Heckler&Koch wehrt sich gegen Mängelrüge und Betrugsvorwurf beim G36
Nachdem am vergangenen Wochenende neue juristische Schritte des Verteidigungsministeriums gegen den Oberndorfer Waffenhersteller Heckler&Koch wegen des Sturmgewehrs G36 bekannt geworden waren, hat das Unternehmen am (heutigen) Montag die Anschuldigungen vehement zurückgewiesen. Vor allem die Mängelrüge wegen der mangelnden Treffgenauigkeit der Waffe sei unbegründet, erklärte Heckler&Koch: Das G36 entspricht in allen gelieferten Versionen und in sämtlichen Belangen seit Beginn der Auslieferung an die Bundeswehr den vertraglich vorausgesetzten Eigenschaften und insbesondere den Technischen Lieferbedingungen (TL).
Zum strafrechtlichen Betrugsvorwurf nahm die Firma nur indirekt Stellung, da ihr dieser Schritt nur von dritter Seite (soll wohl heißen: aus Medienberichten) bekannt sei, wandte sich aber auch gegen diesen Vorwurf.
Die Stellungnahme von Heckler&Koch im Wortlaut:
Stellungnahme von Heckler & Koch zu aktuellen Medienberichten zur neuerlichen Strafanzeige gegen Heckler & Koch sowie Gewährleistungsansprüchen wegen behaupteter Sachmängel beim G36
Oberndorf. Zu aktuellen Medienberichten, die eine neuerliche Strafanzeige gegen Heckler & Koch sowie Gewährleistungsansprüche wegen behaupteter Sachmängel beim G36 betreffen, stellt das Unternehmen fest:
Heckler & Koch kennt den in der neuerlichen Strafanzeige erhobenen Betrugsvorwurf nur aus dritter Hand. Wir werden aber – wie auch sonst – uneingeschränkt mit den Behörden kooperieren und soweit erforderlich auch alle für Ermittlungen notwendigen Unterlagen zur Verfügung stellen. Wir haben aufgrund unserer bisherigen internen Untersuchungen keinerlei Anhaltspunkte, die den Vorwurf rechtfertigen könnten. Im Übrigen entsprach das Gewehr G36 nicht nur vollständig den üblichen Anforderungen an ein Sturmgewehr, sondern auch allen von der Bundeswehr vertraglich formulierten Anforderungen und übertraf sie deutlich.
Vom Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw) geltend gemachte Forderungen wegen behaupteter Sachmängel sind offensicht- lich unbegründet. Die in dem Forderungsschreiben des Amts zur Begründung angeführten pauschalen Feststellungen über das Verhalten der Waffe bei thermischem Einfluss betreffen keine Sachmängel. Das G36 entspricht in allen gelieferten Versionen und in sämtlichen Belangen seit Beginn der Auslieferung an die Bundeswehr den vertraglich vorausgesetzten Eigenschaften und insbesondere den Technischen Lieferbedingungen (TL). Heckler & Koch weist daher jegliche Forderungen aus angeblicher Sachmängelhaftung zurück.
Und hier als Original zum Herunterladen: 2015-06-29 Pressestatement Heckler Koch zu neuerlicher Strafanzeige
Am 30.8.93 hat das BWB „gewarnt“, dass die Technisch Taktischen Anforferungen so nicht erfüllt werden können. Am 1.09.93 wurde die TTF trotzdem vom General unterschrieben…;-)
re: BB
Eine interessante Aussage …
Die TTF sind aber was anderes als die TL ( Technische Lieferbedingungen) nach denen das geliefert wird, was auf Grundlage der TTF ausgewählt wurde.
Das was BB schreibt ist somit widersprüchlich, hat man was in die TTF geschrieben, was absehbar keiner der Bewerber erfüllen konnte und hat sich trotz für einen der Bewerber entschieden. Das würde aber nur eins bedeuten, dass die Bw in 1993 unfähig war realistische Anforderungen für ein zukünftiges Sturmgewehr zu formulieren. Warum es dann das HK50 und nicht das Steyr AUG würde, wird durch die obrige These nicht erklärt.
Ich wollte es erst auch nicht glauben. Als ich es aber selber nachlesen durfte, wurde mir ganz anders…und viele Menschen müssen das gewusst haben!
Ah ein Insider…
dann mal Butter bei die Fisch, was an der TTF war denn nicht erfüllbar?
re: FlaOffz
Unabhängig vom Nachweis zur „Warnung des BWB vom 30.8.93“!- Es wäre auch interessant zu wissen, ob und inwieweit möglicherweise die Taktisch-Technischen Forderungen (TTF) aus 1993 von den dann tatsächlich vereinbarten Technischen Lieferbedingungen abweichen,- so diese denn voneinander abweichen!?
Wobei es sicherlich auch interessant wäre zu wissen, ob sich diese TTF (1 zu 1) in der Ausschreibung zum Sturmgewehr dereinst überhaupt wiedergefunden haben?
Ergänzend erlaube ich mir noch einmal auf den Artikel in diesem blog („Der Bericht zum G36: Nur eingeschränkt einsatztauglich, aber ohne Alternative (mit Ergänzung)“) zu verweisen, Zitat: Ob das in den 1990er-Jahren auch schon so formuliert wurde? Der Hinweis vom Projektleiter G36 im BAAINBw:
Das Gewehr G36 wurde auf Grundlage der taktisch-technischen Forderungen (TTF) von 1993 im Jahr 1996 in die Bundeswehr eingeführt. Es wurde im Rahmen seiner Einführung durch den damaligen Bedarfsträger als forderungskonform bewertet (General der Infanterie mit der Erklärung der Truppenverwendbarkeit, bestätigt durch den General der Heeresrüstung).
Das G36 wurde anhand der Technischen Lieferbedingungen (TL) sowohl einer Typprüfung als auch einer Ablieferungsprüfung durch den Güteprüfdienst der Bundeswehr unterzogen und abgenommen. Es ist somit TL-konform.“
Insoweit wäre es sicher auch angebracht diese getätigte Aussage noch einmal zu prüfen!- Was vermutlich einer der Kommmissionen ohnehin auch machen wird …
Wobei sich auch die Frage stellt, welche Rolle dem MG36 dereinst (möglicherweise) aus Sicht des BWB zugedacht war bzw. aus welcher TTF sich (aus Sicht BWB) eigentlich diese „leichte Unterstützungswaffe“ ableitete?- Und da wohl (so wird zumindest kolportiert) 4.700 Stück MG36 bestellt wurden, müßte der Waffentyp sich ja eigentlich auch in (einer oder in der) Ausschreibung wiedergefunden haben?
Oder anders ausgedrückt: „Warum wurde das MG36 überhaupt bestellt?“ und „Warum dann doch nicht als leichte Unterstützungswaffe eingeführt?“
Das es jetzt doch um strafrechtliche und zivilrechtliche Konsequenzen gehen soll kommt – zumindest zum jetzigen Zeitpunkt – durchaus überraschend. Zwar wird in den Medien verbreitet der Gestalt berichtet, als stünde es bereits fest dass das G36 Problem behaftet sei; die öffentlich bekannte Faktenlage gibt dies aber (bis heute) gerade nicht her.
Jetzt soll es also nicht nur um „Probleme“ sondern auch um „Mängel“ und „Betrug“ (Achtung: Rechtsbegriffe!) gehen.
Zur Erinnerung: In dem Vorwort zum „Abschlussbericht der weiteren ergänzenden Untersuchung am Gewehr G36“ wird ausdrücklich klargestellt das bis jetzt vollkommen unklar ist welche Bedeutung die Testergebnisse für die Praxis haben. In dem Vorwort heißt es:
„Seine Eintrittswahrscheinlichkeit [des Versuchsaufbaus (reduzierte Präzision nach 150 Schuss in unter 12,5 Minuten) im echten Leben] wird von den Streitkräften im Nachgang noch zu bewerten sein. Mit dem Untersuchungsergebnis erhalten die Streitkräfte Einblick in das Verhalten des G36 in einem technischen Grenzbereich, (…).„
Die Ursachen für die festgestellte „Streukreisaufweitung“ wurden ebenfalls bis heute nicht untersucht. Dies soll in einer Phase II bis Ende 2015 erfolgen.
Der Vollständigkeit halber: Die Richtigkeit des Inhaltes des Vorwortes wird von offizieller Seite nicht dementiert:
„FLOSDORFF: Ich habe Ihnen ja gesagt, was bei der Bewertung des Vorworts eine Rolle gespielt hat, und das waren zwei Faktoren. Das eine ist: Es war nicht abgestimmt innerhalb der Arbeitsgruppe; dem Parlament war aber ein Bericht der Arbeitsgruppe abzugeben, und zwar so, wie die Arbeitsgruppe das vorher vereinbart hatte. Das zweite ist die Tatsache, dass auch inhaltlich überhaupt gar nichts in diesem Vorwort stand, was über an anderer Stelle im dem Abschlussbericht getroffene Aussagen hinausgeht.“
Mit anderen Worten: Der Inhalt des Vorwortes ist richtig aber nicht abgestimmt.
Damit stellt sich jetzt die Frage, ob es neue Erkenntnisse gibt die bisher nicht öffentlich bekannt sind. Dies muss wohl so sein denn ohne neue Erkenntnisse kein zivilrechtlicher Mangel und kein strafrechtlicher Betrug.
Hierzu eine kurze juristische Erläuterung: Betrug setzt ein täuschen über Tatsachen voraus sowie eine kausal auf dieser Täuschung basierende Vermögensverfügung. Das bedeutet, dass selbst wenn es zuträfe das von Seiten HK bei einer „Abnahme“ verschleiert worden wäre, dass das G36 bei Hitzeeinwirkung eine „Streukreisaufweitung“ aufweist, dies für sich genommen keinen Betrug begründen kann. Hinzu müsste kommen das ein Mangel verschleiert werden sollte. Anderenfalls würde die Vermögensverfügung nicht kausal auf der Täuschung beruhen. (Ohne einen Mangel müsste der Käufer sowieso zahlen.)
Damit steht – auch im strafrechtlichen Verfahren – der Mangelbegriff im Vordergrund. Dabei ist es ein Irrglaube – der auch hier im Forum verbreitet ist – dass ein Mangel nur dann vorläge, wenn das G36 eine vereinbarte Beschaffenheit nicht aufweisen würde. Tatsächlich liegt auch dann ein Mangel vor, wenn die Waffe sich nicht für die übliche Verwendung eignet. Dies auch jenseits jeder konkreten Beschaffenheitsvereinbarung. Damit sind zwei Fragen alles entscheidend:
1. Muss ein Sturmgewehr der Güte des G36 auch nach 150 Schuss in unter 12,5 Minuten noch ein bestimmtes Maß an Präzision aufweisen?
2. Muss ein Sturmgewehr der Güte des G36 Temperaturschwankungen von 30 °C ohne Präzisionsverlust aushalten?
Es sei eine vielleicht blasphemisch Frage erlaubt: Warum werden diese Fragen von der Presse nicht öffentlich gestellt?
Man kann durchaus den Eindruck gewinnen dass die Medien die Fragen nicht interessieren und Bundeswehr und Verteidigungsministerium die Antworten nicht kennen. Das empfinde ich als schlimm…
@ M.Steffen | 30. Juni 2015 – 10:38
„Hierzu eine kurze juristische Erläuterung: Betrug setzt ein täuschen über Tatsachen voraus sowie eine kausal auf dieser Täuschung basierende Vermögensverfügung.“
Zur Verdeutlichung: Das Taeuschen muss ‚vorsaetzlich‘ also ‚mit Wissen (um die Maengel) und Wollen( dennoch liefern)‘ vorgenommen werden…..sonst ist es kein Betrug…..
@MikeMelto
Sehr Richtig!
Ich bezog mich nur auf den objektiven Tatbestand. Der subjektive Tatbestand muss aber selbstständig ebenfalls verwirklicht sein. D.h. Wissen und Wollen in Bezug auf sämtliche Objektive Tatbestandsmerkmale plus die Absicht einer rechtswidrigen Bereicherung. (Plus Rechtswidrigkeit und Schuld)…
@TW: Sorry, ich weiß. Wir sind in keinem juristischen Seminar…
Anmerkungen BWB zu TTF: 30.08.93
„TTF ist als Maximalforderung zu sehen, deren Erfüllung zum Zeitpunkt der Einführung der Geräte nicht vollständig nachgeweisen sein kann
„Kauflösung ohne Entwicklung beinhaltet in jedem Fall das Risiko, dass einzele Forderungen nicht erfüllt werden können…(…)“
„Das Verfahren „Kauflösung“ ohne Entwicklung beinhaltet in jedem Falle das Risiko, dass einzelne Forderungen nicht erfüllt werden können, d.h., zu einem späteren Zeitpunkt muss entschieden werden, ob nach Auslieferung des jeweils ersten Loses zunächst schwerpunktmäßig für die KRK (nach derzeitgem Personalstand 5000 Gewehr und 1200 Maschinengewehre), in einzelnen Bereichen Nachentwicklungen durgeführt werden sollen oder ob die Nichterfüllung von Einzelforferungen akzeptiert wird. Beispiel: ABC-Härtung: hier könnte durchaus der Fall eintreten, dass bestimmte Materialien, insbesondere Kunststoffe, ggf. später durch ander und besser geeeignte Werkstoffer ersetzt werden.“
„Forderung TTF:
Lebensdauer >10000 Schuss
Maßnahme BWB:
„Eine endgültige Aussage zur Lebensdauer kann bis zum geplanten Zeitpunkt der EFG noch nicht gemacht werden. Anhand von Verschleißmerkmalen/Funktionsparametern ist eine sichere Risikoabschätzung möglich.“
Stichwort Patronentypen (Zinngehalt etc.pp):
“ (…) Eine Erprobung mit dem endgültig ausgewählten Waffenmodell erforderlich (…)
„Als TLB-Maßnahme wird gefordert, jedoch nicht vor EFG realisierbar. Risikoabschätzung. Anmerkung: Die Abschießvorrichtung ist noch nicht beschafft. Die Beschaffung weiterhin fraglich.“
re: Lu
Daraus ergeben sich ein paar neue interessante Fragen!- Ich gehe mal davon aus, dass die an dem Thema interessierten Medienvertreter aufmerksam mitlesen,- und möglicherweise der eine oder andere mit dem Thema befaßte Politiker …