Verhandlungen mit den Taliban jetzt Mainstream-Politik
Mit 24 Stunden Abstand habe ich mir jetzt noch mal meine Aufzeichnungen vom gestrigen Symposium des Bundesnachrichtendiestens zum Thema Afghanistan/Pakistan angeschaut. Interessanterweise hat die sozusagen offiziellste Stimme der Bundesregierung bei dieser Veranstaltung, nämlich die ihres Afghanistan-Beauftragten Michael Steiner, sich bislang in der Berichterstattung nicht niedergeschlagen (ich habe jedenfalls nichts gefunden).
Es mag – inzwischen – wie eine Binsenweisheit klingen, wenn Steiner sagt: Der Afghanistan-Konflikt ist ein Konflikt, in dem es keinen eindeutigen militärischen Sieger und keinen Besiegten geben wird. Ebenso selbstverständlich scheint seine Aussage: Die Lösung kann nur politisch sein. Und diese politische Lösung, neben der militärischem Seite und dem zivilen Wiederaufbau, sei über Jahre sträflich vernachlässigt worden.
Dem können vermutlich alle zustimmen – aber ob das auch für seine Folgerung gilt, jetzt sei ein politischer Prozess in Afghanistan nötig, in dem sich alle Gruppe wiederfinden? Ein Prozess der Afghanen selbst, aber unterstützt von der internationalen Gemeinschaft?
Er sei, sagt der deutsche Afghanistan-Beauftragte, davon überzeugt, dass trotz aller Unsicherheit jetzt der richtige Moment für die politische Lösung gekommen sei. Auch wenn entscheidende Fragen noch ungeklärt sind: Haben wir ein politikfähiges Gegenüber? Sind die Taliban kampfesmüde? Wissen Sie, dass sie militärisch nicht gewinnen können, sind sie zur Machtteilung bereit? Oder sitzen sie uns lediglich aus?
Trotz dieser offenen Fragen, sagt Steiner, „werden wir den Prozess (gemeint ist ein Verhandlungsprozess) beginnen müssen, um es herauszufinden. Und das wird dauern.“
Mit anderen Worten: Dass es eine Verhandlungslösung mit den Taliban geben muss, dass an ein militärisches Niederwerfen der Aufständischen nicht (mehr?) zu denken ist – das scheint mittlerweile im Mainstream auch der europäischen Politik angekommen. In der afghanischen ohnehin:
(Wieder der Service für iPad und iPhone, der direkte Link zum NATOChannel-Bericht Peace Talks)
Nachtrag: Wahrscheinlich würden Diplomaten versichern, Steiners Meinung und die des U.S.-Beauftragten für Afghanistan seien absolut deckungsgleich. Das könnte sogar stimmen, ist ja immer eine Frage der Defnition… US Official: No High-Level Talks Taking Place with Taliban
Binsenweisheit: „Der Begriff wird insbesondere dann verwendet, wenn zum Ausdruck gebracht werden soll, dass eine als interessant vorgetragene Erkenntnis im Grunde keinen besonderen Wert besitzt.“
Wieso bloß fallen mir bei diesem mantra-artig vorgetragenen Geschwätz der „Militärisch-nicht-zu gewinnen-Fraktion“ immer gleich die „menschenfreundlichen Seelen“ ein, die hoffen, „es gebe ein künstliches Entwaffnen oder Niederwerfen des Gegners, ohne zu viel Wunden zu verursachen…“ Könnte es damit zusammenhängen, dass sich viele der selbsternannten „Verteidigungsexperten“ unter den Politikern häufig nicht durch Expertise, sondern durch Geschwätzigkeit hervortun.
Ob die Taliban Kriegsmüde seien und ob sie wüssten, dass sie militärisch nicht gewinnen können, fragt sich Steiner. Und wir fragen uns, warum er nicht weiß, dass die Taliban schon gewonnen haben, wenn sie nicht verlieren. Herfried Münkler, der Erfinder der „Neuen Kriege“, hat festgestellt: „ Eine solche durch die Clausewitzsche Theorie eingeleitete Analyse der jüngsten Formen des internationalen Terrorismus scheint mir jedenfalls erheblich prognosefähiger und rationaler zu sein als die kulturalistisch imprägnierten Spekulationen, die seit geraumer Zeit in Kraut schießen.“
Die Aussage „der Krieg sei militärisch nicht zu gewinnen“, sagte vor zwei Jahren schon ein hoher britischer Regierungsvertreter. Was hat sich seither verändert ?
Es sind wesentlich mehr westliche Truppen ins Land gekommen.
Sind die Rückzugsräume der Taliban geringer geworden ? – Nein, die Stammesgebiete in Pakistan sind immer noch „Save Havens“
Hat die Unterstützung des pakistanischen Geheimdienstes für die Taliban in AFG nachgelassen ? – meiner Meinung nach nicht.
Hat irgendein Staat, der den Konflikt von außen schürt, seine Position verändert in den letzten zwei Jahren ? – meiner Meinung nach nein.
Also, warum sollte sich irgendetwas in AFG in den letzten zwei Jahren zum Besseren gewendet haben ?
Meiner Meinung nach funktioniert die militärisch eingeschlagene Strategie nicht richtig, weil Freund und Feind nicht sauber zu trennen sind. Ein gemäßigter afg. Mullah teilt 90 % des Gedankengutes eines Taliban-Mullahs. Wiewiel Prozent unserer Kultur tragen die von uns unterstützten Afghanen mit, oder umgekehrt wir die afg. Kultur ?
Meiner Meinung nach ist in diesem Land Freund und Feind nicht unterscheidbar und deshalb wird es auch langfristig nicht funktionieren. Wenn man Ziele nicht klar bekämpfen kann, da nicht sauber trennbar, weil man Menschen nicht töten kann, die man zu schützen beabsichtigt, ist dieser Konflikt militärisch nicht zu gewinnen.
Es kann doch keine westliche Beobachter sagen, ob in der Regierung Karzai nicht längst Taliban mit am Kabinettstisch sitzen, oder ?
Allmählich setzt sich diese Erkenntnis in der politischen Klasse durch.
„mainstream“…diese Häufung von vermeidbaren Anglizismen. Und das von einem so eloquenten Autor wie Ihnen…
@Bazooka Joe,
ok, im Hauptstrom ;-)
Herr Steiners Äußerungen sind wohl eher als Botschaft an konfliktmüde Wähler in NATO-Staaten zu verstehen denn als analytischer Beitrag.
Zu dem Thema ist eigentlich alles gesagt, aber da man auf Medienseite wieder und wieder auf solche Darstellungen hereinfällt, muss es wohl wiederholt werden:
– Dass es keine sinnvollen Verhandlungen gibt und wohl auch nicht geben wird, liegt nicht an mangelnder Verhandlungsbereitschaft der NATO, sondern an der Erfolgswahrnehmung der Aufständischen.
– Steiners Implikation, dass Verhandlungen eine Alternative zu militärischem Vorgehen darstellt, grenzt an bewusste Täuschund der Öffentlichkeit. Aufständische werden nur dann verhandeln, wenn wirksamer miliärischer und anderer Druck auf sie ausgeübt wird. Andernfalls haben sie kein Motiv dazu.
– Steiners Äußerungen verhindern mögliche Verhandlungen eher, als dass sie sie begünstigen. Von unseren afghanischen Partnern und von den Aufständischen werden solche Äußerungen als Beleg dafür wahrgenommen, dass die NATO nicht mehr lange durchhält und ihre afghanischen Verbündeten aufgeben wird, um sich mit den als stärker wahrgenommenen Aufständischen zu arrangieren. Dies stärkt die Motivation der Aufständischen und untergräbt das Vertrauen unserer afghanischen Partner. Ein weiteres Beispiel dafür, wie der Einsatz aus innenpolitischen Erwägungen an die Wand gefahren wird.
Welches Gewicht besitzt die Behauptung irgendeines britischen Politikers, der „Krieg sei militärisch nicht zu gewinnen“? Keins! Herr Westerwelle behauptet das pro Woche auch zwei – bis dreimal.
Zur Veränderung in Pakistan: „Tatsächlich führt die pakistanische Armee seit dem Frühjahr 2009 einen Krieg im Inneren gegen Extremisten, mehr als 3000 Soldaten sind im Anti-Terror-Einsatz gefallen…“ (http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,709090,00.html)
Zur Strategie: „Mit seinem Realismus bremst der Offizier(Petraeus) die utopischen Ideen vieler Politiker. Erst vor einigen Wochen hatten sich in Kabul zahlreiche Außenminister, darunter auch Guido Westerwelle als Vertreter Berlins, eingefunden und gemeinsam geträumt. Ein seitenlanges Papier mit Dutzenden von unrealistischen Zielen für die afghanische Regierung wurde verabschiedet.“( http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,712103,00.html)
“For the past five years, the fight in Afghanistan has been hobbled by strategic drift, conflicting tactics, and too few troops,” stellt John A. Nagl 2009 zutreffend fest.
“Man fängt keinen Krieg an, oder man sollte vernünftigerweise keinen anfangen, ohne sich zu sagen, was man mit und was man in demselben erreichen will, das erstere ist der Zweck, das andere das Ziel!“(Clausewitz) Wenn man sich nun vergegenwärtigt, dass die deutsche Politik noch nicht einmal bereit war zu realisieren, dass sich die eigenen Streitkräfte in einem Krieg befinden, dann wird klar, wie weit die deutschen Politiker von einer realistischen Zweck-und Zielsetzung entfernt waren bzw. sind.
In der Tat, die Unterscheidung zwischen Kombattanten, illegalen Kombattanten und Zivilisten ist sehr schwierig. Sie kann aber durch die Intensivierung des Bevölkerungsschutzes erreicht werden, weil damit gleichzeitig auch eine intensivere Isolation der Aufständischen erfolgt. Daraus wiederum ergeben sich Möglichkeiten, die Aufständischen gezielter zu bekämpfen. Mit der Truppenverstärkung sind die Voraussetzungen für die Umsetzung der Petraeus-Strategie erst seit kurzer Zeit einigermaßen gegeben. Der Zeitbedarf wird gegenwärtig noch von unrealistischen Vorstellungen der Politiker beeinflusst Also sollte man ihm nach einem Jahrzehnt politischen Missmanagements nun auch ein wenig Zeit zu Umsetzung seiner Strategie geben. Dabei ist da dauernde Geschwätz der „militärisch- nicht- zu- gewinnen-Anhänger“ nur selbstentlarvend.
Wo ist die Sensation?
Das Ziel einer jeden Counterinsurgency (wollte den Deutschen Begriff ‚Aufstandsbekämpfung ungern benutzen) ist primär den Gegner zu Verhandlungen zu zwingen. Demnach ist die zivile/ diplomatische Lösung das immer das Ziel.
Es ist also auch kein Widerspruch zu sagen ‚militärisch‘ nicht zu gewinnen. Richtig ist aber auch ohne Militär (zum Schaffen der Vorrausstzungen) nicht zu gewinnen – genauso wie ohne zivile Hilfsmaßnahmen, Aufbau funktionierender Strukutren etc. nichts zu gewinnen ist.
Nennt sich im Deutschen übrigens ‚vernetzter Ansatz’…
Im Vietnamkrieg hat es vom Beschluss Verhandlungen aufzunehmen und dem Vertragsabschluss 4 Jahre und 10 Monate gedauert. In der Zeit sind mehr Amerikaner und Vietnamesen gefallen als in den Jahren davor.
Wollen wir hoffen das das diesesmal nicht auch so lange dauert. Im Moment sehe ich auf keiner Seite, weder bei den Amerikanern noch bei den Talibs, ernsthafte Versuche Verhandlungen aufzunehmen.
Karzais Friedenskommission ist so parteiisch besetzt das sie ihre Funktion nicht erfüllen kann. Teil eines Friedensschlusses wird zudem der völlige Abzug ausländischer Truppen sein müssen. Das werden die Amerikaner nicht wollen, bzw. wird das ein angeschlagener Präsident Obama nicht durchsetzen können.
Besser wäre es daher wenn die Bundesregierung ein festes, frühes Abzugsdatum setzt. Wenn man darauf das die Amis die Verhandlungen, wird man wohl noch in mehreren Jahren dort sein und ständig weitere sinnlose Verluste hinnehmen müssen.
Korrektur
„Wenn man darauf das die Amis die Verhandlungen“
Wenn man darauf wartet das die Amis die Verhandlungen aufnehmen …
@Jeffe
Wo bleibt die Logik?
Bevor sich jemand zwingen lässt, muss er doch erstmal bezwungen sein. Oder?
Zum Thema „Kriegsziele“ empfehle ich nochmals die o.a. Zweck-Ziel-Relation von Clausewitz.
Und was den deutschen „vernetzten Ansatz“ angeht: Das einzig funktionierende „Netz“ in der deutschen Afghanistan-Politik war bzw. ist ein „Netz“ aus Lügen, Täuschungen und Selbsttäuschungen.
Unsere angeblich so interkulturell sensibilisierten strategischen Denker haben die Grundlagen der Kultur des Einsatzraumes nicht verstanden. Die Worte des deutschen Afghanistan-Beauftragten zeugen im kulturellen Kontext Afghanistan von dessen (und Deutschlands) Mangel an Ehre und kommunizieren Schwäche. Dies bestätigt die Wahrnehmung, die viele Afghanen (und andere Muslimpopulationen) vom Westen haben, nämlich dass man es hier mit einer schwachen und dekadenten Zivilisation zu tun habe. Gegenüber so etwas gehen Menschen mit Ehrbewusstsein keine Konzessionen ein, sondern stellen Forderungen. Würden die Aufständischen jetzt Konzessionsbereitschaft kommunizieren (wozu es keinen rationalen Grund gibt), würden sie jegliche Glaubwürdigkeit verlieren und könnten nur verlieren.
Nachdem also einige Kommentartoren der Meinung sind, dass Deutschland schwach und dekadent ist, fangen wir also nochmal bei der Stunde Null an.
Niemand wollte und will sich in einem Krieg in AFG binden.
Die Bundesrepublik Deutschland unter Kanzler Schröder und Aussenminister Fischer wollten in dem Petersberger Abkommen aus AFG eine Musterdemokratie machen. Der Geburtsfehler dabei war, dass der Westen zugestimmt hat, dass es ein islamischer Staat mit der Scharia als Rechtsordnung werden sollte. Damit war der Widerspruch zur Demokratie schon gelegt. Der dann mehr oder weniger rechtmäßig gewählte Präsident Karzai und die Abgeordneten haben dann konsequent die islamische Republik und ihre eigene Machtbasis aufgebaut.
Nachdem die Amerikaner zu Beginn des Konflikts nur die Al-Kaida Kämpfer haben wollten und 8000 in Kunduz gefangengenommenen Islamisten, unter ihnen jede Menge pakistansiche Geheimdienstmitarbeiter, die auf Seiten der Taliban gekämpft hatten, wurde freier Abzug gewährt. Pakistanische Flugzeugen haben dann 1000 davon nach Pakistan ausgeflogen, darunter etliche Anführer der Taliban und anderen extremistischen Netzwerken, die sicheren Unterschlupf in Pakistan bekommen haben.
Dieser Widerspruch an sich ist nie aufgeklärt worden. Wie sich dann rausstellte, das AFG in den nächsten 100 Jahre keine Demokratie werden würde, hätte man die eigene Position und die eigenen Absicht überdenken müssen. Von AFG ging 2003, 2005 keine Gefahr mehr für den Westen aus. Anstatt dass man über Abzug nachdachte, hat man einem korrupten Präsidenten und einem korrupten System weiter die Stange gehalten. Niemand hat darüber nachgedacht, ob man vielleicht für einen Tyrannen die Kohlen aus dem Feuer holt. Mittlerweile wurde auf Wunsch von vielen, auch von Deutschland, die NATO mit ins Boot geholt. Hier sehe ich einen graduellen Unterschied zur bisherigen US-amerikanischen Politik. Es ist eine Sache, wenn die USA einem korrupten mittelamerikanischen Diktator unterstützen und eine andere Sache, wenn die NATO, ein Verteidigungsbündnis, auf einen längst abgeschlossenen Verteidigungsfall vom 11.09.2001 reagiert, und Truppen in so ein Land entsendet. Wohlgemerkt der Verteidigungsfall war die OEF-Mission, an der ISAF-Mission konnte sich jeder Staat aufgrund eigenem Ermessen beteiligen. Nachdem selbst die USA, gerade bei solchen Stabilisierungsmissionen, auf Unterstützung der Allierten angewiesen sind, wurde die Hilfe gerne angenommen. Nachdem die Masse der Staaten nicht Krieg führen wollten, wurde OEF und ISAF organisatorisch zwar getrennt, aber durch einen gemeinsamen amerikanischen Oberbefehlshaber in AFG wieder vereinigt. So konnte jeder an die Mission glauben, an die er glauben wollte.
Das oben zitierte Clausewitz-Zitat bringt es auf den Punkt.
Was wollen wir mit dem Krieg in AFG erreichen ?
Die offizielle Antwort ist wohl die terroristische Bedrohung für den Westen zu reduzieren.
Wie wollen wir dieses Kriegsziel erreichen ?
Indem man Aufständische, Extemisten in AFG bekämpft, wohl wissend, dass man dadurch in der ganzen islamischen Welt das Feindbild gegen den Westen verstärkt.
Gleichzeitig werden durch diese Vorgehensweise die ganzen islamistischen Gruppen, selbst in gemäßigten islamischen Staaten gestärkt.
Ist dieses Vorgehen nicht pervers ? Es erinnert mich jedenfalls an dieses Bild, wo jemand aus Angst vor dem Tod Selbstmord begeht.
Ein Vizeexportweltmeister sollte ein Zwergstaat wie AFG gar nicht beachten, geschweige sich dort in einem Krieg einbinden lassen !
@Georg
„Nachdem also einige Kommentartoren der Meinung sind, dass Deutschland schwach und dekadent ist…“
Der entscheidende Punkt ist, dass der Feind dieser Ansicht ist. Was würden Sie ihm denn zur Widerlegung entgegnen?
P.S.: Dass der deutsche Einsatz in Afghanistan durch keine nationalen Interessen Deutschlands legitimiert ist (wie Sie ansprachen), ist ein anderer Aspekt BRD-deutscher Dekadenz. An den Problemen bei der Durchführung des Einsatzes und der praktisch nicht vorhandenen Perspektive, dass der Feind die geforderten Konzessionen mittelfristig eingehen könnte, ändert das jedoch nichts.
Zitat: von Politikverdruss „. Herfried Münkler, der Erfinder der „Neuen Kriege“, hat festgestellt: “
Münkler hat die These von Mary Caldor ‚übernommen‘. Caldor hat die Idee zum Großteil von Martin van Creveld ‚übernommen‘. Soviel zum traurigen Stand der deutschen sicherheitspolitischen Forschung.
Ansonsten stimme ich diversen Vorrednern zu: COIN soll zu einer politischen Lösung führen. Gewalt und Verhandlung sind zwei Seiten der selben Medaille.
@politikverdruss:
Wenn ein Gegner bezwungen ist, benötigt niemand mehr Verhandlungen – logisch, oder?
Der „Comprehensive Approach“ oder auch vernetzter Ansatz ist der einzig Erfolgversprechende. Ob und wieweit er umgesetzt wird mag jeder selbst beurteilen – bspw. durch Zählen der nicht afghanischen UNO-Mitarbeiter in AFG.
Clausewitz ist ja klasse – aber ihn immer nur dann aus dem Hut zu ziehen, wenn es der eigenen Argumentation passt – na ja, ich weiss nicht.
@Georg,
Nicht der Staataufbau Afghanistan stand zu Beginn im Vordergrund, sondern die Bündnissolidarität. Nachzulesen in den Protokollen der Plenardebatten Ende 2001. Dabei wurde die „restlose Zerschlagung „der Taliban als Voraussetzung des Erfolgs der Operation genannt. In diesem Zusammenhang hatte der damalige VtgMin Scharping darauf aufmerksam gemacht, dass die internationale Staatengemeinschaft nicht über Fähigkeiten verfüge, in Afghanistan auch nur für Sicherheit zu sorgen. (Plenardebatte Bundestag vom 22.12.2001)Dieser Widerspruch wurde von BK Schröder mit folgenden Worten aufgelöst: „Ist denn der Erfolg dieser Bündnisleistung(also der Truppenentsendung) gewährleistet? Niemand kann das sagen, jedenfalls nicht mit letzter Sicherheit. Aber was wäre das für eine Solidarität, die wir vom Erfolg einer Maßnahme abhängig machten?“ (Plenardebatte 8.11.2001) Man hatte also zur Kenntnis zu nehmen: Die Bundesregierung und selbst der Bundeskanzler erklärten vor dem Deutschen Bundestag, dass man die Bundeswehr in ein Krisen-und Kriegsgebiet entsenden würde, ohne vom Erfolg des Einsatzes überzeugt zu sein, ja die Erfolgsaussichten nicht einmal einschätzen zu können und diese sogar als nebensächlich zu betrachten.
Diese Verwirrung hält bis heute an. Sie, @ Georg, geben an, zur „offiziellen Zielsetzung gehöre die Terrorismusbekämpfung.“ Schauen Si e aber mal in die letzte Mandatierung. Von Terrorismusbekämpfung steht dort nichts. Der Auftrag der Bundeswehr lautet: „Unterstützung der Regierung von Afghanistan bei der Aufrechterhaltung der Sicherheit…(Deutscher Bundestag Drucksache 17/654). Von einer „restlosen Zerschlagung“ der Taliban ist auch keine Rede mehr. Es werden Ausbildungs-und Schutzbataillone(ASB) aufgestellt und man “ geht in die Fläche“, um dort die Bevölkerung zu schützen. Von den Taliban, die etwas dagegen haben könnten, ist ebenfalls nicht die Rede. Dass es sich bei den ABS um Gefechtsverbände handelt und dass deren „In die Fläche gehen“ mit offensivem Kampf verbunden ist, wissen alle, aber keiner der politischen Elite würde dieses in eine Beschlussvorlage für den Deutschen Bundestag hineinschreiben. Es wäre ja nicht „konsensfähig“. Aber bei einer verlogenen Umschreibung sind dann alle dabei. Hauptsache man erhält die gewünschten Mehrheiten. Was aber sind solche Mehrheiten wert? Wenn sich ein Land in einen Krieg begibt, dann sollte die Zweck-Ziel-Mittel-Relation klar sein. Nach jahrelangem Krieg in Afghanistan hat die deutsche Bundesregierung (einschließlich der Vorgängerregierungen) immer noch nicht die politische Kraft gefunden, Klartext zu reden. Das ist es, worüber wir uns täglich aufregen sollten.
@Jeffe
„Wenn ein Gegner bezwungen ist, benötigt niemand mehr Verhandlungen – logisch, oder?“
Ob ein Gegner bezwungen ist, merkt man daran, ob er den eigenen Willen akzeptiert oder nicht. Verhandlungen, Einsatz von Streitkräften sowie andere Mittel sind gleichermaßen Teil des selben politischen Vorgangs.
@ S.W.
Ich denke Deutschland ist dann stark, wenn vitale, existenzielle Interessen bedroht sind. Diese sehe ich momentan in AFG nicht bedroht. Im Umkehrschluss ist Deutschland also schwach, wenn wir uns lediglich aus Staatsräson an einem militärischen UN-Einsatz beteiligen und sonst keine weiteren Interessen an dem betreffenden Land haben. Zumindestens ist dies die Empfindung von der absoluten Mehrheit der deutschen Bevölkerung und wenn die deutsche Bevölkerung dies so empfindet, bekommt diese Stimmung natürlich auch der Gegner mit.
Wie Sie richtig ansprechen, geht der Gegner geforderte Konzessionen ein, wenn der Druck hoch genug ist, zumindestens zeitweise solange der Druck anhält.
Nun kann man nicht sagen, dass die Sowjetunion während des 10-jährigen russischen Krieges in Afghanistan zimperlich gewesen wäre. 1 Million Tote in AFG haben trotzdem den Widerstandswillen der afg Bevölkerung nicht gebrochen.
Wie weit soll der Westen denn den Druck in AFG erhöhen, damit die Taliban zu Konzessionen bereit wären ?
Die SU hatte 115 000 Soldaten in AFG eingesetzt, der Westen ist jetzt bald bei 130 000 Soldaten. Das Patt der Kräfte in dem sowjetisch-afghanischen Krieg stand schon 1982 fest, der Abzug erfolgte aber erst 1989.
Damals wie heute spielt Pakistan die entscheidende Schlüsselrolle in dem Konflikt. Pakistan hat das vitale Interesse, nicht von Indien, das 1,3 Mrd Dollar in Botschaften, Vertretungen usw in AFG investiert hat, von zwei Seiten ihrer Staatsgrenzen bedrängt zu werden. Deshalb halten Sie diesen Konflikt offen, genauso wie sie dies vor 20 Jahren mit den Mudschahedin gemacht haben. Pakistan spielt dem Westen gegenüber ein doppeltes Spiel.
Ich empfehle wirklich mal die Parallelen mit dem sowjetisch-afghanischen Krieg zu vergleichen und herauszufiltern. Meiner Meinung nach haben wir den Punkt, wo dieser Krieg militärisch sinnlos wird, schon längst überschritten.
Sowjetisch-Afghanischer Krieg
Ach,@ jeffe,
nein!
@Georg
„Wie weit soll der Westen denn den Druck in AFG erhöhen, damit die Taliban zu Konzessionen bereit wären ?“
Die Antwort geben Sie doch bereits: Soweit, bis die Aufständischen um Verhandlungen nachsuchen und die entsprechenden Konzessionen anbieten.
Wer sich auf einen bewaffneten Konflikt einlässt, aber nicht die für einen Erfolg notwendigen Maßnahmen zulassen will, ermöglicht keinen anderen Ausgang als eine eigene Niederlage hat als Politiker eindeutig versagt.
@S.W. “ @Georg
“Wie weit soll der Westen denn den Druck in AFG erhöhen, damit die Taliban zu Konzessionen bereit wären ?”
Die Antwort geben Sie doch bereits: Soweit, bis die Aufständischen um Verhandlungen nachsuchen und die entsprechenden Konzessionen anbieten.“
Wieviel Tote Afghanen und deutsche Soldaten sind denn ihre Obergrenze um das Ziel zu erreichen?
Die Sowjetischen eine Millionen? Oder dürfen es auch ein paar mehr sein?
@ Politikverdruss
Man muss bei der Argumentation gemäß ihren Absatz 1, genau die zeitliche Reihenfolge beachten, um die Argumente wichten zu können.
Also:
11.09. Anschlag in New York
12.09. BK Schröder erklärt „uneingeschränkte Solidarität“ mit den USA
UN-Resolution 1368 vom 12.09.2001 zur Legitimierung von OEF
Plenardebatte Deutscher Bundestag (BT) zu OEF am 08.11.2001 mit den von Ihnen zitierten Passagen
OEF-Mandat BT vom 16.11.2001 mit bis zu 3900 deutschen Soldaten beschlossen
Nun kommt die Vorbereitung des ISAF-Einsatzes zur Stabilisierung von AFG und Implementierung des zu wählenden afg. Präsidenten:
UN-Resolution 1386 vom 20.Dez 2001
BT-Debatte zu ISAF am 22.Dez.2001
Hier trat jetzt eine unzulässige Vermischung der Argumente auf. Zwar wurde eingeräumt, dass die „restlose Zerschlagung“ der Taliban als Voraussetzung des Erfolgs der Operation (gemeint war ISAF) notwendig sei, aber das man, die internationale Staatengemeinschaft in AFG nicht über die Fähigkeiten verfüge auch nur für Sicherheit zu sorgen.
Das fragliche „Erfolgsargument“ von BK Schröder traf auf OEF zu, aber nicht auf ISAF !
Bei OEF ist es auch nachvollziehbar, da Bündnissolidarität nach Nato-Vertrag. Bei ISAF jedoch nicht, freiwillige Entscheidung eines Staates für eine UN-Resolution Mittel und Kräfte bereitzustellen.
2. Absatz, Die Frage der offiziellen Zielsetzung des deutschen ISAF-Mandates
Wenn man mit offiziellen Sicherheitspolitikern spricht, z.B. Frau Dr. Kastner der Vorsitzenden des Verteidigungsausschusses und sie nach dem Grund für unseren AFG-Einsatz befragt, erhält man genau die von mir geschilderte Antwort.
Also wir sind in AFG, um die terroristische Bedrohung für Deutschland zu verringern.
Meiner Meinung nach, wie oben geschildert, wäre die Bedrohung weitaus geringer, wenn wir überhaupt keine Soldaten in AFG einsetzen würden.
Ansonsten zu der Zweck-Ziel-Mittel Relation meine volle Zustimmung
Vor einem Waffengang muss unter anderem eine „hinreichende Erfolgswahrscheinlichkeit“ gegeben sein, sogar nach der christlichen Friedenslehre, ansonsten darf man eine militärische Auseinandersetzung nicht beginnen.
@Georg,
die Aufteilung des Afghanistan-Einsatzes in OEF und ISAF ist auch so ein innenpolitischer Popanz bundesrepublikanischer Gutmenschen. Hier die bösen Kämpfer der OEF und dort die guten Aufbauer der ISAF. Mit afghanischer Realität hatte auch dies nie etwas zu tun. Dieser Komplex gehört mit zu Verlogenheit, die ich oben bereits angeprangert habe.
Und zur Religionspädagogin Frau Susanne Kastner stellt die Financial Times Deutschland in einem vielsagenden Artikel fest: http://www.ftd.de/politik/deutschland/:kopf-des-tages-susanne-kastner-kundus-statt-maffay/50050915.htmls „Als ausgewiesene Militärexpertin gilt Kastner nicht…“
@ Politikverdruss
Ich kann ihre Kritik bezüglich den deutschen Gutmenschen und der Aufteilung in OEF und ISAF nachvollziehen, teile sie aber nicht.
OEF war Bündnisfall nach Artikel 5 Nato-Vertrag. Eine ganz andere Rechtsgrundlage als ISAF. Das Ziel Al-Kaida und die Taliban in AFG im Jahre 2002 und folgende zu bekämpfen wurde wohl weitgehend erreicht. Die von Deutschland für die Mission in AFG bereitgestellten 100 KSK-Soldaten wurden wohl von der amerikanischen Operationsführung nicht fähigkeitsbezogen eingesetzt (Gefängniswärter usw.)
Ob dafür politische Vorbehalte der deutschen Regierung verantwortlich waren, weis ich nicht mit Sicherheit. Damals hat noch niemand über das „gezieltes Töten“, kinetic targetting, von erkannten Gegnern gesprochen, vermutlich war aber dies die deutsche Einschränkung, die den KSK-Einsatz massiv entwertet hat.
ISAF ist eine ganz andere Hausnummer. Nicht wegen den Gutmenschen, sondern weil es kein Bündnisfall, sondern ein Kapitel VII-Einsatz den UN ist, für den Deutschland jedoch nur Kapitel VI-Maßnahmen zugelassen hat.
Und zur Frau Kastner kann ich nur sagen, sie ist die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, der die Regierung in ihrem Handeln kontrollieren soll. Entweder ist die Personaldecke der SPD so dünn, oder der ehemaligen Volkspartei ist es egal, wer bei ihr Sicherheitspolitik macht.
[Sarkasmusmodus ein:]
Also als erstes solle man mit den Taliban darüber verhandeln, dass sie bei ihren Enthauptungen saubere und sterile Messer verwenden.
Auch sollten Enthauptungen durch Minderjährige dringend unterbunden werden, wie zB.
http://volksgruppen.orf.at/diversitaet/aktuell/stories/66418/
Die Verhandler mögen sich doch bitte hierbei für eine Altersgrenze von 14 Jahren verwenden. Glaube, dass der Afghanistan Beauftragte für diese Sache genau der richtige Mann ist. Nach dem Bundeswehrabzug könnte man ihn dann in Deurtschland als Integrationsbeauftragten für gemäßigte Taliban verwenden.