Widerlegung der Vorwürfe rechtlich belangen, zum Schadeneratz verpflichten? OA’s, Minister, Presse?
– Warum beschleicht mich zunehmend der Eindruck, dass Loyalität eine Einbahnstrasse ist?
Je länger ich darüber nachdenke, desto größer werden meine Zweifel an dem was die Marine/Bundeswehr als Tugenden Leitbildern und lehrt!
Fürsorge ist keine Einbahnstrasse! Das scheint in Vergessenheit zu geraten – bei unseren Altvorderen.
Egal was an den Vorwürfen dran ist. Der Umgang mit Kpt z.S. Schatz ist so oder so unwürdig! Ist das das das wahre Gesicht des Dienstherren? Lohnt es ich dafür einzustehen??
@ MMWC
Sie repetieren Definitionen, die von irgendeiner Stelle einmal festgelegt wurden und aus populärwissenschaftlicher Sicht haben Sie sicherlich Recht.
Entscheidend in Ihrer Argumentationskette ist Ihr Satz:
„Somit sind die Mindestvoraussetzungen für die Wissenschafltichkeit der Arbeit erfüllt“.
Mindestvoraussetzungen bedeutet, es gibt unterschiedliche Qualitäten von Wissenschaft.
Für mich muss Wissenschaft Wissen schaffen, wie das Wort schon sagt. Wissen muss nachvollziehbar für jemanden nutzbar und sinnvoll sein. Ansonsten ist es Ballast.
Sämtliche Universitäten müssen aber meinetwegen nicht unbedingt geschlossen werden, einzelne Fachrichtungen würden reichen ;o). Ne, das war jetztn Witz. Aber einige Studien berechtigen, nach meiner Definition, nicht zur Deklarierung „wissenschaftlich“ oder „promotionstauglich“.
Ziele, die am Anfang von Studie bekannt sind, verfälschen oft den Verlauf.
Ein Ziel der Studie ist die Attraktivität der Bundeswehr / Marine zu erhöhen bzw zu erhalten. Wie können Wohlfühlparameter der Erleidenden ohne einen notwendigen zeitlichen Abstand (und mit zeitlich meine ich nach DZE oder zumindest nachdem man auch Soldaten in ähnlichen Situationen geführt hat) eine objektive Subjektivität widerspiegeln ? Wenn ich mich richtig erinnere war die längste Begleitung 6 Jahre. Und eine Studienobjektabbruchrate von über 60% ist für empirischen Erhebungen und statistischen Auswertungen zumindest fraglich, was die spätere Aussagekraft bedeutet
Und geschlechtsspezifische Probleme/Unterschiede werden u.a. an der Frage “ würden Sie im Dienstanzug heiraten?“ festgemacht……
Bisher für mich keine Wissenschaft, nur reine hübsch anzuschauende Fleißarbeit.
Wobei Ziel solcher Arbeiten ja auch nur der „Beweis zur Befähigung wissenschaftlichen Arbeitens“ ist. Und wenn man sich hier wieder genau an die Worte hält, ist nur der Weg das Ziel, in solchen Fällen.
Also ist nicht jede wissenschaftlich deklarierte Studie Wissenschaft. Q.e.d.! :o)
Nachtrag:
…und so abgeschmackt wie sich dieser Spruch immer wieder anhören mag:
„Fragt nicht, was Euer Land für Euch tun kann, sondern, was Ihr für Euer Land tun könnt“
@ Julia Münkemüller
Bleiben sie bitte sachlich. Die Kritik, die sie äußern, ist rein polemisch.
Subjektive Daten sind nun mal per definitionem subjektiv.
Und soll sich ein Herzchirurg erst selber am eigenen Herzen operieren,
um andere am Herzen zu operieren.
Heeeeee … endlich mal einer, der den Politikern die Meinung sagt … habe gerade die Phönix-Runde gesehen. Da war ein junger Major, der Arnold, Beck, Hoff und Co ganz schön die Meinung gesagt hat. Vermutlich wird er morgen in den Ruhestand versetzt. Oh … geht ja noch nicht. Fand ich echt gut!
@ Julia Münkemüller
Gerne repitiere ich für Sie „…Definitionen, die von irgendeiner Stelle einmal festgelegt wurden.“ Es war mir geradezu ein populärwissenschaftliches Vergnügen und Anliegen.
So, das war jetzt gerade der stumpfe Sperrwaffenoffizier, der manchmal zum Vorschein kommt.
Natürlich gibt es Unterschiede in der Qualität von Wissenschaft. Das habe ich in keiner Weise abgesprochen. Wenn Sie evtl. nochmal genauer hinsehen habe ich in meinem Beitrag noch gar nicht angefangen über die Qualität der Studie meine Meinung zu äußern. Ich habe mich über Ihre Feststellung der „Unwissenschaftlichkeit“ und der Laienbewertung geäußert. Viel mehr sogar noch über letzteres als über Ihren Vorwurf der Unwissenschaftlichkeit. Dies war der Ausgangspunkt. Nicht mehr und nicht weniger.
J.R. hat einen Großteil der Bemerkungen, die sich mit meinen decken bereits herausgearbeitet. Danke dafür.
Und was Studien aus dem Hause SoWi-Institut der Bundeswehr betrifft, habe ich eher selten mit den dortigen Erkenntnissen und Theorien was am Hut (Vor allem nicht mit einem ehemaligen Leiter des Instituts, der sich gerne immer wieder mit einseitigen Aussagen zu Wort meldet).
Zu viele dieser Studien wurden bislang dazu genutzt, um gewisse Zustände schön zu reden. Und da stimme ich mit Ihrer Kritik an der Zielgruppe (Struktur der Gruppe sowie Auswahl) und die Dauer der Befragung überein. Ebenso die Wahl mancher Fragen. Das kann so nicht gut gehen. Auch ich bin über die Frage nach der Hochzeit in Uniform gestolpert. Dazu sage ich nur: Niedlich…
Wenn ich OA’s mit evtl. 5Monaten Seefahrtserfahrung befrage, wie sie denn die Belastung für die Famile bewerten könnte ich ehrlich gesagt ausrasten (so geschehen an der HSU-HH, als eine Studenting für ihre Diplomarbeit solche Befragungen durchgeführt hat.). Falsche Zielgruppe. Außer ich habe das Ziel festzustellen, dass alles „Supi“ ist und somit keine weiteren Maßnahmen im Rahmen von Reduzierung der Seefahrtszeiten von Nöten ist.
Ebenso kann man den Tenor der Studie auch dazu nutzen, um festzuhalten, dass die neue Ausbildung (Halbwertzeit der Gültigkeit abwarten…) der Marineoffizieranwärter soweit erfolgreich ist.
Sie sehen, ich bin mitnichten mit den Erkenntnissen der Studien einverstanden.
Aber mir wird das jetzt ehrlich gesagt zu spät. Ich wünsche erstmal eine Gute Nacht allerseits.
Ich möchte hier nur ein Zitat aus dem Forschingsbericht 91 bringen dass vor dem Hintergrund der aktuell geplanten Reduzierung des Bundeswehrumfangs aufhorchen lassen sollte:
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Zwar hat die Deutsche Marine nur einen Anteil von 7,5 Prozent am gesamten Personalbestand der Bundeswehr, ihr Personalanteil an allen Auslandseinsätzen der Bundeswehr aber beträgt bis zu 17 Prozent. Daneben haben große Teile der Kräfte auch einsatzgleiche Verpflichtungen gegenüber NATO und EU.
[/Quote]
Wer vor diesem Hintergrund einer Reduzierung „gleichmäßig über alle Teilstreitkräfte und OrgBereiche“ das Wort redet spricht offensichtlich an den sicherheitspolitischen Anforderungen vorbei. Oder anders ausgedrückt: Selbst wenn nur Luftwaffe und Heer die Reduzierung tragen müssten und die Marine unagetastet bliebe behilete diese bei gleich grossen und gewichteten Einsatzkontingenten immer noch die beste „Effizienz“.
Wenn man, was ich im Übrigen als fragwürdig betrachte, nur und ausschließlich die „Einsatzmanntage“ als Maß der Effizienz anlegen würde käme heraus dass der Steuerzahler von einem durchschnittlichen Marinesoldaten im Schnitt mehr als das Doppelte an Leistung (das Dreifache wenn die o.g. NATO und EU Verpflichtungen eingerechnet werden) erhält als von einem durchschnittlichen Luftwaffen- oder Heeressoldaten.
Dies lieg m.A. nach kaum an einer inhärenten „besseren“ Strukturplanung der Marine sondern eher an der Tatsache dass sich die Struktur der gesamten Bundeswehr in den Jahrzehnten nach Ende des Kalten Krieges zu Ungunsten der Marine in ihrer Gewichtung an den realen sicherheitspolitischen Anforderungen vorbei entwickelt hat.
@ Belzer,
bitte entschuldigen Sie, dass ich erst jetzt auf Ihren Kommentar reagiere. Anscheinend hab ich ihn immer übersehen.
Sie haben Recht, selbstverständlich war meine Bemerkung polemisch und unsachlich. Gedacht als Stilmittel, Aufmerksamkeit auf den Inhalt vom Forschungsbericht 91 zu lenken.
Aber wenn ich jetzt sehe dass die Fleißarbeit nur Forschungsbericht heißt, dann dürfte eigentlich kein Anspruch auf Wissenschaftlichkeit beinhaltet sein. Sonst gäbe es nicht die Bezeichnung „Forschung und Wissenschaft“. Es wäre eine Aneinanderreihung von Synonymen.
Diesmal keine Polemik, nur Wortklauberei ;o))).
Ihre Metapher über den Herzchirurgen habe ich allerdings nicht verstanden.
Die vorliegende, hm… Studie oder deren Berichte zur Marine würde ich nach dem Überfliegen ebenfalls als „unwissenschaftlich“ bezeichnen. Dass das besser geht, beweist das Institut u.a. mit einer derzeit laufenden Studie über den Einsatz bzw. die Einsatzbelastung.
Da ist in der Gruppe der Durchführenden nicht nur ein Soldat enthalten, sondern sie waren sogar IM Einsatzland (und nicht nur in MeS ;-) ) und haben für ihren Abschnitt „Im Einsatz“ vor Ort Befragungen durchgeführt.
Vielen Dank für den Hinweis auf das SoWi. In die aktuelle Diskussion über Kürzungspotential bei der Bundeswehr passt er m.E. sehr gut.