Deutsch-französische Hercules-Staffel: Bundeswehr-Zugriff auch auf französische Maschinen

Die Zustimmung des Bundestags-Haushaltsausschusses zu den Vorbereitungen für eine gemeinsame deutsch-französische Hercules-Lufttransportstaffel hatte ich in der Übersicht in der vergangenen Woche bereits erwähnt; wie angekündigt ein paar mehr Einzelheiten dazu: Was jetzt dem Ausschuss vorlag, war ein deutsch-französisches Regierungsabkommen, in dem es zunächst nur um die grundsätzliche Absicht der gemeinsamen Staffel und um Infrastrukturmaßnahmen in Evreux geht, rund 100 Kilometer westlich von Paris. Frankreich hatte darauf gedrängt, dass dieses Abkommen noch vor den französischen Präsidentschaftswahlen unterzeichnet werden sollte.

Die Absicht, gemeinsam Flugzeuge vom Typ Hercules C-130J des US-Herstellers Lockheed Martin zu betreiben, hatten beide Länder im Oktober vergangenen Jahres angekündigt und im Februar dieses Jahres eine konkretisierte Absichtserklärung (Declaration of Intent) unterzeichnet. Hintergrund ist ein Problem, das Deutschland wie Frankreich gleichermaßen betrifft: Wenn die betagten Transall-Maschinen nicht mehr genutzt werden können (in Deutschland ab 2021), fehlt ein Flugzeug für die Landepisten, für die der neue A400M-Transporter zu groß ist.

Vor allem für (nationale) Rettungs- und Evakuierungsmaßnahmen, so die Argumentation des Verteidigungsministeriums, müssten jedoch Flugzeuge unterhalb der A400M vorgehalten werden, die so genannte kleine Fläche (das ist der Jargon für kleine Flächenflieger, also Flugzeuge im Unterschied zu Hubschraubern). Frankreich hat bereits kürzlich vier C-130J bestellt, davon zwei als Transporter und zwei in der Version für Luftbetankung – begründet den Bedarf aber vor allem mit Einsätzen in Afrika und dort in der Sahara. Die französischen Transportmaschinen solle 2017 und 2018 geliefert werden, die Tankflugzeuge 2019. Zwei weitere Flugzeuge sind eine Option.

Aus deutscher Sicht kommen da mehrere positive Faktoren zusammen: Zum einen soll die Beschaffung von sechs deutschen Hercules für rund 900 Millionen Euro erst 2019 beschlossen werden, die französische Luftwaffe verfügt also über diese Flugzeuge, bevor die Maschinen für die deutsche Luftwaffe geliefert werden. Und der Betrieb in einer gemeinsamen Einheit soll nicht nur beiden Ländern Geld sparen, sowohl bei Werkzeugen, Prüfgeräten und in der Ausbildung, sondern auch der deutschen Luftwaffe einen Zugriff auf diese Maschinen ermöglichen, bevor sie eigene Hercules hat.

Aus der Erläuterung des Verteidigungsministeriums für den Haushaltsausschuss:

Die beschriebene Fähigkeitslücke „Kleine Fläche“ zeigt sich aktuell z.B. darin, dass die derzeit mit C-160 angeflogenen Flugplätze im Einsatzgebiet Mali (Kidal,Tessalit, etc.) mit dem A400M aufgrund der eingeschränkten Flugplatzinfrastruktur selbst unter Inkaufnahme von operationellen Einschränkungen (Luftfahrzeug verbliebe auf der Start-und Landebahn) nicht angeflogen werden können.
Andere Nationen mit vergleichbarem Streitkräftefähigkeitsprofil (z.B. Frankreich, Großbritannien, Spanien und Italien) betreiben aufgrund ähnlicher Fähigkeitslücken ergänzend zum A400M in einer geringen Stückzahl kleinere taktische Lufttransportflugzeuge, wie z.B. der Typen C-130J und CASA-295.
Im Rahmen von Gesprächen mit europäischen NATO-Partnern hat sich ergeben, dass z.B. eine Kooperation insbesondere mit Großbritannien, einer der europäischen Nutzernationen der C-130J, nicht in Betrachtkommt, weil ein Einsatz von Luftfahrzeugen mit britischen Hoheitsabzeichen im Rahmen des deutschen Nationalen Risiko- und Krisenmanagements [NatRKM] von britischer Seite aus rechtlichen und auch politischen Gründen ausgeschlossen wird.
Frankreich hingegen zeigte von Beginn an eine große Kooperationsbereitschaft auch im Bereich NatRKM und SpezOp.

Schon bevor Deutschland – voraussichtlich – 2019 Maschinen bestellt, die dann zwei Jahre später geliefert werden sollen, stehen die französischen Flugzeuge für nationale deutsche Rettungs- und Evakuierungsmissionen zur Verfügung.

Eine nationale deutsche Lösung, so erläuterte das Verteidigungsministerium, würde nicht nur länger dauern, sondern auch die Beschaffung von mehr deutschen Flugzeugen bedeuten und damit erheblich teurer werden. In der gemeinsamen Hercules-Staffel könne Deutschland dagegen auf insgesamt zehn Maschinen zugreifen, damit sei der Anteil einsatzklarer Maschinen höher als bei einer eigenen Beschaffung in geringer Stückzahl. Auch sei mit dem gemeinsamen Pool der errechnete Bedarf von 1.300 Flugstunden pro Jahr für die Ausbildung leichter zu decken.

Die Anfangsbefähigung des binationalen Verbandes soll mit der geplanten Auslieferung der ersten deutschen Hercules 2021 erreicht werden, die Full Operational Capability im Jahr 2024. Interessant ist dabei, dass die Bundeswehr ihre sechs Maschinen ebenso aufteilen will wie die Franzosen: Drei Flugzeuge, also zur Hälfte, als Transporter und drei als Tankflugzeuge – was aus französischer Sicht nötig ist, um die Luftbetankung von Hubschraubern sicherzustellen, was mit dem A400M (bislang?) aus technischen Gründen nicht funktioniert.

Aufgrund der weitgehend baugleichen Maschinen beider Nationen soll nicht nur die Logistik vereinfacht werden, sondern auch der integrative Flugbetrieb:

Der Aufbau der gemeinsamen Einheit soll integrativ gestaltet werden, so dass grundsätzlich ein Flugbetrieb mit bi-nationaler Durchmischung sowohl im Bereich der Lfz-Besatzungen als auch des technischen Personals durchgeführt werden kann.

Das scheint mir ein vollständig neuer Ansatz – bei allen binationalen Kooperationen bisher sind mir, mit Ausnahme von Panzerbesatzungen beim neuen Panzerbataillon 414 mit seiner integrierten niederländischen Kompanie, keine gemischten Crews bekannt. (Aber ich lasse mich gerne belehren.)

(Archivbild 2012: Blick ins Cockpit einer französischen Hercules C-130 – Armee de l’Air/O.Ravenel)