Zahlen aus Afghanistan: Mehr als 2.000 tote Polizisten in sieben Monaten
In Afghanistan sind in den vergangenen sieben Monaten fast 3.000 Menschen durch Angriffe von Aufständischen ums Leben gekommen– mehr als 2.000 davon afghanische Polizisten. 856 Zivilisten starben durch diese Angriffe und Anschläge. Diese Statistik nannte das afghanische Innenministerium am (heutigen) Dienstag, wie das Onlineportal Khaama Press berichtet:
Nearly 3,000 people including Afghan police service members and civilians were killed following militants attack during the past seven months in Afghanistan, officials in the ministry of interior affairs said.
Chief of the Afghan police forces in Afghan interior ministry, Gen. Salim Ehsas told reporters on Tuesday that militants carried out nearly 6000 attacks across the country during the past seven months. Gen. Ehsas said around 1,273 Afghan public order police service members and 779 Afghan local police (ALP) officers were killed in the attack.
He also added around 856 civilians were killed following militants attacks and explosions during the same period, while 5,000 others including civilians and police officers were injured.
Die tatsächliche Zahl der Opfer dürfte noch höher liegen – weil es Zahlen des Innenministeriums sind, fehlt offensichtlich die Zahl der gefallenen afghanischen Soldaten (die allerdings bislang immer deutlich niedriger war als die der Polizei). Um es in eine Perspektive zu bringen: Die Zahl der gefallenen afghanischen Polizisten in sieben Monaten ist höher als die Zahl der in Afghanistan gefallenen US-Soldaten seit 2001.
Und noch eine Zahl aus der Hauptstadt Kabul: 90.000 Euro. So viel würde es kosten, berichtet der afghanische Sender TOLO News, das Instrumentenlandesystem am Flughafen wieder instandzusetzen – jedenfalls verlange der nicht genannte deutsche Hersteller diese Summe. Dann wird’s eben nicht repariert. (Die Installation vor zehn Jahren soll zwei Millionen US-Dollar gekostet haben.)
(Archivbild 2008: A German Police Mentoring Team (PMT) recently provided new Afghan National Police (ANP) recruits basic skills training at the Afghan national Police (ANP) headquarters in Dowlatabad, Balkh Province. German mentors provided instruction on clearing buildings and on personal protection techniques – ISAF Public Affairs via Flickr unter CC-BY-Lizenz)
Die überregionalen Medien melden gerade, dass nach aktuellem Stand 182 afghanische Helfer der Bundeswehr (Sprachmittler etc,) mit ihren „Kernfamilien“ für Deutschland ein Visum eantragen dürfen, da sie nachweisen konnten, dass sie in ihrer Heimat bedroht werden. Wie auch immer das nachzuweisen ist und welcher Beamte auch immer die Fälle prüfen mag: zumindest wurde endlich eine längst überfällige Lösung gefunden. Gerüchte über möglicherweise privilegierte Gehilfen der jeweiligen Führung gab es ja schon lange.
Schlimm jedoch, dass diese durchaus klugen Köpfe nun in ihrer Heimat fehlen.
die moralisierende argumentation für einen aufenthaltsstatus ist aber eher konstruiert.
die angestellten locals waren schließlich reguläre arbeitnehmer, die nach örtlichen maßstäben fürstlich entlohnt wurden. damit war das spezifische berufsrisiko eigentlich abgegolten umso mehr als man ja auch innerhalb afghanistans bzw. der region (pakistan) umziehen kann. die diversen contractors der isaf haben jedenfalls nicht am hungertuch genagt
isofern wäre auch unter brain drain gesichtspunkten eine höhere abfindung ohne ausreiseoption sinnvoller gewesen.
Gestern Abend gab es im Deutschlandfunk einen interessanten Hintergrund zum Thema ALP etc. …passt vielleicht zu diesem Threat.
http://www.dradio.de/dlf/sendungen/hintergrundpolitik/2302051/
@Heiko Kamann
Der Bericht beschreibt gut den IST-Zustand, zieht, was die Ursachen betrifft, aber die falschen Schlüsse. Und zu glauben, das PRT arbeite aus Eigeninitiative mit den pseudo-ALP zusammen, ist bereits ironisch. Das Problem geht auf die Aufstellung dieser Kräfte 2011 zurück und war seitdem auch beim RC bekannt. Tausend mal gemeldet und befehlsgemäß ignoriert.
@wacaffe: Ein totes Hirn stellt unter dem Strich nichts anderes dar, als eine spezielle Form des Braindrain. Daran würde die Höhe der Abfindung wohl wenig ändern.
Anders wird ein Schuh draus: Schaut man aus der sicheren Deckung bürokratischer Hindernisse aus zu, wie seine früheren Locals abgeknipst werden, werden dieses in künftigen Konflikten mögliche lokale Helfer vor Augen haben, wenn sie angeworben werden sollen. Nichts ist umsonst im Leben, die Taten nicht und auch nicht die Unterlassungen.
Bei den deutschsprechenden Sprachmittlern gibt es auch häufig das „Phänomen“, dass diese eine Aufenthaltsberechtigung für Deutschland aus der Pre-ISAF-Zeit haben – nur deren Familien eben nicht.
Wenn 2000 Polizisten bei Anschlägen und Gefechten ums Leben kamen, stellt sich mir die Frage nach Sinn des Einsatzes und des Abzugs.
Das die Locals geschützt werden müssen, fällt bei mir in die Fragestellung mit ein. Die Sicherheitslage im Land zu verbessern kann keines der Kernziele gewesen sein, sonst müsste der Einsatz als Fehlschlag gelten. Anders kann ich mir nicht erklären warum die Locals fliehen müssen.
@ iltis
Das präzedenzfall argument wird aber auch durch permanente wiederholung nicht richtiger. Die usa bsp. Haben in ihren jeweiligen konflikten ihre locals meist schmählich im stich gelassen (montagnards usw.)
Könnten sich aber trotzdem in den weiteren konflikten nicht vor hiwis retten.
@ wacaffe
Die Macht der Dollars findet immer wieder, in jedem Konflikt Hilfskräfte und eine dollarhörige Administration und Regierung.
Das ist nicht der Punkt.
Wollen wir, wollen die Deutschen ihre engen Mitarbeiter, ihre Dolmetscher so einer Vernichtung aussetzen wie dies die Nordvietnamesen mit den Kollaborateuren der Amerikaner in Südvietnam gemacht hat ? Können wir das mit unseren ethischen Standards vereinbaren, oder braucht es dazu erst solche medialen Bilder wie 1973 auf der amerikanischen Botschaft in Saigon, wo die Hubschrauber mit den letzten Angehörigen und deren Familen zur Evakuierung auf die Hubschrauberträger vor die Küste geflogen sind ?
@ georg
„oder braucht es dazu erst solche medialen Bilder wie 1973 auf der amerikanischen Botschaft in Saigon, wo die Hubschrauber mit den letzten Angehörigen und deren Familen zur Evakuierung auf die Hubschrauberträger vor die Küste geflogen sind ?“
das ist ja eine hypothetische zuspitzung. so akut ist die lage noch nicht und wird es bis ca. ende 2014 auch nicht werden. then all bets are off.
ich wies ja obig schon darauf hin, das mit einer entsprechenden finanzausstattung versehen, in der region durchaus möglichkeiten bestehen sich eine neue existenz ohne physische bedrohung aufzubauen.
abgesehen davon wurde bei den schlussevakuierungen aus saigon auch nur lokales cia funktionspersonal samt entourage mitgenommen, diese war also sehr restriktiv.
zu den ethischen standards. im krieg gelten nun mal die ethischen standards des krieges und nicht die der friedensgesellschaft Germanien. die unfähigkeit diese ambivalenz auszuhalten ist doch die hauptursache für die schizophrene debatte zum thema krieg in afghanistan oder sonstwo