Wie eine Geiselbefreiung schief ging
Über die missglückte Befreiung der britischen Geisel Linda Norgrove in Afghanistan gab es in den vergangenen Tagen schon einige Spekulationen. Der britische Guardian kommt jetzt mit Details – einer der Kommandosoldaten habe eine Handgranate eingesetzt, die dann die Britin tötete:
Das Stück ist lesenswert. Ganz nebenbei: dass der Ablauf der Operation so detailliert erzählt werden kann, jedenfalls so relativ kurz danach, ist ungewöhnlich…
Der vergleichsweise offene Umgang mit dem ganzen Bereich Spezialeinheiten, aber auch offensichtlicher Misserfolge, ist in den USA eigentlich „normal“. Vor allen Dingen, was abgeschlossene Vorgänge angeht. (Find ich persönlich nicht verkehrt)
Leider hier eine tragische Sache. Aber niemand hat behauptet, dass bei einer Geiselbefreiung nichts schief gehen kann :)
Dem Text kann man entnehmen, dass sich offenbar eine der vielen Variabeln verschoben hat, nämlich die Position der Geisel, nachdem diese sich wohl losgerissen hatte. Ist natürlich nicht so günstig.
Der Einsatz von Splittergranaten, wie im Text steht, ist allerdings etwas ungewöhnlich.
Mal gucken, was sich da noch ergibt.
Kann sich jemand an einen vergleichbaren Fall erinnern, wo die ISAF für afghanische Geiseln aktiv geworden wäre?
Zumindest nicht an öffentliche Berichte. Vielleicht gabs zwischendurch mal einen Fall eines hochrangigen Afghanen, als denkbare Situation. Aber ich kann mich nicht erinnern.
Das wäre dann auch Sache von afghanischen Sicherheitskräften die natürlich ISAF um Hilfe bitten könnten, dies aber wohl nicht machen würden.
Was ist an den schnell bekanntgemachten detaillierten Einzelheiten ungewöhnlich? Normalerweise sind die Soldaten mit ihren Zentralen vernetzt, stellenweise haben sie Videocams dabei, damit eine solche Aktion danach möglichst gut ausgewertet werden kann. Man weiß also wer was wann sagte und tat. Irgend jemand gab diese Infos weiter. Oder aber, es gibt noch ein paar gute Journalisten, die an solche Infos heran kommen können.
@Niklas:
Offener Umgang in den USA? Nunja, wenn es nicht gerade die falsche Einheit betrifft… Über die Aufträge und Operationen der Combat Applications Group (Oder um’s mit Hollywood zu sagen: der Delta-Force) wird sich sehr bedeckt gehalten. Gleiches gilt für die Seals. Und das sind eigentlich die Einheiten die wirklich den Titel „Spezialkräfte“ unter den US Einheiten verdienen. Die Amerikaner haben leider die Angewohnheit jeden Hinz und Kunz irgendwelchen „Spezialkräften“ zuzuordnen…
-Patrick
@Patrick
Ich denke das Seal Team Six, welches diese Operation durchgeführt hat, kann man schon zu den „Spezialkräften“ des US-Militärs zählen.
Aus dieser Sicht ist diese Offenheit schon etwas besonderes. Und sie zeigt, auch Soldaten in Spezialeinheiten sind nur Menschen.
Gruß
@ Patrick
Dass dort alles „Premium“ ist stimmt doch gar nicht. Die Einheiten werden je nach Rolle akkurat und den Fähigkeiten entsprechend betitelt. Ranger sind Elitefallschirmjäger (sie müssen ein Auswahlverfahren bestehen, daher Elite), SF sind unkonventionelle…
Ich finde, das hat doch alles seine Ordnung.
In den USA ist der Umgang mit dem Thema offener als bei uns. Das lässt sich doch ganz einfach an der Fülle von Einsatzberichten, die sogar in Büchern veröffentlicht werden, ablesen. Natürlich falls diese korrekt sind, was sich nicht immer sagen lässt.
Nur noch zur Vollständigkeit: Seal Team Six ist eine gesonderte Anti-Terror-Gruppe neben den „klassischen“ Seal-Teams.
Die Bezeichnung „SEAL Team 6“ ist folkloristisch, denn die Einheit, die diesen Namen trug, wurde bereits 1987 aufgelöst.
Der offizielle Name heute lautet: United States Naval Special Warfare Development Group (kurz: DEVGRU) mit dem Schwerpunkt Terrorbekämpfung. Sie bildet damit das Pendant der US Navy zur ebenfalls sagenumwobenen Delta Force der US Army (amtliche Bezeichnung: 1st Special Forces Operational Detachment Delta, Abkürzung: 1st SFOD-D).
Erstaunlich ist, dass die Navy SEALs schwerpunktmäßig in Bereichen eingesetzt werden, die eigentlich zur Domäne der klassischen Landstreitkräfte gehören. Man darf nicht , dass z. B. ein Rekrut in der US Navy im Rahmen der Grundausbildung keinerlei infanteristische Ausbildung erhält. Soweit im Rahmen der Tätigkeit der US Navy Fußsoldaten gefragt sind, werden die Marines tätig (die aber eine eigene Waffengattung bilden).
Korrektur: Im letzten Absatz muss es vollständig heißen:
Man darf nicht vergessen , dass z. B. ein Rekrut in der US Navy im Rahmen der Grundausbildung keinerlei infanteristische Ausbildung erhält. Soweit im Rahmen der Tätigkeit der US Navy Fußsoldaten gefragt sind, werden die Marines tätig (die aber eine eigene Waffengattung bilden).
Richtig, war mir entfallen, dass die jetzt DEVGRU heißen.
Dazu eine Anmerkung: Unsere Kampfschwimmer waren auch schon (ich denke im KSK eingebunden) in Afghanistan. Natürlich keine Quelle, aber ich habe es mehrfach in entsprechender Literatur/Seiten gelesen.
@ chickenhawk | 15. Oktober 2010 – 15:03
Wie auch immer ST6 nun gerade offiziell heißt, der neue Name hat sich glaube ich nicht wirklich durchgesetzt. Was soll sich zudem inhaltlich geändert haben, außer dass die heute dürfen, was in der Vergangenheit verboten war?
Mich interessiert aber eine andere Frage viel mehr.
ST6, ST8 und ST10 sollten ja eigentlich u.a. die „Boots on the Ground“ von SOCAFRICA stellen.
Ist da inzwischen was realisiert oder hat man das auf die Nach- Afghanistan- Zeit verschoben?
Oder soll AFRICOM weiterhin mit der 352nd SOG auskommen?
Es ist erstaunlich daß anscheinend die details einer Spezialoperation der navy SEALs weniger geheimhaltungswürdig sind als die StoV in Kunduz ;)
In der Tat. Ich glaube das ist ne deutsche Marotte. ^^