NATO will Zahl der schnell einsatzbereiten Truppen auf 300.000 erhöhen
Die NATO will die Zahl der schnell einsetzbaren Soldatinnen und Soldaten deutlich von derzeit rund 40.000 auf 300.000 erhöhen. Das kündigte Generalsekretär Jens Stoltenberg im Vorfeld des NATO-Gipfels in Madrid an.
Aus dem Statement Stoltenbergs bei seiner Pressekonferenz am (heutigen) Montag:
At the Summit, we will strengthen our forward defences.
We will enhance our battlegroups in the eastern part of the Alliance up to brigade-levels.
We will transform the NATO Response Force.
And increase the number of our high readiness forces.
To well over 300,000.
We will also boost our ability to reinforce in crisis and conflict.
Including with:
More pre-positioned equipment, and stockpiles of military supplies.
More forward-deployed capabilities, like air defence.
Strengthened command and control.
And upgraded defence plans, with forces pre-assigned to defend specific Allies.
These troops will exercise together with home defence forces. And they will become familiar with local terrain, facilities, and our new pre-positioned stocks. So that they can respond smoothly and swiftly to any emergency.
Together, this constitutes the biggest overhaul of our collective deterrence and defence since the Cold War.
Das nur als erster Merkposten; wird ergänzt, u.a. wenn die Fragen und Antworten aus dieser Pressekonferenz ebenfalls als Transkript vorliegen.
Nachtrag: Zur Einordnung: Derzeit stellt Deutschland für die NATO Response Force rund 14.200 Soldatinnen und Soldaten, einschließlich nationaler Unterstützungskräfte. Das hat natürlich damit zu tun, dass die Bundeswehr den Kern der so genannten Speerspitze (Very High Readiness Joint Task Force, VJTF) für dieses Jahr in der stand-up und für 2023 in der stand-by-Phase vorhält. Da ist dann die Frage, wie eine faktische Verachtfachung der High Readiness Forces sich auf die, wie heißt es nun, größten konventionellen europäischen NATO-Streitkräfte auswirken wird.
Der Originaltext sagt: „To well over 300,000.“, also „gut über 300.000“. Das scheint keine starre Obergrenze zu sein.
Und die Übungen mit den Heimatschutzkräften bei speziellen Partnern scheint sich nicht nur auf das Baltikum und Polen zu beziehen. Da scheint der Fokus schon auf Finnland zu gehen. Eine Art Reforger 2.0.
Eine spannende, aber auch bedenkliche, Entwicklung.
da bin ich ja mal auf weitere Details und die mögliche Beteiligung der BW gespannt.
Auch der zeitliche Rahmen dürfte spannend sein? Bis 2025, oder bis 2030?
Ich denke mal mindestens eine Land Division + Luftwaffe + Marine wird da von BW Seite benötigt.
Gut und schön, die Frage ist nur welches Personal das schlussendlich stellen soll?
In den nächsten 1-2 Jahren verlassen viele erfahrene OSGs und Portopees die Bundeswehr.
Insbesondere bei den Mannschaftern wird der Aderlass riesig sein. Erfahrene Kraftfahrer, Scharfschützen, Richtschützen…you name it, sind nur auf dem Papier schnell zu ersetzen.
Als „Ersatz“ kriegt man dann von BAPers FWDLer (bei denen die benötigte Ausbildung länger als die Dienstzeit dauert) oder aber die „Spezialisten“ aus der Corona Aga die mit Müh und Not die Knifte in die richtige Richtung halten können.
Aber hey, auf irgendeiner Excel Liste steht das der DP besetzt ist, folglich können wir das benötigte Personal bestimmt stellen…
@obibiber
Eine Division wird nicht reichen, es müßte schon in der Dimension Land ein komplettes (eigenständiges) Korps sein.
@obibiber sagt: 27.06.2022 um 14:44 Uhr
„Ich denke mal mindestens eine Land Division + Luftwaffe + Marine wird da von BW Seite benötigt.“
Nehmen Sie das Ganze mal 2,5, damit Ihre avisierte Stärke bereitsteht. Schließlich müssen die Einheiten in ihren Bereitschaftsgraden auch mal durchgetauscht werden und etwas Redundanz wäre auch ganz toll. Und letztendlich braucht man nach der schnellen Eingreiftruppe auch noch Verstärkungskräfte.
Das wird im Kern für Deutschland auf die Abschaffung der NRF hinauslaufen, denn nahezu alle Heeresanteile müssten dann „mitspielen“. Somit wird selbst dieser minimale Footprint, den man durch zusammenklauben von Material erzeugen konnte, wieder untergehen, denn dann sind ja alle „asigniert“ und wir kennen es: „Wenn alle verantwortlich sind, ist es niemand“.
Prove me wrong.
Nicht allein Truppe, vor allem die erforderliche Infrastruktur wird beachtlich sein.
Großgerät kann dauerhaft nicht unter freiem Himmel stehen, die Einlagerung von Muntition bedarf per se besonderer Schutzbestimmungen nach Lagerklassen und -mengen.
Da hier jeweils nationale Bestimmungen richtungsweisend sein werden, muss NATO viel Abstimmungsarbeit leisten müssen
Die umfangreichste „Reforger 88 FTX – Certain Challenge“ enthielt 124.800 GI mit dem V. US-Korps und dem VII. US-Korps. Zu dem Zeitpunkt war ReForGer auf DEU Boden jedoch schon bestens eingespielt, erste Übung dieser Art in 1969. Ansatzweise ähnliche Lagervorhaltungen hatten nur BEL und die NLD vorbereitet.
Bedeutende Baumaßnahmen dürften angesichts einer Schwerpunktbildung gegen RUS auf Balten, Polen, CZE und SVK zukommen, die von diesen Ostflankenstaaten kaum allein gestemmt werden können.
Selbst die U.S. Services in DEU werden nicht mehr ihre seinerzeitige umfangreiche Lagerungskapazität für „prepositioned stocks“ in Besitz haben.
Es wird also jede Menge geplant und – neu – gebaut werden müssen.
@Paul
Insbesondere stellt sich die Frage nach Verteilung / Assignierung der Kräfte für Auslandsmissionen und der EUBG.
Für EUFOR CROC wird nichts übrig bleiben. Zudem stellt sich jetzt tatsächlich die Frage nach der Aufwuchsfähigkeit bei Aktivierung – Aufgaben am Heimatstandort bzw. im rückwärtigen Raum müssen ja weiter laufen bzw. gestemmt werden. Und: Feldersatz ist dann auch auszuplanen, ZSanDstBw rechnet mit 5% Ausfall / Kampftag (stand in LOYAL oder ES&T (daher öffentlich), ich halte das für tief gegriffen).
@Pio-Fritz:
klar… um das Ganze durchgehend stellen zu können benötigt man die 2-3 fache Stärke in der Hinterhand.
von den 300.000 ann werden aber auch viele Soldaten auf Luftwaffen oder Marineverbände entfallen (vielleicht knapp die Hälfte)
Das nationale Ziel sind ja auch 3 einsatzbereite Heeresdivisionen bis 2030.
Die Frage ist ob das noch ausreichend ist, oder ob man hier direkt schon eine 4. Division einplanen/aufbauen muss…
losgelöst davon sind die aktuellen Anforderungen ja schon ambitioniert genug…
1. Division bis 2025 einsatzbereit…
zumal die großen Beschaffungsvorhaben in Richtung Heer ja weiterhin auf sich warten lassen (wo bleibt das 2. Los Puma, weitere Boxer, Flugabwehr Heer, sonstige Flugabwehr, Artillerie, Munition, Munition, Munition)
2025 und 2030 kommt schneller als man denkt…
Wir sprechen hier über die 7,5 fachen Kräfte für NRF vom heutigen Stand. Im Grunde muss dann das ganze Heer dran.
Eine Division auf Standby.
Eine Division auf Initial Follow on Forces.
Eine Division auf Follow on Forces.
Das ganze dann im Jährlichen Wechsel. Wo bei man ja als Follow on Forces innerhalb von 50 bis 60 Tagen verlegebereit sein muss.
Nur zu schaffen wenn…
A) das gesamte Großgerät und Material auf 120% (#Kaltstartfähigkeit)
B) 100% der Dienstposten besetzt sind.
Gut an dem neuen Konzept, es wird jetzt feste Regionale Zuordnung von Kräften geben. Deutschland kann dann z.b. Littauen oder das gesamte Baltikum als Einsatzraum bekommen und das tun was wir gut können…. genau Planen. Man kann dann jede Staße, Bahntrasse oder Verladerampe eines jeden Ostseehafens inspizieren und so enorm viel Reibungsverluste vermeiden.
Ich schau mir das Mal an was da raus kommt…. vielleicht heißt das neue NRF Konzept ja einfach auch nur das die USArmy Europe genug APS-2 für 250.000 GI’s einlagert.
In Sachen Unterbringung der Kräfte könnte man prüfen, ob man auf Erkenntnisse des Pilotprojektes „Labor Betreuung 5.000“ (ungefähr Brigadeäquivalent) des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz zurückgreifen kann.
https://www.bbk.bund.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2022/03/23-pm-labor5000.html
Wird doch selbst gesagt:
„We will transform the NATO Response Force.“
Man kann also die neuen „einsatzbereiten Truppen“ mit den alten „einsatzbereiten Truppen“ nicht mehr vergleichen.
Das wird ja absichtlich so gesagt, weil ein aufbohren von 40.000 auf 300.000 (Faktor 7,5) überhaupt nicht geht.
Es sei denn …..
Die „readiness“ wird anders definiert, was nur geht, wenn man die NRF transformiert und nicht einfach nur vergrößert.
Also wie immer, es wird viel geredet und viel angekündigt und am Ende gibt es ein nicht vergleichbares Konstrukt und man kann sich auf die Schulter klopfen. Die Zahlen lügen ja nicht ;-)
Ich mache mir da keine Sorgen.
Die Bundeswehr schafft es jetzt schon nicht eine wirkliche „readiness“ für 14.200 Soldaten aufzustellen und wird in naher Zukunft und auch nicht in ferner Zukunft eine „readiness“ für sagen wir 30.000 – 40.000 Soldaten hinbekommen.
Das sind alles hohle Worte.
Es werden jetzt ordentlich Rüstungsgüter bestellt, bezahlt und geliefert – aber sind wir mal ehrlich:
Wenn dann in 5 Jahren die ersten großen Tranchen in die Depots reinrauschen, geht so viel altes Material weg (oder ist bis dahin weg), dass man mit diesen Tranchen nur den aktuellen notwendigen Grundbestand auffüllt.
Dann vergehen noch einmal 5-10 Jahre für einen „Aufwuchs“ im kleinen Rahmen und schon sind die ersten Tranchen auch schon 15 Jahre alt und haben ihre Macken und Wehwehchen und müssen instandgesetzt/ersetzt werden.
Sehe da einfach keine Industriekapazitäten für diese Dimensionen an Material und alles zu importieren wird keine Regierung machen (will ja schließlich auch von inländischen Arbeitern gewählt werden).
Man wird also jetzt eine sehr große Geldsumme in die Rüstungsindustrie + Zulieferbetriebe stecken und am Ende werden Schützenpanzer und anderes Material in Depots vergammeln, weil keine Instandsetzungskapazitäten vorhanden sind oder man in 10-15 Jahren keinen politischen Willen hat, Ersatzteile zu bezahlen.
Dass wir Strela und Mig-29 Ersatzteile in den Depots haben, ist ja der beste Beweis für diese gelebte Praxis.
Beim Personal ist es ähnlich, aber dafür gibt es ja jeden Monat einen Thread.
Dass der Großteil der „über 300.000“ von den USA kommt, kann ich nach den Ankündigungen der letzten Jahre bezüglich Pazifik auch nicht ganz glauben, also soll es Europa irgendwie allein richten.
Ja, mit neuen NATO-Partnern wird das einfacher – aber eben auf einer anderen Art von „high readiness forces“.
Leute, bitte. Stoltenberg spricht davon, dass eine Erhöhung der schnell einsatzbereiten Kräfte vorgesehen sei, und hier werden neuen Divisionen und Korps geplant und Unterbringungskonzepte vorgeschlagen… Wollen wir in realistische Gefilde zurückkehren bitte?
Wenn man kurz über diese Zahl nachdenkt, weiss man auch was Herr Stoltenberg sich damit gedacht hat.
In der klassischen Lehre gehen die Strategen davon aus das der Angreifer eine 3 bis 4 fache überlegenheit benötigt. Was bekommt man bei 300T Truppen x 3 oder 4…. in etwa die Truppenstärke der Russischen Streitkräfte.
Stoltenberg: „Beefing up their own defenses and supporting Ukraine means allies need to spend more of their GDP on their militaries, says NATO chief Stoltenberg. The infamous „2%“ goal allies should „aim to move toward“ by 2024 is now considered more of a „floor“ in spending.
Na dann. Gleich mal den Nachtragshaushalt vorbereiten. Bei 3%+ kommt ja dann langsam auch die allgemeine Dienstpflicht in realistische Nähe. Just saying.
[Was evt drei Prozent vom BIP und Dienstpflicht miteinander zu tun haben, wäre eine interessante Frage, wenn es nicht auf einen unsauberen OT-Versuch hindeuten würde. Lassen wir hier. T.W.]
@T.Wiegold, ja es geht hier um die Erhöhung der kurzfristig verfügbaren Truppen der NATO. Und ja es geht um 300T Mann aus der gesamten NATO, aber das heißt für mich das die Bundeswehr sich permanent mit entsprechenden Kräften wird beteiligen müssen. Und wenn ich der NATO zusage das ich die Fähigkeit xy innerhalb von 10 Tagen stellen kann brauche ich selber die Fähigkeit x-fach damit die entsprechenden Einheiten auch mal Zeit haben für Ausbildung, Regeneration oder andere Einsätze. Und das wird nur klappen wenn ich personell und materiell entsprechend aufgestellt bin.
Sollte die NATO Herrn Putin nicht zum Mitarbeiter des Monats machen? Was er in 3 Monaten schafft, schaffen
andere in Jahren nicht.
Mögliches Szenar für Verteilung der Verstärkung auf 3/5 U.S./CDN
und 2/5 EU anhand der Verstärkungen JAN – APR 22.
„This article is part of the Transatlantic Security Initiative’s Stronger with Allies series, which charts the course forward for the Alliance in conjunction with the 2022 NATO Summit“ .
https://www.atlanticcouncil.org/commentary/trackers-and-data-visualizations/nato-forward-forces-tracker/
Da wäre interessant wie die Ausrichtung der Bundeswehr im allgemeinen gedacht ist. Stehen wir vor einer größeren Reform? Gibt es schon konkrete Pläne? Alleine wenn ich mir die Strukturen der Pioniertruppe ansehe, dann sind wir weiterhin in Strukturen die für Pioniere im Afghanistan Einsatz getaugt haben, aber gewiss nicht die volle Unterstützungsleistung im Rahmen LV/BV leisten können.
Eins ist klar, die aktuelle Phase ist spannend, das etwas passieren muss ist unabdingbar.
Mal was Grobes: Deutschland hat von der Personalstärke her ca. 6 % NATO-Anteil. 6% von 300.000 => 18.000 Soldatinnen und Soldaten Streitkräfte-Übergreifend in hoher Bereitschaft halten. Sollte zu schaffen sein.
Zweite Überlegung: Ich denke, dass als Zielvorstellung ein Viertel der Kampfeinheiten samt Unterstützung in dieser hohen Bereitschaft sein sollten. 2 von 8 Brigaden. Ständig 3 Fregatten, Ein gemischter Verband aus 20 Tornados und 35 EFs…. Man sieht schon: wenn man jeweils ein Viertel als konsisten Kampfverband zusammenstellen will und muss, sind hier ganz andere Einsatz- und Manöverkonzepte gefragt. Es wäre dann auch Zeit, dass die SNMGs zu vollwertigen Trägerkampfgruppen aufgewertet werden. Also jeweils eine NATO-geführte multinational organisierte und besetzte Trägerkampfgruppe im Nordatlantik, Nordsee und/oder Mittelmeer präsent sein. Da bin ich mal gespannt….
Hr. Wiegold tat gut daran diesen Merkposten in den Blog aufzunehmen. Ich halte die Rede dann für richtungsweisend, falls sie die Eckpunkte einer künftigen Strategie beinhaltet.
Dazu:
Hr. Stoltenberg hat seinen assignierten Job bei der NOR Zentralbank aufgekündigt, um bei der NATO zu bleiben.
(Quelle: https://norwaytoday.info/news/stoltenberg-agrees-to-stay-on-as-nato-chief-resigns-from-position-of-norways-central-bank-governor/)
Er scheint sich also voll der Weiterentwicklung der NATO verschrieben zu haben und die Organisation, jetzt da sie wieder ein konkretes Feindbild im Kompass hat, zu neuer Größe und Bedeutung führen zu wollen.
Vergessen sind die Worte von Hr. Macron, der die NATO nach 2019 als „hirntod“ bezeichnet hatte.
(Quelle: https://www.economist.com/europe/2019/11/07/emmanuel-macron-warns-europe-nato-is-becoming-brain-dead).
Vergessen scheinen auch das schier blamable Missmanagement des Afghanistan-Abzugs oder der Corona-Pandemie, des Irak-Engagements oder der persistierenden Verpflichtungs-Fails Deutschlands (und anderer NATO-Mitglieder) zu sein, wenn es um Personal, Material und Finanzierung ihrer Armeen geht.
Deutschlands „selbstignorierendes Bekenntnis“ des berühmten 2% – Zieles der NATO scheint nun, zumindest offiziell, auch vergessen zu sein. Hr. Stoltenberg fabuliert dazu bereits optimistisch: „Two percent is increasingly considered a floor, not a ceiling.“
Es sind auch runderneuerte Ziele für die Ukraine und Georgien avisiert, denn beide sollen weiterhin zu inoffiziellen NATO-Satelliten (meine Formulierung – kann man drüber streiten) aufgebaut werden. Im folgenden Zitat impliziert er selbstverständlich auch den militärischen Sieg der Ukraine bzw. deren dauerhafte Rolle als ausführendes Ende im Stellvertreterkrieg mit Russland.
„Over the longer term, we will help Ukraine transition from Soviet-era military equipment, to modern NATO equipment.
And further strengthen its defence and security institutions.“
Es scheint sogar eine Erweiterung der NATO zum Globalbündnis denkbar. Dafür sprechen nicht nur die verbindliche Aufnahme Chinas in die Strategie des Nordatlantikpaktes, sondern auch die Einladung solch prominenter Nord-Atlantiker wie „Australia, Japan, New Zealand, and the Republic of Korea“ in den Kreis der Prospects und Hangarounds.
Interessant in diesem Kontext scheint die zunehmende Inkorporierung der EU zu sein, wenn es um Verteidigung und Katastrophenschutz (hier: Nahrungsmittelversorgung) geht. Ähnlich dem neuen „Ramstein-Format“, darf die EU als Gast der Befehlsausgabe lauschen und eifrig mitplotten, wie man sich der NATO denn künftig noch nützlicher machen könnte: „Georgia and the European Union will also take part.“
(Bemerkung: In einem Halbsatz mit Georgien genannt werden zu dürfen, ist schon eine Ansage.)
Bedeutend für mich ist weiterhin das geschickte Einkreisen und Festnageln Deutschlands, in Bezug auf die neue NATO-Ostpolitik. Dem in Verteidigungsfragen bisher wieseflinken Deutschland nicht nur dauerhafte, konkrete und zertifizierbare Bündniszusagen abzuringen, sondern diese dann auch gleich mit der Installation von logistischen Lagern und Aufmarschgebieten zu untermauern, ist sicher eine kluge Erkenntnis aus den NRF-Scharaden der Vergangenheit.
„Germany in Lithuania is one example. I expect other Allies to make similar announcements. Then, it will be based on more forward deployed equipment, stocks, fuels, weapons, ammunition.“
Diese Ansagen, sollten sie jemals in die Tat überführt werden, führen unweigerlich zu den vieldiskutierten Themen „Einsatzbereitschaft, Personalgewinnung, Kampfmoral, Ausbildung, Führung, etc.“ und damit auch zu weit für diesen Thread. Aber: woher diese „Stocks“ denn kommen sollen, einem Bettler greift man selten erfolgreich in die Taschen, wird sicher noch zu spannenden Neologismen und Powerpoint-Art aus dem Zaubereiministerium führen.
Kurzum:
Die Gräben werden erweitert und vertieft, eine Renaissance des Kalten Krieges darin zementiert und die alten Reflexe im Rückenmark der Kalten Krieger auf BEIDEN Seiten des Eisernen Vorhangs frisch bedient. Ab jetzt kommt der feindliche Stahlhelm wieder aus der östlichen Waldkante und so niggelige Kleinigkeiten, wie zB das gestandene NATO-Mitglied Türkei und seine imperialen Ausfälle in südöstlicher Richtung, werden wohlwollend-schweigend in Kauf genommen: Hauptsache die Finnen und die Schweden sitzen irgendwann mit uns im Graben- vielleicht haben die noch Munition übrig.
@Eskadron
Das sympathische an Zahlen zum EP 14 ist, sie sind seit 1955 belegbar. Der Aufreger um die 100 Mrd im Sondervermögen und 2 (+) % BiP dauerhaft sind einerseits bei stets noch im sicherheitspolitischen Dauerschlaf Verhafteten verständlich, andererseits in Kenntnis DEU Nachkriegsgeschichte sowie Aufstellungsbeginn Bw in 1955 einigermaßen weltfremd.
Von 1955 bis 1989, also unmittelbar vor Wiedervereinigung, betrug der Teil des BIP 3,577%.
In der Spitze 5,2% in 1962, kleinste Größe immerhin noch 2.7% in 1989.
Vor dem Hintergrund sowjetischer Bedrohung sind das nachvollziehbare Zahlen. Wo ist die Abweichung in der gegenwärtigen Bedrohung aus Russland?
Russland führt Krieg, die UdSSR nie.
Zahlen gem: http://www.bpb.de/politik/grundfragen/deutscheverteidigungspolitik/...
@Klaus-Peter Kaikowsky: „Der Aufreger um die 100 Mrd im Sondervermögen und 2 (+) % BiP dauerhaft sind einerseits bei stets noch im sicherheitspolitischen Dauerschlaf Verhafteten verständlich, andererseits in Kenntnis DEU Nachkriegsgeschichte sowie Aufstellungsbeginn Bw in 1955 einigermaßen weltfremd.“
Ich glaube Sie haben meinen etwas flapsigen Kommentar missverstanden – ich meine das mit der allgemeinen Dienstpflicht durchaus Ernst. Nicht immer zur hellen Freude der Anwesenden.
Abgesehen davon: die 3%+ BIP sind in Anbetracht vieler weiterer BW Erfordernisse – wie z.B. der Forderung zur Aufstockung der Reservistenstellen (Reservistenverband), neue Standorte (bei der Aufstockung auf 271 Standorte mit Stand 02/2021 wird es nicht bleiben) und Anforderungen an Liegenschaften sowie Ausbildungs- und Übungsmöglichkeiten etc. – langfristig keine unrealistische Größe.
Vgl.:
https://augengeradeaus.net/2021/02/dokumentation-neue-stationierungsentscheidungen-fuer-die-bundeswehr/
@ F.M 27.06.2022 um 19:40 Uhr
„Da wäre interessant wie die Ausrichtung der Bundeswehr im allgemeinen gedacht ist. Stehen wir vor einer größeren Reform? Gibt es schon konkrete Pläne?“
Ja, es gibt sehr konkrete Pläne, mancher milOrgBer hat schon im BMVg vorgelegt, hört man halt so. Gerüchte über z.B. eine Neuaufstellung des Heeres wurden auch hier schon im Blog nachgefragt. T.W. hat wohl Kenntnis von einem in den Medien angesprochenen Brief des Inspekteur des Heeres, sich aber vorbehalten, erst bei abschließender Sachstandsfeststellung zu veröffentlichen.
Zur hekischen Strukturarbeit. Eine Zäsur fand ja eigentlich schon vor fast 10 Jahren Jahren statt, als Putin in die Krim einmarschierte. Seitdem führt Russland einen unübersehbaren Krieg in der Ukraine und rüstete auf. Deutschland und seine Bundeswehr reagierten langsam und nicht entschlossen. Ergebnis, mancher milOrgBer war zum Kriegsbeginn Russlands blank. Mancher General hat es mutig zugegeben, mancher hat „zurückhaltend“ geschwiegen, obwohl es ebenfalls mangelhaft aussah und – sieht. Blank wäre da noch gelobt.
Es wird nun eine rasche, schon jetzt getrieben wirkende Reform geben, welche es in sich hat. Fast 10 Jahre ‚Tiefschlaf‘ sind aufzuholen. Es wird in Berlin und in der Standorten der Führungskommandos beobachtet, dass wie schon 2010, 2011 kleine Projektgruppen, weit oben angesiedelt, einen Masterplan entwerfen und zwischen Kommandos und BMVg hin und her ventilieren. Truppe wird wie damals nicht gefragt. Warum auch!?! Auswertung aus AFG braucht man nicht zu berücksichtigen, denn es gibt sie kaum. Sicherlich ist es mit Auswertung von Erkenntnissen des Angriffskrieges ähnlich. Braucht man auch nicht, man baut vermutlich wieder eine Struktur ohne solide Herleitung, sondern baut, was man halt (schon lange) wollte.
Erste Konfliktfelder einer neuen Überdehnung zeichnen sich ab. Mali, ist hier bekannt. Dazu neuer Bundeswehreinsatz in Bosnien….. uvm.
Noch frische, diverse Personalentscheidungen im BMVg selbst und auch zu neuen Führungskommandos haben schon Gefolgsleute der politischen Leitung des Hauses BMVg bzw. des Kanzleramtes gesetzt, so dass die neue Reform durchlaufen wird. Wie 2010/2011 wird nun manch weiteres (störende) Gesicht rasch verschwinden, manch neues (gefälliges) Gesicht ganz oben überraschend auftauchen. Es wird dann sicher dort oben die neue Reform oder wie man es dann auch nennen wird, bejubelt werden. Ist auch einfacher als 2010/2011, jetzt kann man manches mit viel Geld verkleistern. Damit meine ich nicht nur das sogenannte „Beschaffungswesen“.
Also zum BW Anteil werf ich mal Hr. ex. Gen. Bühler’s Aussage (aus MDR PC) rein das dieser bei 10% liegt.
Grösste konventionelle Streitmacht also doch….
@K-P-K
„Vor dem Hintergrund sowjetischer Bedrohung sind das nachvollziehbare Zahlen. Wo ist die Abweichung in der gegenwärtigen Bedrohung aus Russland?
Russland führt Krieg, die UdSSR nie.“
Weil es damals einen „Warschauer Pakt“ gab und heute nur noch Russland mit ein paar Satellitenstaaten, aber eben alles andere als ein „Warschauer Pakt“ von den Dimensionen her.
Deshalb muss die NATO, die heute ja sogar mehr Mitgliedsstaaten hat als damals, eben keine durchschnittlichen 3 % pro Mitgliedsland aufwenden. Ich würde sogar behaupten weniger als 2 % reichen locker aus.
Mir ist die Kaufkraftproblematik bewusst, daher will ich die Etats beider Seiten nicht vergleichen, aber man sieht doch jetzt sehr gut am Ukrainekrieg, dass Russland eben wenig Material und Munition hat und sogar sehr wenig Top-Material.
Die waren konventionell nie eine Bedrohung in den letzten 10-20 Jahren für die NATO!!!!!
Hätte ich ja auch nicht gedacht, aber es gab ja genügend Hinweise, die man aber selbst oft nicht wahrnehmen wollte (verrottende U-Boote etc.,, überalterte Bomberflotte).
Jetzt so zu tun, als wären die eine noch größere Bedrohung, obwohl sie relativ einfach mit kleinen Mitteln aufgehalten werden, ist doch völlig lächerlich.
Ich lese hier permanent, dass Russland kurz vor einer Mobilmachung steht oder Reservisten heranziehen muss.
Nach 4 Monaten Krieg und ohne nennenswerte Einmischung von Großmaterial der NATO!!!!
Wenn wir konventionell ordentlich reingehauen hätten (mir ist schon bewusst, dass das nicht geht und auch haarsträubende Folgen hätte) und auch Verluste in Kauf genommen hätten, wären die NATO/Ukraine-Truppen jetzt schon mindestens an der ukr.-russ, Grenze.
Wir müssen nur einen leichten Schwenk weg von einer Einsatzarmee hin zu einer Verteidigungsarmee machen und uns den Gegner (Russland) genauer anschauen und sein Material (Artillerie).
Das reicht und dafür müssen wir keine Prozente erhöhen.
Die aktuelle Lage, dass wir der Ukraine Material liefern muss natürlich berücksichtigt werden und diese Materiallieferungen müssen finanziell kompensiert werden (also genau dafür einen einmaligen Wehretatzuschuss) und dann natürlich auch materiell ersetzt werden.
Dann noch ein bisschen Munition und das reicht locker.
@Tom Cruise: „Ich würde sogar behaupten weniger als 2 % reichen locker aus.“
Sie haben natürlich mit einigen Punkten, wie z.B. der realistischen Einschätzung zur konventionellen Stärke der russischen Streitkräfte Recht, übersehen jedoch einen wichtigen Punkt: das Verlagern von Ressourcen der US in den pazifischen Raum wird kommen. Die Deutschen werden in Folge einen Großteil der dann losen Enden in Europa aufnehmen müssen. Von weiteren Unwägbarkeiten, wie einer Trump Wiederwahl und ihren Folgen, fange ich erst gar nicht an. Ich habe auch Fantasie genug, um mir hochkochende Konflikte im östlichen Mittelmeerraum und in Nordafrika vorstellen zu können. Wenn wir hier in Europa Verantwortung und Führung übernehmen wollen bzw. dazu gezwungen werden, kostet das Geld.
@Eskadron
„… das Verlagern von Ressourcen der US in den pazifischen Raum wird kommen.“
Ich fürchte die USA wollen DEU über die NATO mit in die Auseinandersetzung (systemischer Wettbewerb) mit hineinziehen und setzen uns moralisch unter Druck.
„Doch es ging noch eine weitere Äußerung von ihm [Jens Plöttner] viral: So kündigte er an, dass man sich bei den anstehenden Gipfeltreffen von Europäischer Union und Nato dafür einsetzen werde, dass es in den verschiedenen Beschlüssen eine differenzierte Betrachtung Chinas gibt. „Ich glaube, es wäre ein Fehler, China und Russland in einen Topf zu werfen“, so Plötner. Er verwies dabei auf eine Rede des amerikanischen Präsidenten Joe Biden vor wenigen Tagen, die in dieser Hinsicht richtungsweisend gewesen sei. „Da kamen durchaus auch die kooperativen Elemente vor, die wir mit China brauchen“, sagte Plötner. „Es wäre total falsch, hier einen Antagonismus herbeizureden.“
S. Berliner Zeitung, „Umstrittener Vortrag: Scholz-Berater Plötner: Verhältnis zu Russland wichtiger als Panzer für Ukraine?“
@ Thomas Melber: „Ich fürchte die USA wollen DEU über die NATO mit in die Auseinandersetzung (systemischer Wettbewerb) mit hineinziehen und setzen uns moralisch unter Druck.“
Wir müssen von keinem Allierten in einen Wettbewerb der Systeme hineingezogen werden. Wir stecken da sine qua non als demokratisches Land automatisch mit drin. Bisher hat sich Deutschland auf Kosten anderer im Bereich der Sicherheitspolitik und Militärausgaben auf die faule Haut gelegt. Wenn wir an diese Tatsachen erinnert werden, ruft so mancher „Erpressung“. Ich kann Ihnen aus eigener Erfahrung sagen, nicht nur die US Republikaner sind nicht mehr willens die enormen Kosten zu tragen. Das wird zunehmend auch von Independents und Demokraten so gesehen.
J. Plötner: „Ich glaube, es wäre ein Fehler, China und Russland in einen Topf zu werfen“
Nun, J. Plötner diente bereits unter Steinmeier und Maas im seit fast 10 Jahren SPD-geführten Auswärtigen Amt. Man möge es mir nachsehen, wenn meine Zuversicht bzgl. realistischer AA Lageeinschätzungen angesichts unserer derzeitigen Situation etwas gedämpft ist. Ohne ungebührlich polemisch zu werden: können Sie mit Sicherheit ausschließen, dass hier nicht eigentlich die Exportabteilung von VW die Einschätzungen trifft?
Vor dem Problem stehen allerdings alle Länder. Die Ostasiatischen sogar noch mehr als Deutschland. Auch die USA haben mit widerstreitenden Interessen zu tun: Als GM Opel verkaufte, verkündeten sie offen, das Geld zu benutzen, um in China zu expandieren. Die Zusammenarbeit GM/SAIC ist intensiver als mit VW, da GM auch Forschung&Entwicklung mit ihren chinesischen Partnern betreibt. Ist jetzt nicht unbedingt die Schuld Deutschlands, dass amerikanische Autos nicht so beliebt sind. Teslas erste Auslandsfabrik entstand auch in China. Merkels Versuch eines Handelsabkommens war letztendlich nur eine Reproduktion von Trumps Handelsabkommen mit China, welches auch die neue Regierung nicht kündigen möchte.
Sry, falls das zu off topic war.