Dokumentation: Regierungssprecher zu möglichem Taurus-Ringtausch

Die Frage einer möglichen Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern an die Ukraine (oder eben nicht) ist unverändert Gegenstand der politischen Debatte – ungeachtet der kategorischen Ablehnung von Bundeskanzler Olaf Scholz in der vergangenen Woche. Deshalb zur Dokumentation die Aussagen des Regierungssprechers vom (heutigen) Montag dazu:

Vor der Bundespressekonferenz äußerten sich Regierungssprecher Steffen Hebestreit und der Sprecher des Auswärtigen Amtes, Sebastian Fischer – der Wortlaut:

Frage: Herr Fischer und Herr Hebestreit, die Außenministerin hat gestern explizit erklärt, für sie fange deutsche Kriegsbeteiligung dann an, wenn deutsche Soldaten auf russische Soldaten schössen. Der Bundeskanzler hatte vorher eine sehr andere Definition gegeben. Dann, wenn deutsche Soldaten für die Bedienung von Systemen unverzichtbar seien, sei für ihn eine rote Linie überschritten.
Auf welche juristischen Expertisen stützen sich diese doch sehr unterschiedlichen Positionen jeweils?

Hebestreit: Wir haben uns gerade durch Blickkontakte darauf verständigt, dass ich den Anfang mache und Herr Fischer dann nachsetzt. ‑ Ich denke, dass es gar nicht um eine juristische Einschätzung geht, wie Sie es nennen, sondern der Bundeskanzler ‑ dadurch kommt das vielleicht zusammen mit dem, was die Außenministerin gestern auch gesagt hat ‑ hat deutlich gemacht, wo er Gefahren sieht. Ich denke, man sollte sich die Entscheidung darüber nicht leicht machen. Er hat klar gesagt, dass er als Bundeskanzler weder eine direkte noch eine indirekte Beteiligung deutscher Soldaten an diesem Konflikt akzeptieren möchte. Diese Entscheidung steht.

Zusatzfrage: Herr Fischer?

Fischer: Die Außenministerin hat sich geäußert, wie sie sich geäußert hat. Das steht für sich.

Zusatzfrage: Wenn ich nachfragen darf: Natürlich sind das politische Positionierungen. Aber eine Frage von Kriegsbeteiligung ist doch gewiss auch eine rechtliche, vermutlich völkerrechtliche. Deswegen möchte ich noch einmal fragen: Ist die Position, die die Außenministerin bezogen hat, auch die völkerrechtliche Einschätzung des Außenministeriums, und was ist die völkerrechtliche Basis der politischen Position des Kanzlers?

Hebestreit: Herr Kollege, dieses Gespräch haben wir ja schon häufiger geführt, wenn Sie mit dem Völkerrecht und den Grenzen des Völkerrechts oder damit, wo eine Linie überschritten wäre, argumentieren wollen. Ich kann vielleicht noch einmal daran erinnern: Der russische Präsident hat entschieden, sich überhaupt nicht um das Völkerrecht zu scheren, sondern führt einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Insofern sind solche juristischen Abhandlungen an der Stelle sicherlich nur halb hilfreich, weil man immer wieder auch das Irrationale einer Politik mit berücksichtigen muss. Deswegen sind das Einschätzungen, denen man folgt und unterliegt und die man verantworten muss.

Fischer: Das kann ich nur unterstreichen. Es gilt natürlich, dass wir die Ukraine im Rahmen ihres Rechts auf Selbstverteidigung unterstützen.

(…)

Frage: Herr Hebestreit, nachdem Sie eben gesagt haben, dass der Bundeskanzler nicht möchte, dass deutsche Soldaten direkt oder indirekt an den Kampfhandlungen beteiligt werden, hätte ich von Ihnen gern eine Reaktion zu dem britischen Vorschlag, der genau dieses Problem bei der Taurus-Lieferung umgehen könnte, indem man eine Art Tauschgeschäft macht. Wäre dieser Ringtausch für Sie jetzt eine akzeptable Lösung?

Hebestreit: Ich glaube, wir haben das Thema von Taurus hier allumfänglich, lang und anhaltend diskutiert. Es gibt eine Entscheidung des Bundeskanzlers. Diese hat er mehrfach auch zu Ihrer großen Freude kundgetan. Darüber hinaus gibt es jetzt keinen neuen Stand.
Wenn Sie jetzt den Vorschlag aus Großbritannien erwähnen, dann würde ich doch dazu raten, das Interview in einer in Süddeutschland erscheinenden Zeitung, in dem dieser Vorschlag unterbreitet worden ist, sehr genau zu lesen. Dann erklärt sich vielleicht manches.

Zusatzfrage: Heißt das, dass Sie die Idee des Ringtauschs nicht befürworten würden?

Hebestreit: Ich habe mich dazu so weit eingelassen, wie ich mich einlassen kann, und habe darum gesagt, es gibt keinen neuen Stand.

Frage: Ich bin von der „Süddeutschen Zeitung“, in der das Interview erschienen ist. Gestern hat die Außenministerin gesagt, ein Ringtausch mit Großbritannien sei eine Option. Ich habe jetzt noch nicht verstanden, ob der Bundeskanzler das auch so sieht oder nicht.

Hebestreit: Der Bundeskanzler hat sich dazu gar nicht geäußert. Der Sprecher der Bundesregierung hat gesagt: Dazu gibt es keinen neuen Stand.