Bundeswehr-Generalinspekteur fordert von Streitkräften: „Gewinnen wollen. Weil wir gewinnen müssen“ (m. Redetext)
Der Generalinspekteur der Bundeswehr, Carsten Breuer, hat in einer Grundsatzrede gefordert, dass sich die Streitkräfte in ihrer mentalen Ausrichtung auf das Ziel einstellen müssen, einen Krieg zu gewinnen. Die alte Formel Kämpfen können um nicht kämpfen zu müssen reiche nicht mehr, sagte Breuer bei einer Zeitenwende-Veranstaltung der Münchner Sicherheitskonferenz am (heutigen) Donnerstag in Berlin. Das Ziel müsse jetzt sein: Gewinnen wollen. Weil wir gewinnen müssen.
Zwar müsse die Bundeswehr auch weiterhin gleichzeitig auf Landes- und Bündnisverteidigung wie auf Auslandseinsätze zum so genannten Internationalen Krisenmanagement eingestellt sein, betonte der oberste deutsche Soldat. Gerade die Landes- und Bündnisverteidigung müsse aber die ganze Gesellschaft neu denken: Neben kriegstüchtigen Streitkräften gehöre dazu die Resilienz von Gesellschaft, Politik und auch Industrie.
Mit der Forderung nach einem Eintreten mit der Bundeswehr gemeinsam für die Freiheit und Sicherheit unseres Landes strebe er aber nicht die Wiedereinführung der Allgemeinen Wehrpflicht an, sagte Breuer. Das wäre ein Blaupausendenken, das den aktuellen Entwicklungen nicht gerecht würde.
Die ganze Rede des Generalinspekteurs unten als im Zusammenhang; hier einige wesentliche Passagen:
Die Gleichzeitigkeit aller denkbaren Erscheinungsformen kriegerischer Auseinandersetzungen ist wesentlicher Bestandteil dieses Kriegsbildes – vom archaisch anmutenden Abnutzungskrieg zu Lande bis hin zum Drohnenkrieg, erbitterten Gefechten um die Wirkungsüberlegenheit im Cyber- und Informationsraum und nicht zuletzt hybride Kriegsführung.
„Kämpfen können, um nicht kämpfen zu müssen“ ist nicht mehr genug. Wenn wir in der Zeitendwende glaubwürdig abschrecken und somit letztendlich Krieg verhindern wollen, müssen wir vor allen Dingen eins: Gewinnen wollen. Weil wir gewinnen müssen. (…)
Zeitenwende ist vor allem auch Gedankenwende, das habe ich schon angesprochen. Der wichtigste Punkt ist daher für mich ein grundlegender Mentalitätswandel in der Bundeswehr. Dazu sind Führung und Führungsprinzipien konsequent auf Wehrhaftigkeit auszurichten. (…)
Es geht mir vor allen Dingen um eine neue Qualität von Führung. Agilität, Risikofreude und Verantwortungsübernahme sind auf allen Ebenen und auch für unsere Organisation entscheidend. Verantwortung muss dort wahrgenommen werden, wo sie hingehört: auf die niedrigst mögliche Ebene. Dort, wo sich Entscheidungen unmittelbar auswirken. Dort, wo Tatkraft und Kreativität und somit Innovation ihren Ursprung haben.
Nur so können wir gewinnen, nur so können wir einen Krieg gewinnen und damit unserem verfassungsmäßigen Auftrag nachkommen. Platz auf den Zuschauerrängen gibt es nicht, und Popcorn ist auch alle. (…)
Wir müssen neu denken. Wir müssen Landesverteidigung und Bündnisverteidigung neu denken. (…) Das Mindset Wehrhaftigkeit bildet die Grundlage, der Gleichzeitigkeit im Kriegsbild der Zeitenwende entschlossen mit kriegstüchtigen Streitkräften zu begegnen. Es schließt jedoch durch die Kernforderung nach Resilienz auch die Gesellschaft, Politik und die Industrie mit ein. Wir alle sind die geborenen Verteidigerinnen und Verteidiger unseres Landes.
Nachtrag: Die gesamte Rede im Kontext – das vorab verbreitete Redemanuskript wurde so weit mit möglich aufgrund der Notizen an die tatsächlich gehaltene Rede angepasst; für Fehler bitte ich um Nachsicht (und ersetze nach Möglichkeit ggf. später diesen Text durch ein exaktes Transkript):
@ Gepard65 – 22.07.2023 um 12:05 Uhr
“spunke25 sagt: 19.07.2023 um 20:50 Uhr „…industriellem Töten…“ Sorry, das habe ich nicht verstanden — könnten Sie das bitte näher erklären und ausführen, was damit konkret und genau gemeint ist? Danke. VG, NG.”
Abgeleitet aus. lat. industria „beharrliche, energische Tätigkeit, Betriebsamkeit“
Industrielles Töten steht auch für gewerbliches Töten. (Industrie – Massenherstellung – Töten im Krieg, massenhaft). Beispiel Ukraine: Russischer Überfall auf die Ukraine: Erobern, zerstören, auslöschen. Ein grausamer Abnutzungskampf, dem Zehntausende Soldaten zum Opfer fallen. Mit dem diesem Krieg hat Vernichtungskrieg wieder eine Form erfahren, welche vergessen schien. Kriegsverbrechen, bewusste grausame Angriffe auf Zivilbevölkerung. Es radikalisiert sich erneut die Gewalt mit dem Ziel des massenhaften (!)Tötens!
Darauf muss sich die BW zukünftig einstellen, wenn sie von Kriegstüchtigkeit spricht. Ein brutaler Gegner, der massenhaft tötet, ohne Gnade. Vor nichts zurückschreckt. Vorbereitung auf das Thema Tod und. Verwundung ist dabei ein Aspekt, auch von „gewinnen“.
@ spunke25 22.07.2023 um 20:54 Uhr
1+++, das ist eine inhaltliche Aussage, welche dringend einmal herausgestellt werden muß.
Von gewinnen reden, von Siegtüchtigkeit und Kriegstauglichkeit, bedeutet auch sich den Realitäten zu stellen.
So z.B. Massenanfall von Verwundeten, Gefallene in großer Zahl, traumatisierte Bevölkerug auf der Flucht.
Das grausame Gesicht eines Krieges, gegen einen Gegner,welcher nicht einmal das Kriegsvölkerecht als Maßstab sieht. Zivile Infrastruktur beschießt, gar sprengt.
Das alles hat gesellschaftliche Aspekte aber eben auch der Operationsführung.
Vorbereitung auf Krieg ist so vieles mehr als mancher Redner / Schreiber so glaubt.
Vieles wissen wir auch nicht, bei vielem fehlt die Vorstellungskraft. Vergewaltigungen und Folter, uvm. Sauber wird Krieg möglicherweise nicht sein. Mancher Planer mit powerpoint o.ä. mag das noch denken.
Mancher war nicht mal mehr im Einsatz, und wenn meist nicht im Kampf, mancher weiß allerdings auch nicht , was in der Praxis(!) joint ops, Gefecht der Verbundenen Waffen bedeutet. Handwerk ist dramatisch verloren gegangen. Krisenverhütung und Konfliktmanagment prägt bei vielen die Erfahrung. Diese sollte nicht vergessen werden, jedoch passt es für LV/BV nur bedingt. Minenfelder großen Außmaßes gab es da kaum, großflächiger Artilleriebeschuss (Trommelfeuer nannten es die Altgedienten) Luftüberlegenheit und Luftnahunterstützung war in AFG halt immer da. Flammenwerfer und Streumunition gab es da eher nicht, man könnte es fortsetzen.
Daher sind wir gut beraten, genau hinzuschauen, wie die Kriegspartein in der Ukraine kämpfen.
Was wir lernen können und müssen, worauf wir uns einzustellen haben. Ich vermute da gibt es noch sehr, sehr viel Potential. Es ist zu einfach zu sagen, unsere Führungs- und Einsatzgrundsätze scheinen im Wesentlichen zu passen. Doch klar ist auch, Ausbildung und Übrung brauchen mehr als nur einen Schrittwechsel. Handlungssicherheit entsteht auch durch motivierende Reden aber das ist nur ein Bruchteil des Notwendigen. Üben, üben. Auch das Einfache, von denen unsere älteren Kameraden immer so reden. Was ist wenn z.B.das Thema ABC wieder hoch kommt, also Massenvernichtungswaffen?
Das Thema Bewaffnung und Ausrüstung ist schon beleuchtet worden.
Daher Bedacht in der Wortwahl, mehr noch im Lichte des Aspektes, dass die BW nicht wirklich einsatzbereit ist. Das ist ein schlimmer Zustand, der betroffen macht. Vor allem bei denjenigen die im Alltag genau mit diesem Zustand kämpfen, erfahren dass immer wieder versprochen wird, wenig passiert und dann hören, man solle nun (endlich?) mal gewinnen wollen…, na es kam schon vor hier – “gewinnen können”, dass ist doch die Aufgabe. Beispiel, die Forderung nach Kaltstartfähigkeit. Wo stehen wir da wirklich? Klar, Teile der DSK und das KSK Heer, das KSK Marine, bestimmte, allerdings sehr wenige Kräfte der Luftwaffe und Marine, ZSan, doch eine kaltstartfähige Bundeswehr?
Ob der Russe kommt, wann er kommt, wer weiß es. Ob es dann doch ein anderer Aggressor ist, unklar. Ob es Terrorismus und Krieg in Kombination ist, wer weiß. Doch noch immer nicht verteidigungsbereit zu sein, ist eine Schande! Leider ist es doch auch noch einmal zu wiederholen, dafür gibt es Verantwortliche, welche nun mit Masse schlau reden. Von Gewinnen , von Siegtüchtigkeit und Kriegstauglichkeit, Oh, na klar, Kaltstartfähigkeit!
@ spunke25 22.07.2023 um 20:54 Uhr
Brutal und grausam ist der Krieg, denn wir gewinnen wollen, sollen und noch lange nicht können.
Gräueltaten an der Bevölkerung, Raketenterror in Städten, Sturmangriffe über offenes Gelände.
Brutaler Artilleriekrieg.
Aber auch hochmobile Operationsführung und neue Technologien für Gefechtsfelder der Zukunft.
Implikationen? Welche Weichen muss man jetzt jetzt stellen?
Abschreckung, Verteidigungsfähigkeit! Die dargestellten Kriegsvorstellungen vs naive (bewährte) „Wunschbilder“ ?
Alles richtig, was jetzt endlich so hochkommt.
Führen, Ausbilden und Erziehen beschreibt doch die Kernaufgaben militärischer Vorgesetzter.
Zum Führen stellt sich mir die Frage.
Wann hat das letzte Mal eine Brigade des Heeres wirklich geschlossen geübt, gar eine Division.
Wann hat bei einer Volltruppenübung ein Brigadekommendeur als Kommandeure im Gefecht geübt, gar ein Divisionskommendeur. Früher sagte man “Unter dem harten Hut”.
Wer also kennt wirklich die praktischen Faktoren unmittelbarer militärischer Führung im Gefecht ab Großverband?
Ab wann ist das zukünftig geplant, im Übungskalender verankert?
Vorgesetzte und Unterstellte müssen sich gerade in harten Übungen gegenseitigen Respekt abgewinnen. Diese gegenseitige Achtung kann jedoch nie jemandem durch eine Rede im U-Raum oder bei der Offizierweiterbildung abgerungen werden. Loyalität sollte verstärkt in der Praxis erworben werden. Vorgesetzte und Unterstellte müssen sich schon bei der Ertüchtigung für das Gefecht gegenseitig von den jeweiligen Fähigkeiten in ihren Kernkompetenzen überzeugen. Diese Kernkompetenzen werden zwar auch getrennt geschult, müssen aber in gemeinsamer Verbandsausbildung, Großverbandsübung etc. erlebt werden.
Führt dann zu der Frage, wer von der Bundeswehrführung weiß eigentlich, wovon er redet, wenn es um Krieg geht. Meint jetzt nicht die Teilnahme im Krieg, das ist schon klar. Wer aber war im Einsatz, dort im Gefecht? Wer war Truppenführer in hochkomplexen Übungen mit Volltruppe und musste sich dort als solcher beweisen, so als Taktiker, als Operateur. Wer hat das dann kritisch und ehrlich bewertet? Mit welcher Expertise? Es gibt solche Offiziere, sehr wenige, die sind Klasse. Doch die Mehrheit ist das bei weitem nicht.
Mein Eindruck ist, das allzu oft eher ministerielle und Stabs- und Ämtererfahrung nützlich ist, um Spitzendienstgrade zu erreichen.
Sprechen jetzt die richtigen Spitzendienstgrade die richtigen Forderungen aus?