Zum Nachlesen: Soldaten-Tagebuch
Anfang der Woche hat die Nachrichtenagentur dapd damit begonnen, das Tagebuch eines aus dem Afghanistan-Einsatz zurückgekehrten Bundeswehrsoldaten zu veröffentlichen. Die Aussagen des Soldaten sind auch auf Kritik gestoßen – wenn ich das richtig sehe, allerdings vor allem wegen der Art, in der die Agentur diese Aussagen aufgemacht hat.
Ich selber habe (wie vermutlich die meisten meiner Leser) keinen direkten Zugang zu den Meldungen von dapd, deshalb verlinke ich hier mal die ersten drei Teile, wie sie Der Westen, der Online-Bereich der WAZ-Gruppe, veröffentlicht hat. Das Original lesen hilft eher, sich selbst eine Meinung zu bilden.
(Ich füge hier kontinuierlich die weiteren Teile ein, die auf der Seite Der Westen veröffentlicht werden – danke für die Leserhinweise darauf!)
Teil 1: Tagebuch eines Deutschen in Afghanistan
Teil 2: Soldat klagt über absurde Vorschriften
Teil 3: Lieber drei tote Soldaten als ein toter Zivilist
Teil 4: Soldat hat Angst, dass es ihn als nächsten trifft
Teil 5: „Die Taliban sitzen uns direkt im Nacken“
Teil 6: US-Task-Force-Leute sind ein Killerkommando
Teil 7: Plötzlich stand die Patrouille mitten im Minenfeld
Teil 8: Das Leben nach dem Afghanistan-Einsatz
A German Bundeswehr patrols high ground and searches for improvised explosive devices during a regular patrol on October 17, 2010 near Mazar-e-Sharif, Afghanistan. (Photo by Miguel Villagran/Getty Images via picapp)
(Disclaimer: ich war mal beim deutschen Dienst der Nachrichtenagentur AP beschäftigt, der vor kurzem in der Agentur dapd aufgegangen ist. Die Berichte der Agentur kenne ich aber wie jederOnline/Zeitungsleser nur mittelbar über andere Medien.)
Endlich einer der die Wahrheit sagt…..
Traurig, aber wahr.
Wenn die Behauptung stimmt, dass die Führung während des Karfreitag-Gefechts nicht reagiert hat, obwohl LUNA-Bilder vorhanden waren. Ist das dann nicht sowas wie Fahnenflucht? Oder Verrat?
Nur, falls das eben wahr ist.
Wie auch immer… Wenn ich diese Berichte lese, krieg ich nen Anfall. Im Prinzip bestätigen sie exakt das, was man hinter der Medienscharade vermutet.
Aufgrund weiterer privater Berichte von Bekannten, formt sich langsam (über Jahre) eine recht solide Schnittmenge, was die wirkliche Lage anbelangt. Und die sieht eigentlich genauso aus, wie in dem Tagebuch beschrieben.
Ich kann nur hoffen, dass eine neue Generation von jungen Offizieren nachkommt, die nicht die eigenen Männer verrät, wie es jetzt schon mehrfach vorgekommen ist.
Ganz eindeutig.
Die Berichte des Soldaten (so sie denn tatsächlich Originalberichte eines Soldaten aus dem Afghanistan-Einsatz sind) decken sich auch mit meinen eigenen und den Erfahrungen anderer Kameraden (und nicht nur deutscher Soldaten!)…
Man darf dabei aber nicht vergessen, das dies alles SUBJEKTIVE Momentaufnahmen von (meist) emotionsgeladenen Geschehnissen sind…..
Dazu kommt die „Mobbing und Gerüchteküche“ bei der Bundeswehr-es wird IMMER viel erzählt und geschimpft……..
Leider deckt sich meine Beobachung der „Stabs-Arbeit“ in weiten Teilen mit der des Erzählers…
Das BMVg bzw. EinsFüKdo hat NIE von irgendetwas gewusst…..wie denn auch?
Für die meisten (kleinen) Vorfälle fehlt der politische Wille des Zuhörens („Was kann ich schon ändern?“-oft genug von etlichen Generälen gehört)…
Auch jüngere Offiziere werden an der „Kämpfen können, um nie kämpfen zu müssen“-Einstellung nichts ändern, solange der politische Wille zu hartem Durchgreifen (oder zum sofortigen Rückzug) nicht ENDLICH einmal deutlich formuliert wird….
Denn bisher macht die Bundeswehr in Afghanistan genau das, was sie machen soll-was war das noch mal genau?
Ach ja….“Die Bundeswehr schafft ein stabiles Umfeld….für Sicherheit usw….“
Ein „Auftrag“ sieht eigentlich anders aus….
Wer Soldaten derart wie beschrieben schikaniert, sollte besser hinterher nicht mit selbigen in eine brenzlige Situation geraten. Die Erfahrung was dann passieren kann, haben schon mehrere Leute machen müssen.
Also, ich finde das ziemlich platt. Das ist doch kein Tagebuch! Ich nehme nur mal einen Textausschnitt:
„Dann wurde noch ein zweites Fahrzeug bei J92 angesprengt. Dieses Mal war es ein Fuchs von den Störern, die die Funkfrequenzen der IED´s (Sprengfallen) stören sollen, damit sie nicht gezündet werden können.“
Wenn ich ein Tagebuch schreibe, dann schreibe ich das für mich. Da werde ich keine für mich einleuchtenden Sachen erklären und erläutern. Klammervermerke…
Ich glaube das ist irgendwie aufgearbeitet und für den gemeinen Zivilisten ansprechend und spannend gestaltet. Die Authentizität geht dadurch aber vollkommen verloren und macht es meines Erachtens ziemlich lächerlich.
So eine Veröffentlichung geschieht ja nicht im luftleeren Raum. Darüber wurde vorher mindestens in irgendeinem Offizierskasino diskutiert und ein Abgänger o.ä. auserkoren, das durchzustechen.
Ob das jetzt ein reales Tagebuch ist oder ein lyrisches pseudoreales Werk sein mag, ist dabei in meinen Augen irrelevant.
Denn was sind die inhaltlichen Kernaussagen:
– Die kämpfende Truppe wird vom eigenen Stab verarscht! Das können glaube ich viele mit Einsatzerfahrung unterschreiben. (Und der Stab verarscht die Fußsoldaten, weil politisch vorgegebene Parameter wie Mandat, Mannstärke und Ausrüstung den Auftrag nicht erfüllen können und hinterer niemand der Dumme sein will.)
– Die RoE sind unangemessen.
– Man hat das Verhalten eines Opferlamms, nicht das eines Jägers. Die Luna- Geschichte deutet ja schön an, dass man zu oft wartet, bis man angegriffen wird, statt gezielt Jagd auf Aufständische zu machen.
– Teile der Truppe sind unprofessionell und können mit ihren Emotionen nicht umgehen. (Sind das nicht die zukünftigen PTBS- Fälle …)
– Einfachste Basis- Fähigkeiten wie Kleiderordnung und Bartpflege sind entweder nicht ausreichend vorhanden oder der einsatzrelevante Maßstab nicht geklärt. Was macht so eine Truppe, wenn es mal um wichtige Dinge geht?
– Die Koordination zwischen Deutschen und Amis klappt oft nicht.
– Die Amis trauen den Deutschen nichts zu, siehe TF47 Geschichte.
– Auch in der Bundeswehr wird geklaut (Jacken-Geschichte).
– Die ZDv ist für den Afghanistan- Einsatz ein untaugliches Hindernis.
– …
@Sun Tzu:
„- Teile der Truppe sind unprofessionell und können mit ihren Emotionen nicht umgehen. (Sind das nicht die zukünftigen PTBS- Fälle …) “
Wenn ich eine solche Aussage lese, kommt’s mir echt hoch. Ich gebe Ihnen gerne einen Kontakt zu einem Freund aus den Staaten. Der Mann hat seit 1990 in den US Strietkräften gedient und hat jeden Einsatz seit dem miterlebt. Einen nicht unerheblichen Teil davon in den Reihen der Special Forces – Wollen Sie einem solchen Menschen allen Ernstes unterstellen „Unprofessionell“ zu sein, nur weil dieser heute auch an PTBS leidet? Vielleicht sollten Sie als Profi sich mal mit PTBS auseinandersetzen bevor Sie anderen etwas vorwerfen!
-Patrick
@ Patrick | 28. Oktober 2010 – 12:48
Ich denke, mit “ Teile der Truppe …“ ist ausreichend klargestellt, dass es hier nicht um alle geht, sondern eben um einen hoffentlich kleinen Teil, wozu eben dieser (möglicherweise fiktive) Tagebuch-Schreiber möglicherweise gehört.
Danke für Ihr Angebot, ist nicht nötig, habe ausreichend Kontakte zu Veteranen unterschiedlicher Nationalität. Leider sind da auch welche dabei, die mit erlebten Einsatzrealitäten nicht umgehen konnten und deren Leben daher (temporär) aus dem Tritt geraten ist.
Hierbei ist es durchaus interessant, dass diejenigen, die schon im Einsatz Probleme mit einer sachlich rationalen Herangehensweise an Herausforderungen hatten, hinterher überproportional besondere Hilfe bei der Einsatznachbereitung brauchen.
Ich wünsche hier dem Tagebuchschreiber, dass sein Dienstherr ihm die nötigen Ressourcen zur mentalen Einsatznachbereitung zur Verfügung stellt, denn er hat offenbar Bedarf.
Dies sollte man in keiner Weise als Stigmatisierung sehen. Einige bekommen nun mal leider heftig was ab und sollten Hilfsangebote für die Verarbeitung annehmen. Auch hier kann sich die BW durchaus noch verbessern. Die Art und Weise, wie z. B. das USSOCOM hier mit seinen Soldaten umgeht, halte ich da für vorbildlich, auch wenn es bei den Soldaten selbst meist recht unbeliebt ist und als „Pussification“ betrachtet wird. Aber so bleiben die Jungs harte Jungs und ticken nicht irgendwann durch.
Aber die Bundeswehr ist ja offenbar dabei, für die professionelle Einsatznachbereitung Zentren aufzubauen. Z. B. die Sportschule der Bundeswehr in Warendorf soll ja offenbar Kompetenzzentrum für Einsatznachbereitung, Regeneration und Rehabilitation werden.
Zitat aus dem „Tagebuch“: „Ja, und zu guter letzt wollte der COM (Kommandeur) Kundus, ein Oberst, das Wrack besichtigen und sich ein eigenes Bild von der Lage machen. Dazu hat er die Kameraden, die Karfreitag dort gekämpft haben, gefragt, ob sie mitkommen. Die Antwort: „Natürlich gerne, und sobald wir einen dort sehen, schießen wir dem gleich die Scheiß-Fresse weg!!!““
Solche Reaktionsmuster sind höchst unprofessionell und deuten darauf hin, dass hier bei der Personalauswahl, der Ausbildung und ggf. auch der Einsatznachbereitung einiges verbessert werden kann.
Sollte es sich hierbei nicht um eine fiktive Geschichte handeln, so zeigt die Tatsache der bewussten Veröffentlichung erheblichen individuellen Aufarbeitungsbedarf.
Die ROE sind durchaus angemessen… man müsste sie nur einmal lesen und entsprechend umsetzen. Grade die deutschen ROE sind mit die am weitesten gefassten in Afghanistan und trotzdem fehlt der Mut/Wille sie zu nutzen.
Im Stab schauen Leute DVD? Draussen im Feld auch.. wenn sie nicht grade auf Patrollie sind… was sollen sie auch sonst ausser Sport in den kleinen Aussenposten machen?
Es ist halt imemr alles stark subjektiv eingefärbt
[zitat]
Hierbei ist es durchaus interessant, dass diejenigen, die schon im Einsatz Probleme mit einer sachlich rationalen Herangehensweise an Herausforderungen hatten, hinterher überproportional besondere Hilfe bei der Einsatznachbereitung brauchen.
[zitat ende]
Ihre persönlichen Eindrücke in Ehren aber mit so einem unwissenschaftlichen Gerede beleidigen sie Menschen die an PTSD erkrankt sind.
@ Sebastian S. | 28. Oktober 2010 – 14:24
????
Ich sage doch überhaupt nicht, dass jeder PTBS- Fall seine Ursachen in so einer Situation hat.
Wenn sie sich etwas mit PTBS beschäftigen, werden Sie schnell dahin kommen, dass es verschiedenste Faktoren gibt, die das begünstigen.
Das von mir beschriebene ist ein so ein Faktor. Ärgerlich ist das insbesondere, weil das durch entsprechende Einsatzvorbereitung oft abstellbar wäre.
Ein anderer Faktor für PTBS- Häufungen ist zum Beispiel eine unzureichende und unprofessionelle Einsatznachbereitung. Hier ist die BW ja gerade dabei, festgestellte Mängel abzustellen.
Naja, da schreibt mal wieder jemand etwas obwohl er gar kein Schreiber ist, sonder laut Selbstbekenntnis Soldat. Mit dem Schreiben verdient er sich wohl ein besseres Brot. Bin mal gespannt wie sich das noch entwickelt.
hier ist übrigens Teil 4
http://www.derwesten.de/nachrichten/Soldat-hat-Angst-dass-es-ihn-als-Naechsten-trifft-id3880825.html
Danke, füge ich oben ein.
In Teil 4 beklagt er sich über das nicht funktionierende Telefonnetz : hatte es nicht mal geheissen, die Taliban hätten durchgesetzt, dass das Mobilfunknetz nachts abgeschalten wird ? Gibt es hierzu Informationen?
@mwk
In Teilen Afghanistans schalten die privaten Betreiber ihr Netz auf Druck der Taliban nachts ab – zum Beispiel rund um Kundus. Da geht in der Regel ab 19 Uhr nix mehr. (Ist am Ende billiger, als dauernd gesprengte Funkmasten zu erneuern…)
Mangelhafte Kommunikationsmittel für den Anruf „nach Hause“ werden von der Bundeswehr seit den ersten „echten“ Einsätzen Anfang der 90iger Jahre beklägt.
„KB-Impuls“ ist mehr als nur eine notdürftige, viel zu teure Angelegenheit-in dieser Sache muss die Bundeswehr noch sehr, sehr viel von anderen Nationen lernen, welche ZUERST das Feldlager UND die Internet/Telefonverbindungen nach Hause aufbauen, BEVOR die Soldaten eintreffen…
Zudem erhalten andere Soldaten Freiminuten, um zu Hause anrufen zu können-oder eben die Möglichkeit, kostenlos ins Internet gehen zu können….
Dafür muss man aber auch anerkennen, das andere Nationen ihre Soldaten für 4, 6 oder noch mehr Monate in die Einsätze schicken-davon hat die Bundeswehr sich ja distanziert, weil es „nicht zumutbar“ sei…
Auch dadurch, das so viele Soldaten das gesamte Jahr hindurch in und aus den Einsätzen „pendeln“, sind diese Einsätze so teuer…(obwohl diese Verlegekosten nur einen kleinen Teil der Gesamtkosten ausmachen)…
Huey, das mit den max. 4 Monaten ist nicht mehr aktuell. Insbesondere die Infanteriekräfte welche die QRF/ASBs stellen, gehen für ca. 6Monate. Bei OMLTs siehts ähnlich aus.
Und in der Zeit sind Vorerkundung usw für die Führer noch nicht mit eingeschlossen.
Die wirklich hohen Verwendungen haben eh deutlich längere Stehzeiten im Einsatzland.
Beschwerden ueber Essen, Betreuungsprogramm und Kleiderordnung – Ich kann es nicht mehr hoeren.
Aus meiner Erfahrung sind dt. Feldlager die mit Abstand besten Einrichtungen die es in Afghanistan derzeit gibt. Wer einmal Camp Bastion oder Bagram gesehen hat weiss wovon ich spreche. Der Vorwurf es wuerde nichts fuer dt. Soldaten im Einsatz getan werden ist grundweg laecherlich.
Dazu ein Beispiel aus Erfahrung:
US Soldaten im Bus vom Masar Airfield ins Camp Marmal. Ein US Offizier: „Wow, look at this Camp. Only Germans can build something like this.“
Zur Kleiderordnung und Haar- und Barterlass. Auch hier muss man sich einmal andere Nationen anschauen. Dort wird ueber soetwas schlichtweg nicht diskutiert. Die Uniform hat korrekt getragen zu werden und das aeussere Erscheinungsbild der Vorschrift entsprechend angepasst zu sein. Will man anders rumlaufen sollte man sich vielleicht mit tschetschenischen Freischaerlern einlassen – die tragen was Sie wollen und rasieren sich wann Sie wollen.
Das es immer Versagen und Inkompetenz im Bereich der milit. Fuehrung geben wird ist nicht verwunderlich. Das ein Einsatz immer mit Gefahren verbunden ist auch nicht.
Hier nun Teil 5
http://www.derwesten.de/nachrichten/Die-Taliban-sitzen-uns-direkt-im-Nacken-id3884003.html
Mich würde es interessieren was der Tagebuchschreiber für ein Soldat ist. „Nachschieber“ der es liebt Kriegsgeschichten zu erzählen oder „Infanterist“ der wirklich erlebt worüber er berichtet; Manschaftssoldat dessen Horizont bis zur maximalen Kampfentfernung seines Sturmgewehres reicht oder Offizier der in größeren Maßstäben denkt. Aus den Tagebuchberichten geht dies leider nicht hervor…
„US-Task Force-Leute sind ein Killerkommando“
Nach meiner anfänglichen Symphatie mit dem Schreiber muss ich sagen, dass solche Reißer lächerlich wirken und einfach nur Mist sind.
Es könnte sein, dass der Mann die Sache mit dem Krieg und Töten noch nicht so recht reflektiert hat.
Schade, dass man unsere amerikanischen Freunde immer wieder mit Dreck bewirft.
Es gibt noch einen achten Teil:
http://www.derwesten.de/nachrichten/Das-Leben-nach-dem-Afghanistan-Einsatz-id3897417.html
grüße,
Drachenstein