Kiffen ist nicht Saufen: Keine Cannabis-Legalisierung für Soldaten geplant (Nachtrag)

Wenn in der kommenden Woche das Bundeskabinett das geplante Gesetz zur Legalisierung von Cannabis billigt, wird aller Voraussicht nach eine Berufsgruppe ausgenommen sein: Der Gesetzentwurf des Bundesgesundheitsministeriums sieht vor, dass die Regelungen zum straffreien Besitz und Konsum von Haschisch oder Marihuana ausdrücklich nicht für Soldatinnen und Soldaten gelten sollen. Bereits jetzt macht die Bundeswehr grundlegende Unterschiede zwischen dem Konsum von Alkohol und Cannabisprodukten.

Die Details dazu finden sich in den Paragraphen 3 und 5 des neuen Gesetzes zum kontrollierten Umgang mit Cannabis. Dort heißt es zwar: Personen, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, ist der Besitz von bis zu 25 Gramm Cannabis zum Eigenkonsum erlaubt. Ebenso wird nur Personen unter 18 Jahren der Konsum untersagt. Beide Paragraphen enthalten aber die Ausnahmeregelung: Beschränkungen des Besitzes/Konsums von Cannabis für Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr aufgrund dienstrechtlicher Vorschriften bleiben unberührt.

Soldat*innen sind – nach dem derzeitigen Gesetzentwurf – die einzige Berufsgruppe, für die die Freigaben des Gesetzes eingeschränkt werden. Die Ausnahmeregelungen kamen nach Angaben des Verteidigungsministeriums auf Wunsch des Wehrressorts in den Gesetzestext. Im Gesetz selbst wird das so begründet:

Im Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung gibt es berufliche Tätigkeiten, bei denen gewichtige Gründe für Beschränkungen des Cannabisbesitzes zum Zweck der Berauschung vorliegen, zum Beispiel bei Personal, das Umgang oder Zugang zu Waffen und Waffensystemen aller Art oder Gerätschaften, die bei nicht sachgemäßer Führung eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben begründen können, hat. Zur Aufrechterhaltung der Einsatzbereitschaft der Truppe und der militärischen Ordnung haben der Bundesminister der Verteidigung sowie Vorgesetzte auf der Grundlage dienstrechtlicher Vorschriften das Recht, den ihnen unterstellten Soldatinnen und Soldaten Beschränkungen in Bezug auf
den Besitz und den Konsum von Cannabis aufzuerlegen. Diese Rechte werden durch das vorliegende Gesetz nicht berührt.

Die Dienstvorschriften der Bundeswehr sind bereits in der derzeitigen Situation, in der Cannabis in Deutschland weitgehend illegal ist, schärfer gefasst als die geltenden gesetzlichen Regelungen. Vor allem wird der Konsum von Haschisch und Marihuana grundsätzlich anders bewertet als Alkoholkonsum. Die Zentrale Dienstvorschrift A-2160/6 macht in Abschnitt 1.29 (Missbrauch von Betäubungsmitteln) eindeutige Vorgaben:

Besondere Gefahren birgt der Missbrauch von Betäubungsmitteln im Bereich der Streitkräfte, insbesondere beim Umgang mit Waffen, Munition, Fahrzeugen und anderem Gerät. Wegen der möglichen Auswirkungen auf Gesundheit und psychische wie physische Einsatzbereitschaft der betroffenen Soldatinnen oder Soldaten ist hier über die Regelungen des Betäubungsmittelgesetzes hinaus jeglicher Konsum von Betäubungsmitteln in und außer Dienst verboten. Dies gilt auch für die so genannten,,weichen“ Drogen wie beispielsweise Marihuana und Haschisch.
Auch nach neuen wissenschaftlichen Untersuchungen setzt der Konsum von Cannabis die Wahrnehmungs-, Konzentrations- und Reaktionsfähigkeit herab, er beeinträchtigt die Raum-Zeit- Orientierung, die Denkfähigkeit und das Kurzzeitgedächtnis und kann Angstzustände sowie depressive oder paranoide Reaktionen auslösen. Dauerkonsum kann zu Demotivation, Lethargie, affektiven Störungen, Verlust des Empfindens für berufliche und soziale Verpflichtungen und zumindest zu einer psychischen Abhängigkeit führen. Vor allem bei jungen Menschen können Wesensveränderungen mit Vernachlässigung persönlicher Belange bis hin zum Verlust der Leistungsfähigkeit die Folgen von Betäubungsmittelkonsum sein.
Ein akuter Cannabis-Rausch schließt die Fähigkeit zu jedem dienstlichen Einsatz aus. Aber auch nach Abklingen der durch nur einmaligen Konsum hervorgerufenen Rauschsymptome ist nicht auszuschließen, dass es nach einem symptomfreien Intervall zum Wiederaufflammen einer Rauschwirkung kommt (sog. Echorausch, Flashback), sodass der Eintritt eines die Fahrtauglichkeit und andere Leistungsfähigkeiten mindernden oder ausschließenden Rauschzustandes für die Cannabis-Konsumentinnen oder Cannabis-Konsumenten nicht mehr beherrschbar wird. (…)
Daher ist auch der Cannabis-Konsum außerhalb der Dienstzeit – anders als beim Alkoholrausch – eine solche Dienstpflichtverletzung.

Nun sollen, auch das hat das Verteidigungsministerium angekündigt, nach einem Inkrafttreten des Gesetzes zur Legalisierung von Cannabis die dienstrechtlichen Vorschriften überprüft werden. Interessant wird die Frage, ob bei einer Freigabe des Konsums für die Gesellschaft das Verbot für Soldatinnen und Soldaten auch für ihre Freizeit dauerhaft Bestand haben wird.

Nachtrag: Leser haben mich darauf hingewiesen, dass es bereits im vergangenen Dezember zu der geplanten Regelung eine Stellungnahme aus dem politischen Bereich gab, die offensichtlich etwas untergegangen ist. Die FDP-nahen Liberalen Soldaten und Veteranen hatten dazu einen Beschluss veröffentlicht – in Auszügen:

Wie bei Tabak oder Alkohol, muss ein gemäßigter und verantwortungsvoller Konsum von Cannabis auch für Angehörige der Streitkräfte möglich sein. Gleichzeitig braucht es klare Regeln für den Konsum in den Streitkräften, die den Anforderungen an den Dienstbetrieb, insbesondere im Umgang mit Waffensystemen, gerecht werden.
Wir sprechen uns für praxistaugliche Regelungen für den Umgang mit Cannabis in der Bundeswehr aus. Hierzu sollten Erfahrungen von verbündeten Staaten wie Kanada genutzt werden. Die Bundeswehr braucht bereits im Vorfeld der Legalisierung klare Regeln, um sowohl den Konsumentinnen und Konsumenten als auch den Vorgesetzten Handlungssicherheit zu geben. (…)
Auch als Passivkonsument von Cannabis kann es neben der Geruchsbelästigung zu körperlichen Einschränkungen kommen. Daher halten wir es für begründet, für Soldatinnen und Soldaten grundsätzliche Einschränkungen zu treffen:
KEIN Konsum von Cannabisprodukten (Rauchen, Inhalieren, Essen, Trinken, usw.)
– während des Dienstes oder mindestens acht Stunden davor
in Liegenschaften, Fahrzeugen, Flugzeugen, Schiffen oder Booten der Bundeswehr, unabhängig davon ob innerhalb oder außerhalb des Dienstes
– während Übungen oder Einsätzen im In- und Ausland
– 24 Stunden z.B. vor Umgang mit Waffen, Sprengmitteln, Waffensystemen, geschützten bzw. Sonderfahrzeugen, Gefahrstoffen, Selbst- und Brandschutzausrüstung, anderer (militärischer) Spezialausrüstung, Verschlusssachen (ab VS-VERTRAULICH bzw. PersDat 3), Arbeit an/mit Patienten oder vor Dienst mit besonderer Außenwirkung (z.B. Protokolldienst)
Die Ermöglichung des Cannabis-Konsums für Angehörige der Bundeswehr sollte zudem wissenschaftlich begleitet werden. Ein verantwortungsvoller Konsum kann nur erreicht werden, wenn mit zielgruppengerechten Aufklärungs- und Präventionskampagnen ein Missbrauch reduziert bzw. vermieden wird.
Spätestens mit der Legalisierung von Cannabis für Privatpersonen darf der Nachweis von Cannabinoiden wie THC oder deren Abbauprodukten im Urin, Blut oder den Haaren bei der “Musterung” kein grundsätzliches Ausschlusskriterium darstellen.

(Hinweis 1: Ich hatte diese Meldung für den Security.Table aufgeschrieben, an dem ich mitarbeite. Angesichts des Interesses daran hier eine Fassung mit ausführlicheren Zitaten aus den geltenden Regelungen.
Hinweis 2: Auch das scheint mir ein emotional besetztes Thema – ich bin für eine sachliche Debatte dankbar)

(Archivbild: Hanfpflanze – Thomas Trutschel/photothek.de)