Deutsch-indische Vereinbarung: Mehr Rüstungsexport
Fürs Protokoll: Bei den deutsch-indischen Regierungskonsultationen in der vergangenen Woche haben sich beide Länder auch darauf verständigt, deutsche Rüstungsexporte auf den Subkontinent zu vereinfachen.
Ein entsprechender Passus ist in der gemeinsamen Abschlusserklärung vom 1. November enthalten, die nach den Gesprächen der Regierungen beider Länder in Delhi verabschiedet wurde – an der Spitze von Bundeskanzlerin Angela Merkel und Indiens Premierminister (Korrektur: nicht Ministerpräsident) Narendra Modi:
Deutschland und Indien erkannten die Notwendigkeit an, die bilaterale Verteidigungszusammenarbeit als strategische Partner weiter zu vertiefen mit dem Ziel, globale und regionale Sicherheitsherausforderungen gemeinsam anzugehen. Deutschland wird darauf hinarbeiten, Exporte von Militärausrüstung und Technologieaustausch mit Indien im Einklang mit einschlägigen inernationalen, europäischen und nationalen Regeln zu erleichtern. Eine intensivere Zusammenarbeit zwischen den Rüstungsindustrien beider Länder muss die gemeinsame Entwicklung und Produktion im Rahmen der Initiative der indischen Regierung „Make in India“ vorantreiben und die Verteidigungskorridore nutzen, die in den Staaten Tamil Nadu und Uttar Pradesh eingerichtet worden sind. Seefahrtsprojekte zwischen der deutschen und der indischen Marineindustrie (z.B. Unterseeboote) werden angesichts gemeinsamer Interessen an der Stabilität der Region des Indischen Ozeans gefördert. Beide Seiten stimmten überein, eine stärkere Zusammenarbeit bei der Prüfung und Zertifizierung der Verteidigungsindustrie zu entwickeln, insbesondere für Bauartzertifizierungen verschiedener Systeme und Untersysteme sowie Qualitätssicherung. Beide Seiten vereinbarten ferner, dass wichtige Industriezweige beider Länder sich darum bemühen sollten, die KMU/KKMU des anderen Landes in ihre Lieferketten mit aufzunehmen.
(Die englische Fassung der Vereinbarung hier; die deutsche Fassung hier – letztere wurde erst zum Wochenanfang veröffentlicht, deshalb hatte ich mit der Meldung noch gewartet)
Darüber hinaus sollen sich die Verteidigungsministerinnen/Verteidigungsminister beider Länder künftig regelmäßig treffen, mindestens alle 2 Jahre. An dem Treffen in der indischen Hauptstadt hatten zwar mehrere Ressortchefs der Bundesregierung teilgenommen, Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer aber nicht.
(Foto: Merkel beim Empfang mit militärischen Ehren – Ministry of External Affairs/Government of India)
Salve,
ist der Kaschmir Konflikt schon beendet? Oder sollen jetzt doch Kriegswaffen in Konfliktgebiete verkauft werden? Sehr mysteriös. Auf jeden Fall wird die pakistanische Flotte über die neuen U-Boote (bzw. das know how dafür) der indischen Flotte begeistert sein.
„… die Verteidigungskorridore nutzen, die in den Staaten Tamil Nadu und Uttar Pradesh eingerichtet worden sind“.
Was hat es damit auf sich?
Uttar Pradesh liegt im Norden gegenüber Nepal, bzw. der chinesischen Provinz Tibet.
Tamil Nadu befindet sich am äußersten Südzipfel des Subkontinents Sri Lanka gegenüber.
Muss also gefolgert werden, dass gemeinsame Rüstungsanstrengungen die indische Verteidigung im Hinblick auf eine Bedrohung seitens der
Volksbefreiungsarmee sowie im Süden gegen terroristische Tamil-Tiger stärken sollen? Das nenne ich dann allerdings offensives Verständnis von Rüstungsexport!
Eine Anmerkung zur Krisenregion Kaschmir im Verbund mit dem Einsatz deutscher Rüstung ist in der Vereinbarung nicht enthalten. Rüstungsexport in Kriegs- und Krisengebiete betrifft Indien nicht?
@ Klaus-Peter Kaikowsky sagt: 04.11.2019 um 13:30 Uhr
„„… die Verteidigungskorridore nutzen, die in den Staaten Tamil Nadu und Uttar Pradesh eingerichtet worden sind“.
Was hat es damit auf sich?“
„…it has been decided to set up two Defence Industrial Corridors in the Country, one in Uttar Pradesh and another in Tamil Nadu. Subsequently, six nodes in Uttar Pradesh Defence Corridor viz. Agra, Aligarh, Chitrakookt, Jhansi, Kanpur and Luchnow have been identified. […]
Hindustan Aeronautics Limited (HAL) has planned capital investment of Rs.1200 crore over the period of 5 years in their units located at Lucknow, Kanpur, Korwa and Naini. Modernization program of factories under OFB is primarily focused on manufacture quality product with cost effectiveness, taking into account the current and long term future requirements for Indian Armed Forces.“
https://pib.gov.in/Pressreleaseshare.aspx?PRID=1579096
Schönen Gruß an China, dem solche Verabredungen wohl nicht zugestanden werden.
@K.B. 04.11.2019 um 14:58 Uhr
Ok, das gehört dann aus Klarstellungsgründen wenigstens in Anmerkungen oder ähnlich hinein.
[Also, Sie haben es ahnungslos falsch verstanden, @K.B. hat das dankenswerterweise klargestellt, und jetzt liegt es daran, dass es nicht gleich dabei stand? come on. T.W.]
Ich muß gestehen, diesen Artikel mehrfach gelesen zu haben um dann ganz tief Luft zu holen. Deutschland möchte also mit der Atommacht Indien die mit der Atommacht Pakistan seit Jahrzeiten in nahezu Kriegsähnlichen Auseinandersetzungen um Kaschmir verwickelt ist Rüstungsgeschäfte machen.
Das ist für mich keine an unserem Grundgesetz, unseren Rüstungsexportregelungen etc. orientierte wertebasierte Politik sondern reine Wertschöpfungspolitik.
@T.W
Meine Anmerkung ist an die BR gerichtet, natürlich nicht an Sie!
Es handelt sich dabei um ein Tauschgeschäft, da Deutschland im Gegenzug rund eine Milliarden Euro für grüne Mobilität ausgeben wird, um den Smog in den dortigen Städten zu reduzieren. Manchmal verstehe ich die Politik nicht mehr.
@Blauqualm
Erst kommt das Fressen, dann die Moral. Ganz pragmatisch. Die Franzosen haben U-Boote nach PAK verkauft (quasi maritime „Entwicklungshilfe“).
Die USA leisten Unterstützung zum indischen (zivilen) Nuklearprogramms obwohl IND den NPT nicht gezeichnet hat.
@Trevor Faith
Wenn dies zutrifft, dann ist das ja noch nicht mal mehrWertschöpfung im klassischen Sinn! Welche wie auch immer gearteten deutschenn Interessen sind damit verbunden? Im ungünstigsten Fall läuft das Alles doch wieder nur auf Export von industriellem Know How hinaus mit der Folge das indische Unternehmen damit die Blaupause für die Basis eigener Entwicklung bekommen. Dieser Export läßt sich natürlich nicht verhindern, aber bitte auf Basis eindeutiger Kaufverträge und nicht im Rahmen sogenannter Tauschgeschäfte!!!
@Thomas Melber
Erst kommt das Fressen, dann die Moral. Unzweifelhaft ein häufig angewandter Grundgedanke. Ich habe aber starke Zweifel ob diese Vorgehensweise, ohne hier Moral mit moralisierendem Auftreten oder überheblicher Besserwisserei anderen Ländern ggü. hier das Wort zu reden, für unser Land wirklich immer zielführend ist. Die Bedeutung des Militärischen und dem damit verbundenen Export von Rüstungsgütern hat in meinen Augen mittlerweile einen zu großen Einfluß auf unsere Außen- und Sicherheitspolitik genommen. Wenn ich auf eine Landkarte schaue, dann kommt mir immer wieder der Buchtitel eines angelsächsichen Autors in den Sinn “ Die Macht der Geographie“. Ausgehend davon hat sich Deutschland meines Erachtens auch im Rahmen von Bündnisverpflichtungen anders zu verhalten denn unsere westl. Nachbarn. Die Position unseres Landes im 19.JHD. während der 19 Bismarckjahre stützte sich in erster Linie auf eine äußerst erfolgreiche Diplomatie natürlich ergänzt als quasi Kaskoversicherung auf eine glaubwürdige milit. Abschreckung.
Das alles kann ich seit vielen jahren nicht mehr erkennen.
Ich halte es für richtig, mit Indien engere militärische Verbindungen einzugehen, aber nicht als Deutschland, sondern als EU.
Wir sind dafür wirklich eine Nummer zu klein…
Indien ist eine der 4 Weltmächte und rüstet durch Käufe in Europa, Russland und den USA weiter enorm auf.
Zusätzlich wird die eigene Industrie immer leistungsfähiger, was neue Waffensysteme angeht.
Wir müssen ein gutes Verhältnis zu ihnen haben, aber das gilt für alle anderen Staaten der EU genauso.
Darum wäre der bessere Weg gwesen, es gemeinsam zu tun und keine nationalen Alleingänge zu planen.
Natürlich geht es hier um unsere Wirtschaft. Wir brauchen dringend Folgeaufträge für U-Boote und auch für den Eurofighter, aber so wie es jetzt umgesetzt wird, ist es ist kurzsichtig gedacht.
blauqualm sagt: 05.11.2019 um 10:09 Uhr
„Die Bedeutung des Militärischen […]“. Diesen Satz würde ich etwas abändern: „Die Bedeutung des Wirtschaftlichen […]“.
Bismarck ist meiner historischen Kenntnis nach für diesen Fall kein politischer Beispielgeber. Seine Diplomatie zielte auf die bündnispolitische Isolation der Gegner Preussens (und damit seiner Politik). Unter seiner Kanzlerschaft sind ja nun auch zwischen 1864 – 1871 die drei Einigungskriege geführt worden.
Hätte man sich sparen können, wenn der Vorgänger Wilhelms I 1848 die Kaiserwürde aus Volkeshand entgegen genommen hätte. Aber Friedrich Wilhelm IV wollte die Österreicher im Deutschen Bund behalten, die ja leider nach 1866 (Königgrätz) nun durch Bismarcks Politik gewaltsam aus dem „Bund“ ausgeschieden sind.
Und an diesem schönen historischen Beispiel (Österreich) kann man das sehen, was der damalige Zeitgenosse Friedrich Nietzsche mal in moralischer Hinsicht als „Umwertung der Werte“ beschrieben hat. Scheint sich bis heute gehalten zu haben ;-).
Ich ahne gerade, wie das schnurstracks in einen OT hineinläuft… Und nein, bitte nicht.
Wen interessiert schon Pakistan? Es geht um China!
Wenn wir einen Gegenpol zur chinesischen Expansion im Indischen Ozean aufbauen wollen, kann der Partner dafür nur Indien sein. Da darf man dann auch nicht allzu kleinlich sein bezüglich inner- und zwischenstaatlicher Konflikte.
Bezüglich U-Booten:
VdL war überrascht, dass die Inder beim letzten Besuch mit ihr über U-Boote sprechen wollten. Immerhin werden die aktuellen ja von Frankreich geliefert. Von daher schon interessant, woher diese Wende (?) kommt.
Mit dem Technologietransfer ist das aber so ´ne Sache. Von den französischen U-Booten sind 22000 Seiten Dokumentation geleakt worden.
https://www.ndtv.com/india-news/top-secret-data-on-indias-scorpene-submarine-leaked-says-report-1449447
Bezüglich Rüstungsbeschaffung in Indien:
Mal ein paar Zeilen aus einem lesenswerten Interview mit sehr offenen/lakonischen Antworten:
„LIVEFIST: The first thing that comes to your mind when you think of Indian aerospace contracting?
JOE: Chaos. Delays. Cancellations.
[…]
LIVEFIST: What’s the worst thing you’ve heard about Indian defence contracting?
JOE: Where to begin? I asked one friend, a defence journalist, his opinion on this and he answered “Defence deals can be either corrupt or slow..India has opted for both.”“
https://www.livefistdefence.com/2018/03/eyeonindia-10-questions-for-hush-kits-joe-coles.html
@K.B.
Indien wird sich sicher nicht für unsere Sicherheitsinteressen instrumentalisieren lassen und ist zudem mit China assoziiert – zwar (noch) nicht im Boot bei der belt-and-road initiative aber in der Shanghai Cooperation Initiative (SCO).
Ich denke, beide Länder werden sich über ihre Interessen- und Einflußsphären verständigen. Pakistan ist natürlich ein Spielverderber.
@Thomas Melber
Sie haben hier einen ganz wesentlichen Punkt angesprochen: Es herrscht in manchen Köpfen immer noch die Vorstellung, wir könnten asiatische Staaten für unsere Zwecke instrumentalisieren. Das ist in zunehmendem Maße Vergangenheit. Wer dies versucht zu ändern spielt mit dem Feuer.
@Thomas Melber
Indien wird durch die Belt and Road Initiative (BRI) betroffen sein, und zwar über den zugehörigen ökonomischen Einflussbereich:
Dazu hat Peking 6 Wirtschaftskorridore gruppiert:
Bangladesch – Indien – Myanmar – Indochinesische Halbinsel – Mongolei – Russland – Pakistan – Zentralasien – Westasien – Europa.
Eine wie auch immer geartete strategisch- ökonomische Abstimmung kann deutscherseits dadurch Profit erreichen, oder darunter leiden.
Über die historische Gegnerschaft zu Pakistan ragt das betreffende CHN Engagement in Indiens westlichem Nachbarn unmittelbar in jede ökonomische Verbindung des Subkontinents mit jedem anderen Kooperationspartner hinein. Den Umfang dokumentiert das 62-Mrd.-US-Dollar-Projekt des „China-Pakistan Economic Corridor (CPEC)“ mit Querung des Karakorums und Anlage eines neuen Tiefwasserhafens – in Gwadar – mit strategischer Anbindung an die Straße von Hormus.
Damit soll deutlich werden, jede deutsche Initiative in Indien, und sei sie auch noch so umweltorientiert apostrophiert, findet in Islamabad kritische Beobachter.
@Thomas Melber:
Nein!
China und Indien mögen in Teilbereichen assoziiert sein, sind aber geopolitisch in der Zukunft starke Gegner. Bhutan sollte hier auch erwähnt werden (auf der Seite Indiens).
Allein schon das Wasserversorgungssystem Himalaya (Trinkwasser, Flüsse) wird den Konflikt anheizen/auslösen.
Dazu kommt die Nahrungsversorgung ihrer Bevölkerung über den Weltmarkt (Indien überholt China demnächst und beide haben dann zusammen 2,7 Milliarden Bevölkerung). Da spielen die Seewege dann eine Rolle.
Noch arbeiten diese beiden Riesen zusammen und ich hoffe natürlich auf ewig.
Abzusehen ist das aber nicht.
Indien und China sind gut miteinander verfeindet im Ringen um die Vormachtstellung in Asien. Die Indisch-Pakistanischen Konflikte sind in den Medien relativ gut präsent, im Gegensatz zu den indisch-chinesischen Auseinandersetzungen, aber die Situation ist dort nicht weniger angespannt. Es gab in der Vergangenheit bereits Käpfe im indisch/bhutanisch-chinesischen Grenzgebiet, in denen China die Oberhand gewann. In den letzten Jahren gab es chinesischerseits strategische Aktivitäten, um umstrittenen Grenzgebiete unter chinesische Kontrolle zu bringen, insbesondere den Ausbau von wetterfesten Verbindungsstraßen (es handelt sich bei dem Grenzgebiet um Hochgebirgsplateaus in wenig erschlossenen abgelegenen Gebieten) und der Stationierung von gut ausgerüsteten Militärkontingenten. Schlägereien zwischen indischen und chinesischen Grenzposten sind an der Tagesordnung, auch wenn auf beiden Seiten der Einsatz von Schußwaffen untersagt ist. 2013 gab es eine dreiwöchige direkte Konfrontation entlang der Demarkationslinie: https://www.indiatoday.in/india/story/india-china-troops-face-off-near-lac-in-ladakh-262641-2015-09-12
Indien hat in den letzten Jahren auf die Entwicklung in den Grenzgebieten reagiert und in Auswertung der Erfahrungen aus den vergangenen, für Indien schmerzhaften Konfrontationen Schlußfolgerungen gezogen. Den Indern ist sicherlich auch nicht Chinas Expansion in der Südchinasee entgangen, was die indischen Anstrengungen beflügelt haben dürfte, trotz eigener finanzieller Probleme:
2013 Aufstellung eines offensiven Hochgebirgskorps an der indisch-chinesischen Grenze,
https://timesofindia.indiatimes.com/india/CCS-nod-for-raising-mountain-strike-corps-along-China-border/articleshow/21132826.cms
Verlegung von 3 neuen Regimentern nach Ladakh, zuletzt 2016 einer verstärkten Panzerbrigade mit fast 100 T-72 Panzern
https://sputniknews.com/asia/201607211043371135-india-china-ladakh-tanks/
Bau von vorgeschobenen Landebahnen (siehe den 2013er Artikel oben) usw. usf.
Außerdem baut Indien Flotte und Luftwaffe für eine mögliche militärische Konfrontation mit China aus, insbesondere weitreichende see- und luftgestützte Raketentechnik. Die Reichweite der verschiedenen Flugkörper ist deutlich größer als für einen Einsatz rein gegen Pakistan notwendig. Die indische Flotte operiert auch in der Südchinasee. Militärische Kooperationen mit Vietnam werden angestrebt.
China hat seinerseits nach der Niederlage in der o. g. Konfrontation seine militärische Infrastruktur in Dokhlam ausgebaut und kontrolliert anscheinend inzwischen einen Teil des Gebietes dauerhaft: https://theprint.in/defence/new-trouble-for-india-as-china-fully-occupies-doklam/29561/
Das Säbelrasseln und die Konfrontation geht von beiden Seiten aus weiter, auch wenn dieser aus westlicher Sicht sehr weit entfernte Konfliktherd keinen Niederschlag in den meisten westlichen Medien findet. In Indien und Asien ist die Wahrnehmung verständlicherweise viel deutlicher. Es bleibt weiter spannend.