Aufentern freiwillig – nach dem Unfall
Auf die Frage, was Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg veranlasst hat, am vergangenen Freitag noch Geduld und Aufklärung im Falle Gorch Fock zu fordern und am Samstag scheinbar plötzlich den Kommandanten vom Dienst zu suspendieren, mag es vielleicht eine Antwort geben: den ausführlichen Bericht des Wehrbeauftragten. Dessen Leitender Beamter hatte diesen Bericht mit dem Datum 21. Januar erstellt – also just am vergangenen Freitag. Darin findet sich vieles, was schon im Wesentlichen vorher bekannt geworden war, aber auch einige neue Einzelheiten.
Der Bericht stützt sich, das war klar, ausschließlich auf die Aussagen der Offizieranwärter (OA), die zum Zeitpunkt des tödlichen Unfalls von Sarah Lena Seele am 7. November in Salvador de Bahia an Bord waren. Ohne den Bericht hier in allen Details ausbreiten zu können und zu wollen – ein paar Dinge sind auffällig.
Zum Beispiel wurde nach den Angaben der Offizieranwärter zwar von Kommandant Norbert Schatz betont, dass das gefährliche Aufentern in die Wanten freiwillig sei. Allerdings erst nach dem Unfall. Auch hätten sich einige Vorgesetzte nach dem Absturz der 25 -jährigen verständnisvoll gezeigt und hervorgehoben, dass Sicherheit vor Schnelligkeit gehe. Andere Vorgesetzte seien dagegen verständnislos gewesen und hätten die ihnen unterstellten OA in gewisser Weise zum Aufentern ‚genötigt‘. Habe man auf Höhenangst verwiesen, seien Äußerungen gefallen wie Du willst doch Seemann werden, sonst wird das nichts. Dabei habe es auch einen Fall gegeben, in dem ein OA mit offensichtlicher Höhenangst beruhigt worden sei, er brauche nicht aufzuentern – dann habe ihn jedoch seine Wachführerin angeschrien, dass er sich zusammenreißen solle, das gebe es in ihrer Wache nicht und er solle mit anderen ins Großtopp aufentern (interessanter Nebenaspekt zu der Frage, ob Frauen an Bord, als OA oder als Vorgesetzte, einen Unterschied machen).
Die Ansage des Kommandanten, das Aufentern sei freiwillig, wurde offensichtlich von etlichen Ausbildern nicht umgesetzt: Die Ausbilder hätten massiven Druck zum Aufentern aufgebaut… Eine Offizieranwärterin schilderte, ihr Ausbilder habe deutlich gemacht, dass sie anderweitig vom Lehrgang abgelöst wurde.
Der (ohne Anlagen) zehn Seiten umfassende Bericht des Wehrbeauftragten wird sicherlich noch eine Rolle spielen. Vielleicht schon am (morgigen) Dienstag, wenn der Wehrbeauftragte Hellmut Königshaus in Berlin seinen Jahresbericht vorstellt.
Archivbild vom 10.08.2009: Impressionen auf der Fahrt des Segelschulschiffs GORCH FOCK zum Heimathafen nach Kiel. Foto: Bundeswehr/De Castro
Die Aussagen von Herr Königshaus erwecken bei mir jetzt nicht den Eindruck, dass Herr zu Guttenberg Informationen voraus hat, eher im Gegenteil:
Er könne nur vermuten, dass Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) „zusätzliche, neue Informationen“ bekommen habe, die der Wehrbeauftragte aber auch nicht kenne. Anders könne er sich nicht erklären, warum Guttenberg den Kommandanten der „Gorch Fock“ abberufen habe, bevor es ein Untersuchungsergebnis gibt. (Spiegel)
Wachführerin?
Irgendwie unvorstellbar :)
@ JCR
Etwa eine von der Sorte „beißen sie!“ ?
Generell, ist der Begriff Soldat spätestens seit 1989 geschlechtsneutral. Dienstgrade werden in der altbekannten Form genutzt. Die Differenzierung des Geschlechts des Soldaten wird ermöglicht durch die Anrede „Herr“ oder „Frau“. Es gibt keinen Dienstgrad „Seekadettin“, wie es auch nicht „Frau Gefreite“ oder „Frau Fahnenjungfer“ gibt.
Wenn eine Spezifizierung des Geschlechts notwendig erscheint, nutzt man „weiblich“ oder (w). Also Hauptmann (w), ungerechterweise hat sich das Hauptmann (m) nicht durchgesetzt. Soweit existiert also eine relative Gleichbehandlung.
Allerdings scheint bei den Auswahlverfahren eine Mindestgröße für Frauen von mindestens 1,70m nicht als notwendig erachtet worden zu sein. Anscheinend auch kein Männern gleichwertiger Fitnessgrad. Beim jährlich geforderten Sportabzeichen müssen Frauen auch nur die allgemeine Leistung für Durchschnittsfrauen (wie Männer für Durchsschnittsmänner) bringen. Und last but not least das Nichterfüllen des „Haar und Bart -(nagut)-erlasses“ der Soldaten, weiblich. Weil lange Haare bei Frauen zum deutschen Kulturgut gehören…. (gelesen und gelacht).
Ein gleichhartes Auswahlverfahren für Soldaten ((m) und (w)) und eine geschlechtsunspezifische gleiche Behandlung würde viele dieser Probleme als nonexistent aufzeigen.
Wenn von einer weiblichen Wachführerin die Rede, dann dürfte nach entsprechender Recherche schnell klar sein, wer damit gemeint sein könnte. Das finde ich persönlich bedenklich.
Da diese Unterlagen ja dem Wehrbeauftragten und FDP-Wahlkämpfer Königshaus auch vorliegen, können die Vorwürfe nicht so entscheidend sein – wie J.R. ja schon dargestellt hat.
Interessant dazu die Äußerungen des Wehrbeauftragten gestern in Berlin direkt.
Siehe: http://www.zdf.de/ZDFmediathek/beitrag/video/1240690/Berlin-direkt-vom-23.-Januar-2011?bc=svp;sv1&flash=off
Die Art und Weise, wie der Wehrbeauftragte hier auftritt, erweckt bei mir den Eindruck, dass er den Minister in die Pfanne hauen will. Ein Verhalten, das inakzeptabel ist und im Endeffekt nur der Bundeswehr schadet. Politkindergarten eben.
Eigentlich sollte sich ein Wehrbeauftragter durch unsichtbare Effizienz auszeichnen, der Probleme, die es nun mal immer gibt, ohne große Schlagzeilen löst. Diese Demut eines Dieners an Volk und Land scheint beim aktuellen Wehrbeauftragten eher weniger ausgeprägt zu sein. So, wie Königshaus die Dinge in die Öffentlichkeit zerrt, schadet er damit einer sachgerechten Problemlösung. Denn nun sitzt die Bild-Zeitung samt Stammtisch mit am Tisch …
Inhaltlich sollte vielleicht mal geklärt werden, was Offiziersanwärtern denn zugemutet werden darf. Ich kann an den oben geschilderten Vorkommnissen nicht so recht den Skandal erkennen. Wer mit etwas knackigeren Ansagen nicht umgehen kann, ist als Offizier ungeeignet. Punkt.
Das Heer hat ja inzwischen erschreckende Erfahrungen gemacht, wie schnell Soldaten im Einsatz versagen und zusammenbrechen, wenn sie die vorherige Ausbildung mangels Härte nicht auf das vorbereitet hat, was sie im Einsatz dann erleben. Die „Hell Weeks“ einsatzerfahrenerer Armeen anderer Länder haben schon ihre Berechtigung …
Diese „Pussification“ der Bundeswehr, der da gerade die FDP in meinen Augen das Wort redet (Königshaus, Frau Hoff etc.) führt nun mal zu einer kriegsuntauglichen Armee und toten Soldaten. Dann können wir uns das Geld auch sparen und den Laden dicht machen. Eine Armee ohne belastbare Offiziere ist wertlos.
@ Julia Münkemüller
„Ein gleichhartes Auswahlverfahren für Soldaten ((m) und (w)) und eine geschlechtsunspezifische Behandlung würde viele dieser Probleme als nonexistent zeigen.“
So isses.
Anscheinend kann man daraus, ob ein Wehrbeauftragter nun Wehrdienst oder Zivildienst geleistet hat nicht ableiten, inwiefern er für dieses Amt dahingehend qualifiziert ist, daß er wenigstens versucht seine Aufgabe politisch gesehen möglichst neutral auszuführen.
Mein Gefühl ist, daß die FDP seit sie in der Regierungsverantwortung steht, immer wieder Ränkespiele auf den Rücken aller Soldaten der Deutschen Bundeswehr austrägt. Daß sie dabei in Teilaspekten sogar das Leben dieser ja eigentlich „Staatsbürger in Uniform“ noch weiter gefährdet als dies ohnehin schon der Fall durch die äußeren Umstände ist, läßt mich am gesunden Menschenverstand dieser Politiker zweifeln.
Das unwürdige Gezerre um das Afghanistanmandat war schon bedenklich aber das aktuelle Vorgehen hat einen noch wesentlich bittereren Beigeschmack!
@ Julia Münkemüller & Niklas
“Ein gleichhartes Auswahlverfahren für Soldaten ((m) und (w)) und eine geschlechtsunspezifische Behandlung würde viele dieser Probleme als nonexistent zeigen.”
So isses.“
Nein, so isses nicht!
Dann wuerde ich nach einem Blick in die letzten Statistiken zu Abiturnoten rein der Fairnesshalber behaupten , dass wir dann Probleme bekommen, junge Maenner einzustellen, da die Herren hier reihenweise gegenueber den Damen intellektuell verlieren!
Weiterhin muesste die Forderung dann auch fuer die Stressresistenz und die Teamkompetenzen bei maennlichen Probanden gelten!
Denn darueber hinaus war ein wesentlich merkbarer Unterschied der Oeffnung der Bundeswehr fuer Frauen eine deutliche Verminderung der Sprechlautstaerke im Dienst sowie eine merkbare Verbesserung des Umgangstones miteinander. Man(n) bruellt weniger, und siehe, die Streitkraefte existieren immer noch!
Ach ja…. und bei einer Groessenbegrezung auf 1.70m haette Napoleon nie Oberbefehlshaber der Franzoesischen Streitkraefte werden koennen!….
Aus meiner Sicht wird hier nur ein Schuh daraus, wenn wir die Realitaeten akzeptieren wie sie sind!
Wenn solche strukturellen Maengel festgestellt werden, bedarf es eben einer besseren Ausbildung…., und ggf der Erkenntnis, dass es 3 Monate Grundausbildung nicht tun, sondern dass es zukuenftig vielleicht 5 oder 6 Monate, mit einem entsprechenden Sportausbildungsprogramm unter Leitung von Sportlehrern und Gesundheitsexperten (Truppenaerzten!), sein muessen. Wir investieren hier in die Zukunft der Streitkraefte, deren wesentliches Potential der Mensch ist….. Eurofighter, A400 M Leoparden s;ebst eine Gorch Fock sind dabei nur schmueckendes Beiwerk!
Da darf es dann im Human Ressouce Bereich dann ruhig auch etwas mehr als nur ein Fuehrerschein Klasse 3 sein!
Oder historisch, General v. Hammerstein-Eqourd
a. „Machen Sie sich frei von Kleinarbeit. Dazu halten Sie sich einige wenige kluge Leute. Lassen Sie sich aber viel Zeit, sich Gedanken zu machen und sich vor sich selbst ganz klar zu werden. Sorgen Sie dafür, dass Ihre Gedanken ausgeführt werden. Nur so können Sie richtig führen.“
Und zur Beurteilung der ihm unterstellten Offiziere meinte er:
„Ich unterscheide vier Arten. Es gibt kluge, fleißige, dumme und faule Offiziere. Meist treffen zwei Eigenschaften zusammen. Die einen sind klug und fleißig, die müssen in den Generalstab. Die nächsten sind dumm und faul; sie machen in jeder Armee 90% aus und sind für Routineaufgaben geeignet. Wer klug ist und gleichzeitig faul, qualifiziert sich für die höchsten Führungsaufgaben, denn er bringt die geistige Klarheit und die Nervenstärke für schwere Entscheidungen mit. Hüten muss man sich vor dem, der gleichzeitig dumm und fleißig ist; dem darf man keine Verantwortung übertragen, denn er wird immer nur Unheil anrichten.[1]“
Ueber das Sportabzeichen schreibt er dabei nicht!
@Soenke: Das macht mir Hoffnung, dass wir die gleichen Bücher lesen, und fasst bereue ich es, nicht doch BS gworden zu sein ;-)
@ Soenke
Jetzt ballern Sie aber allerhand in die Luft. Da bin ich ja als Mann intellektuell überfordert ^^
Ich denke, ein integraler Bestandteil erfolgreicher Streitkräfte ist die Gleichbehandlung der Soldaten. Für den Rest habe ich jetzt keine Geduld. Tschö :)
@Soenke Marahrens
Ihre Äußerungen erscheinen politisch korrekt. Aber ist politische Korrektheit das was wir für diese Bundeswehr brauchen ?
Akzeptabel wäre jeden nach seiner Befähigung einzustellen, denn Sie haben Recht: 5-6 Monate Grundausbildung könnten den Fitnessgrad massiv erhöhen. Das bedeutet aber auch, dass ein 1,59m großer männlicher oder weiblicher Soldat ungeeignet für die Kampftruppe ist oder wenn es zum Ausbildungsinhalt der marinierten Offizieranwärter gehört, ungeeignet ist 6 Wochen Gorch Fock zu durchlaufen. Menschen mit Höhenangst oder zu kleiner Schrittlänge (bei 1,59m) sollten nicht borddienstverwendungsfähig sein.
Eine einsatzfähige Armee (im Sinne von Kampftruppe) braucht besonnene, durchtrainierte, denkende Soldaten. Bliebe somit der Sanitätsdienst für körperlich weniger belastbare Soldaten. Aber theoretisch sind die Sanis nach dem Ersthelfer die, die Bergen sollen. Wie also birgt ein 50 Kilo Persönchen ((m)oder(w)) einen 70 Kilosoldaten ((m)oder(w)) (und 70 Kilo ist ohne Berücksichtigung von Kampfmontur und kampftauglicher Muskelmasse weit untertrieben)? Also fällt Sanität auch aus. Also vielleicht Fernmelder ?…. oder Smut (also kein Offz)….Heeresmusikkorp ! Zahnarzt (als Teilbereich der Sanität)!
Realitäten akzeptieren ist wie Vogelstraußtaktik. Man sollte das Ziel haben zu verbessern, langfristig optimieren und Fehler der Vergangenheit abschaffen. Selbstkritisch reflektieren. Verantwortung übernehmen.
Für mich gibt es übrigens nur 2 Arten von Offizier oder Soldat: Gute und schlechte. Wobei gute berechenbar und integer sind, Verantwortung übernehmen, führen können, bereit sind Entscheidungen zu fällen, die auch unbeliebt sind – für die größere Sache. Gute Offiziere und Vorgesetzte stellen sich vor Ihre Soldaten und machen keine vorschnellen Schuldzuweisungen (wie heißt es noch so schön ? Lob nach unten weitergeben und für Tadel selbst Verantwortung übernehmen) und vor allem sie mögen Menschen .
Der vielgepriesene Fleiß kann auch Inkompetenz kaschieren. Verantwortungsbewusstsein steht auch als Gegensatz zur Faulheit.
Sprechlautstärke trainiert übrigens nach meiner Erfahrung die Stressresistenz. Und dank der Frauen wurde der Umgangston zwar zivilisierter aber das Infragestellen von Befehlen auch zahlreicher.
Sind die Kriterien, nach denen z. B. in Köln ausgewählt wird, wirklich die richtigen, wenn Frauen nach dem psychologischen Test und ihren hohen verbalen Fähigkeiten, die noch nicht voll psychisch ausgereiften männlichen Mitbewerber überflügeln ? Im Einsatz zählt Eloquenz nicht. Inwiefern kann eine Frau in Afghanistan Patrouille fahren und mit der (männlichen) Bevölkerung auf Augenhöhe zusammenarbeiten?
Zwanghafte Gleichmacherei führt zu Augenwischerei und ist sinnloser Fleiß. Frauen sind keine Männer und umgekehrt. Und zu welchem Preis haben damals die Amazonenheere gelebt ?
Man braucht als Soldat auch Kameradschaftssinn, physische und psychische Belastbarkeit. Es gibt Frauen und Männer, die dies leisten können. Leider weniger als wir glauben.
Also, her mit dem neuen Auswahl- und Ausbildungsmodus und schließlich mit dem neuen – oder einer Art altem – Soldatenbild !!
Mein Gott. Jetzt braucht der moderne Mann schon eine Frau, die seine traditionelle Position darlegt. Ich finds herrlich :) Sehr gut. Eine Tussi schreibt da nicht (vorausgesetzt der Nick ist kein Fake ^^).
Zum Beitrag: Es gibt keine perfekten Bewerber. Ob ein Mensch mit Höhenangst z.B. kein Marineoffizier werden kann, wage ich zu bezweifeln, aber ich verstehe den Ansatz.
Letztenendes fehlen eben gewisse Anreize für die fähigsten jungen Leute. Das ist auch eine Sache des Staatsbürgerverständnisses. Mit „sicherer Job“- und „Karriere“-Slogans angel ich leider meist nicht das gewünschte Klientel (was ja shcon zu genüge gekaut wurde).
On Topic: Was zum Henker hat das alles mit der Überschrift dieses Threads zu tun? :)
Gorch Fock – Eliteschule zur See – 07.12.2010
Audio-Reportage, noch vor dem Unfall der 21-jährigen OA, mit Kapitän zur See Norbert Schatz.
Hörenswert, jedenfalls für mich als bayrische Landratte, der keine Ahnung hat vom Alltag auf der Gorch Fock.
Aus dem Sendemanuskript:
„Autor:
Am Besan, dem hinteren, niedrigsten und am wenigsten exponierten Mast, sammeln
sich alle, die unsicher sind. Zwar wurden die Kadetten, bevor sie an Bord gingen, schon
arbeitsmedizinisch untersucht und für „Arbeit in Höhen mit Absturzgefahr“ zugelassen.
Doch jetzt, angesichts der Masten, die bis an die Wolken zu ragen scheinen, übermannt manche die Höhenangst. Ausbilder teilen sie auf tiefer gelegene Stationen ein, versuchen, mehrmals mit ihnen zusammen aufzusteigen, führen persönliche Gespräche.
Wer auch dann noch zu Schwindel oder Panik neigt, darf nicht aufentern. Das muss noch nicht das Ende einer Offizierslaufbahn bei der Marine bedeuten…“
Offensichtlich ist es nicht so, wie BILD & Co reisserisch schreiben, dass dem OA beim Entern die Pistole auf die Brust gesetzt wird.
Das Manuskript:
http://www.br-online.de/content/cms/Universalseite/2008/12/04/cumulus/BR-online-Publikation-ab-10-2010–48518-20101209123403.pdf
Die Sendung zum Nachhören:
http://www.ardmediathek.de/ard/servlet/content/3517136?documentId=6016224
Nur noch mal zum allgemeinen Verständnis. Der Kommandant der Gorch Fock hat die Disziplinarstufe 2, deshalb ist dies Segelschiff auch ein Schiff und kein Boot. Beim Heer wäre das Äquivalent zu diesem Kommandanten der Batallionskommandeur. Der erste Offizier hat hier die Disziplinarstufe 1, also analog die eines Kompaniechefs.
In den Kompanien sind die Chefs nicht unmittelbar an der Ausbildung der Rekruten beteiligt. Theoretisch geben sie wohl die Vorgaben aber aufgrund ihrer kurzen Stehzeit (kleiner gleich 3 Jahre) sind die eigentlichen Träger der Ausbildung eher die Zugführer und dann, als ausführende Organe die Gruppenführer.
Wahrscheinlich ist es bei der Marine ähnlich.
Wieso wird jetzt eigentlich nur der Kommandant zur Rechenschaft gezogen und nicht gleich der Disziplinarvorgesetzte desselben wegen Verletzung seiner Aufsichtspflicht, zum Beispiel (ist das schon der Inspekteur Marine oder nur irgendein Admiral im Flottenkommando ?) ? Das wäre dann aber wohl kein „Bauernopfer“ mehr, sondern das eines „Grafen“.
NMWC hat ja schon in seinem Kommentar den sehr guten Vergleich zur Absetzung des Kapitäns der USS Enterprise gezogen.
Da wusste auch fast jeder in der Marine von den Vorgängen (in dem Fall mehrere Jahre alte „bedenkliche“ Lehrfilme), aber als die Presse die Sache aufgriff wurde dann auch erstmal der Kapitän abgesetzt. Parallel dazu ist ein Kapitän, über den es massive Beschwerden gab (aber nur „intern“) kontinuierlich nach oben gefallen.
Wobei der Kapitän, der nach oben gefalen ist, ein Kapitän (w) war. Der entsprechenden Blogbeitrag trägt dann ja auch den bezeichnenden Titel „Was gut für die Gans ist, ist nicht gut für den Ganter.“
@ J.R.
Himmel, meine Kommentare werden tatsächlich bis zum Ende gelesen und die Angebote über weitere Aspekte werden angenommen…Ich bin geradezu bestürzt…;-)
Aber Vorsicht bei der Interpretation meiner Intentionen: Der Vergleich bezog sich hier hauptsächlich auf das Agieren der Marineführung USN ggn. Marineführung DEU N. Die Wertung der Vorfälle zu Capt Honors ( Wie passt dies z.B. zum Zusammenhang Entscheidung Kongress zu „Don’t Ask Don‘ Tell“ DATD, siehe dazu Diskussion im Forum) und zu Capt Graf (siehe dazu Diskussion über die Sichtweisen über die Führungsqualitäten eines USN Officer) sowie die Analyse der Begründung des Handelns der USN, überlasse ich jedem geneigten Leser selbst.
Ich ziehe damit explizit keinen Zusammenhang zu KzS Schatz und seinem Handeln als Kommandant. Solch eine Bewertung ohne sämtliche Zusammenhänge zu kennen, gehört sich m.E. nicht. Diese Bewertung erwarte ich im Rahmen eines offiziellen Berichtes und erst dann kann über Aspekte dieses Berichtes diskutiert werden. Sei es der Bericht des Wehrbeauftragten oder ein möglicher Feldjägerbericht (wenn ich diese im Rahmen einer zusätzlichen unabhängigen Bewertung anfordern möchte).
Ich bleibe dabei, mir ist hier ein wenig zu viel Minister und zu wenig Marineführung erkennbar. Dabei ist mir egal ob es der OrgBereich Flottenkommando, Marineamt, FüM oder der InspM selbst ist (ja, ich weiss, das war heute morgen was. reicht mir persönlich aber nicht aus…). Sei es nun zum Thema Verantwortung, aber auch zum Thema wie das Ganze jetzt hochgekocht wird und man vielleicht doch die Kirche ein wenig im Dorf lassen sollte.
Oder mal provokativ ausgedrückt: Zögern bzw. lieber unkonkret bleiben aufgrund möglicher „Strukturveränderungen“ bei den Angehörigen der B-Besoldung?
Ist es nicht schön, dass wir endlich mal wieder einen tollen „Marinesauhaufen-Skandal“ haben, an dem sich alle reiben können…Wenigstens lässt es sich in diesem Kreise hier vernünftig miteinander darüber diskutieren.
@ NMWC
Ich wollte ihnen nicht irgendwelche Interpretationen in den Mund legen. Da habe ich mich wohl zu knapp ausgedrückt, sorry.
Der Kern beider Artikel waren für mich die fehlende Verantwortlichkeit in der US Navy-Hierarchie. Sowohl hinsichtlich der Folgenlosigkeit massiver Beschwerden, als auch die Bereitschaft bei entsprechendem Medieninteresse Offiziere nachträglich nochmal medienwirksam für Vorfälle abzustrafen, die die Hierarchie davor ignoriert/abgeschlossen hatte.
Da sehe ich derzeit durchaus Parallelen zur deutschen Marine, um das Verhalten des Kommandeurs der Gorch Fock im Einzelnen ging es mir dabei weniger. Gerade Aspekte wie die Kluft zwischen Stammbesatzung und Auszubildenden scheinen seit Jahren bekannt, aber auch die teils sehr starren Strukturen innerhalb der Stammbesatzung.
Und ja, in den amerikanischen Berichten spielen vielleicht auch das Geschlecht der Kapitäne und DADT eine Rolle, aber das halte ich eher für Nebenschauplätze.
Dass die US Navy deutlich mehr Initiative bei der Aufklärung zeigt, und auch die Verantwortung innerhalt der Hierarchie untersucht, ist durchaus interessant. Aber insgesamt ist das auch dort Stückwerk, der Vergleich zur Karriere von Cpt. Graf unterstreicht das glaub ganz gut.
Generell finde ich solche ausländischen Beispiele aber insofern praktisch, dass man sie meist deutlich emotionsloser diskutieren kann.
Allen, die den VtgMinister wegen der Abberufung des Kapitäns der Gorch Fock kritisieren rufe ich zu:
„Bitte mit der Vorverurteilung des Ministers (!) zurückhalten, es kommen noch ein paar „Klopper“ aus Richtung Schiffsführung Gorch Fock“ – und plötzlich sieht die Welt ganz anders aus…..und KT hatte doch recht.
Unmittelbar für die Ausbildung der Kadetten auf der Gorch Fock verantwortlich ist der erste Offizier. Der wurde, was nur am Rande berichtet wurde, ebenfalls nach Hause beordert (offiziell aus „familiären Gründen“).
Das war ein gangbarer Weg, ihn ersteinmal außer Verkehr zu ziehen, dabei das Gesicht zu wahren und es nicht wie eine Vorverurteilung aussehen zu lassen.
Beim Kommandanten gab es so eine Option nicht, hätte man ihn auch aus „familiären Gründen“ zurückbeordert, hätte dies angesichts der eskalierten Situation niemand geglaubt.
Noch eine grundsätzliche Anmerkung: Soweit ich feststellen kann, ereignen sich tödliche Unfälle auf Großsegelschiffen offenbar auschließlich bei der Deutschen Marine, man findet nämlich sonst überhaupt nichts zu diesem Thema.
@marinekenner
wahrscheinlich spielen Sie auf eine heutige Meldung im Deutschlandfunk an, Herr Schatz hätte während einer Musterung die Wörter „Menschenmaterial“ und „unwürdig“ in den Mund genommen. Er hätte das in einer Befragung zugegeben. Das glaube ich im Leben nicht ! Kaum ein Vorgesetzter ab PUO und erst Recht kein Offizier in dem Rang wäre so strunzendoof während einer Musterung diese Äußerungen zu verlautbaren (wobei ich auch bezweifel, dass er dies in seinen Gedanken so formulieren würde). Dies läßt 3 Rückschlüsse offen:
1. er hat es geäußert aber nur aufgrund eines Hirntumors der das Logikzentrum lähmt ( unwahrscheinlich !)
2. er hat es geäußert, weil er dumm ist, was seine bisherigen Vorgesetzten, die ihn bisher für förderungswürdig hielten auch als dumm dastehen ließe (unwahrscheinlich !)
3. er hat während der Befragung gesagt, er hätte dies geäußert, aber nur weil eine Befragung keine Vernehmung ist und er nicht der Wahrheitspflicht unterliegt. Nun stellt sich die Frage, wer und was ihn dazu motiviert haben könnte, diese unwahre dienstliche Aussage zu tätigen. (möglich falls man Verschwörungstheorien für möglich hält und Korruption auch).
Dennoch. Im Vertrauen auf Integrität, Berufung und Pflichterfüllung von KzS Schatz bin ich der felsenfesten Überzeugung, dass diese Meldung nicht der Wahrheit entspricht.
Das Sozialwissenschaftliche Institut der Bundeswehr hat in den vergangenen Jahren mehrfach in Forschungsstudien über Missstände an Bord des Segelschulschiffes Gorch Fock informiert. KT und Königshaus (der hat in seinem Bericht auch nichts zum Thema Gorch Fock) hätten alles wissen können, ob sie es wollten?
Hatte KT die Sache vor zwei Wochen noch interessiert? Nein, denn die Presse (Bild) hatte ja nicht vor etwas zu schreiben. Wie sieht es denn in anderen Bereichen aus? Absturzsicherung auf Luftfahrzeugen, ignorieren von ziv. Normen und Verfahren bei der Bw usw.
Meine volle Zustimmung: extrem unglaubwürdige Meldung. Aber es hat ja auch schon geheißen, KptzS Schatz sei „entlassen“ worden…hier hat wohl eher das „Stille Post“-Prinzip gepaart mit mangelnder journalistischer Recherche zugeschlagen…was mich für Rückschluss 4 plädieren lässt:
4. er hat keine der beiden unterstellten Begriffe in dem Zusammenhang verwendet, sondern es handelt sich allenfalls um eine Interpretation des Befragenden.
Dass er recht deutliche Worte nach dem Vorfall auch an die Adresse des Offiziernachwuchses gefunden hat, liess sich ja in der letzten WamS nachlesen .
Dass Kapitän z. S. Schatz den Ausdruck „minderwertiges Menschenmaterial“ im einem Gespräch mit Vorgesetzten verwendet habe, hat das Verteidigungsministerium heute dementiert.
Allerdings tauchte just diese Formulierung auch schon in den Stellungnahmen der Offizieranwärter gegenüber dem Wehrbeauftragten auf, vgl. z. B.: http://www.wz-newsline.de/home/politik/inland/bundeswehr-antreten-zur-generalinspektion-1.557685
Freunde, der Trick ist doch ganz einfach, wir bauen eine Dementifalle. Selbst, wenn Schatz jetzt sagt, er habe das nicht gesagt, es soll an ihm der Verdacht haften bleiben. Gefördert wird das vermutlich durch ein Riesenarschloch im BMVg, dass schon seit längerem quasi eine Standleitung zur Leipziger Volkszeitung bzw. deren Berliner Büro hat, und das auch Kollege Raabe, als er noch für Jung sprechen durfte, schon öfter für das Spiel über Bande genutzt hat: http://bendler-blog.de/2009/12/12/leipziger-allerlei/
Beispiel aus eigener Erfahrung: Wir hatten in der Kompanie einen arabisch-stämmigen Unteroffizier (nein, keinen stämmigen, arabischen), der von den Kameraden inkl. Spieß (aber nicht von mir) „Kameltreiber“ gerufen ward und auf dem Kompanietrupp (also viel Innen) diente. Nach einem Schießen, dessen Leitender ich war, und bei dem der Kamerad als Gruppenführer ein prima Leistung gezeigt hatte, sagte ich vor versammelter Truppe: „Von wegen Kameltreiber, sie haben die Gruppe klasse geführt. Keine Ahnung, warum Sie auf dem Kompanietrupp versauern.“
Ende des Liedes: Stoltenow bekommt nen Diszi und muss einen gar nicht so kleinen dreistelligen Betrag abdrücken, weil er den Unteroffizier Kameltreiber genannt habe. So geht das.
Fragen, Fragen, Fragen…
– Ist der Kommandant Gorch Fock eine Person des öffentlichen Leben?
– Dürfen die Medien seine Photos, etc veröffentlichen?
– Welcher Vorgesetzte / welche Dienststelle überwacht die Wahrung seiner Rechte in der Heimat?
– Wen kann man, im Fall der Widerlegung der Vorwürfe rechtlich belangen, zum Schadeneratz verpflichten? OA’s, Minister, Presse?
– Warum beschleicht mich zunehmend der Eindruck, dass Loyalität eine Einbahnstrasse ist?
Je länger ich darüber nachdenke, desto größer werden meine Zweifel an dem was die Marine/Bundeswehr als Tugenden Leitbildern und lehrt!
Fürsorge ist keine Einbahnstrasse! Das scheint in Vergessenheit zu geraten – bei unseren Altvorderen.
Egal was an den Vorwürfen dran ist. Der Umgang mit Kpt z.S. Schatz ist so oder so unwürdig! Ist das das das wahre Gesicht des Dienstherren? Lohnt es ich dafür einzustehen??