Gabriels Kommission für neue Rüstungsexport-Regeln: Ganz so eilig ist es nicht
Der Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel scheint es mit der mehrfach angekündigte Expertenkommission zum Rüstungsexport nicht ganz so eilig zu haben. Inzwischen, so berichtet die taz, sei zwar der Beginn der Kommissionsarbeit im Oktober klar, deutlich später als angekündigt – aber noch immer nicht, wann es ein Ergebnis geben solle.
Mehrfach hatte der Minister angekündigt, die Regelungen für den Export aus Deutschland sollten auf den Prüfstand, zum Beispiel im Februar dieses Jahres:
Erneut kündigte Gabriel die Einsetzung einer Kommission an, die klären soll, ob an Stelle der bisher gültigen Richtlinien für Rüstungsexporte ein Gesetz geschaffen werden soll (was auch in der Bundesregierung umstritten ist). Mehr zu dieser Kommission soll es bei Vorlage des Rüstungsexportberichts 2015 vor der Sommerpause geben; zu deren Arbeit kündigte der Minister nur an, dass sie natürlich ihre Arbeit in dieser Legislaturperiode abschließen solle.
Tja, bei der Vorlage des Rüstungsexportberichts 2015 am 6. Juli wurde erneut vertröstet (O-Ton der Ministeriumssprecherin: Wir arbeiten mit Hochdruck daran. Das wird in Kürze der Fall sein. Insofern können wir das hier nicht tagesscharf einordnen.), und noch mal drei Monate später scheint klar, dass es noch ein bisschen länger dauert, wie die Kollegen der taz erfahren haben:
Sigmar Gabriels Kommission für eine Reform des Rüstungsexportrechts nimmt im Oktober ihre Beratungen auf. Wie ein Sprecher des Wirtschaftsministerium der taz mitteilte, soll das Gremium gemeinsam mit externen Sachverständigen „etwaige Verbesserungsmöglichkeiten sowie die Frage nach einem Rüstungsexportgesetz“ erörtern. (…)
Ob und wann die Vorschläge der Kommission umgesetzt werden, ist aber tatsächlich fraglich. Einen Zeitplan gibt es laut Ministerium nicht. (…)
Und noch eine Frage bleibt zunächst ohne Antwort: Wer überhaupt in der Kommission sitzt und wer sie berät.
Da wird es doch spannend zu beobachten, wer in der Kommission sitzt – und ob es bei der erklärten Absicht von Vizekanzler Gabriel bleibt, vor der Bundestagswahl ein Ergebnis zu präsentieren.
(Foto: Tankflugzeug Airbus A330MRTT – die Lieferung von vier dieser Flugzeuge nach Großbritannien macht mit 1,1 Milliarden Euro einen großen Teil des deutschen Rüstungsexportvolumens 2015 aus. Foto Airbus Defense&Space)
In die Kommission wurden in der ersten Einlaungswelle u.a. Vertreter der Kirchen, der üblichen NGOs, der BDSV, BDLI, BDI und die Gewerkschaften eingeladen. Nachdem das Kanzlerinnenamt von der Einladung Wind bekommen hatte und man „not amused“ war, wurden ganz schnell noch das BMVg und das AA eingeladen. Vielleicht denkt man irgendwann auch noch ans BMZ.
Wahrscheinlich wird die Kommission wieder so ein Feigenblatt, wie die Treffen mit den Gewerkschaften und der Rüstungsindustrie. Wer Kanzler werden will, muss in der SPD die Linken mitnehmen und mit dem Liegenlassen von Exportanträgen ist das schnell erledigt. Arbeitsplätze und Technologieerhalt sind keine Argumente, weder für das BMWI noch für dasBMVg.
Wahrscheinlich schwant der Kommission auch, dass zukünftige Rüstungskooperationen durch verschärfte, deutsche Export-Regeln nicht unbedingt erleichtert werden. Ähnliches gilt ja auch für eine europäische Armee unter deutschem Parlamentsvorbehalt.
Dummerweise schätzen unsere EU- und Nato-Partner die Fensterreden unserer Politiker zu verstärkten Kooperationen als das ein, was sie sind: Fensterreden!
Man merkt, dass der Vorschlag einer strikteren Kontrolle von Rüstungsexporten aus Deutschland von Gabriel aus einer Zeit stammt, in der er noch nicht die Funktion als Wirtschaftsminister inne hatte. Sobald er die Materie etwas besser kennen gelernt hat, hat er anscheinend schnell gemerkt, dass nicht nur Arbeitsplätze, sondern eben auch Technologien und ein großer Wirtschaftszweig, der Deutschland zum fünftgrößten Waffenexporteur der Welt verhilft, viel zum – alles-oder-nichts-Indikator – BIP beiträgt. Zum Vergleich; ein Bauer wird wohl nicht den Anbau auf seinem fruchtbarsten Acker einschränken…
Andererseits werden Rüstungsgüter, aus dem Blickwinkel der indirekten politischen Einflussnahme, zu inflationär aus Deutschland exportiert. Das Einsetzen einer Expertenkommission ist demnach ein zu begrüßender Schritt, vorausgesetzt sie erhält ernst zu nehmende Befugnisse und wird in Entscheidungen über Gesetzgebund und ähnliches nicht umgangen. Da aber der Einsetzungsprozess, wie berichtet, lahmt und sicher nicht konstruktiv vor der nächsten Wahl beendet sein wird und die SPD wahrscheinlich – vorausgesetzt es passiert ein Wunder – nicht mehr an der Regierung beteiligt sein wird, sollte man nicht allzu große Hoffnungen haben.
@Luxemburger „viel zum – alles-oder-nichts-Indikator – BIP beiträgt.“:
Wie ist da die Argumentation?
Wenn ich eine Überschlagsrechnung mache, komme ich auf folgendes:
Deutschlands BIP: circa 3000 Milliarden Euro
Deutschlands Waffenexporte: 4,8 Milliarden US$, also circa 0,15% des BIP
@Ein Leser
Die Zahlen zum Export beziehen sich allein auf den Umsatz der exportierten Güter, allerdings werden die Transaktionen in den Schritten vorab, wie z.B. bei der Produktion durch Zulieferer, Einkauf von Know-How, etc. nicht dazu gezählt, fließen aber mit ein in das gesamte BIP. De facto kann man annehmen, dass der rüstungsbezogene Anteil des deutschen BIPs höher liegt als bei den von Ihnen errechneten 0,15 %.
Ich pflichte Ihnen aber bei, dass diese Argumentation eben auch nicht ganz unproblematisch ist, da dieser indirekte Beitrag quantitativ nicht messbar ist.
Ein Rüstungsexportgesetz ist genau so eine „Luftblase“ wie ein Bundeswehreinsatzgesetz. Keine Regierung auf der Welt ist so naiv sich selber in Sachen „Sicherheit und Verteidigung“ selber gesetzlich über die verfassungs-und völkerrechtlich verbindlichen Regeln hinaus zu knebeln. Gabriel bedient hier wieder eine bestimmte Wähler-Gruppe genau wie Seehofer eine andere.
@Leser und Luxemburger:
Richtig, der Anteil am BIP bzw. dem Außenhandel ist minimal. Auch würde man bei einer veränderten Exportpraxis wohl nur geringfügige Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt sehen. Immerhin gehen rund 50% der Exporte in NATO/EU Staaten, die wird niemand beanstanden. Von den anderen 50% gehen wiederum nicht das gesamte Volumen in wirklich kritische Staaten. Und dann wiederum sind es ja besonders einzelne Waffentypen, die Diskussion verursachen. Also, selbst bei einer Verschärfung der Exportpraxis wäre der volkswirtschaftliche „Schaden“ nur sehr gering.
Ich denke die Diskussion geht an der Praxis ein wenig vorbei. Deutschland ist was Exporte im Mil-Bereich betrifft eine Katastrophe (eigentlich in Allem was kein Automobilunternehmen oder einer anderweitig Insdustrielobbygetriebenen Branche angehört). Nicht wegen der rechtlichen Rahmenbedingungen, sondern wegen der Unischerheit und Unberechenbarkeit der Behörden in der praktischen Durchführung.
Das fängt damit an dass Bearbeitungszeiten für einen Export- Antrag gänzlich unkalkulierbar sind. Stellen Sie sich einen Kunden vor der bei Ihnen etwas kaufen möchte und Sie können dem Interessenten nicht einmal sagen, bis wann Sie ihm sagen können ob Sie das Produkt überhaupt liefern dürfen, weil die zuständigen Behörden vielleicht noch in diesem Jahr vielleicht aber auch erst im nächsten oder vielleicht erst irgendwann über Ihren Antrag entscheiden. Was spräche dagegen, wenn man kontrollieren will, sich dann auch über eine maximale Bearbeitungs- und Prüfzeit zu einigen?
Das ganze wird ganz besonders lustig wenn es sich um „Dual Use“ Güter handelt, d.h. Produkte die Sie vielleicht für einen zivilen Zweck liefern, die aber theoretisch auch einen militärischen Zweck dienen könnten (denn dann kommt es teilweise darauf an, ob Ihr Minensuchgerät gelb oder grün lackiert ist) – d.h. es ist a priori nicht klar ob das was Sie liefern der Exportkontrolle unterliegt, aber um Rechtssicherheit zu bekommen lassen Sie prüfen.
Und dann haben wir die Fälle, wo ein Antrag bereits beschieden wurde – d.h. Sie gehen zu Ihrem Kunden und sagen zu – und dann kommt jemand auf die Idee das ganze nocheinmal auf den „Prüfstand“ zu stellen. Dann sagen Sie wieder ab ? Ungeachtet vertraglicher Aspekte (Schadenersatz wg. Nichterfüllung, etc.) – welcher Kunde, denken Sie, läßt sich so etwas lange bieten?
Und wie denken Sie sieht Ihre wirtschaftliche Planung aus? Ich rede hier nicht von „wirschaftlichen vs. politischen Interesse“, sondern davon dass Sie erst in Forschung und Entwicklung investieren müssen, um ein Produkt anbieten zu können. Die Absatzchancen hängen aber nun nicht nur von ihrem Produkt oder einem Markt ab, sondern werden ganz wesetlich davon beeinflusst, dass Ihre eigene Politik diesbezüglich unberechnebar ist. Da werden dann „Reissleinen“ gezogen, bereits getätigte Bescheide wieder auf den „Prüfstand“ gestellt (wo waren die prüfstände aeigentlich bei VW?) – je nachdem welche Klientel man aktuell bedienen möchte.
Was ist das Ende vom Lied: Als Unternehmen suchen Sie sich einen Partner in einem anderen Europäischen Land, wo dies alles vielleicht nicht einfacher – aber zumindest abschätzbarer und berechenbarer ist, oder Sie verkaufen Konzepte bereits in einem frühen Stadium (konkretisiert und gebaut werden die Produkte dann in einem anderen Land) oder, und das ist am elegantesten, Sie bekommen einen Investor aus den USA oder Middle East, der substanzielle Anteile Ihres Unternehmens erwirbt, damit auch Lizenzrechte an ihren Produkten und die Dinge dann in Abu Dhabi baut und von dort exportiert. Und das ist dann besser?
Nochmal: es geht nicht darum welche Normen man sich als Staat geben möchte, sondern lediglich um ein bisschen Zuverlässigkeit und Planbarkeit. Dann klappts auch mit der Qulität gelieferter Produkte.
Betreff: Kommission
Von der Ankündigung bis zur Umsetzung: Der Zeitplan siganlisiert, dass die Experten ihre Ergebnisse und Ratschläge zu spät präsentieren können, um in dieser Legislaturperiode Konsequenzen zu zeitigen. Mit anderen Worten: Neue Legislaturperiode, neues Gluck…
Noch in dieser Legislatur relevant wird dagegen der Entwurf einer neuen Dual Use Verordnung der EU-Kommission. Er schließt viele Schlupflöcher und würde – wenn in Kraft gesetzt – eine Kernforderung Gabriels und der deutschen Industrie umsetzen: Gleich strenge Regeln für alle in der EU – das berühmte „level playing field“, das Nachteile für die angeblich restriktiv behandelte deutsche Industrie beseitigen soll.
Interessant zu beobachten ist, dass es gerade die deutsche Industrie, die dieses level playing field immer forderte und nunmehr sagt: Der Vorschlag der EU dafür ist viel zu restriktiv. Glaubwürigkeit würde anders gehen.
@Rich
Sie verkennen ein paar Komplexitäten für die Politische Ebene: Lage unentschiedene Anträge haben oft die Ursache, dass man weder liefern noch den Empfängerstaat vor den Kopf stoßen oder gar die Beziehungen zu diesem negativ beeinflussen will.
@ all
Die zentrale Fragen lautet: Wofür soll die Kommission Ratschläge geben? Für ein Artikelgesetz, das die bisherige Rechtslage ergänzt und bestimmte Lücken schließt oder für einen Neuansatz, also Rüstungsexportgesetz, das im Blick auf alle rüstungsrelevanten Güter die bisherigen Regeln aus KWKG, AWG und EU-Dual-Use VO integriert. Insofern könnte ein solches Gesetz durchaus Sinn machen.