Modernisierung der ‚Brandenburg‘-Klasse: Mach mir eine Floppy
Mit der Modernisierung der rund 30 Jahre alten Fregatten der Brandenburg-Klasse sieht sich die Deutsche Marine zahlreichen Problemen gegenüber. Ein kleines, aber wichtiges Detail: Für die Betriebstechnik muss Ersatz für die betagten Diskettenlaufwerke im Format 8 Zoll gefunden werden.
Die Fregatten des Typs F123, von 1994 bis 1996 in Dienst gestellt, sind auf die U-Boot-Jagd spezialisiert und sollen vor allem im Hinblick auf die Waffensysteme und die Steuerung der Waffen modernisiert werden. Erste Verträge dafür wurden bereits 2021 abgeschlossen; Generalunternehmer dafür ist die schwedische Firma Saab.
Während die Waffentechnik grundlegend erneuert wird, soll allerdings die Betriebstechnik des Schiffes zwar angepasst, weitgehend aber erhalten bleiben. Das führt zu der Ausschreibung, die das Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw) im Juni veröffentlichte:
Ersatz Floppy Disk Einheit
Entwicklung und Integration an Bord eines emulierenden Speichersystems zum Ersatz der Floppy Disk Einheit für die Messwerterfassungsanlage an Bord der Fregatten Klasse 123.
Die Messwerterfassungsanlage ist ein wesentlicher Teil zur Steuerung der eigentlichen Schiffsfunktionen einer Fregatte. Sie hat zwar nichts mit den Waffensystemen zu tun, ist aber für die Steuerung des Antriebs oder der Stromerzeugung wichtig, weil die Betriebsparameter erfasst werden müssen. Und zu der Zeit, als die Fregatten der Brandenburg-Klasse in Dienst gestellt wurden, waren die gängigen Speichermedien dafür halt noch Floppy Disks. Wie mir der damalige Kommandant der Brandenburg vor fünf Jahren schon sagte: So sei das eben, wenn man mit historischen Schiffen mit antiker Elektronik zur See fahre.
Um nicht die ganze Meßtechnik ebenfalls erneuern zu müssen, muss es deshalb bei den bisherigen Speichermedien bleiben – oder einem Ersatz, der so tut, als wäre er ein Diskettenlaufwerk. Genau dafür sucht das BAAINBw jetzt nach einem Lieferanten. Die Details sind vertraulich, deshalb werden wir wohl nie erfahren, welche – nach heutigem Stand antiken – Parameter dafür gefordert werden.
Die F123 sollen so lange in Dienst bleiben, bis mit den Fregatten der Klasse F126 Ersatz bereitsteht. Anfang Juni fand die Kiellegung der nunmehr sechs geplanten neuen Schiffe statt.
(Archivbild Februar 2015: Flugkörperschießen der Fregatte Brandenburg vom diesjährigen Einsatz- und Ausbildungsverband. Auf dem Transit zum nächsten Zielhafen Luanda in Angola wurde ein Schiff zu Schiff Flugkörper vom Typ Exocet MM-38 verschossen – Sascha Wunderlich/Bundeswehr)
8 Zoll Disketten stammen aus den 1970er Jahren. Die waren ja schon bei Indienststellungen in den 1990er hoffnungslos veraltet …
@T.Wiegold: „Um nicht die ganze Meßtechnik ebenfalls erneuern zu müssen, muss es deshalb bei den bisherigen Speichermedien bleiben.“ Als Halb-Laie halte ich diesen Satz für nicht ganz korrekt. Nach meinem Verständnis sollen ja gerade die Speichermedien ersetzt werden. Allerdings natürlich so, dass sie die Messwerte, die Messwertanlage von der Meßtechnik liefert sowohl speichern als auch zur Datenanalyse zur Verfügung stellen kann. Dazu muss man sich natürlich trotzdem der alten Netzwerttechnik samt ihren Protokollen stellen.
Wahrscheinlich werden aber ja bei den F123 die meisten Messwerte noch analog generiert, transportiert und angezeigt.
[Das stimmt natürlich… Überlege mal ob/wie ich das anders formuliere; aber ich denke, es ist klar, was gemeint ist. T.W.]
Der heutige Antrieb der Fregatte bildet die antiken Antriebsmöglichkeiten wie Rudern und Segeln nach. Es geht voran ;-)
Spannend… aber so lange es nur gewisse Subkomponenten betrifft ist das verkraftbar… aber es zeigt die Problematik bei solchen Hochwerteinheiten die länger in Dienst bleiben müssen… in 30-40 Jahren tut sich technisch einfach extrem viel…
Gerade in der IT sind 5-10 Jahre extrem lange…
generell sollte auch bei Hochwerteinheiten die ursprünglich gedachte Lebensdauer nicht überschritten werden…
Bei Fregatten, Helikoptern, Panzern sehe ich da eine Lebensdauer von 30 Jahren…
5 Jahre Einführung, 20 Jahre Nutzung, 5 Jahre Ausphasung mit paralleler Einführung eines Nachfolgers!!
Der Apple II hatte bereits ein 5,25-Zoll Laufwerk, und der erschien Ende 70er. Als ich 1985 meinen ersten Computer kaufte, kam 5,25 bereits nicht mehr in Frage, und seit 87 oder 88 hatten eigentlich alle Homecomputer und Workstations ein Diskettenformat, für das man auch heute noch Laufwerke kaufen kann.
Vermutlich hat sich die Bundeswehr für eine bewährte Lösung aus der Mittleren Datentechnik entschieden (vielleicht von Nixdorf?). Dann möge sie sich nicht mit dem Alter der Schiffe herausreden, denn die sind viel zu jung für 8″-Disketten.
Floppy Disk Emulatoren kann man für mittlere zweistellige Eurobeträge kaufen, mit wenigen Tagen Lieferzeit. Auch für 8 Zoll. Die Dinge haben dann einen Steckplatz für USB Stick, der die Diskette dann ersetzt. Ich kann mir tatsächlich nicht vorstellen, was da zu nun entwickeln sein soll. Für sowas braucht man keine handgedengelten Speziallösungen. Vielleicht sollte BAAINBW/WTD 71/MarKdo mal nach einfachen Lösungen suchen. Manchmal frage ich mich wirklich, wozu wir uns das ganze Personal in diesen Dienststellen leisten. Vielleicht mal herumgooglen und zB dann Musiker, die die guten Synthesizer oder elektronischen Orgeln etc aus den 1970er betreiben, befragen, die kennen vielfach das Problem und die Lösungen. Sowas für vier Schiffe öffentlich auszuschreiben inklusive Entwicklung wird ja wieder absurd teuer und langwierig. Ich erinnere an die 30-Dollar-Xbox Konsolen, die die USA mittlerweile auf den Virginia Class U-Booten zur Periskopsteuerung einsetzt.
@ Obibiber Das möchte ich beim Puma sehen. An dem wird ständig geschraubt, was ausgetauscht etc.. In wieviel Rüstständen gibt es den eigentlich? Haben die Amerikaner nicht auch noch Floppys für ihre Atomwaffen?
Als angebrüteter Laie verstehe ich die Anforderung „Floppy-Disk“ nicht. Auch zu Zeiten der Indienststellung der Fregatten gab es schon Festplatten. OK, in den 80ern bei der Planung waren Disketten das Maß de Dinge.
Den Daten ist doch egal, wo sie abgespeichert und wieder abgerufen werden, Hauptsache die dazugehörige Software passt.
Das sollte doch verhältnismäßig schnell hinzukriegen sein.
In der Wissenschaft, wo z. B. noch Ataris zur Messtechnik eingesetzt werden, der „Retro“-Computer, und Musikszene gibt es schon sein sehr vielen Jahren Floppyersatzlösungen. Prominent zu erwähnen Atari, Amiga und Akai, die auf Satan, Ultrasatan usw. setzen. Ist jetzt kein Teufelswerk, der Name bezieht sich lediglich auf die SATA-Schnittstelle. Die Hardware und Emulation sollten nicht das Problem sein. Die Frage ist, wie gefechtstauglich so kleine Wuselteile wie SD-Karten und USB-Sticks sind. Die Karten gehen leicht verloren und sind mit Handschuhen schwer zu handhaben und an USB-Sticks stösst man leicht an, so dass sie besonders gesichert werden müssten. Störanfälligkeit? Kommt natürlich auf die Häufigkeit der Schreibvorgänge an, je mehr Schreibvorgänge, desto geringer die Langlebigkeit. Dito für einen möglichen Einsatz von SSD. So eine Diskette ist halt sehr zuverlässig. Hab selber noch unzählige funktionierende Disketten, die locker 30-40 Jahre alt sind. Falls da keiner mit Stiefeln drüber latscht, sind eigentlich nur Magnetfelder und der altersbedingte Zerfall kritisch.
Hoffentlich fragen sie bei den Experten an, die das schon seit Jahrzehnten anwenden und vergeben den Auftrag nicht an eine Firma, nur weil die „irgendwas mit Technik“ macht.
Grundsätzlich ist gegen den Einsatz von Disketten nichts auszusetzen, davon abgesehen, dass sie quasi nicht mehr produziert werden. Ich hatte damals beim Bund die Möglichkeit täglich Daten via Modem, Internet oder per Diskette zu versenden. Die Disketten hatten sich am zuverlässigsten erwiesen, da sie auch an Geräten gelesen werden konnten, die nicht online waren. Die Kollegen nebenan bei der Dezentralen, hatten das FAX im Dauerbetrieb. Heute wird das bestimmt alles per Intranet (oder im Fall der Dezentralen per Internet) erledigt, aber damals war Internet und Co. noch Nebulös. ;)