Merkposten: Rotes Meer
Bislang ist es nur ein Merkposten: Als mittelbare Folge des Krieges zwischen Israel und der Hamas greifen die Huthi-Rebellen im Roten Meer zunehmend Handelsschiffe an – mit dem erklärten Ziel, Unterstützer Israels unter Druck zu setzen. Am (heutigen) Freitag war auch ein Containerschiff der deutschen Reederei Hapag-Lloyd betroffen.
Der Beschuss des Containerschiffs Al Jasrah nahe dem Bab el Mandeb, der Meerenge am Übergang vom Roten Meer zum Golf von Aden, blieb so weit bekannt ohne schwer wiegende Folgen. Andere Handelsschiffe hatte es in den vergangenen Tagen folgenreicher getroffen. Was sich aber auswirken könnte: Als Folge der Angriffe setzten die großen Reedereien Maerks und eben auch Hapag-Lloyd den Transit ihrer Frachtschiffe durch das Rote Meer vorerst aus – und damit auch die Passage durch den Suez-Kanal, eine der für den Handelsverkehr wichtigsten Wasserstraßen der Welt.
Aus der Meldung der Wirtschaftsagentur Bloomberg:
Two of the world’s largest container shipping lines said on Friday that they were pausing transits through the Red Sea after their vessels were attacked. Two oil tanker companies have now said they are insisting on a clause in charters that will allow them to send their ships around Africa if they deem the waters off Yemen unsafe. (…)
A.P. Moller-Maersk A/S, the world’s second-largest owner of container ships, said in a statement on Friday that it has instructed its vessels heading for the southern entrance of the Red Sea to pause their voyages. Its vessel Maersk Gibraltar was attacked.
Shortly after Maersk’s announcement, Germany’s Hapag-Lloyd AG announced a halt until Monday, “then will decide for the period after.”
Die Angriffe auf den Schiffsverkehr auf einer der Hauptadern der internationalen Wirtschaft sind für die Bundesregierung ein Thema, mit dem sie offensichtlich bislang zurückhaltend umgehen will. Mehr als die Aussage, dass eine Anfrage der USA nach deutscher Unterstützung geprüft werde, war nicht zu erfahren. Der Wortlaut dazu in der Bundespressekonferenz mit den Aussagen der stellvertretenden Regierungssprecherin Christiane Hoffmann, Kathrin Deschauer vom Auswärtigen Amt und Oberst Arne Collatz vom Verteidigungsministerium:
Frage: Es ist ja in den vergangenen Stunden im Roten Meer offenbar ein einer deutschen Reederei gehörendes Containerschiff mit einer Drohne angegriffen worden. Deswegen würde mich interessieren, ob das Auswärtige Amt, das BMVg oder auch die Regierungssprecherin eine Einordnung dazu abzugeben haben und ob die Bundesregierung bereit ist, sich an der von den USA geplanten maritimen Koalition zur Absicherung der Handelsschifffahrt in diesem Seegebiet zu beteiligen.
Deschauer: Ich kann vielleicht ganz kurz etwas zu dem Vorfall sagen. Wir kennen ebenfalls die ersten Pressemeldungen über den Angriff auf die „Al Jasrah“; so heißt dieses Schiff. Eigene Erkenntnisse, die ich jetzt hier mit Ihnen teilen könnte, habe ich nicht oder liegen mir nicht vor. Insgesamt aber kann ich sagen, dass die Bundesregierung den Angriff auf dieses Schiff genauso wie die ja beinahe täglich erfolgenden, jüngsten Angriffe auf zivile Handelsschiffe im Roten Meer und in der Meerenge Bab al-Mandab verurteilt. Sie sind völlig inakzeptabel, und sie stellen einen massiven Eingriff in die Sicherheit internationalen Seeschifffahrt dar. Das gilt auch für das Schiff „Galaxy Leader“, das weiterhin entführt ist und dessen Besatzung unverzüglich und unversehrt freizulassen ist.
Collatz: Vielleicht kann ich das insofern ergänzen, als ich bestätigen kann, dass vor einigen Tagen seitens der USA eine Anfrage an die Deutsche Marine gestellt wurde, ob sie in der Lage sei, im Roten Meer zu unterstützen, ohne dass das konkret mit Forderungen hinterlegt war. Diese Anfrage wird derzeit geprüft und sicherlich mit allen notwendigen verantwortlichen Stellen auch in der Region besprochen.
Zusatzfrage: Mich würde nur interessieren, ob die Bundesregierung unter Umständen auch bereit wäre, einen Einsatz in Erwägung zu ziehen, der eine Mandatierung durch den Bundestag erfordert.
Hoffmann: Ich kann dazu im Grunde nicht mehr als der Kollege aus dem Verteidigungsministerium sagen. Die Anfrage unserer Partner in Washington wird derzeit geprüft.
Vielleicht spielt bei dieser Prüfung ja auch eine Rolle, dass Deutschland schon seit Jahren Teil einer internationalen, US-geführten Marinepräsenz in der Region ist – zumindest virtuell. Die Combined Maritime Forces, nach eigenen Angaben die weltweit größte multinationale Partnerschaft von Seestreitkräften, listet auch die Bundesrepublik als eines ihrer 39 Mitglieder auf. Ziel dieser Koalition:
The Combined Maritime Forces (CMF) is a multinational maritime partnership, which exists to uphold the Rules-Based International Order (RBIO) by countering illicit non-state actors on the high seas and promoting security, stability, and prosperity across approximately 3.2 million square miles of international waters, which encompass some of the world’s most important shipping lanes.
Die deutsche Beteiligung ist derzeit eher als politische Unterstützung zu verstehen. Aber da ist abzuwarten, ob das so bleibt. Der Bund Deutscher Reeder jedenfalls hat schon die Forderung nach einem Einsatz der Deutschen Marine erhoben.
(Grafik: Übersicht der Combined Maritime Forces – Quelle CMF)
Ganz unkonventioneller Vorschlag
Wir nehmen einen Tender der Elbe klasse
und packen an Deck eine Feuereinheit Iris-T SLM und Iris-T SLS
Einsatz direkt von Deck aus als schwimmende Plattform… und Stationierung mitten im Krisengebiet…
für ein paar Wochen einsatz geht das vllt auch ohne Probleme als navalisierte Variante
@PapierSchwab
„Auch wenn sich dafür in Deutschland vermutlich keine politischen Mehrheiten finden lassen ist die Frage, warum man sich auf Schutz- statt auf Trutzwehr beschränken will?“
Weil bisher kein Deutsches Handelsschiff beschossen wurde und das dann völkerrechtlich unter Neoimperialismus mit Kolonialmachtallüren fällt.
Sollten Deutsche Schiffe beschossen werden ist das rein Formel sogar eine Kriegserklärung an die BRD. Übrigens macht sich das Abholen entführter Schiffe (nach Muster: Schleswig-Holstein in Danzig) als diplomatischer Wink mit dem Zaunpfahl sehr gut, auch wen die Gneisenau da wesentlich mehr Eindruck gemacht hätte als die Hessen.
Gibt dabei nur eine Schönheitsfehler, wie TW sagt: „[Die „Bundesmarine“ ist lange Geschichte, und der Rest ist gedanklich aus ähnlicher Zeit… “
Ist das sowas von einer nicht mehr zeitgemäßen Herangehensweise das man als ewig gestriger verschrien wird ;)
Die Royal Navy ist jetzt auch vor Ort:
First Sea Lord Admiral Sir Ben Key said: „One sixth of the world’s commercial shipping passes through the Bab-al-Mandeb Strait and Red Sea. … HMS Diamond deployed at short notice to the region from Portsmouth just two weeks ago and is already delivering effect together with our American, French and other allies and partners.“
„The Royal Navy is committed to upholding the right to free use of the oceans and we do not tolerate indiscriminate threats or attacks against those going about their lawful business on the high seas.“
via BBC News
Man beachte „short notice“ und „committed to upholding the right of free use of the oceans“. Diese Termini muß man für deutsche Politiker vermutlich nicht nur übersetzen, sondern auch noch gesondert erklären.
HMS Diamond, ein Type 45 Zerstörer, hat vor 2 Tagen eine Angriffsdrohne mit einer Sea Viper Rakete vernichtet.
Die französische Marine ist ebenfalls aktiv. Nach Angaben des französischen Generalstabes hat die Fregatte Languedoc am Samstag zwei Drohnen etwa 110 km vor der jemenitischen Küste abgeschossen.
Die Japanische Marine erwähnte ich früher schon. Bravo Zulu für alle 4 Navies.
…
Ein Sechstel der weltweiten Handelsschiffahrt geht durch das Rote Meer. Diese Dimension und die damit möglichen Folgen der fortgesetzten Bedrohung des Seehandels durch den Iran und die Houthi-Allianz muß man sich deutlich machen. Tanker-Krieg 2.0 voraus, Erinnert sich noch wer an die Folgen damals?
Um es ganz klar für alle zu sagen: Das sind nicht „nur“ Angriffe auf die Handelsschiffahrt. Das sind zuvorderst Angriffe auf Israel, inzweiter Linie auch auf „den Westen“, die USA und das freie Europa gleichermaßen. Indirekt über die Handelsschiffahrt und direkt durch Houti-Beschuß Israels mit ballistischen Raketen, Marschflugkörpern und Langstreckendrohnen über das Rote Meer hinweg. Jedes Geschoß in Richtung Israel, das die US Navy abfängt, ist eines weniger, das in Israel einschlagen kann. Israel und deutsche Staaträson, da war doch was? Besondere Verantwortung und so?
Das Rote Meer zum Schutz der internationalen Seewege und als kleiner Beitrag zur Verteidigung Israels wäre mal ein tatsächlich sinnvoller Out-of-Area Einsatz. Sehr viel sinnvoller und mit sehr viel größeren Erfolgsaussichten als die Missionen in AFG und Mali.
Deutsche Marine, wann und wo?
@Mitleser sagt: 19.12.2023 um 10:56 Uhr
Wieso nur Marine? Um an den Symptomen rumzudoktern? (Abschuss von Drohnen etc.)
Das ist doch das Standard-Szenario für SOF. Search and destroy von Waffen- und Munitionslagern sowie Abschuss- und Führungseinrichtungen. Aufgeklärt worden sind diese mit Sicherheit, die Suche dürfte kurz ausfallen.
Und bitte nicht den gleichen Fehler wie in Afghanistan mit irgendwelchen langwierigen Operationen. Rein, in den Ar…. treten und wieder raus.
Das versteht dann auch der Iran und die anderen Terrormilizen.
@ Pio-Fritz sagt: 19.12.2023 um 12:57 Uhr
Wenn noch nicht einmal die US-Regierung sich zur Zerstörung der Waffen- und Munitionslager etc. entschließen kann, wird es die Bundesregierung erst recht nicht. Da sollte man keine allzuhohen Erwartungen an die deutsche Politik haben. Ein deutsches Marinekontingent wäre bereits eine außenpolitische Leistung. Wobei selbst bei Teilnahme eines deutschen Schiffes noch lange nicht sicher ist, daß die ROE merklich über den Eigenschutz bei direkten Angriffen auf das eigene oder ein Handelsschiff hinausgehen würde, wie wir bei der Mission Atalanta gesehen haben.
Die Bundesregierung bzw. die EU hätten jetzt sogar zwei Rahmenoptionen: Sich wieder aktiv der bis Ende 2024 verlängerten Mission Atalanta anzuschließen (mit einem Passus, daß nicht nur somalische, sondern auch yemenitische Piraten oder halt alle Piratenaktivitäten um das Horn von Afrika herum bekämpft werden), oder sich der gerade von den USA organisierten Koalition anzuschließen, die momentan außer den USA auch UK, Bahrain, Kanada, Frankreich, Italien, die Niederlande, Norwegen, die Seychellen und Spanien umfaßt.
Wobei ich eher an einen Sechser im Lotto als an eine aktive und wirksame Beteiligung Deutschlands glaube. Aber es ist Weihnachten, da darf ich mir auch mal was wünschen.
@ GunnersMate: Die Gedanken der Besatzung? Gibt es keine Disziplin auf der Hessen? Für die Abwehr der relativ lahmen Drohnen sollten die Rohrwaffen der F 125 Klasse locker ausreichen, wichtig ist die frühe Erfassung. Mann muss nicht mit Raketen auf Spatzen schießen 😯
Mir fällt gerade General Ackbar aus Starwars ein: „It’s a trap!“
Da der Iran dahintersteckt kann es auch gut sein dass man gezielt die westliche Raketenabwehr testen will und sich an deren Überwindung üben will. Es kann auch gut sein dass sobald der erste geschlossene Verband eintrifft es nicht mehr Billigdrohnen sondern Anti-Schiffs-Raketen hagelt. Und vielleicht sind dann nicht nur iranische sondern auch russische Raketen darunter. Solange das nur die Huthis machen ignorieren alle die Hintermänner.
Man sollte dem Gegner so wenig Übungsfläche wie möglich bieten sondern ihn frühzeitig seiner Fähigkeiten berauben aus Fehlern zu lernen.
@Wait&C: Und nicht dem KGB auf den Leim gehen, der überall, ständig Feuer legt, um unsere Aufmerksamkeit, Ressourcen und Befähigung von der Ukraine abzulenken.
@JCR hat’s im anderen Faden angedeutet, alle Pötte der Koalition sind schon vor Ort …