Mehr Soldaten für die Bundeswehr? Zu wenig Planstellen
Ungeachtet der Absicht des Verteidigungsministeriums, die Zahl der aktiven Soldaten und Soldatinnen in der Bundeswehr zu erhöhen, scheitert schon eine Verlängerung der Dienstzeit aktiver Zeitsoldaten an fehlenden Planstellen. Die Genehmigung weiterer solcher Stellen für das kommende Jahr ist nach Angaben des Ressorts derzeit nicht absehbar.
Die in der Truppe schon länger kursierende Erkenntnis, dass zunehmend Offiziere als Soldaten auf Zeit trotz Bedarfs und ungeachtet ihres Wunsches ihre Dienstzeit nicht verlängern können, war in der vergangenen Woche Thema in der Bundespressekonferenz. Der stellvertretende Ministeriumssprecher Oberst Arne Collatz machte dazu zunächst keine Angaben, sagte aber eine nachträgliche Antwort zu. Die wurde am (heutigen) Montag veröffentlicht.
Zunächst die Frage aus der Bundespressekonferenz vom 31. Juli:
Frage: Nach unserer Erkenntnis sind in der aktuellen Situation die Anträge auf Dienstzeitverlängerung von Soldaten auf Zeit, also Offizieren, allesamt oder in erhöhter Zahl abgelehnt worden. Den Betreffenden ist gesagt worden, dass bis 2025 praktisch keine Verträge mehr verlängert werden ‑ und das, obwohl die Betreffenden selbst von ihren Einheiten gebeten worden sind, noch einmal zu verlängern, weil man erfahrene Offiziere brauche und eh zu wenig Personal habe. Außerdem werden Leute auf ihren Dienstposten nicht mehr befördert werden, sind also beispielsweise auf einem Hauptmannsposten, bleiben aber immer noch Oberleutnant. Sind Ihnen diese Vorfälle bekannt? Wenn ja, wie verträgt sich das mit der Frage der Personalaufstockung aufgrund der Zeitenwende? (…)
Zusatz zur Frage: Nur noch eine Konkretisierung: Es ging in diesen Fällen nicht um die Übernahme von Soldaten auf Zeit im Beruf, sondern um Soldaten, die ausscheiden und dann zum Beispiel noch um ein Jahr verlängern wollen. Das war wohl früher üblich oder sogar die Regel, dass man noch ein Jahr dranhängt.
Die vom Verteidigungsministerium wie versprochen nachgelieferte Antwort:
Das BMVg teilt mit:
1) Zu Ihrer Frage, warum aktuell nicht allen Weiterverpflichtungsanträgen von Offizierinnen und Offizieren im Dienstverhältnis einer Soldatin auf Zeit bzw. eines Soldaten auf Zeit entsprochen werde, und hier im Vergleich zu den letzten Jahren deutlich restriktiver verfahren werde:
Der Aufwuchs der Bundeswehr hat sich am Bedarf der Streitkräfte zu orientieren und unterliegt dabei der grundgesetzlich verankerten Umfangssteuerung durch den Haushaltsplan.
Entgegen den schwierigen Rahmenbedingen gelang ein Personalbestandsaufwuchs im Bereich der Offizierinnen und Offiziere. Dies ist ein Beweis für die erfolgreiche Positionierung der Arbeitgeberin Bundeswehr auf dem Arbeitsmarkt.
Die Anzahl an Offizierinnen und Offiziere erreicht voraussichtlich Ende 2024 den im aktuellen Haushaltsplan festgelegten Umfang an „Planstellen für Offiziere“ (Personalplanstellen für Offiziere).
Eine Erhöhung dieser „Planstellen für Offiziere“ im Haushaltsplan für das Haushaltsjahr 2025 kann derzeit nicht angenommen werden. Die Vorgaben des Bundesministeriums der Finanzen sehen für kein Ressorts neue Planstellen in 2025 vor.
Daher muss die Zuteilung von Planstellen durch die Bundeswehr priorisiert werden. Neben der bereits langfristig eingeleiteten Personalgewinnung und -bindung können zudem auch Weiterverpflichtungen nur noch im Rahmen des dargestellten Planstellenumfangs gebilligt werden. In den parlamentarischen Verhandlungen für den Haushalt 2025 wird die Bundeswehr versuchen, weitere haushälterische Offizierplanstellen zu erhalten.
2) Zu Ihrer Teilfrage nach Beförderungsreihungen:
Beförderungsreihungen sind im öffentlichen Dienst grundsätzlich nicht vermeidbar. Diese treten in verschiedenen Besoldungsgruppen aus unterschiedlichen Gründen auf.
Bei der von Ihnen angesprochenen Beförderung auf solch einem sogenannten „organisatorisch gebündelten Dienstposten“, sind daher beispielsweise Wartezeiten bereits zur Sicherstellung einer Bestenauswahl von vornherein einkalkuliert. (Zur Erklärung „organisatorisch gebündelter Dienstposten“: ein Dienstposten, welcher von einem Offizier im Dienstgrad Leutnant bis zum Dienstgrad Hauptmann besetzt werden kann.)
Hinzu kommt, dass organisatorisch gebündelte Dienstposten im Haushaltsplan des Bundes nie vollumfänglich mit haushälterischen Personalplanstellen der jeweils höchsten Dotierung hinterlegt sind. Deshalb kann auch nicht jeder Dienstposteninhaber /jede Dienstposteninhaberin eines über mehrere Besoldungsgruppen hinweg gebündelten Dienstpostens automatisch und unmittelbar direkt zum Hauptmann befördert werden.
Die Detailantwort im zweiten Teil ist eher für die Betroffenen von Bedeutung, grundsätzlich aber interessant ist die Aussage: Mehr Offiziere in der Bundeswehr geht derzeit nicht, weil es eben dafür im Haushalt keine Planstellen gibt – auch wenn offiziell weiterhin das Ziel von rund 200.000 Soldaten und Soldatinnen statt der derzeit knapp über 180.000 gilt.
(wird ggf. ergänzt)
Was ich mich schon länger frage und was mir aus der Antwort weiter nicht klar wird: sind die Planstellen für den Aufwuchs auf 203.000 Soldatinnen und Soldaten eigentlich schon im Einzelplan 14 abgebildet?
Wenn ich diesen Beamtenkauderwelsch richtig interpretiere liegt das grundsätzliche Problem in diesem Satz:
Zitat:“Der Aufwuchs der Bundeswehr hat sich am Bedarf der Streitkräfte zu orientieren und unterliegt dabei der grundgesetzlich verankerten Umfangssteuerung durch den Haushaltsplan.“
Wir haben also einen Widerspruch zwischen a) dem was der Bedarf der Bundeswehr für ihren Aufwuchs erfordert und b) dem was der Haushaltsplan zulässt.
Wenn Soldaten auf Zeit (nicht nur Offiziere vermutlich) von ihren Einheiten ausdrücklich gebeten werden, zu verlängern, dann sollte doch eigentlich kein Zweifel daran bestehen, dass der in der Anwort gelobte „Personalbestandsaufwuchs im Bereich der Offizierinnen und Offiziere“ offenbar nicht den Bedarf decken kann.
Ich frage mich, wie es möglich ist, einen Haushaltsplan aufzustellen, der offenkundig im Widerspruch zur erklärten Absicht der Bundesregierung (Zeitenwende und so) steht.
Der Vollständigkeit halber würde es mich nun noch interessieren, wer für diesen Haushalts-(sabotage)-plan verantwortlich ist.
Danke fürs Nachreichen Herr Wiegold !
Ja gut, das ist halt die Standardantwort die erwartbar war vom BMVg.
Das man Offizieranwärter über den Durst einstellt ist normal, da nicht wenige im Studium durchrasseln oder den Widerruf ziehen. Aber das man soviele einstellt, dass erfahrenes und benötigtes Bestandspersonal nicht mal nen Jahr verlängert werden kann ist schon sehr merkwürdig.
Wie ich bereits im anderen Faden schrieb, ich bin gespannt wann die Herren Generale sich ihren nächsten Stern abholen bzw. Zum Brigadegeneral befördert werden. (Aktueller Kdr PzGrenBrig 37 aktuell noch Oberst zB)
In der Truppe ist der Stau von OFw zum HptFw und vom Hauptmann A11 zum Hauptmann A12 immens.
Nicht, dass noch jemand auf die Idee kommt und mal (hinter-)fragt, wie viele Soldatinnen und Soldaten auf DPäK (Dienstpostenähnlichen Konstrukten) sitzen – abgesehen von Elternzeit, Schülern/OA bzw. Offz im Studium. Sogar B-Besoldete auf DPäK gibt es. Während echte Dienstposten leer bleiben oder statt Leute zu verlängern, die auf echten Dienstposten sitzen. Dafür gibt’s kein Geld – stark!
In der Stellungnahme ist zu lesen, dass die Obergrenze der ausgebrachten Planstellen voraussichtlich Ende 2024 mit besetzten Dienstposten erreicht wird. Ich verstehe das so, dass die Bundeswehr dann genügend Offiziere hat. Dass eine Erhöhung der Planstellenobergrenze für Offiziere auch eine Steigerung der Kriegstüchtigkeit wage ich zu bezweifeln. Und unbedachtes Stellen schaffen nur um die „magische Zahl“ 203.000 ist weder zeilführend noch den Steuerzahlenden zuzumuten.
Nein, das sind sie nicht. Vielmehr ist es so, dass die Planstellen (-aufwüchse) jedes Jahr durch den Haushalt genehmigt werden müssen. Dazu gibt es ein (theoretisches) Rechenmodell, das aussagt, wie viele zusätzliche Planstellen jedes Jahr notwendig sind, um bis 2031 auf den Wert von 203.300 zu kommen. Da bisher immer noch genug freie Planstellen verfügbar waren, gab es kein Problem.
Allerdings gab es 2024 eine „Nullrunde“, es wurden vom Finanzministerium also keine neuen Planstellen bewilligt. Und gleichzeitig war die Personalgewinnung erfolgreich. Jetzt ist die Situation so, dass fast alle Planstellen verbraucht sind. Ohne Planstelle keine neue Einstellung, keine Weiterverpflichtung, kein Seiteneinstieg. Und für 2025 wurde wieder eine Nullrunde angekündigt (s.o.). Das wird das Problem so sehr verschärfen, dass dann noch ganz andere Maßnahmen auf uns zukommen werden.
wer hat die Frage gestellt? die ist gut!