Kündigung für 2,70?
Diese Geschichte irritiert mich ein wenig: Da muss ein Zeitsoldat klagen, um nicht rausgeworfen zu werden, weil er in der Truppenküche ein Mittagessen im Wert von 2,70 Euro nicht bezahlt hat. Nun kann man ja lange diskutieren, ob so was gegen die militärische Ordnung verstößt oder diese stört, aber irgendwie scheint das mit der Verhältbnismäßigkeit und so…
Ist so ein bisschen wie der Fall der Berliner Kassiererin Emmely und ihren illegal eingelösten Pfandbons: Im Grunde rechtmäßig. Aber außerhalb der Verhältnismäßigkeit (und auch keine Werbung für attraktive Streitkräfte. Wenn’s um Patronen im Wert von ein paar Euro gegangen wäre, wäre das ja noch was anderes).
(Die Pressemitteilung des Verwaltungsgerichts Koblenz hier.)
Da steckt doch mit Sicherheit etwas anderes dahinter. Jemand mit höherem Dienstgrad will den HG loswerden und hat einen Vorwand genutzt. Schlimm das die Vorgesetzten das durchgelassen haben. Solche Sachen kann man doch innerhalb der Kompanie oder des Batallions still und ohne Aufregung lösen.
Hier kann man „b“ erst einmal nur widersprechen. Das hat mit Willkuer eines Vorgesetzten nichts zu tun. Wird das Dienstvergehen nicht geahndet, begeht der Vorgesetzte selbst ein Dienstvergehen!
Willkuer ist es hingegen auch, solche Dinge „innerhalb der Kompanie oder des Batallions still und ohne Aufregung“ zu loesen!
Die Pflicht, das Vermögen des Bundes zu wahren, ist Bestandteil von § 7 SG, der „Pflicht zum treuen Dienen“. Diese Dienstpflichtverletzung zieht regelmaessig ein gerichtliches Disziplinarverfahren nach sich.
Das BVerwG hat entschieden, dass bei Dienstvergehen, die das Vermoegen des Bundes schaedigen, bis zu einer Dienstgradherabsetzung in einen Mannschaftsdienstgrad kommen kann. Bei der Strafzumessung ist selbstverstaendlich der Grundsatz der Verhaeltnismaessigkeit zu wahren. Ist dem Beschuldigten Vorsatz nicht nachzuweisen, so kommt eine Dienstgradherabsetzung daher schon nicht in Betracht. Vielmehr fuehrt dies bspw. zu einer Kuerzung der Dienstbezuege/des Ruhegehalts.
Nur bei „erheblichen Erschwerungsgruenden“ UND Vorsatz im Zusammenhang mit Reisekostenabrechnungen/Trennungsgeld wurde die Entfernung aus dem Dienstverhaeltnis in Erwaegung gezogen.
Zur Verhaeltnismaessigkeit: Die Hoehe des entstandenen Schadens (das BVerwG befand damals 34,40 DM als einen „geringen Vermoegensschaden“ – von 2,70 Euo ganz zu schweigen) spielt natuerlich eine Rolle, ebenso die Persoenlichkeit des Soldaten (Naeheres siehe § 58 Abs. 7 i.V.m. § 38 Abs. 1 WDO). Art und Schwere des Dienstvergehen, Schuldhaftigkeit und Beweggruende.
Natuerlich scheint hier eine Entfernung aus dem Dienstverhaeltnis alles andere als verhaeltnismaessig zu sein!
Mehr Schaden angerichtet als verhindert. Disziplinare Würdigung hätte völlig ausgereicht, insbesondere wenn der Hauptgefreite bisher nicht auffällig war.
Das Verhalten der Offiziere die das so betrieben haben ist meines Erachtens selber einer kritischen disziplinaren Untersuchung zu unterziehen, weil es wegen Unverhältnismässigkeit nicht nur das Ansehen der Bundeswehr in der Öffentlichkeit weit stärker beschädigt als es der Hauptgefreite je vermocht hat und darüber hinaus aus gleichem Grund den soldatischen kameradschaftlichen Zusammenhalt erheblich beschädigt.
Nicht dass ich dass ich das Erschleichen von Verpflegung unterstütze, mitnichten, aber wer wegen so etwas mit dermassen überzogenen Reaktionen rechnen muss wird wohl kaum darauf vertrauen, dass man sich gegenseitig im Einsatz in belastenden Situationen den Rücken freihält.
Doppelt schlimm: Das sowas ausgerechnet starke 100km entfernt vom Zentrum Innere Führung passieren kann.
Da gibt es wohl starken Nachschulungsbedarf…
Er gehört hart und gerecht bestraft. Aber. Es gibt genug Soldaten, die sich prügeln und ins Kaffee-Viereck wandern, oder Kameraden bestehlen. Von daher kann man nicht wirklich ernsthaft mit den geltenden Gesetzen argumentieren, da die grundsätzlich nicht immer konsequent durchgezogen werden. Dann gäbs wohl auch kaum noch Soldaten :)
Offiziere sollten sich durch Besonnenheit und gutes Maß auszeichnen und nicht wie die Memmen rumheulen, weil der pöse HG nen Fehltritt geleistet hat.
Den Vergleich zu der Kassiererin würde ich nicht so einfach ziehen wollen. Ich bin kein Jurist, würde aber mal behaupten, dass es erhebliche Unterschiede zwischen dem zivilen Arbeitsrecht und dem militärischen gibt.
Oft genug wird Offizieren in einem solchen Fall die Entscheidung durch Ebeneneskalation weggenommen. Wenn „Rechtsberater“ ins Spiel kommen, ist es häufig schon zu spät mit Augenmaß zu handeln. Oft genug habe ich erlebt, dass diese Personengruppe weit über das Ziel herausschießt. Es gibt zahlreiche Entscheidungen im Bereich der Bundeswehr die einer gerichtliche Überprüfung nicht standgehalten haben und meiner Ansicht nach mindestens noch mal soviele die es nicht würden.
Ob dies damit etwas zu tun hat, dass die Bw ihre Juristen nicht selten vom Arbeitsamt rekrutiert kann ich nicht beurteilen.
Ich bin gespannt wie die Bundeswehr in der Zukunft mit solchen Menschen/Einstellungen arbeiten will, wenn gleichzeitig die allgemeinen Rechtsgrundlagen kaum die Einsatzrealität widerspiegeln, wie nicht zuletzt der Fall des Oberst Klein gezeigt hat.
Unabhängig davon, dass Diebstahl bestraft gehört, hat hier in meinen Augen ein Vorgesetzter Mist gebaut und mangelnde Urteilsfähigkeit gezeigt.
Ist es etwa in Idar-Oberstein immer noch so, dass die guten Leute am Rilchenberg sitzen und in der Klotzbergkaserne … ähm nun ja: Auch die Bundeswehr bildet das gesellschaftliche Spektrum ab. Dieser Vorfall würde das alte Vorurteil untermauern …
Der Disziplinarvorgesetzte kann zwar vielleicht die fristlose Entlassung innerhalb der ersten vier Dienstjahre beantragen – aber da ist auch ein Rechtsberater involviert! Das ist doch der eigentliche Skandal!
Dieser Mann muss die gaengige Rechtsprechung kennen und es bedarf nicht viel (in etwa zwei Minuten), um selbst als Laie entsprechende Urteile im Internet zu finden.
Diese allgemeine Offizierschelte kann also gerne unterbleiben.
Zum Vergleich mit der Kassiererin: Es gibt in der Tat sehr erhebliche Unterschiede zwischen zivilem Arbeitsrecht und dem Militaer.
Die Schelte war nicht allgemein. ^^
In der Klotzbergkaserne sitzt unter anderem eine Lehrgruppe, die für die Sprachenausbildung (vorrangig Englisch) verantwortlich ist. Alle Offizieranwärter müssen nach neuem Ausbildungsschema (seit 2006) diesen Lehrgang durchlaufen um einen SLP von 3332 oder besser zu erreichen.
Wäre also interessant zu wissen, ob es sich um einen SaZ-Mannschaften oder gar um einen OA gehandelt hat.
Es geht nicht um allgemeine Offizierschelte. Und als Disziplinarvorgesetzter hatte ich oft genug Gelegenheit um genug sehr gute Erfahrungen mit den Rechstberatern zu machen.
Ich halte nix davon in Schubladen zu denken, weder was Offiziere, noch was die Rechtsberater angeht.
In meiner Beurteilung sind hier einzelne über das Ziel hinausgeschossen. Ich kann nicht erkennen warum eine Disziplinarmassnahme nicht hätte ausreichen sollen. Dass ein Rechtsberater eingeschaltet wird, ok. Kann mann so machen, muss man aber nicht. Aber der berät. Der entscheidet nicht. Die Entscheidung bleibt beim Disziplinarvorgesetzten, es sei denn er gibt den Fall an die Staatsanwaltschaft ab oder der nächsthöhere Disziplinarvorgesetze nimmt ihm die Entscheidung ab. Beides halte ich hier für genauso übertrieben.
Selbst für den Fall, dass der Hauptgefreite Offizieranwärter ist, bleibe ich bei meiner Meinung. Für einen Soldaten, der bisher nicht aufgefallen ist gibt es keinen Anlass so überzogen zu agieren. Ein Chef unter meiner Führung könnte nach dem Patzer, so ohne Fingerspitzengefühl und mit so negativer Aussenwirkung zu agieren, seine nächste Beurteilung knicken, lochen und abheften. Wegen Mängeln in der Anwendung der Wehrdisziplinarordnung und Personalführung.
Das ändert nix daran, dass das bewusste und absichtliche Erschleichen von Verpflegung spürbar disziplinar zu würdigen ist und nicht nur Papier bedruckt wird.
Ich habe einen ähnlichen Fall miterlebt. Da ging es um falsche Angaben zur Reisenkostenbeihilfe. Ein Rechnungsführer hat Unregelmäßigkeiten entdeckt, sodass ein Obermaat sich einen Vorteil von ca. 20€ erschlichen hat.
Dieser war innerhalb von 7 Tagen Zivilist. Hört sich sehr hart an, jedoch kam im Nachhinein heraus, dass er
a) ähnliches schonmal versucht hat und
b) diziplinar vorbelastet war wegen Sachbeschädigung / Vandalismus.
Der Soldat wirkte eigentlich sehr freundlich, ruhig bis schüchtern. Man hätte es ihm nicht zugetraut. Im Suff ticken aber einige aus.