Neue Struktur für die „Bundeswehr der Zukunft“, jetzt Version 2.0

In der Woche nach Ostern will Verteidigungsminister Boris Pistorius über neue Strukturen der Bundeswehr entscheiden. Die Vorschläge dafür, erarbeitet unter Leitung von Generalinspekteur Carsten Breuer und Verteidigungs-Staatssekretär Nils Hilmer, liegen auf dem Tisch – und in weiten Teilen erinnern sie an eine erste Version, die Eckpunkte für eine „Bundeswehr der Zukunft“, die eine frühere Ministerin und der damalige Generalinspekteur im Mai 2021 vorlegten. Aber in wesentlichen Punkten gibt es Unterschiede.

Die Eckpunkte der jetzt vorgeschlagenen neuen Struktur:

• Was in dem Papier von 2021 als Kaltstartfähigkeit zur grundlegenden Forderung werden sollte, heißt nun Kriegstüchtigkeit – der von Pistorius geprägte Begriff steht hinter allen Planungen für eine Veränderung.

• Der planerische Umfang – derzeit 203.000 Soldaten und Soldatinnen einschließlich derzeit rund 4.500 (KORREKTUR: nicht 3.500) Reservistenstellen – soll unverändert bleiben. Wenn der Minister diesem Vorschlag folgt, wird die Bundeswehr weiterhin eine Aufstockung um rund 20.000 aktive Soldaten benötigen.

• An die Stelle von Einsatzführungskommando (für das Ausland) und Territorialem Führungskommando (für das Inland) soll ein gemeinsames Operatives Führungskommando der Bundeswehr (OpFüKdoBw) treten. Ihm werden die Landeskommandos direkt unterstellt. Das neueste oberste Führungskommando der Streitkräfte soll national wie international auch der Ansprechpartner werden und ein umfassendes zentrales Lagebild ermöglichen.

• Künftig soll es vier Teilstreitkräfte geben: Neben die traditionellen Heer, Luftwaffe und Marine tritt der bisherige militärische Organisationsbereich Cyber/Informationsraum (CIR) als weitere Teilstreitkraft. Alle vier werden von einem Inspekteur geführt.

• Die bisher eigenständige Streitkräftebasis (SKB) vor allem als Logistikdienstleister und der Zentrale Sanitätsdienst sollen in einem Unterstützungsbereich aufgehen. Sie verlieren ihre Eigenständigkeit und werden von einem Kommando Unterstützung (UStgKdo) geführt. Allerdings soll ein Chief Medical Officer die Sanität führen; offen ist noch, ob er gegebenenfalls im Ministerium sitzen wird.

Mit der Bündelung in einem Unterstützungsbereich, so die Argumentation des Planungspapiers, werden die Ressourcen, die in den Streitkräften nur unzureichend vorhanden sind, gebündelt und effektiver eingesetzt. Dieser Bereich wird dem stellvertretenden Generalinspekteur der Bundeswehr unterstellt, der bei Konflikten über die Nutzung dieser Ressourcen entscheiden soll.

• Das ABC-Abwehrkommando und die Feldjäger, die bisher zur SKB gehören, sollen dem Heer unterstellt werden; die bereits vorhandenen Fähigkeitskommandos bleiben erhalten wechseln damit ihre Zuordnung. Ebenfalls zum Heer kommen das Kommando für die Zivil-Militärische Zusammenarbeit (CIMIC) und das Wachbataillon in Berlin: Es wird dem Kommando für das Feldjägerwesen zugeordnet.

• Die regional aufgestellten Heimatschutzkräfte, die bislang über die Landeskommandos geführt wurden, sollen ebenfalls dem Heer unterstellt werden. Damit bekommt das Heer auch die Zuständigkeit für die Reserve

• Neben dem militärischen Bereich sollen auch die zivilen Organisationsbereiche auf das Ziel der Kriegstüchtigkeit ausgerichtet werden. Dazu gehört der Aufbau von Strukturen zur Wiederaufnahme der verpflichtenden Einberufung zum Grundwehrdienst, also die im zurückliegenden Jahrzehnt abgeschaffte Möglichkeit, eine eventuell wieder auflebende Wehrpflicht auch umzusetzen.

Die Verwaltungsstrukturen der Bundeswehr sollen sich ebenfalls an einem möglichen Kriegsfall ausrichten. Dazu gehört, dass eine kriegstüchtige Beschaffungsorganisation ebenso wie redundante Infrastrukturen für die Versorgung der Truppe geschaffen werden – und eine besonders fordernde Aufgabe: Das Software-System SASPF, das Bevorratung und Nachschub der Streitkräfte steuert, soll künftig durchgängig verfügbar sein. Nahe an der Truppe sollen mobile Unterstützungselemente des Organisationsbereichs Infrastruktur, Umweltschutz und Dienstleistungen (IUD) geschaffen und eingesetzt werden.

Die 2021 von Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer und Generalinspekteur Eberhard Zorn vorgelegten Eckpunkte für eine Bundeswehr der Zukunft hatten einige der aktuellen Vorschläge ebenfalls bereits vorgesehen – allerdings noch vor dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine im Februar 2022. Die Konzentration auf die vier Teilstreitkräfte Heer, Luftwaffe, Marine und CIR – als Dimensionen und Dimensionskommandos bezeichnet – war auch darin genannt.

Allerdings hatten Kramp-Karrenbauer und Zorn mit zwei Führungskommandos der Bundeswehr geplant und wollten sowohl das damals bereits bestehende Einsatzführungskommando als auch das danach aufgestellte Territoriale Führungskommando erhalten. Auch die Aufsplittung der Streitkräftebasis auf Unterstützungsbereich und Heer war nicht vorgesehen, allerdings sollte eine mögliche Bündelung in einem Unterstützungsbereich erst noch untersucht werden. Nach der Bundestagswahl 2021 und dem Regierungswechsel waren diese Strukturüberlegungen unter Verteidigungsministerin Christine Lambrecht zunächst nicht weitergeführt worden.

Nach einer Entscheidung von Pistorius im April sollen die geplanten Änderungen zügig vom Verteidigungsministerium umgesetzt werden. Als Frist zur Überprüfung und für mögliche Anpassungen ist das Jahr 2027 vorgesehen.

(Archivbild Oktober 2022: Objektschützer der Luftwaffe im Rahmen des Baltic Air Policing auf der Flugbasis Ämari/Estland)