Ende der Blauhelm-Mission in Mali – und vorläufiges Ende der großen Bundeswehr-Auslandseinsätze (Zusammenfassung)

Der Bundeswehr-Einsatz in Mali ist praktisch beendet. Die letzten Soldaten und Soldatinnen des deutschen Kontigents der UN-Mission MINUSMA verließen am (heutigen) Dienstag Gao im Norden des westafrikanischen Landes. Damit endet auch vorerst die Ära der großen Auslandseinsätze deutscher Streitkräfte, die vor 30 Jahren mit der Beteiligung ebenfalls an einer Mission der Vereinten Nationen in Somalia begonnen hatte.

Als letzte offizielle Handlung hatte vor dem Abzug Oberst Heiko Bohnsack, der Kommandeur des letzten deutschen Kontingents, das Camp Castor in Gao an die malischen Behörden übergeben. Die deutschen Soldatinnen und Soldaten verließen anschließend mit zwei A400M-Transportmaschinen der Luftwaffe das Land, wie die Bundeswehr mitteilte:

Heute um 15:00 (MEZ) Uhr haben die letzten 142 Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr das Camp Castor im malischen Gao verlassen. Sie sind nun auf dem Rückweg über die senegalesische Hauptstadt Dakar. Dort werden sie die Verlegung nach Deutschand vorbereiten, die für den 15. Dezember mit der Landung in Wunstorf um 15:00 Uhr (MEZ) geplant ist.
In der malischen Hauptstadt Bamako befinden sich noch vier Soldaten des deutschen Anteils am Hauptquartier der Mission MINUSMA in Bamako, die am 17. Dezember Mali verlassen werden.
An Bord einer Transportmaschine vom Typ A400M befindet sich auch der letzte Kontingentführer des deutschen MINUSMA-Einsatzkontingents, Oberst Heiko Bohnsack: „Die geordnete Rückverlegung des letzten deutschen Einsatzkontingents war eine großartige Teamleistung. Ich danke allen, die zum Erfolg unter schwierigen Bedingungen beigetragen haben. Sei es in Bamako, in Niamey, in Dakar, aber auch im BMVg, im Einsatzführungskommando, im Logistikzentrum und bei den Transporteuren unserer Luftwaffe. Vor allem danke ich den Kontingentangehörigen.“

GAO/MALI 12des2023 - Der letzte Kontingentführer der Bundeswehr im MINUSMA-Einsatz in Geo, Oberst Heiko Bohnsack, übergibt im Beisein des Under-Secretary-General for Operational Support der Vereinten Nationen , Atoll Share, den Schlüssel zum Camp Castor an die magischen Behörden.<br /> Foto Bundeswehr

Der deutsche Abzug ist Teil der Abwicklung der kompletten UN-Mission. Vor zehn Jahren startete MINUSMA mit dem Ziel, die – damals noch zivile – Regierung in Bamako im Kampf gegen islamistische Terroristen im Norden des Landes zu unterstützen, nachdem zunächst Frankreich mit seiner Militärintervention deren Vormarsch gestoppt hatte. Nach einem Jahrzehnt und inzwischen zwei Militärputschen in Mali ging die neue Übergangsregierung immer mehr auf Konfrontationskurs zum Westen und warf zunächst die französischen Streitkräfte, später die ganze UN-Mission aus dem Land.

Im Juni beschloss der UN-Sicherheitsrat das Ende der Arbeit von MINUSMA zum 1. Juli und legte fest, dass die Truppen bis zum Jahresende abziehen sollten. Für die Bundeswehr hatte sich das zuvor bereits abgezeichnet: schon im Mai hatte der Bundestag ein Mandat mit einem Abzug innerhalb eines Jahres beschlossen. Grund dafür war vor allem die zunehmend problematischere Sicherheitslage nach dem Abzug der französischen Barkhane-Mission. Aber die offenkundige Orientierung der malischen Regierung nach Russland hatte ebenfalls dazu beigetragen.

Bereits in den vergangenen Wochen und Monaten hatten die malischen Streitkräfte, unterstützt von russischen Wagner-Söldnern, von den UN-Truppen geräumte Basen übernommen. Die gewaltsamen Auseinandersetzungen im Land haben seitdem zugenommen, beispielhaft dafür war am (gestrigen) Montag die Ankündigung der Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen, ihre Arbeit in bestimmten Regionen Malis notgedrungen einzustellen. Wie sich die Konfliktsituation im Land weiter zuspitzen könnte, hatte die auf den Sahel spezialisierte Konfliktforscherin Anna Schmauder bereits im Juni mit skeptischem Blick analysiert.

Vor 30 Jahren: „Wir sind wieder in der Familie“

Soldaten des Einsatzkontingentes UNOSOM II sind in Belet Uen/Somalia im August 1993 angetreten. Altarchiv BwAllg 0007 Somalia<br /> Foto Helmut Köhler/Bundeswehr

Für die Bundeswehr endet mit dem Abzug aus Mali ein Kapitel, dass vor 30 Jahren ebenfalls mit einem UN-Einsatz, ebenfalls in Afrika, begonnen hatte. Wir sind wieder in der Familie, sagte am 16. Mai 1993 Generalmajor Georg Bernhardt, als die erste Transall-Maschine der Bundeswehr in Belet Huen in Somalia landete. In ihrem ersten bewaffneten Auslandseinsatz sollten die deutschen Streitkräfte dazu beitragen, im Rahmen der Mission UNOSOM II die Lage in dem von Bürgerkrieg und Hungersnöten gebeutelten Land zu verbessern. Ein wenig, so die verbreitete Stimmung in der Truppe, kam die Bundeswehr damit auf Augenhöhe ihrer Verbündeten in der NATO.

Der Einsatz endete nach knapp einem Jahr, schneller als geplant – nachdem USA mit dem Abschuss ihrer Hubschrauber über der somalischen Hauptstadt Mogadischu ein Debakel erlebt hatten, dass unter dem Titel Black Hawk Down berühmt wurde und zu einem faktischen Ende der UN-Mission führte: Die Schlacht von Mogadischu läutete das Ende des US-Engagements in dem Einsatz der Vereinten Nationen ein.

Für die Bundeswehr bedeutete das aber erst den Beginn ihrer Auslandsmissionen. Zunehmend engagierten sich die deutschen Streitkräfte auf dem Balkan, von einer ersten Beteiligung an der SFOR-Mission über Beobachtungsflüge über Bosnien bis zur Beteiligung am Luftkrieg gegen Serbien in der Auseinandersetzung um das Kosovo. Im Juni 1999 rückten deutsche Leopard-Kampfpanzer als Speerspitze des NATO-Einmarschs in die serbische Unruheprovinz ein.

Wenn auch zahlreiche weitere Auslandseinsätze folgten, von UN-Beobachtermissionen bis zum jahrelangen Anti-Piraterie-Einsatz vor Somalia: Prägend für die Bundeswehr war die zwei Jahrzehnte währende Mission in Afghanistan. Begonnen als Ausdruck der uneingeschränkten Solidarität mit den USA nach den Angriffen des 11. September 2001, entwickelte sich das deutsche Engagement am Hindukusch zur größten und auch verlustreichsten Auslandsmission der Bundeswehr.

Die deutschen Soldaten und Soldatinnen sahen sich in Afghanistan mit Gefechten konfrontiert, die schließlich auch in Deutschland bewusst machten, dass sie an einem Krieg beteiligt waren – auch wenn das lange offiziell nicht so heißen durfte. Der Einsatz endete, wie auch die jetzt beendete Mission in Mali, ohne das angestrebte Ziel zu erreichen: Eine stabile Regierung und eine friedliche Entwicklung scheinen in dem westafrikanischen Land ebensowenig in Reichweite wie beim Abzug vom Hindukusch vor gut zwei Jahren.

Spätestens seit der russischen Invasion in der Ukraine im Februar vergangenen Jahres stehen für die deutschen Streitkräfte ohnehin die Anforderungen von Landes- und Bündnisverteidigung im Mittelpunkt. Dass es nach dem Abzug aus Mali wieder Auslandseinsätze dieser Größenordnung geben wird, scheint da vorerst unwahrscheinlich. Aber nicht ausgeschlossen – in der in diesem Jahr verabschiedeten ersten Nationalen Sicherheitsstrategie heißt es: Unsere Sicherheit ist verbunden mit der Sicherheit und Stabilität anderer Weltregionen. Es bleibt daher im deutschen und europäischen Interesse, weiterhin substantielle Beiträge zum internationalen Krisenmanagement zu leisten.

(Foto oben: Einholen der deutschen Flagge im Camp Castor in Gao/Mali am 12. Dezember 2023; Foto Mitte: Der letzte deutsche Kontingentführer Oberst Heiko Bohnsack übergibt am 12. Dezember 2023 im Beisein des Unter-Generalsekretärs der Vereinten Nationen Atul Khare symbolisch den Schlüssel zum Camp Castor an die malischen Behörden – Fotos Bundeswehr; Foto unten: Antreten des deutschen Kontingents bei UNOSOM II in Belet Huen im August 1993 – Foto Helmut Köhler/Bundeswehr)