Guttenberg und die Wirtschaftskriege
Eigentlich aus der Rubrik Was ich heute so gemacht habe: Bei Bayern 2 im Tagesgespräch über Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg und die Frage diskutiert, ob Bundeswehreinsätze mit Wirtschaftsinteressen begründet werden können. Ich weiß, so hat der das nicht gesagt, ab er so scheint es bei sehr vielen Leuten angekommen – auch bei den meisten Zuhörern, die in der Sendung angerufen haben.
Wer viel Zeit hat: Die einstündige Sendung lässt sich als Podcast anhören bzw.
Möglicherweise sind die Leute, die wochentags von zu Hause aus bei solchen Sendungen anrufen können, nicht repräsentativ für den Durchschnitt der Bevölkerung. Ich bin optimistisch, dass die arbeitende Bevölkerung prinzipiell versteht, was die wesentlichen Quellen des deutschen Wohlstands sind, und dass es dieser Wohlstand wert ist, geschützt zu werden.
Ich habe so meine Zweifel, ob die Bevölkerung in unseren Breiten jemals Wirtschaftskriegen zugestimmt hätte, hätte man sie nur gefragt.
Ein klassisches Gebiet, das nach einer fundierten Entscheidung von Leuten ruft, deren Interesse an der Thematik über saisonale Demonstrationlust hinausgeht. Die Durchsetzung von Wirtschaftsinteressen auf militärischem Wege erhöht das Gewicht der vertretenen Unternehmen in der Welt und macht die bloße Drohung damit künftig glaubhaft.
Es wird also durch vergleichsweise geringe Investitionen an Mensch und Material eine Menge gewonnen. Wenn das der Wähler nicht einsieht, lohnt es sich, beim nächsten Wahlkampf ein anderes Thema in den Mittelpunkt zu rücken.. ;-)
S.W
na ja, Ihr Argument vermag nicht zu überzeugen:
wann ist schon wer zu Hause?
So richtig begeistert bin ich da nicht von Ihren Einlasungen.
Aber egal, denn der Bundesminister der Verteidigung wiederholt ja nur weitgehend „alt Bekanntes“.
Schade, denn selbst Ladenhüter sorgen schon für mediale Aufmerksamkeit.
Komischer Journalismus ( in Deutschland)
> Möglicherweise sind die Leute, die wochentags von zu Hause aus bei solchen
> Sendungen anrufen können, nicht repräsentativ für den Durchschnitt der Bevölkerung
Das war auch mein erster Gedanke und ich habe den Eindruck daß einige Male koordiniert ausgearbeitete Positionen vorgetragen wurden, die Formulierungen waren schon sehr identisch. (Ich würde gerne mal die Telefon/Web-Protokolle derartiger Diskussionen einsehen – hinter wievielen Pseudonymen wohl derselbe Absender steht )
Wird Polizei nicht mit ähnlicher Argumentation eingesetzt?
„Herstellung der inneren Sicherheit aus wirtschaftlichen Gründen.“
Ein schwer zu widerlegender Punkt von Wirtschaftseinsätzen ist die grosse Kluft zwischen Kosten und Nutzen: Ein grosser Kampfeinsatz kostet mit Leichtigkeit ein vielfaches der potentiellen „Beute“ zumal man auch reiche Kupfervorkommen nicht mit Soldaten wirtschaftlich ausbeuten kann sondern nur mit einheimischen Billiglöhnern.
„Rechnen“ wird sich ein militärischer Einsatz gerademal bei Konzentration auf Ausbildung, Aufklärung und gelegentlichen Kommandoaktionen gegen eher kriminelle denn militärische Elemente.
Nachdem die Diskussion emotional in die Richtung „grundsätzlich kein Militär für Wirtschaft“ ging hätte ich mir mehr Gegenbeispiele gewünscht die darlegen daß nicht jeder Militäreinsatz ein Kampfeinsatz ist. Kongo war ein gutes Beispiel, Piraten auch, aber davon muß es doch mehr geben, notfalls Operationen westlicher Verbündeter.
Auffällig war daß es auf beiden Seiten nur stark polarisierte Betrachtung gab – entweder war man dagegen oder dafür. Aber vermutlich haben nur polarisierte Menschen die Neigung ihre Meinung mitzuteilen, wem es egal ist, dem ist es egal.
@Crass Spektakel
„Das war auch mein erster Gedanke und ich habe den Eindruck daß einige Male koordiniert ausgearbeitete Positionen vorgetragen wurden, die Formulierungen waren schon sehr identisch. (Ich würde gerne mal die Telefon/Web-Protokolle derartiger Diskussionen einsehen – hinter wievielen Pseudonymen wohl derselbe Absender steht )“
In einschlägigen Diskussionsforen oder in E-Mail-Verteilern wird so etwas durchaus koordiniert. Es werden gemeinsame „Talking Points“ formuliert (oder vorgegeben) und z.B. auf Internetabstimmungen, E-Mails von Journalisten oder Abgeordneten oder eben solche Sendungen hingewiesen. All das ist völlig legitim, aber man muss sich vor Augen halten, dass das von professionellen Aktivisten geschaffene Bild über den angeblichen Konsens in der Bevölkerung artifiziell ist.
Tatsächlich sind solche strategischen Vorgehensweisen heute unter Aktivisten sehr verbreitet, etwa in der Umwelt- oder Friedensbewegung. Die Art und Weise, wie Kampagnen geplant, Zielgruppen angesprochen, Menschen durch Heraufbeschwörung von Ängsten beeinflusst oder durch Schaffung von Emotionen und Bildern motiviert werden, ist z.T meisterhaft. Goebbels war ein Amateur im Vergleich zu Greenpeace und anderen Moralkonzernen. Im Bereich der Sicherheitspolitik hat Aktivismus es besonders leicht, denn durch die Konstruktion bestimmter historischer Parallelen lässt sich in den Hirnen deutsche Wähler zuverlässig der Verstand abschalten.
@S.W.
Wir driften in unserer Wortwahl wieder ein bisschen ab, oder?
Goebbels war ein Amateur im Vergleich zu Greenpace ist, nun ja, fast schon justiziabel. Und nicht die Art der Diskussion, die hier sinnvoll wäre.
@T. Wiegold
Goebbels gilt nun einmal die absolute Autorität in Propagandafragen, was Deutschland angeht. Gerne verzichte ich jedoch auf den Vergleich, wenn Sie befürchten, dass manche Leser das Thema nicht objektiv betrachten möchten. An der propagandistischen Qualität der Arbeit bestimmter Bewegungen in Deutschland ändert das aber nichts.
Um ideologische Balance herzustellen: Hier ist ein Beispiel von professionellem Aktivismus aus einem anderen Lager: http://australiansforpalestine.com/wp-content/uploads/2009/07/tip_report.pdf
So wie die proisraelischen Aktivisten arbeiten bekannte deutsche und internationale Organisationen auch, v.a. in der Umweltbewegung. Diese sind allerdings klug genug, solches Material nicht an die Öffentlichkeit gelangen zu lassen.
Um meinen lobenden Vergleich weiter zu relativieren: Im Bereich der Friedensbewegung existiert solches Material auch, hat aber z.T. noch die Schwäche, dass die Ideologie zu deutlich sichtbar wird. Das Bild von der Bundeswehr als ausführendem Organ des Großkapitals bei der Durchsetzung neoliberaler Globalisierung und Zugriff auf Rohstoffe in Afghanistan überzeugt bislang nur wenige.
Gerade die Friedensbewegung könnte in dieser Hinsicht noch professioneller arbeiten und besser auf die emotionalen Bedürfnisse in der deutschen Bevölkerung eingehen (Soldaten als potentielle Opfer von Gewalt die man heimholen muss, Angst vor Kollektivschuld durch mutmaßliche Kriegsverbrechen an denen eigentlich die Amerikaner schuld sind, gute Arbeit des deutschen Soldaten als Aufbauhelfers wird durch Cowboytum der Amerikaner zunichte gemacht weshalb der Einsatz gescheitert ist etc.).
@S.W.
Wir driften ein bisschen vom Thema dieses Threads ab… und trotz aller Erklärversuche würde ich dringend bitten, auf solche Vergleiche zu verzichten.
@T. Wiegold
Sie sind der Hausherr. Um es so neutral wie möglich mit direktem Bezug zum Beitrag auf den Punkt zu bringen: Man sollte m.E. die Möglichkeit bedenken, dass die Anrufer nicht alle spontan und repräsentativ zum Ausdruck gebracht haben, was in der Bevölkerung zu diesem Thema gedacht wird.
Die kleine Spitze vergönn ich mir: Das ist das erste Mal, dass ich etwas von proisraelischer Propaganda höre ;)
Oke.
Die Befürchtung, dass Wirtschaft und Militär verknüpft werden, ist an sich ja nur vernünftig. Nur gab es bisher in Deutschland definitv noch keinen realen Anlass.
Dass der ein oder andere (teils auch aus schändlichen Motiven heraus) auf diesen Zug aufspringt, z.B. „wegen der Rohstoffe in Afghanistan“ (absurd), kann ich nicht nachvollziehen.
Letztenendes muss zu Guttenberg aber mal sagen, was genau er denn meint und nicht meint, wenn über das Thema schwadroniert. Das allgemeine Geplänkel über „Exportabhängigkeit“ und „Rohstoffimporte“ schadet nur und sorgt dafür, dass die Bundeswehr künftig als Handlanger der Wirtschaft angesehen werden könnte.
Artikel 87a GG muss deshalb betont werden. „Der Bund stellt Streitkräfte zur Verteidigung auf…“. Die Piratenbekämpfung ist da inklusive.
Militärische Verteidigung sollte, im Rahmen der deutschen Sicherheitspolitik, nur unter dem Begriff Notwehr geführt werden. Sicherung von Handelswegen ist etwas anderes als Sicherung von Rohstoffen. Sollten wir irgendwann mal wieder dazu übergehen für Deutschland den Zugang zu Rohstoffen zu sichern, würden wir den Krieg wieder als legitimes Mittel der Außenpolitik betreiben. Da gewinnt dann der Stärkere und das sind nicht wir. Wenn wir uns nicht an Prinzipien halten, müssen wir uns nicht wundern wenn es andere (China, Russland u.v.m.) dann auch nicht tun. Krieg darf nur der Verteidigung dienen und Sicherheitspolitik ist mehr als der Einsatz von Militär.
„Unter dem juristischen Begriff Notwehr sind lediglich Maßnahmen zusammengefasst, die einen gegenwärtigen und rechtswidrigen Angriff von sich oder einem anderen abwenden, außerdem gilt als Notwehr auch der Schutz von Gegenständen und anderen Rechtsgütern. Angriffe, die nicht strafbewehrt sind oder deren Strafverfolgung durch Behörden aus praktischen Gründen nicht möglich ist, werden vom Notwehrbegriff nicht abgedeckt (Beispiel: Mobbing). Die Art und die Ausführung der Verteidigung muss so gewählt werden, dass der Angriff sicher und endgültig abgewendet werden kann. Bei mehreren Möglichkeiten soll die mildeste gewählt werden, der Verteidigende muss jedoch kein Risiko eingehen, wenn ein weniger schweres Mittel nicht mit Sicherheit zum Erfolg führt. Im Gegensatz zum populären Irrglauben sind die Auswirkungen der Notwehrhandlung auf den Angreifer irrelevant; weder ist ein Abwiegen von gesundheitlichen Schäden beim Angreifer erforderlich noch sind Verletzungen des Angreifers, die aus der Notwehrhandlung resultieren, strafbar. Die Flucht muss einem Verteidiger nicht zugemutet werden („Das Recht braucht dem Unrecht nicht zu weichen“).“ (Definition aus Wiki)
Keine militärische Verteidigung kann nur Notwehr sein !
Militärische Verteidigung beinhaltet auch immer mögliche Angriffe in einem Gefechtsszenario, also auf taktischer Ebene. Diese Notwehr- und Nothilfediskussion war ja jahrelange das Übel des deutschen ISAF-Einsatzes. Nun hat sich diese Haltung etwas gelockert und Aufständische können auch proaktiv bekämpft werden. Allerdings tut sich Deutschland mit der Wahl der militärischen Mittel noch sehr schwer.
Eine ganz andere Frage ist, warum Deutschland heute noch im ISAF-Einsatz ist, aber das ist eine andere Baustelle. Sicherlich nicht wegen Rohstoffe und Sicherung der Transportwege. Meiner Meinung nach auch nicht wegen der terroristischen Gefahr, die von den Taliban in AFG für Deutschland ausgeht. Mal sehen, ob wir da von Guttenberg noch eine plausible Erklärung bekommen.
Der simple Grund dürfte sein, dass man keinen Scherbenhaufen hinterlassen und das totale Zerfallen Afghanistans erlauben will und getreu deutscher Tugenden eine Arbeit auch zu Ende bringt und nicht unfertig anderen überlässt, oder? :)
Das wäre zumindest die ehrenhafte Version. Die wirkliche gibts wohl gar nicht.
Die wirkliche – im Sinne von „durch die Wirklichkeit am besten gestützte“ – könnte lauten: Deutschland ist wegen seiner geringen militärischen Kräfte nicht strategiefähig, eine gemeinsame europäische Strategie ist erst im Werden, also folgen wir den USA. Das zentrale (uns nicht mal schlechteste) Argument für den AFG-Einsatz ist damit Bündnissolidarität, die sich u.a. am Verlauf der Übergabe der Verantwortung in AFG zeigen wird, die durch die USA bestimmt werden wird.