SPD geht zum Angriff über: Reform der Reform, Abschied von ‚Breite vor Tiefe‘

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Nach den Berichten über Ausrüstungsmängeln bei der Bundeswehr und den Negativschlagzeilen der vergangenen Wochen scheint jetzt dem kleineren Koalitionspartner SPD der Kragen zu platzen. Ihr verteidigungspolitischer Sprecher Rainer Arnold veröffentlichte am (heutigen) Freitag ein Papier der Fraktions-Arbeitsgruppe Sicherheit, das in weiten Bereichen eine Abkehr von derzeit geltenden Rahmenbedingungen für die Bundeswehr fordert – etwa dem Anspruch Breite vor Tiefe oder dem dynamischen Verfügbarkeitsmanagement, mit dem das Heer einen Bestand von 70 bis 80 Prozent des benötigten Geräts je nach Bedarf in der Truppe verteilt.

Weil heute Feiertag ist, von dem auch ich etwas haben will… stelle ich jetzt einfach nur zur Diskussion das SPD-Papier im Wortlaut ein.

Rainer Arnold, verteidigungspolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion zu den Problemen beim Klarstand von Bundeswehrmaterial:

Die großen Probleme mit dem Klarstand bei den Großgeräten der Bundeswehr haben sich über einen langen Zeitraum aufgebaut. Es ist notwendig, die Probleme jetzt beim Namen zu nennen ohne sie weiter zu beschönigen. Durch die Strukturreform unter dem ehemaligen Verteidigungsminister de Maizière haben sich die Probleme noch verschärft: Was sich als Irrweg herausgestellt hat, muss jetzt korrigiert oder ganz zurückgenommen werden. Uns ist klar, dass es keine schnellen Lösungen geben kann. Auch eine kurzfristige Finanzspritze würde keine Abhilfe schaffen. Gefordert ist vielmehr ein Bündel an Maßnahmen, die kurz und mittelfristig wirken. Werden diese Maßnahmen nicht oder zu spät angegangen, werden die Folgen für die Bundeswehr und für das Ansehen Deutschlands in der Welt unabsehbar werden.

Maßnahmenkatalog zur Ausrüstung der Bundeswehr

1 Priorisierung von Fähigkeiten in den Streitkräften im Hinblick auf die Veränderungen in der Welt: Der Ansatz „Breite vor Tiefe“ war die Hauptursache für die mangelnde Durchhaltefähigkeit der Bundeswehr (s. Patriot – Active Fence Türkei).

2 Der in der Zielstruktur definierte Materialbedarf für die Streitkräfte muss wieder zu 100 Prozent befüllt werden: Die Anordnung de Maizières, die Befüllung auf 70 bis 80 Prozent abzusenken, hat zu dem Mangel an einsatzfähigem Material geführt und muss – wo noch möglich – zurückgenommen werden. Das gilt auch für die Abgabe von bereits finanziertem, einsatzfähigem Material.

3 Noch in den Haushaltberatungen 2014 neue Beschaffungsvorhaben beschließen: Seit Jahren werden Milliarden aus dem EPl. 14 an den BMF zurückgegeben, weil kein einziges größeres Vorhaben mehr beschlossen werden konnte, dass im Fall verspäteter Lieferung (s. A 4000 M u.a.) hätte nachrücken können. Dies, obwohl dringender Bedarf (etwa bei der Marine) bekannt war. Nur so können die Fähigkeiten der wehrtechnischen Industrie erhalten bleiben.

4 Verlässliche Haushaltsplanung: Wenn die verspäteten Großgeräte an die Bundeswehr ausgeliefert werden, muss der BMF – wie zugesagt – die nicht abgeflossenen Mittel wieder dem Etat zur Verfügung stellen. Darüber hinaus muss ab 2016 der EPl.14 mindestens entsprechend der Preissteigungsrate ansteigen. Im Investitionsbereich entstehen ab 2018 neue Spielräume. Um diese sinnvoll zu nutzen, müssen bereits jetzt neue Entwicklungs- und Beschaffungsmaßnahmen angegangen werden.

5 Zivilen wie militärischen Personalkörper in der Bundeswehr für die Instandsetzung, vor allem bei technischen Qualifikation, erhöhen.

6 Haushaltstitel für Instandsetzung im aktuellen Haushalt aufstocken.

7 Lagerhaltung und Logistikbereich in der Bundeswehr modernisieren: Planbare Ersatzteile müssen wieder rechtzeitig bevorratet werden. Hierzu muss der Logistische Organisationsbereich so umgebaut werden, dass er den heutigen technischen Möglichkeiten entspricht.

8 Vertraglich vereinbarte Rechtsansprüche gegenüber der Industrie bei nicht fristgerechten und/oder unzureichenden Lieferungen auch durchsetzen. Bei Neuverträgen müssen Regressansprüche rechtssicher verankert werden.

9 Ständige Mechanismen für Controlling und Qualitätssicherung sicherstellen. Bei Instandsetzungsverträgen darf keinesfalls akzeptiert werden, dass zivile Auftragnehmer gegenüber öffentlichen bevorzugt behandelt werden.

10 Dem Deutschen Bundestag muss künftig einmal jährlich zu einem festen Stichtag ein Bericht über den Klarstand bei der Bundeswehr vorgelegt werden.

11 Organisationsstruktur des BAAINBW verändern: Die Zentralisierung der Strukturen im Beschaffungswesen der Bundeswehr hat sich nicht bewährt. Bei der Beschaffung von Großgeräten müssen die verantwortlichen Abteilungsleiter Projektleiter* direkt bei zuständiger Staatssekretärin ein Vorspracherecht bekommen.

 

(* nachträglich von der SPD geändert)