Westerwelles Abzugs-Ankündigung…
Die Bundeswehr soll möglichst 2012 mit ihrem Abzug aus Afghanistan beginnen, melden die Agenturen unter Berufung auf einen Gastbeitrag von Bundesaußenminister Guido Westerwelle in der Welt. Wenn ich mir allerdings die konkrete Passage in Westerwelles Beitrag ansehe, bin ich da ein klein wenig skeptischer:
Präsident Karsai hat sich zum Ziel gesetzt, dass die Afghanen selbst im Jahr 2014 in der Lage sein sollen, die Sicherheitsverantwortung vollständig zu übernehmen. Diese Übergabe soll im nächsten Jahr beginnen, Distrikt für Distrikt, Provinz für Provinz. Auch wenn in Lissabon noch keine konkreten Gebiete benannt werden, weil es den Taliban in die Hände spielen könnte, diesen Prozess der schrittweisen Übergabe zu unterminieren – das Startsignal dafür soll definitiv gegeben werden.
Mit der Verantwortungsübergabe entsteht die Abzugsperspektive, die wir noch in dieser Legislaturperiode anstreben. Vorbehaltlich der Entwicklung der Sicherheitslage ist es unser Ziel, unser eigenes Kontingent im Jahr 2012 zum ersten Mal zu reduzieren.
(Hervorhebung von mir.)
Das bedeutet doch im Klartext:
– Auf dem NATO-Gipfel in Lissabon werden (noch) keine Regionen genannt, die demnächst in die Sicherheitsverantwortung der Afghanen übergeben werden sollen – nun gut, das ist nicht so überraschend, auch wenn es Meldungen gegeben hatte, ISAF-Kommandeur David Petraeus werde mit einer farblich markierten Karte von Übergaberegionen nach Lissabon reisen.
– Die Abzugsperspektive, die wir noch in dieser Legislaturperiode anstreben scheint seit einiger Zeit ein Mantra deutscher Außenpolitiker (hatte nicht Westerwelles Vorgänger Frank Walter Steinmeier von einer Abzugsperspektive ab 2013 gesprochen?)
– Die deutsche Truppenstärke im Jahr 2012 zum ersten Mal zu reduzieren heißt unter anderem, dass sie für das kommende Jahr nicht verringert wird – was angesichts der Situation sinnvoll erscheint, aber auch erst seit kurzem die offiziell ausgesprochene Haltung der Bundesregierung ist. Der Vorbehalt, die Sicherheitslage müsse dem entsprechen, ist genau so eine Binsenweisheit, lässt aber völlig offen, ob es mit der übernächsten Verlängerung des deutschen ISAF-Mandats zu einer Reduzierung kommt.
Mit anderen Worten: Wir würden gerne weniger Soldaten am Hindukusch haben, aber ob und wann das klappt, wissen wir auch heute noch nicht. Das scheint der Außenminister sagen zu wollen. Aber möglichst 2012 mit dem Abzug aus Afghanistan beginnen, wenn es die Sichehrheitslage erlaubt klingt natürlich nicht so sexy wie Westerwelle: Bundeswehr beginnt 2012 mit Abzug aus Afghanistan.
Liebe Kollegen von der Welt, ich würd‘ ja gerne den Gastbeitrag von Außenminister Guido Westerwelle, in dem er wohl einen Beginn des deutschen Abzugs aus Afghanistan für 2012 ankündigt, mal in Gänze lesen.
Erfreulicherweise wird der auf der Seite von Welt online auch angekündigt, sogar mehrfach…
… ist dann aber nicht auffindbar? (Das war/ist offensichtlich ein Bug auf der Welt-Seite, hat sich nunmehr geklärt, s. Kommentar)
Die Kollegen stellen nur wichtige Beiträge zur Bundeswehr online.
http://www.welt.de/politik/ausland/article11015219/Bundeswehr-Esel-Hermann-quittiert-aktiven-Dienst.html
Lieber Thomas,
da gab es einen technischen Schluckauf.
Hier ist der richtige Link,
http://www.welt.de/debatte/kommentare/article10994163/Westerwelle-kuendigt-Abzugsbeginn-fuer-2012-an.html
Weiterhin alles Gute für Deinen geschätzten Blog.
Beste Grüße
Romanus
@Romanus
Danke, wird gleich berüchsichtigt.
Die Bundesregierung wird es jetzt schwer haben zu rechtfertigen, warum in Afghanistan das Leben deutscher Soldaten für eine ihrer Darstellung nach ja ohnehin verlorene Sache geopfert wird:
http://www.tagesspiegel.de/politik/steiner-krieg-in-afghanistan-ist-nicht-zu-gewinnen-/2893790.html
@ S.W.
Definieren sie „verlorene Sache“.
Niemand wird den Konflikt mit militärischen Mitteln lösen können. Das gilt für die Taliban ebenso wie für die NATO.
Aber die Taliban leben dort. Und sie haben ein passendes Sprichwort: „Ihr habt die Uhren, wir haben die Zeit.“ Bei einer Fortführung des Konflikts mit mil. Mitteln ist der Sieger klar.
@Sebastian S.
Den Satz, dass es „keine militärische Lösung“ gebe, halte ich für eine irreführende Floskel. Da niemand jemals behauptet hat, dass es eine „militärische Lösung“ jenseits der operativen Ebene gibt, wird hier völlig unnötig der Eindruck erweckt (und so hat es die Presse ja auch verstanden), dass „der Krieg verloren sei“, und dass es eine ausschließlich „zivile Lösung“ gebe.
In Afghanistan kann es keine Lösung im Sinne Deutschlands und seiner Verbündeten geben kann, die nicht zunächt Voraussetzungen bedarf, die sich zu wesentlichen Teilen nur militärisch schaffen lassen. In diesem Zusammenhang ist m.E. einer der größten Irrtümer, „militärische Lösungen“ und „politische Lösungen“ als sich aussschließende Alternativen darzustellen und z.B. so zu tun, dass es möglich sei, sinnvoll zu verhandeln anstatt zu kämpfen.
Die Diskussion war in ferner Vergangenheit schon einmal so weit zu erkennen, dass der Einsatz von Streitkräften ein politisches Mittel neben anderen ist. Verhandlungen sind z.B. keine Alternative zum Einsatz von Streitkräften, sondern eine politische Maßnahme, welche im idealfal komplementär zu Verhandlungen wirkt und die Voraussetzungen dafür schafft, dass der eigene politische Wille durchgesetzt werden kann. Das gleiche gilt für Aufbaumaßnahmen oder andere Maßnahmen: Alles wirkt im Idealfall im Rahmen einer Strategie so zusammen, dass es dem von der Politik vorgegebenen Ziel dient.
Unsere politische Kultur ist leider so unehrlich, dass sie so tut, als sei „Entwicklungshilfe“ oder „Verhandlungen“ und „Dialog“ etwas wären, was von Staaten als Selbstzweck und möglichst ohne Einbindung in irgendeine Strategie verfolgt werden sollte, während militärisches Vorgehen als grundsätzlich unpolitisch dargestellt wird.
Die Bundesregierung hat sich ohne erkennbares Ziel und ohne Strategie an einem Krieg beteiligt und stellt es seitdem als Tugend dar, nichts dazu lernen zu wollen. Dass sich ein offizieller Afghanistan-Beauftragter der Bundesregierung in Grundsatzfragen so hilflos äußert, ist m.E. symptomatisch. Ebenso symptomatisch ist, dass alle sog. „Think Tanks“ und „Experten“ in Deutschland diese Floskeln ebenso hilflos nachbeten.
Eine rein militärische Lösung ist nicht möglich, denn das wäre nur mit den Methoden des Terrors machbar und das steht ja nicht zur Debatte. Das bedeutet aber nicht in letzter Konsequenz das der Militäreinsatz sinnlos wäre. Das Militär verschafft der Politik Zeit und Raum. Am Ende kann aber nur eine politische Lösung stehen und die wird wohl kaum darin bestehen das man jegliche Zusammenarbeit mit unliebsamen Positionen kategorisch ausschließt. Spätestens wenn der Truppenabzug beginnt wird man nicht umhin kommen den Taliban Zugeständnisse zu machen.
Irgendwie sprechen Verteidigungsministerium und AA was Afghanistan angeht mit zwei Stimmen.
Es wird wiedermal deutlich, daß Westerwelle als Außenminister eher seiner Eitelkeit als seiner Befähigung zu diesem Amt geschuldet ist. Und Merkels Tendenz, Menschen auf Posten zu setzen wo sie ihr nicht gefährlich werden können.
Merkel sollte Westerwelle zum Unterzeichnungs- und Schönwetteraußenpolitiker degradieren, ähnlich wie es Schröder mit Fischer gemacht hat in den letzten Jahren seiner Amtszeit. Problem ist bei Schröder gab es wenigstens den Kanzler, der dann außenpolitisch tätig wurde, während Merkel in diesem Feld bisher auch eher durch Schönwetteraktionen wie Klimakonferenzen auffiel (jetzt die EU mal ausgenommen).
Tut mir leid, aber solange ich Soldat bin und nicht gerade Hotelier, kann ich den Herrn niemals und auch in der Zukunft in keinster Weise ernst nehmen.
Die Aussage das der Konflikt „militärisch nicht zu gewinnen ist“ ist der Tatsache geschuldet das die militärischen Notwendigkeiten hierfür schlicht politisch nicht umsetzbar sind.
Eine Truppenstärke von > 500 k ist nicht realsisierbar, damit ist die Option den Konflikt rein militärisch Lösen vom Tisch.
Im Grunde ist der „vernetzte Ansatz“ eigentlich der richtige so lange er Konsequent umgesetzt wird. Dies bedeutet in meinen Augen, das erkannte Mängel die das Ziel gefährden konsequent eliminiert werden,
Wenn die ANSF noch keine Sicherheit garantieren können ist es Aufgabe dar ISAF dafür zu sorgen, mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln.
Wenn die nationalen Regierungstrukturen nicht ordnungsgemäß funktionieren ist es Aufgabe der CIMIC dafür zu sorgen das es funktioniert. Wen Korruption sich zum Pronblem entwickelt ist sie konsequent und ohne Rücksicht auf irgendwelche Verwandschaftsbeziehungen zu bekämpfen. Im Zweifel übernimmt ISAF bis zum funktionieren der zivilen Administration deren Aufgaben.
In einem gesicherten Umfeld können NGO`s zusätzlich du den GO`s tätig werden und zivile Projekte und Maßnahmen umsetzen.
Und wenn dies dem Bürgermeister von Kabul nicht gefällt, wird ihm freundlich aber bestimmt erklärt das es unsere Töchter, Söhne und Väter sind die für ihn den Arsch hinhalten und letztendlich unsere € die sein überleben sichern.
Alles andere ist politisch und damit nix anderes als gewollt aber nicht gekonnt.
> Die Aussage das der Konflikt “militärisch nicht zu gewinnen ist”
Das ist ohnehin eine Platitüde.
Man kann restlos jeden Konflikt militärisch gewinnen.
Wenn man einen grossen Glasparkplatz als Siegesbedingung akzeptiert.
Eine sachliche Formulierung lautet „Der Konflikt kann nicht gewollt militärisch gewonnen werden.“