Sexualität als Privatsache, härteres Vorgehen gegen „sexualiertes Fehlverhalten“
Die Bundeswehr soll sich künftig aus dem Sexualleben ihrer Soldaten und Soldatinnen heraushalten, so lange das keine Auswirkungen auf den Dienstbetrieb hat. Andererseits sollen Fälle von sexueller Belästigung schneller und wohl auch deutlicher sanktioniert werden. Die vom Verteidigungsministerium erlassene neue Vorschrift dazu, die A-2610 Umgang mit Sexualität und sexualisiertem Fehlverhalten gilt seit Anfang September – und schafft auch bisherige disziplinarrechtliche Folgen wie den Vorwurf Einbruch in die Kameradenehe faktisch ab.
Kernsatz der neuen Vorschrift: Eine außerhalb des Dienstes oder der Arbeit erfolgende, einvernehmliche Aufnahme sexueller Beziehungen durch Angehörige des Geschäftsbereichs Bundesministerium der Verteidigung berührt grundsätzlich keine dienstlichen bzw. arbeitsrechtlichen Interessen. Diese sind disziplinar- und arbeitsrechtlich in der Regel ohne Belang, auch wenn die Sexualpartner einer unterschiedlichen Statusgruppe angehören, einen unterschiedlichen Dienstgrad bzw. eine unterschiedliche Amtsbezeichnung führen oder unterschiedlich tarifrechtlich eingruppiert sind.
Das wird allerdings eingeschränkt, wenn dadurch das Ansehen der Bundeswehr in der Öffentlichkeit beeinträchtigt werden könnte. Dafür sind jedoch deutliche Schwellen angesetzt: Von einer ernsthaften Beeinträchtigung des Ansehens der Bundeswehr oder der Achtung und des Vertrauens in die jeweilige dienstliche Stellung der Soldatin oder des Soldaten kann bei einem außerdienstlichen sexualbezogenen Verhalten ohne dienstlichen Bezug regelmäßig nicht ausgegangen werden, sofern das Verhalten nicht strafrechts- oder ordnungswidrig ist.
Mit der Neuregelung reagierte das Ministerium offensichtlich auch – unter anderem – auf den Fall der Offizierin Anastasia Biefang, die mit ihrem Profil auf der Online-Datingplattform Tinder nach Ansicht des Wehrdienstsenats des Bundesverwaltungsgerichts ihre außerdienstliche Wohlverhaltenspflicht verletzt hatte. Biefang hatte dagegen Beschwerde vor dem Bundesverfassungsgericht eingelegt.
Dennoch setzt auch die neue Vorschrift Schranken, wenn der Arbeits- und Dienstbetrieb sowie der Betriebsfrieden … nachhaltig beeinträchtigt oder gestört werden. Dazu gehört nicht zuletzt: Sexuelle Betätigung im Dienst/während der Arbeit stört regelmäßig den Dienstbetrieb.
In einem Rundschreiben der Rechtsabteilung des Ministeriums an die Rechtsberater wird darauf verwiesen, dass mit der Neuregelung eine Besonderheit der Streitkräfte praktisch abgeschafft wird: Der so genannte Einbruch in die Kameradenehe, bei dem ein Soldat oder eine Soldatin sexuelle Beziehungen zur Frau oder zum Mann eines anderen Soldaten oder einer Soldatin hat, führt künftig nicht mehr automatisch zu einem Verfahren vor dem Truppendienstgericht. Der Dienstherr macht deutlich, dass das Sexualleben der Soldatinnen und Soldaten ohne Berührungspunkte zum Dienst regelmäßig nicht von disziplinarer Relevanz ist, heißt es in der Erläuterung. Wenn allerdings jemand in den Dienstbetrieb eingreife, um diese Beziehung zu fördern, könne das durchaus disziplinarische Konsequenzen haben.
Deutlicher als bisher soll mit der neuen Vorschrift gegen sexualisiertes Fehlverhalten vorgegangen werden, unter anderem gegen sexuelle Belästigung im Dienst. So gilt jede Form von sexueller Belästigung im dienstlichen Umgang als Verstoß gegen die Pflichten des Soldatengesetzes, auch dann, wenn Ausdrucksweisen, Darstellungen oder Gesten mit sexuellem Bezug scherzhaft gemeint sein sollten. Es kommt allein auf den objektiv sexuellen Gehalt an.
Möglicherweise wirkte sich diese Vorgabe ausgerechnet auf den Kommandeur des Zentrums Innere Führung aus, das unter anderem für diese Thematik in der Truppe zuständig ist. Generalmajor Markus Kurczyk wurde am vergangenen Samstag von seinem Posten abgelöst, wie das Ministerium knapp mitteilte. Nach Informationen aus der Truppe – über die auch der Spiegel berichtete – soll er sich am Rande der Invictus Games in Düsseldorf gegenüber einem Soldaten übergriffig verhalten haben. Das Ministerium machte dazu keine Aussagen.
Gerade den Vorgesetzten weist die neue Vorschrift besondere Verantwortung zu. Bei sexueller Belästigung und erst recht bei sexualisierter Gewalt seien sie verpflichtet, einzuschreiten und die notwendigen Maßnahmen umgehend und konsequent durchzuführen oder zu veranlassen.
Die Vorschrift A-2610 ist zwar als OFFEN eingestuft; veröffentlichen mag das Ministerium sie aber bislang nicht (auch wenn die Rechtsabteilung in ihrem Rundschreiben dazu mitteilt, am 1. September 2023 wurde die Allgemeinen Regelung A-2610/2 „Umgang mit Sexualität und sexualisiertem Fehlverhalten“ veröffentlicht). Deshalb hier zum Nachlesen:
A-2610_2_Umgang _Sexualitaet_und_sexualisiertem_Fehlverhalten
(Vorsorglicher Hinweis: Das ist ein Thema, bei dem ich besonders auf eine sachliche Debatte in den Kommentaren achte)
Naja. Solange es keinen Dritten betrifft ist doch eigentlich auch dem General selbst überlassen ob er privat im rosa Kleidchen durch die die Gegend läuft. Solang er in Flecktarn seinen Dienst sauber macht.
@TW
Auch BG Frank R. – vormals Leiter TF Personal – wurde kurz nach Übernahme der Position von seinen Aufgaben entbunden, im Raum stehen ähnliche Vorwürfe (s. Presse zum Thema).
Es wird sich noch zeigen müssen, ob diese anscheinend sehr weitgehende Liberalisierung mit relativ „weichen“ Kritierien auf die Dauer „dem Betriebsfrieden“ förderlich sein wird. Habe ich das richtig gelesen, dass die Ziffern 301 und 302 Spielraum für eine sexuelle Beziehung zwischen Vorgesetztem und Untergebener (bzw. auch in allen anderen Konstellationen) gibt?? Wenn es keine negativen Auswirkungen oder Bevorzugungen gebe? Es drängt sich etwas der Eindruck auf, dass die Bundeswehr hier der allgemeinen Entwicklung in Systemen mit besonderen Abhängigkeiten eher hinterherhängt und über das Ziel hinausschießt… In Hochschulen und Schulen hat man die Regelungen zur Verhinderung von Beziehungen mit abhängigen Personen – ich spreche NICHT von Minderjährigen! – in den letzten zehn Jahren eher verschärft. Auch in vielen Unternehmen, besonders international aufgestellten, gibt es inzwischen Regelungen für sexuelle Beziehungen zwischen Vorgesetzten und Untergebenen, die scheinbar schärfer als die neuen Regeln der Bundeswehr sind … Falls ich das falsch verstanden habe, dann bitte ich um eine andere Auslegung der Ziffern 301 und 302. Oder gilt für Vorgesetzte der Spruch „Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß?“ Aus meinen dienstlichen Erfahrungen als Soldat und Beamter in den letzten dreißig Jahren kann ich nur sagen, dass man im Angesicht der starken Machtgefälle in Militär und Bildungseinrichtungen mit Liberalisierungen vorsichtig sein sollte… zum Schutz der Schwächeren. Den Verschärfungen gegenüber eindeutigem Fehlverhalten kann man nur vollumfänglich zustimmen. Da habe ich in beiden Welten Sachen ohne Konsequenzen für die TäterInnen (!) miterlebt, die man „draußen“ nicht glauben würde.
Anmerkung:
Der sog. „Einbruch in die Kameradenehe“ spielt(e) in der Wehrdienstgerichtsbarkeit ohnehin keine übermäßige Rolle mehr (die letzte Entscheidung des Wehrdienstsenats dazu datiert aus 2002), weil
+ mildernd u.a. zu berücksichtigen ist/war, wenn die Initiative dazu von der Ehefrau ausging,
+ keine Dienstpflichtverletzung vorliegt, wenn der „Gehörnte“ zuvor eindeutig zu verstehen gegegen hat, dass er an seiner Ehe nicht mehr festhält.
Ausnahmen (bisher regelmäßig und so auch in der AR erwähnt): spürbare Auswirkungen auf den Dienstbetrieb, (Auslands-)Einsatz.
Vielen Dank für die Möglichkeit die AR hier nachzulesen.
Grundsätzlich ein gutes Dokument mit vielen Hinweisen, auch im Anhang. Über manche Beschreibungen in ihrer Umgangreichheit und Klarheit bin ich positiv überrascht. Wenn es gelebt werden sollte, könnte es tatsächlich den Ton und vielleicht sogar die eigene Haltung ändern.
Anderes finde ich wichtig, ist aber auch eine gesellschaftliche Frage. Das s.g. „Oversexed and underfucked“ spielt hier sicherlich auch eine Rolle – Jüngere haben eine andere Art der Sexualität und dem Verständnis hiervon als Ältere. Männer durchaus eine andere als Frauen – was in einer männlichen Gesellschaft (auch die Bw) ja nicht verwunderlich ist.
Ich Frage mich daher ob der Punkt „Es kommt allein auf den objektiv sexuellen Gehalt an“ wirklich so einfach zu beantworten ist. Ich beobachte bei jüngere eine durchaus auch sexuell aufgeladene und auch herabwürdigende Sprache, mit der ich mich nicht ansprechen lassen würde, die diese Gruppe aber durchaus als „normal“ betrachtet. Vielleicht ist das aber auch eine eher akademische Frage.
Positiv finde ich auch, dass der „Fall Biefang“ dann jetzt wohl so nicht mehr stattfinden kann: „Von einer ernsthaften Beeinträchtigung des Ansehens der Bundeswehr oder
der Achtung und des Vertrauens in die jeweilige dienstliche Stellung der Soldatin oder des Soldaten
kann bei einem außerdienstlichen sexualbezogenen Verhalten ohne dienstlichen Bezug regelmäßig
nicht ausgegangen werden, sofern das Verhalten nicht strafrechts- oder ordnungswidrig ist.“
Das scheint mir ein grosser Fortschritt zu sein.
@Windlicht, das wird man wohl wirklich abwarten wie das in der Praxis wird.
Ja die Gefahr der Ausnutzung ist gegeben und anderswo hat man deswegen (wieder) schärfere Regeln. Auf der anderen Seite steht aber auch klar drin das ein lautes „nein ich will sie nicht küssen und nehmen sie ihre Hände von meinem Hintern“ aus dem Büro nicht mehr mit einem lapidaren „passen ’se besser auf ihre hände auf“ geregelt werden kann.
ich teile alle von Windlicht vorgebrachten Punkte. Ich bin jedoch außerordentlich erfreut, dass der sog. „Einbruch in die Kameradenehe“ endlich offiziell verschwindet. Bisher machte es den Anschein, eine Ehe sei etwas unveränderbares und man(n) hätte dadurch Besitzansprüche. Wenn eine erwachsene Person sich innerhalb einer Beziehung entscheidet, etwas mit einer Person außerhalb der Beziehung zu beginnen, dann sehe ich absolut keine strafbewehrte Handlung durch die außerhalb der zuvor bestehenden Person. Viel mehr scheint mir die Regel noch aus frühen Zeiten bestand gehabt zu haben, als Frauen weit weniger Rechte hatten (Reform §177 StGB in 1997, ohne Erlaubnis des Ehemannes einer Arbeit nachgehen in 1977 oder zwischen 20 und 6 Uhr arbeiten 1992).
@ TW:
„Die Vorschrift A-2610 ist zwar als OFFEN eingestuft; veröffentlichen mag das Ministerium sie aber bislang nicht …“
Hier gibt es den feinen Unterschied zwischen „offenen Informationen“, die weniger schutzbedürftig als Verschlusssachen sind aber für die das Amts- und Dienstgeheimnis gilt und „öffentlichen Informationen“, welche frei verfügbar sind.
Die Bereitstellung der A-2610 für die Öffentlichkeit ist daher nicht im Sinne der Verfasser …
@ Alfred Maynard sagt: 27.09.2023 um 21:17 Uhr:
Auch wenn ich @ mountain1780,
27.09.2023 um 18:58 Uhr folge, möchte ich hinzufügen:
Die Bundeswehr bzw der Normgeber stand schon einmal an dem Punkt, den Einbruch in die Kameradenehe zu tilgen.
Dann kamen die Auslandseinsätze und mit ihnen die Relevanz zurück.
Ich finde es jetzt immer noch gut austariert: ohne dienstliche Relevanz bleibt es privat, mit dienstlicher Relevanz kann gehandelt werden.
Wie @Rueganer schon sagte, OFFEN ist noch lange nicht ÖFFENTLICH. Ich finde es eher bedenklich, wenn jetzt die Abhängigkeiten, welche durch Vorgesetzten/Untergebenen Verhältnisse u.U. aktiv ausgenutzt werden, auch noch weiter legalisiert werden. Kann sein dass ich mich irre, aber in meiner Dienstzeit war es immer so, dass der/die Dienstgradhöhere die/den Dienstgradniedrigeren bedrängt hat – oftmals entstanden daraus Beziehungen. Inwieweit freiwillig, kann und will ich nicht beurteilen – gab aber nie im Dienst ein gutes Bild ab. Inzwischen duzt die moderne Kompaniechefin ihre GeZi-Soldatin in Anwesenheit Dritter – fährt sie nach Dienst auch gerne mal nach Hause… Gefälligkeiten werden ausgetauscht, Insta-Posts, Informationen bleiben nicht da wo sie sollen. Statt Eignung, Leistung und Befähigung – Kumpanei und Vitamin B – ich kann das alles nicht mehr mit ansehen…
@Rueganer
Danke! Der Unterschied zwischen „Öffentlich“ „offen“ und „VS-NfD“ scheint wohl immer noch nicht klar zu sein!
Dann schauen wir mal alle Spannend zu, wie solche TV-YouTube,Twitter-Eskapaden eines Kommandeur:in in Zukunft straff beendet werden. Ansehen der Bundeswehr….und so ;-)
@Sachlicher
Sexuelle Beziehungen innerhalb von Liegenschaften haben zu 99% dienstliche Relevanz. Direkt oder indirekt…
Ich sehe keine Möglichkeit für eine gleichberechtigte sexuelle Beziehung zwischen Vorgesetztem und Unteegebenen. Der Untergebene verliert immer. Gerade in gleichgeschlechtlichen Beziehungen.
Wie sagte mal ein pensionierter Oberstabsfeldwebel zu mir: “ Als ich Soldat wurde, war schwul sein verboten, dann wurde es erlaubt. Gott sei Dank wurde ich pensioniert, bevor es befohlen wurde.“
Das zeigt die aktuelle Stimmung ziemlich gut. Die Soldat:innen sind bei diesem Thema nur noch genervt. Ich als lebensälterer Reservist kann das gut nachvollziehen Es ist einfach wirklichkeitsfremd.
Es ist gut, dass die Bundeswehr sich anpasst.
Gleichwohl stellen sich mir noch Fragen, wie z.B. in Beziehung lebene „Angehörige des Geschäftsbereich des BMVg“ denn ihre (sexuelle) Beziehung im Auslandseinsatz, an Bord, auf dem Übungsplatz ausleben sollen dürfen? HIer sind die räumlichen Verhältnisse ja eher beengt. Aber gut, vor diesem „Problem“ stehen die Streitkräfte gewiss nicht zum ersten mal.
Wesentlich kritischer bewerte ich die Liberalisierung von sexuellen Beziehungen zwischen Vorgesetzten (m/w/d) und Untergebenen (m/w/d). Ich sehe es genauso wie die Vorredner, dass die nicht-Sanktionierung von Vorgesetzten, die eine sexuelle Beziehung zu Untergebenen eingehen, „Täter“ ermutigen kann. Warum hat man hier nicht einfach eine Meldepflicht für die Vorgesetzten eingeführt. Nebenerwerb, Reisen in Staaten mit besonderem Sicherheitsrisiko und 1.000 andere Sachen sind ebenfalls meldepflichtig. Wenn ein Vorgesetzter mit einem Untergebenen eine Beziehung unterhält, könnte man dienstlich z.B. mit einer Personalmaßnahme reagieren und den Vorgesetzten und/oder Untergebenen – gerne am selben Standort – in eine andere Einheit versetzen, so dass sich das Vorgesetzten-Untergebenen-Verhältnis auflöst. Muss ja auch nicht unbedingt sofort sein, sondern mit Augenmaß zu den regulären Versetzungsterminen.
Zudem weise ich darauf hin, dass es das „old-school-sich-hochschlafen“ auch noch gibt, mit dem der Untergebene es darauf anlegt, sich Vorteile zu verschaffen, neben dem Wunsch die entsprechende Beziehung zu unterhalten.
Selbst wenn bei einer Vorgesetzten-Untergebenen-Beziehung keiner der o.g. Punkte zutrifft (Soll es ja auch geben,), bleiben Verdacht und Getuschel im Umfeld nicht aus und dies wirkt sich potentiell negativ auf den Dienstbetrieb aus. Alles schon erlebt.
Fazit: gute Änderung aber bei einigen wesentlichen Details ist deutliches nachschärfen geboten, um der Lebensrealität vor und innerhalb des Zauns weitesgehend gerecht zu werden.
Kurzer Hinweis an die, die lieber über Einstufungen als über das eigentliche Thema reden wollen: Wenn, wie in der Vergangenheit geschehen, Impfaufrufe VS-NfD eingestuft werden – zur Erinnerung: per Gesetz (!) definiert als „wenn die Kenntnisnahme durch Unbefugte für die Interessen der Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder nachteilig sein kann“ – dann liegen die Probleme ganz woanders als bei der Frage, ob diese Vorschrift öffentlich sein sollte. Könnten wir diesen OT damit beenden?
Ich persönlich begrüße die Verschärfungen bei sexuellem Fehlverhalten sowie die doch schon weitreichende Liberalisierung in allen anderen Teilen ausdrücklich. Die von den meisten meiner Vorredner geäußerte Kritik an Beziehungen innerhalb der BW besonders bei unterschiedlichen Dienstgradgruppen kann ich jedoch nicht nachvollziehen. Es ist doch nur so, dass sich jetzt die Vorschrift an die gelebte Realität anpasst. Beim Lesen der Kommentare bekommt man jedoch das Gefühl, dass wir z.Z. auf einer Insel der Glückseligkeit und des sexuellen Wohlverhaltens leben und nach Inkrafttreten der neuen Vorschrift nun alle Dämme brechen. Auch bin ich erfreut, dass die Vorschrift einen Schritt wegmacht, von der stark Anglo-Amerikanisierten/Corporate Compliance orientierten Sichtweise/Sexualmoral die sich in vielen Organisationen ausbreitet und, anders als hier behauptet sicher nicht dazu dient den schwächeren zu schützen, sondern nur dazu da ist das Unternehmen vor möglichen Klagen zu bewahren. Ebenfalls ist der Gedanke, dass eine „gleichberechtigte“ Beziehungen immer an der „Machtgleichheit“ oder Vermögensgleichheit oder was auch immer festgemacht wird, doch illusorisch. In jeder Beziehung gibt es ein Gefälle zwischen den Partnern, ob es nun beim Einkommen, Aussehen, Lebenserfahrung oder sonst was ist. Gleichberechtigt ist eben nicht Gleichheit.
@Pio-Fritz:
„Gott sei Dank wurde ich pensioniert, bevor es befohlen wurde.“
Und genau wegen solchem Geschwurbel, habe ich als Staatsbürger die Meinung über die BW die ich habe. Was soll so ein Satz ausdrücken, wenn nicht latente Schwulenfeindlichkeit?
„Der Untergebene verliert immer. Gerade in gleichgeschlechtlichen Beziehungen.“
Warum besonders in gleichgeschlechtlichen Beziehungen?
@alle anderen
Mal nachgefragt: Ist es denn wirklich so, dass die Beziehung zwischen direktem Vorgesetzten/Untergebenen nicht sanktioniert werden soll? Das fände ich tatsächlich auch eher problematisch. Zumindest wie @aufreger vorschlägt, müsste es Regelungen zum Umgang damit geben. Wirklich rein fachlich/sachlich wird wohl kein Vorgesetzter/Vorgesetze ihre Untergebenen/Partner beurteilen, selbst wenn dass der eigene Anspruch wäre. Eine Meldepflicht mit Beförderungsstop bis zur Versetzung wäre da eine angemessene Reaktion, verbieten wäre auch irgendwie nicht „modern“.
Schwieriges Thema, generell stehe ich aber der Liberalisierung der Sexualität äußerst kritisch gegenüber. Sexuelle Beziehungen innerhalb der Einheit haben immer Auswirkungen auf den Dienst. Meiner über zehnjährigen Erfahrung als Soldat und Vorgesetzter nach machen sexuelle Beziehungen innerhalb von Einheiten und Teileinheiten immer Probleme, erst Recht, wenn es zwischen den beiden Partnern ein Vorgesetztenverhältnis gibt. Ob das im Dienst oder danach passiert ist völlig egal. Selbst, wenn die beiden sich völlig normal und korrekt verhalten gibt das mit den anderen Angehörigen der Einheit Probleme. Gerade bei einem Vorgesetztenverhältnis ist immer der Verdacht der Bevorteilung unter den Kameraden vorhanden. Ich persönlich würde es sehr viel besser finden, wenn sexuelle Beziehungen zwischen Angehörigen einer Einheit komplett verboten wären. Wollen zwei Soldaten einer Einheit eine Beziehung aufnehmen, sollen sie das dem Chef melden und dann wird einer von beiden versetzt. Andere europäische Armeen haben solche Regelungen und da funktioniert es gut. Ich habe mehrmals erlebt, wie die kleine Kampfgemeinschaft aufgrund einer Beziehung innerhalb der Kampfgemeinschaft zerbrochen ist. Dort steht mMn. der militärische Auftrag und die Funktionsfähigkeit der Teileinheit über den individuellen Bedürfnissen und Freiheiten des Einzelnen. Durch die Liberalisierung habe ich als Disziplinarvorgesetzter noch weniger Handhabe gegenüber der doch häufig vorkommenden ausufernden Sexualität junger Soldaten, die bisher stets zu deutlichen Diskrepanzen innerhalb der Einheit führten. Meiner Meinung nach eine sehr Truppenferne neue Dienstvorschrift.
Kurze Anmerkung zum Einbruch in die Kameradenehe, das war bisher sowieso schwierig zu disziplinieren, denn meistens ist es der Ausbruch aus der Ehe.
@Dominik sagt: 28.09.2023 um 8:36 Uhr
Ich weiß nicht, wo Sie da „latente Schwulenfeindlichkeit“ sehen. Liegt mir fern, ehrlich gesagt, ist mir die sexuelle Orientierung meines Gegenübers herzlich egal, solange ich nicht damit belästigt werde. Mich nervt diese ständige öffentliche Diskussion darüber und jeder Aspekt muss bis ins Detail ausgeleuchtet werden. Das kann für so eine Beziehung auch belastend sein.
Insgesamt finde ich diese Liberalisierung von Beziehungen innerhalb der Streitkräfte nicht zielführend. Diese wird es immer geben, ist mir klar. Aber gerade bei Soldaten, die dann noch in Einsätze müssen, bringt es eben Probleme mit sich. Oder gibt es demnächst „Pärchencontainer“?
Wie sagte mal der Personalchef eines größeren Mittelständlers zu mir, „Never fuck your own bureau“. Das macht nur Probleme, die niemand braucht. Mittlerweile muss ich zugeben, er hatte recht, ich habe es live und in Farbe miterlebt. Besonders, wenn die Paare sich dann wieder getrennt haben, sich aber jeden Tag begegnen.
@DD
„Kurze Anmerkung zum Einbruch in die Kameradenehe, das war bisher sowieso schwierig zu disziplinieren, denn meistens ist es der Ausbruch aus der Ehe.“
Nun ja, da muß man sich den anderen Partner aber nicht am Arbeitsplatz suchen (ich weiß, dort werden die meisten Beziehungen aufgebaut).
Bei einer dann erfolgten einvernehmlichen Trennung mag das noch gut ausgehen, was aber wenn es in der kriselnden Ehe zu Streitigkeiten kommt (Kinder, Finanzielles)? Das geht dann schnell ans Eingemachte. Werde ich dann den Kameraden, der mir den Partner / die Partnerin ausspannt (aktiv oder passiv) noch als Kameraden akzeptieren? Was wenn der Kamerad (m/w) in der selben Einheit am gleiche StO dient und ein Vorgesetztenverhältnis besteht?
Wie handhabt das denn die Polizei?
Wie ich als Disziplinarvorgesetzt vor über 12 Jahren gelernt habe, ist „sexuelle Belästigung“ kein ausreichender Grund ein Disziplinarverfahren einzuleiten, da es keine Straftat ist. Die Einleitubgsbehörde lehnte das strikt ab.
Insofern finde ich es interessant, was mit GM Kurczyk passiert. Sicher an ihn sind andere Anforderungen an die Wohlverhaltenspflicht zu stellen.
Interessant finde ich daher auch das „sexuelle Belästigung“ nun Bestandteil einer Dienstvorschrift ist.
In einem Beruf, in dem es meist keine saubere Trennung zwischen Dienstlichem und Privatem geben kann, weil der Beruf das gesamte Leben bestimmt (nicht nur im Auslandseinsatz), ist die Annahme, dass Sexualität als Privatsache betrachtet werden könnte, vollständig realitätsfremd.
Die Vorschrift stützt sich zudem auf beliebig interpretierbare Begriffe, die in der Praxis keinerlei Handlungssicherheit geben. Wer z.B. die Bewertung von Handlungen davon abhängig macht, ob das „Ansehen der Bundeswehr in der Öffentlichkeit beeinträchtigt“ wird, macht diese Bewertung ganz vom subjektiven Empfinden Dritter abhängig. Wie soll das in der Praxis gehandhabt werden, da es keine Handlung geben dürfte, die nicht irgendjemandem in der Bevölkerung irgendwie subjektiv missfällt?
Außerdem ergeben sich potentielle Widersprüche zu den §§ 10 und 17 SG, die militärischen Vorgesetzten auch außerhalb des Dienstes Auflagen bzgl.. ihres Verhaltens machen.
Die Vorschrift erzeugt weitere Unsicherheiten, die in der Praxis Probleme nach sich ziehen werden, vor allem wenn Soldaten der Bundeswehr im Auslandseinsatz tätig sind. Spätestens hier stellt das deutsche Strafrecht nicht (wie in der Vorschrift dargestellt) den Maßstab dafür dar, ob bestimmtes Verhalten das Ansehen der Bundeswehr relevant schädigt oder nicht. Was nach deutschem Recht legal ist, kann in bestimmten Ländern für einige Unruhe sorgen, wenn man es gegenüber der Zivilbevölkerung praktiziert.
Auch Sätze der Satz, dass eine „außerhalb des Dienstes oder der Arbeit erfolgende, einvernehmliche Aufnahme sexueller Beziehungen durch Angehörige des GB BMVg“ grundsätzlich „keine dienstlichen bzw.
arbeitsrechtlichen Interessen“ berührt, ist irreführend. Wer als Deutscher z.B. in einem NATO-Kontext tätig ist, kann bei Aufnahme solcher Beziehungen mit anderen deutschen Soldaten durchaus in Situationen kommen, in denen dienstliche Interessen nach Maßgabe der relevanten Stellen berührt sind, und die deutsche Vorschrift wird dann niemanden interessieren.
Pio-Fritz sagt am 28.09.2023 um 9:29 Uhr
“ … Oder gibt es demnächst „Pärchencontainer“?…“
Die gibt es schon seit Jahren.
Sexualisiertes Fehlverhalten – geschlechtsbezogene Zurschaustellung: „Dies gilt besonders dann, wenn (…) erkennbar Vorgesetzte sich unangemessen zur Schau stellen und dadurch ein Autoritätsverlust abzusehen ist.“
Sind damit zukünftige Biefang-Fälle wirklich vom Tisch? Ein Bataillonskommandeur (oder Kompaniechef, etc.), mit unverpixeltem Gesicht auf Tinder. leicht bekleidet und in eindeutiger Pose – nach meiner Lesart greift dann sehr wohl diese Regelung.
@O. Punkt
Seit 2016 ist sexuelle Belästigung (vom Betroffenen als belästigend empfundenes Berühren „in sexuell bestimmter Weise“) in Deutschland eine Straftat (§ 184i StGB).
@ O.Punkt
Sexuelle Belästigung ist in § 184i StGB aufgeführt und so mithin eine Straftat. Das Verhalten des GM Kurczyk ist, wenn die Berichte sich bewahrheiten, von diesem Tatbestand abgdeckt.
Soweit ich weiß ist dieser Paragraf 2016 in das StGB aufgenommen wurden und sollte seit dem von den Einleitungsbehörden aufgegriffen werden und es natürlich auch disziplinare Konsequenzen geben.
In dem Sinne muss ich Ihren Post richtigstellen.
„Gott sei Dank wurde ich pensioniert, bevor es befohlen wurde.“
@Pio-Fritz
Solche Sätze wie der obige, den Sie sich offenbar zumindest bewusst oder unbewusst durch Wiederholung zueigen machten, impliziert eben dieses ständige „Geraune“ von „rechts“. Wenn Sie in Ruhe gelassen werden wollen, dann kommentieren Sie nicht mit solchen provokanten Äußerungen.
Es ist schlicht nicht mehr strafbar und das ist gut so. Ein „bevor es befohlen wurde“ ist nichts anderes alles dummes rechtes Stammtischgequatsche. offensichtlich wurde „schwul sein“ meines Wissens bis zum heutigen Tage nicht befohlen und selbst wenn man grammatikalisch die korrekte Form der Befürchtung einiger „besorgten Bürger“ für die Zukunft „…, bevor es befohlen wird.“ nehmen würde, zeigt das deutlich in welcher Scheinblase man lebt, in der man sich fürchtet vor einem Befohlenem schwul sein.
PS: OT aber Bargeld wird auch nicht abgeschafft, Impfungen funktionieren meist sehr gut und der Bevölkerungstausch ist auch noch nicht geplant – noch nicht ;)
Nach kurzer Durchsicht der neuen Vorschrift, werden hier – im Prinzip – nur die zivilen Vorschriften, die sich aus der DSGVO und der aktuellen Rechtsprechung ergeben, in eine militärische Vorschrift umgesetzt.
Löblich, aber nicht notwendigerweise „der große Wurf“.
Ob es im Umgang mit, von und für Menschen, wie OTL Biefang grundsätzlich eine Verbesserung darstellt, lasse ich bewusst außen vor, denn hier maße ich mir weder ein Urteil, noch eine Grundkompetenz an, aber hier wird „Geschlecht“ auch in Uniform sichtbar.
Im allgemeinen sind wir aber eher beim „don’t ask – don’t tell“, wie hier schon ausgeführt, bewegen wir uns weiter in einer Grauzone zwischen „Privatssphäre“ (DSGVO) und „öffentliches Bild in der Gesellschaft“ (§§ 10 ff SG)
Es bleibt also spannend, auch wenn ich der festen Überzeugung bin, dass die Gesellschaft schon weiter ist, als diese Verordnung.
@Dominik sagt: 28.09.2023 um 14:42 Uhr
Ach wissen Sie, interpretieren Sie doch da rein, was Sie wollen. Offensichtlich muss man das heute nicht nur tolerieren, sondern auch noch gut finden, damit alle politisch korrekt ist. Da bin ich dann raus.
So und jetzt genug des OT´s, es gibt ja schließlich auch noch heterosexuelle Beziehungen.
[Bitte nicht die Debatte auf dieses Niveau runterziehen. Danke. T.W.]
Schön, dass hier endlich mal alte Zöpfe abgeschnitten werden:
„Einbruch in die Kameradenehe“ klang schon immer antiquiert und erinnerte mich an eine Zeit in der man bei so einem Vorkommnis ein Duell anstreben, oder sich selbst eine Kugel durch den Schädel jagen musste. Solche Regelungen stammen wohl noch aus einer Zeit, als Ehefrauen allenfalls als Anhängsel ihres Mannes und nicht als eigenständige Persönlichkeiten betrachtet wurden.
Ansonsten kommen Beziehungen innerhalb der Bundeswehr wie in jeder anderen Firma vor. Das ist die Realität und daran müssen sich Regelungen orientieren. Beziehungen und Sexualität sind grundsätzlich erst einmal Privatsache, solange alles einvernehmlich, ohne Druck und Auswirkungen auf den Dienstbetrieb stattfindet.
Wenn sich aus so etwas Interessenskonflikte ergeben, dann gibt es genügend Mittel, diese aufzulösen. Das bringt dann vielleicht Veränderungen mit sich, wenn Unterstellungsverhältnisse aufgelöst werden müssen, aber nichts ist umsonst im Leben. Immer noch besser als die Probleme die es mit sich bringt, wenn Chef und Vorzimmersoldat miteinander liiert sind und dazu noch ein Unterstellungsverhältnis besteht.
Was die Verfolgung sexueller Belästigung angeht kann ich nur sagen, dass es Zeit wird, dass dies deutlicher formuliert wird. Ohne Frauen kann die Bundeswehr ihren Laden dicht machen und die Zeiten in der testorsterongesteuerte Kerle ihre Männlichkeit durch zotige Sprüche unter Beweis gestellt haben sollten auch langsam der Vergangenheit angehören. Die Achtung vor dem Kameraden, gleich welchem Geschlecht, gebietet es ihm mit Achtung zu begegnen. Sexistische oder homophobe Sprüche und Grabschereien und andere sexuelle Übergriffe sind unkameradschaftlich und zeugen von einem miesen Charakter. Solche Leute haben in der Bundeswehr aus meiner Sicht nichts mehr zu suchen, auch wenn solche Sprüche früher wohl an der Tagesordnung waren. wird man hier nicht tätig, dann wird die Attraktivität der Bundeswehr als Arbeitgeber sicher nicht besser. Wer will schon in einem Laden dienen, in dem Frauen Freiwild sind? Da hätte ich auch als Mann keinen Bock drauf.
@PioFritz
Man fragt sich warum Sie Homosexualität gleich zweifach zum Thema machten.
Ich gebe Ihnen natürlich Recht, dass das Thema Beziehung in der BW wohl irrelevant sein dürfte, 2 Soldaten die sich in der BW lieben lernen, wären wohl seltener als ein Sechser im Lotto.
Dass Sie die Problematik Ihres Spruchs nicht verstehen…geschenkt…
Zum Punkt „Einbruch in die Kameradenehe“: „Wo die Liebe hinfällt …“
Und dennoch: ein Kamerad / eine Kameradin ist eben mehr als ein Kollege, ihm / ihr muß ich quasi bedingungslos vertrauen und ggf. mein Leben in seine / ihre Hand geben können, schmalzig gesagt, und zwar unabhängig ob ich den Soldaten / die Soldatin kenne oder nicht.
Ich zitiere §12 SG – Kameradschaft
„Der Zusammenhalt der Bundeswehr beruht wesentlich auf Kameradschaft. Sie verpflichtet alle Soldaten, die Würde, die Ehre und die Rechte des Kameraden zu achten und ihm in Not und Gefahr beizustehen. Das schließt gegenseitige Anerkennung, Rücksicht und Achtung fremder Anschauungen ein.“
Das ist aber heute wohl im Kern nicht mehr so wichtig.
Na, da sind wir seit vergangenem Wochenende ja nun um eine Facette reicher nach dem Kussversuch des (laut RND) wohl alkoholisierten Herrn General Kurczyk bei den Invictus Games.
Damit wird der Bereich „Freiwild“ auch um die männliche Seite schlagartig erweitert bzw. zurück ins Bewusstsein gerufen, denn es gab schon derartige Fälle in der „frauenlosen“ Vergangenheit der Bw, in denen militärische Vorgesetzte sexuelle Abhängigkeitsverhältnisse zu Unterstellten aufbauten und auslebten.
Mir persönlich ist so ein Fall aus Hannoversch-Münden bekannt.
Auch die katholische Kirche „verschob“ aufgefallene pädophile Priester bewusst in die Militärseelsorge.
Derartiges wurde aber meistens aus der Öffentlichkeit herausgehalten.
@ Dominik 28.09.2023 um 14:42 Uhr
Irgendwie seltsam: Sie propagieren „Toleranz“, reklamieren unbewusst für sich „aufgeklärt“ zu sein ( woke?) und politisieren dann eine Aussage von Pio- Fritz als „rechts“.
Ist denn somit der Standpunkt Pio- Fritz, wie Sie am Ende dann den Bogen schlagen, „AfD-nah“ um nicht zu sagen „Höcke- affin“ ( denn dessen Vokabular benutzen Sie ja.) nur weil er skeptisch ist, wieviel sexualisierte Debatte und Öffnung man gewöhnlicher Truppe zumuten sollte?
Sie sollten an Ihrem Diskussionsstil arbeiten; ist in dieser Form dogmatisch, schubladengleich und kommt daher auch bei mir nicht gut an.
@Mediator
Die Bundeswehr kann man in diesem Punkt nicht mit beliebigen anderen Unternehmen vergleichen. Wenn das, was die Bundeswehr „Einbruch in die Kameradenehe“ nennt, bei einem normalen Unternehmen geschieht, kann der Betroffene sich z.B. krank melden und sich Zeit nehmen, um das Problem zu verarbeiten. Im Auslandseinsatz geht das nicht, und der Betroffene verfügt hier zusätzlich noch über eine Schusswaffe. Die Konsequenzen solchen Verhaltens sind daher andere als im zivilen Leben, weshalb der Einbruch in die Kameradenehe ein ernstes Problem darstellt.
„Sexistische oder homophobe Sprüche“ stellen nicht in jedem Fall sexuelle Belästigung im Sinne des Gesetzes dar, sind in der Bundeswehr aber ein reales Problem. Dieses ist nach meinem Eindruck durch entschlossenes Handeln und Wahrnehmen der Vorbildfunktion durch militärische Führer erfolgreich kontrollierbar. Der Hintergrund ist jedoch nicht „rechtes Stammtischgequatsche“, wie Dominik meint. Meist sind es jüngere, unreife, in ihrer sexuellen Identitätsbildung unzureichend gefestigte Soldaten, die sich so äußern. Über die psychologischen Hintergründe dieses Verhaltens hat sich das ZMSBw einmal in einer Studie indirekt geäußert. Vor allem bei homophoben Äußerungen liegt das Motiv offenbar auch darin, dass die Verantwortlichen eine Neigung zu dem haben, was die Psychologen „situative Homosexualität“ nennen. Sobald man das Soldaten erklärt, hören die homophoben Sprüche auf.
@Pio-Fritz
“ Offensichtlich muss man das heute nicht nur tolerieren, sondern auch noch gut finden, damit alle politisch korrekt ist. Da bin ich dann raus.“
Sie haben da vielleicht etwas falsch verstanden. Sie müssen Homosexualität nicht gut finden oder gar selbst konvertieren, aber ja, sie müssen sie da tolerieren, wo auch Heterosexualität toleriert werden muss. Heißt, zu den Zeiten und Orten wo sich Frauen und Männer küssen dürfen, dürfen sich auch Männer küssen. Und sie dürfen dann niemanden deswegen benachteiligen, weil sie den Anblick aushalten mussten. Ihr Kommentar klingt aber schon stark danach, dass sie das tun würden.
Aber übrigens geht sexuelle Belästigung natürlich auch andersherum, denn analog zum Fußball und der gemeinsamen Dusche scheinen die Befürchtungen ähnlich zu sein – heißt wenn jemand einem Kameraden auf den Po klatscht, kann das genauso eine sexuelle Belästigung und Straftat sein. Aufdringliche und übergriffige Homosexuelle gibt es natürlich genauso, wie es übergriffige Heterosexuelle gibt. Und beides ist einfach nicht akzeptabel.
Und ansonsten empfinde ich auch stark Verwunderung darüber, dass jetzt Beziehungen zwischen Vorgesetzten und Untergebenen einfach so ok sein sollen? Das birgt arg viel Missbrauchspotential bei dem Machtgefälle. Und grundsätzlich verbieten würde ich es zwar nicht, aber Meldepflicht und baldmögliche Versetzung sollten schon Standard sein.
@Pio Fritz
Vielleicht sollte man einfach gut finden, dass jeder in DE so leben kann wie er möchte (idealisiert, weil ist noch lange nicht so)
@Herr Hagen
Sie müssen mich nicht belehren, wie ich latent homophobe Äußerungen einordne. Sie können das gerne für Links halten. Im übrigen sprach ich von Rechts, nicht rechtsextrem. Aber Gegenwind von „Rechts“ halte ich schon standardmäßig aus.
@Cecil
Interessant wieder was gelernt. Nur dürfte „Junge Männer“ weder auf Piofritz noch auf den zitierten Oberstabsfeldwebel zutreffen, letztere waren zu meiner BW Zeit immer die mit den grauweißen Bärten…
Nachdem fast alles gesagt wurde, noch eine Anmerkung und eine Vorhersage. @lukan: Treffer! Wenn ich über dreißig Jahre in Diensten (Bund/Land) überschaue, dann habe ich sexualisiertes Fehlverhalten in allen Konstellationen (homo/hetero) erlebt, teilweise mit massiven Auswirkungen auf den Dienst. Einen schwulen Spieß. der gezielt mit den Rekruten duschte und sie im Schlaf beobachtete, einen Oberst, der Familienphotos in den Dienstzimmern der Untergebenen obszön kommentierte, wenn dort attraktive Ehefrauen oder Töchter zu sehen waren, eine Behördenleiterin, die sich eine Referendarin „aussuchte“, einen Biologielehrer, der Schülerinnen „Privatberatung“ zum Sexualleben gab … schlimmster Fall der öffentliche (!) Suizid eines des Missbrauchs von Jungen überführten beschuldigten Behördenleiters. ABER: Unendlich viele Kameraden und Kameradinnen, die überhaupt kein Gewese aus ihrer sexuellen Orientierung gemacht haben und nur den Menschen und Kameraden/Kameradin gesehen haben und nicht das sexuelle Gegenüber! Und hier sehe ich auch den Kern des § 12 Soldatengesetz. Kamerad-in, nicht Sexualobjekt. Meine Prognose: Das wird viel Ärger geben, weil recht vage die Individualität und Sexualität über die Kameradschaft gestellt wurde… Warten wir es ab.
@Thomas Melber
Kameradschaft ist fraglos wichtig.
Ein „Einbruch in die Kameradenehe“ (ziemlich sexistische Benennung aus einem antiquierten Weltbild heraus) jedoch verletzt weder die Würde, noch die Ehre, noch die Rechte eines Kameraden im Sinne des Wehrrechtes.
Thomas Melber sagt: 28.09.2023 um 18:20 Uhr
„Zum Punkt „Einbruch in@Zum Punkt „Einbruch in die Kameradenehe“: „Wo die Liebe hinfällt …“
Und dennoch: ein Kamerad / eine Kameradin ist eben mehr als ein Kollege, ihm / ihr muß ich quasi bedingungslos vertrauen und ggf. mein Leben in seine / ihre Hand geben können“.
Das toxische Beziehungskisten im unmittelbaren Arbeitsumfeld nie gut sind, ist doch unbestritten. Die Frage ist doch lediglich, ob dies Privatsache ist oder den Arbeitgeber etwas angeht, bis hin zu strafrechtlciher, bzw. disziplinarischer Verfolgung.
„Ich zitiere §12 SG – Kameradschaft
„Der Zusammenhalt der Bundeswehr beruht wesentlich auf Kameradschaft. Sie verpflichtet alle Soldaten, die Würde, die Ehre und die Rechte des Kameraden zu achten…“
Welche RECHTE hat denn mein Kamerad am exklusiven Beischlaf mit seiner Ehegattin oder umgekehrt?
Da ist die Gesellschaft ja inzwischen deutlich weiter was den Begriff der Selbstbestimmung angeht, als man es zur Gründungszeit der Bundeswehr war.
@Mediator
Die Ehepartner geben einander das Versprechen der bedingungslosen gegenseitigen Treue. Ob die Gesellschaft diesbezüglich „weiter“ ist und solche Versprechen nicht mehr achtet, kann für Soldaten kein Maßstab sein und spricht in jedem Fall nicht für diese Gesellschaft. Wer sich als Soldat daran beteiligt, solche Treueversprechen zu brechen, verhält sich nicht nur unkameradschaftlich, sondern auf allgemeine Weise ehrlos und gehört konsequent geächtet. Wie soll jemand glaubwürdig für seine Treueversprechen als Soldat einstehen können, wenn er das Treueversprechen im Rahmen der Ehe seiner Kameraden nicht achtet?
[Nur mal als Hinweis: Ihre Meinung ist Ihre Meinung; dass Sie Ihre (Moral)Vorstellungen zur allgemein verbindlichen und verpflichtenden Regel erheben wollen (auch in anderen Kommentaren), kommt hier glaube ich nicht so gut an. Lassen Sie es also einfach. T.W.]
@Cecil
Schauen Sie gerne in den § 1312 BGB
„Der Standesbeamte soll bei der Eheschließung die Eheschließenden einzeln befragen, ob sie die Ehe miteinander eingehen wollen, und, nachdem die Eheschließenden diese Frage bejaht haben, aussprechen, dass sie nunmehr kraft Gesetzes rechtmäßig verbundene Eheleute sind.“
Alles andere (bedingungslose Liebe/Treue) ist persönlich verhandelbar, gilt aber nicht als allgemein gültig innerhalb der deutschen Gesellschaft.
Der Teil eine Heirat, der nicht im Standesamt erfolgt, hat nur symbolischen Wert für die Allgemeinheit, wenn auch für die einzelnen Personen manchmal deutlich mehr Gewicht, als die formale Heirat nach dem Gesetz.
Auweia! Was so der ein oder andere Kommentator unabsichtlich über sich selbst erzählt. ;-) Danke für diese Einblicke.
Letztens las ich, dass es bei den antiken Griechen ganz normal war, dass ältere Herren mit jüngeren Männern (Jünglingen) homoerotische Beziehungen eingingen und (!) gleichzeitig die Ehe mit ihrer Frau führten. Getuschelt wurde wohl eher, wenn jemand diese gesellschaftlichen nicht pflegte.
Ich sag das nur, weil diese älteren Herren damals die begrifflichen Grundlagen legten, die sich durchaus noch heute in unseren Moral- und Tugendvorstellungen widerspiegeln.
Fazit: Die Zeiten (und zugehörige Sexualvorstellungen) ändern sich und das tun sie zum Leidwesen aktuell lebender Moral- und Tugendwächter auch heute noch. Seien Sie doch einfach „zeitgemäß“ und bleiben „in progress“. ;-)
„Herz“liche Grüße
@T. Wiegold
Mit Moralvorstellungen hat das wenig zu tun. Es geht um Integrität bzw. um die Frage, wie zuverlässig jemand, der im Privaten in scheinbar geringen Dinge keine Integrität zeigen will, unter den Extrembedingungen, die mit dem Beruf des Soldaten mit sich bringen wird, integer handeln soll
Es liegt sehr umfangreiche psychologische Forschung z.B. darüber vor, wer sich an Kriegsverbrechen beteiligt, und wer solche Beteiligung verweigert oder unterbindet. Die Masse der an Verbrechen beteiligten Personen sind zumindest im westlichen Kulturkreis unter Normalbedingungen eher unauffällige Personen, die ihr Handeln vor allem danach ausrichten, was ihnen gerade als angenehm oder nützlich erscheint. Wenn sie dieses Verhalten im Extremfall zeigen, können die Folgen entsprechend extrem sein. Die Sanktionierung des Einbruchs in die Kameradenehe und andere scheinbar altmodische Regeln wurden in der Bundesrepublik von Menschen eingeführt, die persönlich erlebt hatten, wohin ein Mangel an Integrität führen kann. Manche Konzerne erleben das gerade (auf weit weniger dramatische Weise) ebenfalls und verschärfen ihre Verhaltensregeln daher, anstatt sie zu lockern.
[„Einbruch in die Kameradenehe“ am Beispiel Kriegsverbrechen erläutern – ganz großes Kino. Ich denke, wir lassen das jetzt. T.W.]
@Cecil
Und wenn das Paar andere Vorstellungen hat wie Lord und Lady Mountbatten oder eine feste Beziehung mit mehreren Partnern
An alle, die irriger Weise die Bundeswehr mit der massiven Liberalisierung im Trend der Zeit sehen: Schulgesetz Rheinland-Pfalz, Paragraph 25 Absatz (3): „Das zwischen den Lehrkräften und den Schülerinnen und Schülern einer Schule bestehende Obhutsverhältnis verpflichtet Lehrkräfte zu einem verantwortungsvollen und vertrauensvollen Umgang mit Nähe und Distanz; sexuelle Kontakte zwischen Lehrkräften und Schülerinnen oder Schülern sind mit dem staatlichen Bildungs- und Erziehungsauftrag unvereinbar und daher unzulässig. Dies gilt auch für das sonstige Personal (!) in der Schule.“ … Das bedeutet, dass jegliche Beziehung – auch zu Volljährigen – rechtswidrig ist. Damit ist sogar abgedeckt, wenn ein Student als Vertretungslehrer etwas mit einer volljährigen Schülerin anfängt, die er selbst garnicht unterrichtet! Wie oben schon geschrieben: in diese Richtung gehen auch immer mehr Unternehmen und ergänzen bzw. weiten ihre Compliance Richtlinien auf diesen Bereich aus. Daher bleibt meine Verwunderung.
@all
Der eine erklärt den „Einbruch in die Kameradenehe“ am Beispiel von Kriegsverbrechen, der andere führt als Beleg das Schulgesetz (!) von Rheinland-Pfalz an. Welches Bild der Bundeswehr und ihrer Soldaten und Soldatinnen soll hier vermittelt werden und ist das schon PsyOps?
Lieber Herr Wiegold, keine PsyOps, sondern Rechtsgeschichte. Die Rechtsstellung des Soldaten und der Schüler in einer Schule waren historisch BEIDE als „besondere Gewaltverhältnisse“ eingeordnet, zum Beispiel mit Grundrechtseinschränkungen und besonderen Rechten für Lehrkräfte bzw. Vorgesetzte. Heutzutage ist der richtige Begriff „Sonderrechtsverhältnis“ und Vieles wurde abgemildert, aber der Kern der Vergleichbarkeit bleibt bestehen: Menschen haben Macht über andere, in der Regel unterlegene, Menschen. Mein Hinweis bezog sich nicht auf die Liebe zweier Oberstabsgefreiter, sondern eben auf „Liebe“ mit Machtgefälle.. Und Machtgefälle soll es in einer Armee ja hin und wieder geben. So. das war jetzt auch mein letzter Kommentar zu diesem Thema.
Windlicht sagt: 29.09.2023 um 20:48 Uhr
„‚Liebe‘ mit Machtgefälle“
Auweia.. Also wenn, dann richtig. Der hier nötige „Machtausgleich“ zwischen z.B. Mann und Frau wird in unserer Gesellschaft seit längerem unter dem Stichwort „Gleichstellung/Gleichberechtigung“ erarbeitet. Was anderes als dieses allgemeine zwischenmenschliche Machtgefälle können Sie vernünftigerweise gar nicht meinen, da Ihnen sicherlich aufgefallen ist, dass unsere gesamte Gesellschaft (und nicht nur Militär und Schule) von verschiedensten Machtverhältnissen durchwoben ist.
Ihre sexualitätsunterbindende „Menschen-haben-Macht-über-Menschen-Logik“ führt sonst unweigerlich in einen fatalen selbstinitierten Aussterbeprozess..
Bestimmte Details des Privatlebens können Menschen erpressbar machen. Geheimdienste wissen das.