Mali setzt Beteiligung an G5 Sahel aus
Der kontroverse Kurs der militärischen Übergangsregierung in Mali nicht nur gegen westliche Staaten, sondern auch gegen seine Nachbarn setzt sich fort: Die Regierung in Bamako setzte ihre Beteiligung an der so genannten G5 Sahel, der Kooperation mit Burkina Faso, Mauretanien, Niger und Tschad, bis auf Weiteres aus. Das betrifft auch die gemeinsamen Militäraktionen.
Den vorläufigen Rückzug aus den G5 Sahel-Institutionen teilte die malische Regierung am (heutigen) Sonntag mit und warf den anderen Staaten vor, das Land unrechtmäßig zu isolieren. Dahinter, so der Vorwurf aus Bamako, stünden Manöver eines außerregionalen Staates …, der verzweifelt versucht, Mali zu isolieren. Auch wenn dieser Staat nicht genannt wird, dürfte es sich um die ehemalige Kolonialmacht Frankreich handeln, die von Mali inzwischen praktisch komplett aus dem Land geworfen wurde.
Die Mitteilung der Regierung im Original:
und die Übersetzung (via deepl.com):
Die Regierung der Republik Mali informiert die nationale und internationale Öffentlichkeit darüber, dass nach der siebten ordentlichen Sitzung der Konferenz der Staatschefs der Mitgliedsländer der G5 Sahel, die am 15. Februar 2021 in N’Djamena stattfand, die Staatschefs vereinbart hatten, die achte ordentliche Sitzung im Februar 2022 in Bamako abzuhalten.
Gemäß der bisherigen Praxis sollte diese Sitzung somit den Beginn des malischen Vorsitzes der G5 Sahel einleiten.
Fast ein Vierteljahr nach dem angegebenen Termin hat die besagte Sitzung der Konferenz der Staatschefs der Mitgliedsländer der G5 Sahel jedoch noch immer nicht stattgefunden, obwohl Mali in diesem Sinne zahlreiche Initiativen bei den Instanzen der G5 Sahel ergriffen hat, um deren Aufmerksamkeit zu erregen. In seinem letzten Schreiben vom 22. April 2022 an Seine Exzellenz General Mahamat Idriss DEBY ITNO, Vorsitzender des Militärischen Übergangsrates, Präsident der Republik Tschad und amtierender Vorsitzender der G5 Sahel, hat der Präsident des Übergangsrates, Staatsoberhaupt von Mali, Seine Exzellenz Oberst Assimi Goïta , gewarnt, dass die Republik Mali sich gezwungen sehen würde, ihre Teilnahme an den Organen der G5 Sahel einschließlich der gemeinsamen Streitkraft auszusetzen, wenn bis zum 15. Mai 2022 keine wesentlichen Fortschritte in dieser Frage erzielt würden.
Die Regierung der Republik Mali weist energisch die Argumentation eines Mitgliedsstaates der G5 Sahel zurück, der die nationale innenpolitische Situation als Argument gegen die Übernahme des Vorsitzes der G5 Sahel durch Mali anführt. Tatsächlich sieht kein Rechtstext der G5 Sahel Beschränkungen gegen einen Mitgliedsstaat aufgrund seiner nationalen politischen Situation vor. In diesem Bereich sieht keine Bestimmung der Texte dieser Institution vor, dass sie auch Sanktionen oder Einschränkungen übernehmen kann, die von anderen Organisationen gegenüber einem Mitgliedsstaat verhängt wurden. Der Widerstand einiger G5-Sahel-Staaten gegen die Präsidentschaft Malis hängt mit den Manövern eines außerregionalen Staates zusammen, der verzweifelt versucht, Mali zu isolieren. Aus dieser Situation leitet die Regierung der Republik Mali einen Verlust der Entscheidungsautonomie, eine Instrumentalisierung und eine schwerwiegende Funktionsstörung der Organe der G5 Sahel ab, insbesondere der Konferenz der Staatschefs und des Exekutivsekretariats, dessen jährliches Arbeitsprogramm und Budget 2022 noch immer nicht vom Ministerrat der Institution verabschiedet wurden. Die Instrumentalisierung einer Institution wie der G5 Sahel, deren Mandat darin besteht, die Mittel zu bündeln, um die Bedingungen für Entwicklung und Sicherheit im Raum der Mitgliedsländer zu gewährleisten, widerspricht grundsätzlich den Interessen unserer Länder und Völker, die im Bereich der Terrorismusbekämpfung vor großen Herausforderungen stehen. Daher beschließt die Regierung der Republik Mali, sich aus allen Organen und Gremien der G5 Sahel, einschließlich der Gemeinsamen Einsatztruppe, zurückzuziehen. Dieser Beschluss wird den Mitgliedstaaten der Organisation nach dem hierfür vorgesehenen Verfahren mitgeteilt. Die Regierung der Republik Mali bekräftigt ihr ständiges Engagement für die regionale Integration und Zusammenarbeit zur Verwirklichung von Zielen, die den wichtigsten Interessen der afrikanischen Völker dienen.
Das malische Vorgehen wirft natürlich Fragen für die weitere internationale Kooperation des Landes auf – und damit auch für die UN-Mission MINUSMA im Land. Das ist auch für Deutschland bedeutsam: Über die Bundeswehreinsätze in Mali, sowohl bei MINUSMA als auch bei der EU-Ausbildungsmission EUTM Mali, läuft derzeit die parlamentarische Debatte, und zumindest im UN-Einsatz soll die Bundeswehr auch weiterhin bleiben.
Allerdings sieht der Mandatsentwurf für die deutsche Beteiligung an MINUSMA, den das Bundeskabinett in der vergangenen Woche beschlossen hatte (Bundestagsdrucksache 20/1761), ohnehin eine bislang niemals in Mandaten so hart formulierte Ausstiegsklausel vor:
Sofern während des Mandatszeitraums ein ausreichendes Versorgungs- und Schutzniveau für deutsche Soldatinnen und Soldaten nicht mehr gewährleistet werden kann, sind Maßnahmen zur Anpassung des deutschen Beitrags einzuleiten bis hin zur Beendigung des Einsatzes. Dies betrifft insbesondere die fortgesetzte Verfügbarkeit von Luftnahunterstützung nach dem Abzug der französischen Kampfhubschrauber. Den Vereinten Nationen kommt
die Aufgabe zu, die nahtlose Bereitstellung von Luftnahunterstützung durch andere Truppensteller sicherzustellen. Über die Entwicklung des Versorgungs- und Schutzniveaus wird der Deutsche Bundestag regelmäßig und gegebenenfalls anlassbezogen unterrichtet.
Mit der Entscheidung zum Ausstieg Malis auch aus dem gemeinsamen Anti-Terror-Kampf der G5 Sahel wird die Sicherheitslage vermutlich nicht besser.
(Archivbild: Assimi Goïta, Übergangspräsident Malis, von Mali, am 13.04.2022 in Bamako – Florian Gaertner/photothek.de)
@FAZ_Politik
„Frankreich will seine Kampfhubschrauber aus Mali abziehen. Verteidigungsministerin Lambrecht stellt klar: Gibt es keinen Ersatz, wird auch die Bundeswehr ihren Einsatz nicht verlängern, …“
Die IBuK droht also mit Abzug, wem eigentlich, sofern irgendwer die FRA HubSchr nicht ersetzt?
Soll der mglw. bereits fest beabsichtigte Rückmarsch aus Mali lediglich innenpolitisch Argumente erhalten?
Den UN kann man kaum drohen, dort bleibt allein die Bittstellerrolle bei Staaten der ersten Welt. Andere werden kaum das FRA Kontingent ersetzen können.
Wenn Mali nicht mehr bedient werden sollte, hängen DEU Kräfte logistisch in NIGER einigermaßen abgeschnitten da, sicherlich sanitätsdienstlich hinsichtlich des FRA role 2 Lazaretts in Mali, sowie der Nutzung von Flugplätzen.
Wie gehen eigentlich andere MINUSMA-Staaten (z.B. UK) mit dem drohenden Problem fehlender Luftunterstützung um?
Eine erneute Massnahme der malischen junta, die ganz deutlich zeigt, das man an einer dauerhaften demokratischen Lösung der Probleme im Sahel nicht interessiert ist. MINUSMA gehört dringend auf den Prüfstand und auf die nächste Agenda der UN. Das lässt sich mit aussitzen nicht lösen.
Und was den Missionsteil im Niger angeht, entweder bringt man den vernünftig zu einem Zwischenabschluss und verlässt dann das Feld oder man hängt sich an die Franzosen an. Die müssen das Problem ja auch irgendwie gelöst haben nach ihrem Rauswurf aus Mali. DEU hat eben keine militärische Historie in diesem Teil Afrikas und somit auch keine oder kaum Verbindungen.
@Pio-Fritz
Niger hat aber bereits erklärt, daß es der Stationierung eines größeren – und öffentlich sichtbaren – französischen Kontingents nicht zustimmt.
Nur als Hinweis: Das ebenfalls vergangene Woche eingebrachte Mandat für EUTM Mali habe ich an dieser Stelle nicht aufgegriffen; es soll allein wg. der Ausbildungsmission Gazelle in Niger verlängert werden. Allerdings ist bereits klar, dass diese Mission Ende dieses Jahres ausläuft.
@Pio-Fritz:
VOR dem Ukraine-Krieg hätte ich ähnlich reagiert, aber geopolitisch sind wir jetzt en gutes Stück weiter.
Möchten wir wirklich Russland und China den afrikanischen Kontinent als Einflusssphäre überlassen?
Schon jetzt ist es Putin gelungen, sich mit der Entsendung von Wagner und zweier Mi24 als „verlässlicher Partner“ darzustellen.
Der Klimawandel spielt ihm auch in die Hände. Noch sind gut 60% von Russland mit Eis überzogen und/oder im Permafrost gefroren. Das nimmt ab und Russland hat sehr gute Möglichkeiten, sich zur neuen „Kornkammer der Welt“ aufzuschwingen. Dazu braucht er Menschen und Märkte – beides in Afrika vorhanden.
Chinas abwartende Haltung bzgl. der Ukraine bei gleichzeitigem Ausbau der Investitionen in Mozambique & Co. zeigt, wohin die Reise geht.
China und Russland haben die Ressourcen – „der Westen“ hat „nur“ das Know-How.
Da ist es kein Wunder, dass viele Länder im Umbruch eine autokratische Regierungsform anziehender finden, als eine Demokratie.
@Bow::
Nicht „Länder“ finden die autokratische Regierungsform anziehenden, sondern die korrupten Eliten/Machthaber.
Da kann man sich einfacher hemmungslos bereichern. ;)
@Thomas Melber sagt: 16.05.2022 um 10:16 Uhr.
Aljazeera: Analysis: Can Niger become the main Western ally in the Sahel?
By Mucahid Durmaz Published On 9 May 20229 May 2022
„Last month, the Nigerien parliament approved a bill paving the way for the redeployment of two French-led counterterrorism missions, Operation Barkhane and the European Task Force Takuba from Mali to the country.“
Dieses Entscheidung ist in NIGER nicht unumstritten; andererseits hat FR erheblichen Druck auf diese Entscheidung ausgeübt,
@KPK:
– ohne das DEU-MINUSMA-Kontingent würden den 3.Welt-Kontingenten einige operative Fähigkeiten fehlen.
– FRA role 2 Lazaretts in Mali, sowie der Nutzung von Flugplätzen: wenngleich FR noch nicht offengelegt hat, wohin die Kräfte BARKHANE disloziert werden, so bleibt Niamey Kommandozentrale und logistische/sandstl. Drehscheibe für alle in NIGER eingesetzten frz Kräfte. Abstützung für GAZELLE bietet sich daher an.
– die frz. TIGRE sind Teil von BARKHANE und haben fallweise MINUSMA/FAMA unterstützt. Deren Einsatz endet Abschluß des frz redeploiment im Raum GAO.
@Pio-Fritz
„Eine erneute Maßnahme der malischen junta…“
Wenn man sich die Regierungen der G5-Staaten (jetzt sind das ja nur noch G4) anschaut, wird man feststellen, dass die Putschisten von Mali nicht die Ausnahme sind.
Im Tschad ist General Mahamat Idriss Déby Itno Vorsitzender eines Militärrates, der das Land regiert.
General (?) Paul-Henri Sandaogo Damiba stürzte im Januar diesen Jahres die Regierung von Burkina Faso und regiert seither mit einem Militärrat.
General Mohamed Ould Ghazouani vom Mauretanien wurde tatsächlich in sein Amt gewählt. In seiner Vergangenheit hat er aber auch an zwei Staatsstreichen mitgewirkt. Human Rights Watch bemängelt die Menschenrechts-Situation in Mauretanien.
Mohamed Bazoum, der Staatschef des Niger, ist in mehrerer Hinsicht eine Ausnahme. Er ist kein Offizier, er wurde nicht in Frankreich ausgebildet und er ist kein Autokrat. Ich habe bei einer schnellen Überprüfung der üblichen NGO’s auch keine Vorwürfe gegen ihn und seine Regierung gefunden.
In dem sich die Bundeswehr auf die Ausbildungsmission Gazelle in Niger konzentriert, stützt sie also eine der wenigen echten Demokratien in der Region. Niger ist aber auch eines der ärmsten Länder der Erde und das Land braucht eindeutig nicht nur Militärhilfe.
Angesichts der Entwicklung in Mali bin ich auch der Ansicht, die EU sollte ihre Ausbildungsmission EUTM einfach in EUTN umbenennen und sich auf den Niger konzentrieren. Wenn sich die Regierung in Mali unbedingt an die russische Regierung binden will, dann soll sie doch. Sie wird schon sehen was sie davon hat.
Was mich im Zusammenhang mit MINUSMA wundert / stört, dass ist die Passivität der UN. Und zwar nicht erst seit Ausbruch des Krieges in der Ukraine. Wenn MINUSMA zur Erfüllung des Auftrages auf unterstützende Maßnahmen, wie Barkhane, angewiesen ist, dann war die Mission von Anfang an offenbar nicht hinreichend ausgestattet. Deshalb könnte man die „Helikopter-Ausstiegsklausel“ auch als Tritt in der Hintern der UN verstehen.
(Oder sollte die Verfügbarkeit der Helikopter tatsächlich so schlecht sein?)
Zum Schluß mein Dank an den Hausherrn für die Informationen. In der Berichterstattung unserer Medien findet die Situation im Sahel leider kaum Beachtung.
@ Bow
Zitat:“Der Klimawandel spielt ihm auch in die Hände.“
Nicht wirklich. Der Klimawandel ist auch für Russland eine Bedrohung. Die Permafrostböden tauen bereits jetzt auf und das Land verwandelt sich einen Sumpf aus dem Methan entweicht. Als Klimagas ist das 25-fach stärker als Kohlenstoffdioxid. Alle Installationen, Siedlungen Bahnlinien, die auf Permafrost gebaut sind, drohen im Schlamm zu versinken. Gleichzeitig drohen die Steppengebiete im Süden, die einst zur Kornkammer gemacht wurden, wegen Wassermangel zu Wüsten zu werden. Russland könnte also im Süden mehr und schneller Anbauflächen verlieren als sich im Norden dazugewinnen lassen.
Wenn der Klimawandel dazu führt, dass sich die Wüstegebiete in Afrika weiter ausbreiten (auch das tun sie schon) dann wird sich die Migration verstärken. Auch davon ist Russland bereits betroffen.
Ich verstehe Russlands Engagement in Afrika sowohl als wirtschaftlich wie geopolitisch motiviert.
Die meisten Rohstoffe, die es in Afrika gibt, gibt es auch in Russland. Aktuell konkurriert Gazprom mit westlichen Konzernen um Explorationsrechte und später den Betrieb von Förderanlagen, Pipelines und Verladestationen. Russische Bergbaukonzerne werden ähnlich aktiv sein, wenn es um andere Rohstoffe, deren Transport und Verarbeitung geht. Die russische Industrie braucht den Absatzmarkt für ihre Bergbaumaschinen und technischen Anlagen, vor allem unter dem Druck der westlichen Sanktionen. Für europäische und US-amerikanische Konzerne, die sich jetzt schon mit der chinesischen Konkurrenz in Afrika herumschlagen müssen, bedeutet das mehr Druck.
Geopolitisch sind afrikanischen Staaten wichtige Verbündete in internationalen Gremien und Organisationen, wie den UN. Wie wichtig, dass kann man daran sehen, dass kein afrikanischer Staat sich den Sanktionen des Westens gegen Russland angeschlossen hat.
Die G5 sind auf Betreiben und mit Unterstützung der EU gebildet worden. Das wesentliche Element der G5 sind die gemeinsamen Streitkräfte, die grenzüberschreitend agieren können. Nun steigt Mali aus und damit ein zentraler Baustein. Mauretanien ist damit vom Rest der G4 abgehängt. Darunter wird die Effektivität der Kooperation leiden und das ist
für die EU auch diplomatisch ein Rückschlag. Es wäre also naheliegend, anzunehmen, dass die russische Diplomatie bei der Entscheidung der Regierung von Mali, nicht ganz unbeteiligt war.