Nach Militärputsch in Niger: Keine Klarheit über die Folgen (Zusammenfassung)

Im Sahel-Staat Niger hat das Militär die Macht übernommen; die Folgen für das Land und dessen internationale Zusammenarbeit bleiben aber vorerst unklar. Nach der Festsetzung des Präsidenten durch eine Eliteeinheit erklärte der Generalstab der Streitkräfte seine Unterstützung für den Putsch. Die Landesgrenzen und der Flughafen wurden geschlossen. Davon ist auch die Bundeswehr betroffen, die über die Hauptstadt Niamey ihren Abzug aus der UN-Mission im benachbarten Mali organisiert.

Am (gestrigen) Mittwoch hatte die Präsidentengarde das Staatsoberhaupt Mohamed Bazoum in seinem Palast festgesetzt und am Abend im Fernsehen erklärt, die Macht übernommen zu haben. Am (heutigen) Donnerstag stellte sich der Generalstab der Streitkräfte auf die Seite der putschenden Offiziersgruppe:

Die militärische Führung der nigrischen Streitkräfte, die sich aus dem Generalstabschef der Streitkräfte und den Stabschefs zusammensetzt, hat nach einer Sitzung am 26. Juli 2023 aus folgenden Gründen beschlossen, die körperliche Unversehrtheit des Präsidenten der Republik und seiner Familie zu wahren, eine tödliche Konfrontation zwischen den verschiedenen Streitkräften zu vermeiden, die über diese hinaus ein Blutbad verursachen und die Sicherheit der Bevölkerung beeinträchtigen könnte. Aufgrund des Bestrebens andererseits, den Zusammenhalt innerhalb der Verteidigungs- und Sicherheitskräfte zu bewahren, haben sie beschlossen, die Erklärung der Verteidigungs- und Sicherheitskräfte zu unterzeichnen.

Unklar blieb am Donnerstag allerdings weitgehend, was die Gründe und Ziele der Putschisten sind und inwieweit sie Unterstützung in der Bevölkerung haben. Auch die zuständigen Ressorts der Bundesregierung in Berlin – Auswärtiges Amt, Verteidigungsministerium und Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit – konnten dazu in Unterrichtung der Abgeordneten in den entsprechenden Bundestagsausschüssen keine konkreten Angaben machen, wie Teilnehmer der Sitzung berichteten. Telefonate von Bundeskanzler Olaf Scholz mit dem Präsidenten und Außenministerin Annalena Baerbock mit ihrem nigrischen Kollegen Hassoumi Massoudou brachten offensichtlich keine Klarheit. Nach dem Gespräch ging Baerbock offensichtlich davon aus, dass weiterhin eine politische Lösung der Situation möglich ist:

Dass sich in Niger jetzt Militärs an die Macht putschen wollen, ist ein Schlag ins Gesicht der vielen Nigrerinnen und Nigrer, die in den letzten Jahren so viel dafür gegeben haben, dass ihr Land eine bessere Zukunft hat.
Ich habe heute mit meinem nigrischen Amtskollegen Hassoumi Massoudou telefoniert und unsere volle Unterstützung für die demokratische Entwicklung Nigers deutlich gemacht. Dazu gehört auch die umgehende Freilassung von Präsident Bazoum.
Zudem habe ich unterstrichen, dass die Bemühungen der Regionalorganisation ECOWAS sowie der Afrikanischen Union, eine Rückkehr zur verfassungsmäßigen Ordnung zu erreichen, die volle Unterstützung Deutschlands und Europas haben.

Der Staatsstreich trifft Deutschland wie andere westliche Länder in ihrem Bemühen, Niger als letztes Land der Sahel-Zone mit einer demokratisch gewählten Regierung zum Kooperationspartner im Kampf gegen islamistischen Terrorismus und Menschenschmuggel zu machen. In benachbarten Staaten, insbesondere in Mali und Burkina Faso, waren durch Putschs an die Macht gelangte Militärregierungen in den vergangenen Jahren zunehmend auf Konfrontationskurs zu westlichen Staaten gegangen. Als vorerst schwerste Auswirkung hatte Mali ein Ende der UN-Mission MINUSMA erreicht und den Abzug der Blauhelme bis zum Jahresende durchgesetzt.

Die Bundeswehr, die mit noch knapp 1.000 Soldatinnen und Soldaten an MINUSMA beteiligt ist, muss durch das von den Putschisten verfügte Flugverbot für den Flughafen der Hauptstadt Niamey Auswirkungen auf ihre Planung für den Abzug aus Mali befürchten. Der Lufttransportstützpunkt auf dem Airport ist zentrale Drehscheibe für den Abtransport vor allem des schweren Geräts wie Transportpanzer aus dem Bundeswehr-Standort Gao im Norden Malis.

Während der Personaltransport mit den A400M-Transportern der Luftwaffe direkt aus und nach Deutschland möglich ist, können die gecharterten größeren Transportflugzeuge für das Material in Gao aus technischen Gründen nicht mit vollen Treibstofftanks starten und müssen auf dem Weg nach Europa erneut betankt werden. Das geschah bislang in Niamey. Aktuell ist in Hinweisen für die Luftfahrt (Notice to Airmen, NOTAM) eine Sperrung des Flughafens der nigrischen Hauptstadt bis zum 4. August angekündigt; wie lange sie tatsächlich dauert, ist bislang unklar.

Auf die Sicherheit der Bundeswehr scheint allerdings das Geschehen in Niamey bislang keinen Einfluss zu haben. Die deutschen Soldatinnen und Soldaten, auch zwei Stabsoffizieren der neuen – und jetzt möglicherweise obsoleten – EU-Partnerschaftsmission im Niger sind überwiegend im gesicherten Bereich des Lufttransportstützpunktes untergekommen.

In Niger sind nach einem Bericht der Nachrichtenagentur AP zudem rund 1.000 US-Soldaten stationiert; unter anderem betreiben sie einen Drohnen-Stützpunkt nahe der Stadt Agadez. Wie sich die Entwicklung auf diesen Einsatz auswirkt, ist ebenfalls offen.

(wird ggf. ergänzt)

(Archivbild 2019: Unterkunftscontainer des deutschen Lufttransportstützpunkts auf dem Flughafen Niamey)