Friedensforschungsinstitute für weitere (militärische) Unterstützung der Ukraine – und Vorbereitung von Verhandlungen
Die großen deutschen Friedensforschungsinstitute haben die Bundesregierung in der aktuellen Lage des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine zu einer Doppelstrategie aufgefordert. Die Ukraine solle weiterhin nach Kräften auch mit Waffen und Militärgerät unterstützt werden, zugleich gehe es darum, Vermittlung und Verhandlungen für einen Frieden zwischen beiden Ländern bereits jetzt vorzubereiten, erklärten Wissenschaftler*innen der Institute bei der Vorstellung ihres jährlichen Friedensgutachtens am (heutigen) Montag in Berlin.
Dass sich deutsche Friedensforscher*innen für die militärische Unterstützung der Ukraine aussprechen, ist zwar nicht neu, wird aber dennoch öffentlich zum Teil mit Unverständnis zur Kenntnis genommen. Nicole Deitelhoff von der Hessischen Stiftung für Friedens- und Konfliktforschung machte in der Stellungnahme stellvertretend für alle Beteiligten Institute deshalb auch deutlich, dass diese Haltung einen Grund habe: Die militärische Unterstützung der Ukraine sofort einzustellen, wie es in einigen öffentlichen Forderungen verlangt werde, um so Friedensverhandlungen zu erreichen, werde den Krieg nicht stoppen und nach jetzigem Wissensstand keinen greifbaren Frieden bringen.
Deitelhoff verwies darauf, dass sich die Bundesregierung auch der Aufgabe stellen müsse, in ihrer Kommunikation sehr klar zu machen, dass der Krieg in der Ukraine noch Jahre dauern könne. Die Unterstützung des Landes werde deshalb vermutlich sehr lange Zeit notwendig sein. Das müsse aber bereits jetzt begleitet werden von der Suche nach möglichen Lösungen für Waffenstillstand und Frieden unter Einbeziehung auch anderer Länder wie China oder Brasilien. Entscheidend dafür sei, dass solche Verhandlungen glaubwürdig und belastbar geführt würden – bis hin zu Sicherheitsgarantien für die Ukraine nach einem Ende der Kampfhandlungen.
Das bedeute für Deutschland allerdings auch, dass die nötigen Mittel zur Unterstützung der Ukraine langfristig bereitgestellt werden müssten, sagte Ursula Schröder vom Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Universität Hamburg. Diese Aufgabe sei nicht im Sommer nächsten Jahres vorbei. Die Sicherheitsgarantien für die Ukraine könnten nach ihrer Einschätzung aber nicht so weit gehen, dass in dem Land NATO-Gruppen zur Absicherung stationiert werden sollten – zur militärischen Abwehr müsse die Ukraine selbst befähigt werden.
Die Friedensforschungsinstitute riefen in ihrem Jahresgutachten auch dazu auf, trotz aller Probleme mit der Handlungsfähigkeit der Vereinten Nationen in der aktuellen Situation die Weltorganisation zu stärken und alle noch vorhandenen Möglichkeiten für eine Verbesserung der internationalen Sicherheitsordnung zu nutzen. Die Vereinten Nationen haben nicht aufgehört zu arbeiten, sagte Schröder. Eine Möglichkeit wäre, die UN mit einem planbaren und regelmäßig steigenden Haushalt auszustatten, der ihre Arbeit absichert. Dabei könnte Deutschland als zweitgrößer UN-Beitragszahler eine Vorreiterrolle übernehmen.
Das Friedensgutachten greift natürlich noch viel mehr Details auf; hier zum Nachlesen.
Die Pressekonferenz mit Deitelhoff, Schröder sowie Tobias Debiel vom Institut für Entwicklung und Frieden der Universität Duisburg-essen und Conrad Schetter vom Bonn International Centre for Conflict Studies zum Nachhören:
Danke, Herr Wiegold, für den Hinweis auf die Studie.
Zitat:“Die Ukraine solle weiterhin nach Kräften auch mit Waffen und Militärgerät unterstützt werden, zugleich gehe es darum, Vermittlung und Verhandlungen für einen Frieden zwischen beiden Ländern bereits jetzt vorzubereiten, erklärten Wissenschaftler*innen der Institute bei der Vorstellung ihres jährlichen Friedensgutachtens am (heutigen) Montag in Berlin.“
Interessante Schlussfolgerung. Haben denn die Damen und Herren auch eine Empfehlung dafür ausgesprochen, wen sie sich in der Rolle des Vermittlers und Verhandlers vorstellen können? Um als Vermittler von beiden Seiten akzeptiert zu werden, werden sie auch überzeugend neutral sein müssen. Dazu braucht es auch ein gewisses politisches Gewicht. Ausser Lula da Silva fallen mir da nicht viele ein.
Zitat:“Die militärische Unterstützung der Ukraine sofort einzustellen, wie es in einigen öffentlichen Forderungen verlangt werde, um so Friedensverhandlungen zu erreichen, werde den Krieg nicht stoppen und nach jetzigem Wissensstand keinen greifbaren Frieden bringen.“
Da stimme ich sogar zu. Es würde den Krieg verändern. Es würde ihn noch schmutziger machen als er schon ist. Anfangs würden die Russen weitere territoriale Gewinne erzielen aber gleichzeitig würde sich die Ukraine auf einen Guerillakrieg verlegen würde und Russland eindeutig nicht über die Truppen verfügt, um die besetzten Territorien zu befrieden.
Der Preis, den Russland für die gewaltsame Verhinderung einer NATO Migliedschaft und (wahrscheinlich auch) einer EU Mitgliedschaft für die Ukraine zu zahlen hätte, wäre sehr hoch. Andererseits war die weitere Verfolgung dieser Ziele ja das Überschreiten jener roten Linie, die von russischen Regierungen schon 2008 gezogen und seither immer wieder bestätigt worden ist.
Der Denkfehler der „Experten“ besteht meiner Ansicht darin, zu glauben, dass die russische Regierung nicht dazu bereit ist, einen solchen Preis zu zahlen. Man hat ja auch solange nicht glauben wollen, dass die Russen tatsächlich zum Krieg bereit waren, bis sie uns vom Gegenteil überzeugt haben.
Zitat:“Das bedeute für Deutschland allerdings auch, dass die nötigen Mittel zur Unterstützung der Ukraine langfristig bereitgestellt werden müssten, sagte ….“
Ich bin mir nicht sicher, ob Frau Schröder sich der Konsequenzen wirklich bewusst ist oder ob sie erwartet, dass die Leser der Studie fähig sind, die Konsequenzen zu überblicken. Da wäre nämlich die Frage zu klären, ob „Deutschland“ auch in den kommenden Jahren über „die nötigen Mittel zur Unterstützung der Ukraine“ verfügen wird, Ich stelle diese Frage vor dem Hintergrund, dass die Bundesregierung schon im nächsten Jahr bei Bildung, Gesundheit und Soziales und Infrastruktur sparen muss, während viel Geld in die Bundeswehr gepumpt werden muss. Es könnte gut sein, dass die bedingungslosen Unterstützer der Ukraine schon recht bald auf steigende Verständnislosigkeit bei der Bevölkerung stoßen werden. Wenn sich die Umfragen weiter so entwickeln wie sie es jetzt tun, könnte es schon nächstes Jahr eng werden.
Die andere Unsicherheit betrifft die Verhandlungen selbst. Mal angenommen der Krieg zieht sich noch 2 oder 3 Jahre hin (das könnte durchaus und unabhängig von weiteren Waffenlieferungen so kommen), dann wäre es ein Fehler, zu glauben, dass wir es dann noch mit einer russischen Regierung zu tun haben werden, die in dieser Frage rational denkt und handelt. Staaten können ziemlich stur darin sein, Ziele zu verfolgen, die ihnen letztendlich mehr Schaden als Nutzen einbringen (siehe BREXIT). Anders als die Bundesregierung muss die russische Regierung auf die öffentliche Meinung auch deutlich weniger Rücksicht nehmen.
Ja was soll denn verhandelt werden wenn der Putin die Ukraine für russisches Staatsgebiet hält?
@T.W.
Detailsfrage!
„Dabei könnte Deutschland als zweitgrößer UN-Beitragszahler eine Vorreiterrolle übernehmen.“
Ist das so wirklich richtig? Ich dachte DEU sei in der NATO der zweitgrößte Beitragszahler, in den VN aber „nur“ die Nummer vier (nach USA, CHN und JPN)?!
wozu braucht die „UN“ einen „planbaren und regelmäßig steigenden Haushalt“? Das jagt man wohl einem ideal nach, dass due UN irgendwas könne.
AKW sichern? Grosse Macht schicke Listen, oder Dämme sichern? Doch nicht wenn Russland den schon vermint hat! oder bei Dammbrüchen in besetzten Gebieten die Menschen zu unterstützen/ zu retten? Nicht wenn der Besatzer fie Leute abssufen will…
Manchmal leiden solche Organisationen einfach unter ihren nicht veränderbaren Gründungsprämissen.
Ich wüsste gern mal wieviel Geld in der UN für „Verwaltung“ versickert, muss ich wohl mal nachforschen.
@Dominik, 12.06.2023 – 21:29 Uhr
„[…] muss ich wohl mal nachforschen.“
Das sollten Sie wirklich mal tun! Da könnte ein erstaunlich (gering)er Prozentsatz herauskommen, über den man sich hier in Deutschland als Spenderin und Spender der ein oder anderen Hilfsorganisation, die ein Spendensiegel des DZI trägt, sicherlich sehr freuen würde.
Im entscheidenden Gremium der Vereinten Nationen, dem Sicherheitsrat ist die UN doch paralysiert, Friedenspolitik findet nicht statt und im Ukraine-Krieg ist die UNO überhaupt nicht vorhanden. Dafür einen erhöhten finanziellen Beitrag Deutschlands zu fordern, grenzt an Realitätsverweigerung!
Sicherheitsgarantien für die Ukraine zu fordern ohne Ross und Reiter zu nennen ist schon naiv,; es hebt weit und breit niemand den Finger, niemand ruft laut „hier“ oder niemand setzt sich den Hut auf. Warum wohl nur?
Das Wort glaubwürdig ist mir viel zu oft gefallen. Nicht einmal der nahe Osten wurde explizit erwähnt geschweige denn Assads Comeback in der arabischen Liga! Soviel zu Glaubwürdigkeit.
Fazit: Es wurde viel geredet, aber substanziell wenig gesagt.
@schlammstapfer
„fernöstliche“ braune Stimmungssosse wird auch im nächsten Jahr nicht dazu führen, dass Demokraten plötzlich ihren Verstand verlieren!
@Schlammstampfer
An ihrer Stelle würde ich das Gutachten einmal ganz lesen, bevor ich den Experten unqualifizierte Ratschäge erteile
@ Dominik
Beispielsweise sind die UN das einzige Gremium, in dem alle am Konflikt Beteiligten noch miteinander reden. Alleine dieser Umstand rechtfertigt deren Finanzierung.
Außerdem müssen wir auch an eine Zeit nach dem Krieg denken. Russland wie die Ukraine müssen in eine Nachkriegsordnung eingebunden werden. Das geht derzeit nur über die UN.
@Schlammstapfer :“Wenn sich die Umfragen weiter so entwickeln wie sie es jetzt tun, könnte es schon nächstes Jahr eng werden.“.
Da machen Sie aber einen Denkfehler.
Die Umfragen sind ja nicht wegen der Unterstützung der Ukraine so schlecht, sondern wegen dem Streit der Ampel und der Verunsicherung aufgrund des Gebäude Energie Gesetzes.
Und was die Kürzungen angeht, so werden zwar nicht die Maximalforderungen erfüllt, sondern nur ein Teil davon, aber die einzelnen Ressorts erhalten mehr Mittel.
@Schlammstapfer
„Die andere Unsicherheit betrifft die Verhandlungen selbst. Mal angenommen der Krieg zieht sich noch 2 oder 3 Jahre hin (das könnte durchaus und unabhängig von weiteren Waffenlieferungen so kommen), dann wäre es ein Fehler, zu glauben, dass wir es dann noch mit einer russischen Regierung zu tun haben werden, die in dieser Frage rational denkt und handelt.“
Rationales (Vernunft geleitetes) Handeln offenbart sich offensichtlich qua Definition des Mindsets des heranzuziehenden Kulturkreises differenziert — wenn nicht sogar gegensätzlich. Man hat es in Russland mit einem mindestens über mehrere Dekaden radikalisierten, klerikal-imperialistischen Terrorstaat zu tun. Stellen wir uns einfach mal vor, das Dritte Reich wäre nicht hinweggefegt worden. Wie sähe es hierzulande nach 90 Jahren aus?
Friedensvermittler im vom Westen diskutierten Sinne werden aufgrund der über Jahrhunderte prägenden Kolonialgeschichte der Europäer aus den Ländern des Südens und Ostens schwer zu gewinnen sein. Zumal sich die politischen Entwicklungen dort auch nicht unbedingt als demokratiestrebend verorten lassen.
Wenn die freie Welt und die EU die Ukraine als (über)lebende Demokratie in ihren Bund aufnehmen, behalten oder retten wollen, wird das ohne Flugverbotszone und Einsatz von westlichen Bodentruppen nicht gelingen — Der einzige Weg das russische, militärische Eskaltionspotenzial zu brechen und zu beenden. Nur so wird auch die Bereitschaft Russlands Verbündeter Kriegswirtschaft in Kauf zu nehmen bzw. weiter fortzuführen oder zu verstärken, abgebaut werden können.
„Der Preis, den Russland für die gewaltsame Verhinderung einer NATO Migliedschaft und (wahrscheinlich auch) einer EU Mitgliedschaft für die Ukraine zu zahlen hätte, wäre sehr hoch. Andererseits war die weitere Verfolgung dieser Ziele ja das Überschreiten jener roten Linie, die von russischen Regierungen schon 2008 gezogen und seither immer wieder bestätigt worden ist.
Der Denkfehler der „Experten“ besteht meiner Ansicht darin, zu glauben, dass die russische Regierung nicht dazu bereit ist, einen solchen Preis zu zahlen. Man hat ja auch solange nicht glauben wollen, dass die Russen tatsächlich zum Krieg bereit waren, bis sie uns vom Gegenteil überzeugt haben.“
-Es ist ein Faszinosum, dass angesichts des russischen Angriffskriegs gegen einen souveränen Staat und dem schlichten Landraub durch Annexion weiter die suggeriert wird, dass Putins Regime lediglich Handlungsfähigkeit in Bezug auf „rote Linien“ gegenüber dem dem dumm-dreisten Westen aufzeigen würde.
Weiter ist natürlich fraglich warum hier „Experten“ in Anführungszeichen gesetzt wird. Fehlt denen die Gabe „auf die Schnelle“ betrachtete Wackelvideos wortreich zu analysieren oder die Erkenntnis, dass die Türkei keine Waffen an die Ukraine geliefert hat?
Verhandlungen vorzubereiten ist sicherlich keine schlechte Idee. Russland ist derzeit allerdings nicht verhandlungsbereit, das wird immer wieder deutlich, zuletzt hat am 11. Juni Peskov nochmal nachgelegt, dass es keine, auch noch so geringe Grundlage für einen Dialog gebe. Russland (d.h. das Regime um Putin) will zurzeit also offenbar um jeden Preis durchziehen.
Gleichwohl ist es wichtig, sich selbst mit anderen über die konkreten Voraussetzungen und Ziele für einen Frieden im Klaren zu werden. Und sei es nur, dass man dann, wenn Russland aufgrund fortdauerndem Misserfolg irgendwann zu Verhandlungen gezwungen wird – und sei es mit einer anderen Regierung. Wenn man das jetzt schon vorbereitet und gemeinsame Positionen entwickelt, bietet man Spaltversuchen keinen Raum und kann gegenüber Russland geeint verhandeln. Nichts wäre schlimmer, als wenn eine Friedensinitiative dadurch gefährdet würde, dass die westlichen Staaten wie kopflose Hühner überrascht durcheinandergackern und jeder was anderes will – und dabei vergisst, dass vor allem die Ukraine als Hauptleidtragender dieses Überfalls ihre Sicherheitsinteressen gewahrt sehen wollen wird.
Seit der Ukraine-Krieg besteht, habe ich hier im Forum darauf hingewiesen, dass am Ende nur Verhandlungen etwas bringen. Zustimmung gab es dafür selten.
Ich bin froh, dass ich anscheinend nicht der Einzige bin, der so denkt, wenn ich den Text oben lese.
Am Ende klären die USA, Russland, die EU, China und Brasilien das Thema.
Ich hoffe – und werde meine Wahlentscheidungen davon abhängig machen – dass die Verteidigung von Freiheit und Demokratie unseren Regierungen erforderlichenfalls hohe Opfer wert ist. Die beste Schulbildung ist nur halb so viel wert, wenn man seine Meinung nicht frei äußern, seine Regierung nicht mehr abwählen und wegen kluger Bemerkungen mit der ganzen Familie in irgendeinem Folterkeller verschwinden kann. Und wer beim Nachbarn tatenlos zuschaut, ist in Gefahr, der Nächste zu sein. Appeasement hat sich schon viel zu oft als Fehler herausgestellt.
Und zugleich bereit sein, wieder die Hand auszustrecken, sobald das Inakzeptable beendet ist – richtig.
Ich gehe davon aus, das die Verhandlungspositionen von westlicher Seite schon stehen und abgestimmt sind. Verständlicherweise geht man nicht damit hausieren. Wer der Vermittler oder wahrscheinlich eher die Vermittler sein werden? Das ist die viel schwierigere Frage.
Momentan sieht es ja nicht so aus, als wären Verhandlungen in Sicht. Die UKR will ihr Territorium inkl. Krim wiederherstellen, RUS würde die UKR am liebsten von der Karte tilgen. Man liegt in seinen Positionen maximal auseinander, es gibt keinen Ansatz für Verhandlungen.
Und was soll am Ende dabei heraus kommen? Man kann jedenfalls den Aggressor (RUS) nicht auch noch mit Gebietszugeständnissen belohnen, ohne die ganze Welt dazu einzuladen, bei „Bedarf“ ebenso zu handeln. Denn eines ist doch auch klar, es gibt immer ein paar Bekloppte auf dieser Welt, die das als Blaupause nehmen würden.
@Der Realist:
„Seit der Ukraine-Krieg besteht, habe ich hier im Forum darauf hingewiesen, dass am Ende nur Verhandlungen etwas bringen. Zustimmung gab es dafür selten.“
Das ist falsch. Niemand hat sich hier generell gegen Verhandlungen ausgesprochen. Nur im Gegensatz zu ihnen habe sich fast alle anderen Forenten für die realistische Anerkennung der Tatsachen ausgesprochen, nämlich dass
– Russland derzeit gar nicht verhandeln will, weil es denkt, langfristig den längeren Atem zu haben und die Ukraine mit der Zeit unterwerfen zu können
– Verhandlungen nur dann Sinn machen, wenn Aussicht auf einen gerechten und dauerhaften Frieden besteht
– ein Unterwerfungsfrieden und Gebietsabtretungen an Russland den Krieg langfristig nur verlängern würden, weil Russland nach einer Erholungs- und Aufrüstungsphase sein Ziel der völligen Eroberung der Ukraine wieder aufnehmen würde
– Gebietsabtretungen an Russland eine riesige Motivation und Einladung an alle Diktatoren dieser Welt wäre, sich ebenfalls friedliche Nachbarländer unter den Nagel zu reißen; wir hätten also langfristig viel mehr Kriege auf der Welt!!
„Am Ende klären die USA, Russland, die EU, China und Brasilien das Thema.“
Dieser koloniale Blick unter Ausschluss der Ukraine hat u.a. zum jetzigen Krieg geführt.
Nein, am Ende wird das zwischen der Ukraine und Russland geklärt. Und wir müssen alles dafür tun, die Ukraine in die bestmögliche Position zu versetzen. Und das setzt eine verstärkte militärische Unterstützung voraus, damit die Ukraine ihr Land von den russischen Kriegsverbrechern befreien kann.
@ Der Realist
„Am Ende klären die USA, Russland, die EU, China und Brasilien das Thema.“ Leider machen Sie ihrem Namen wenig Ehre. Ohne entscheidende Mitwirkung der Ukraine gibt es absolut gar nichts zu klären! Niemand auf der Welt hat das Recht über die Köpfe dieses überfallenen, geschundenen Volkes Entscheidungen zu treffen! So viel Realismus sollte schon sein.
Im Übrigen scheinen Sie die Aussagen der Friedensforscher nur sehr selektiv verfolgt zu haben; den Teil des Textes vor Verhandlungen und in welchem Kontext diese zu verstehen sind, blenden Sie geflissentlich aus. Übrigens, Russland muss nur sofort bedingungslos aus der Ukraine verschwinden und Sie haben ihre Verhandlungen sofort.
Die Vorbereitung von Verhandlungen ist nicht besonders schwer. Ort und Zeit abstimmen, Verhandler bestimmen sowie eine Tagesordnung.
Wenn sich dazu die Ukraine bereit erklärt, ist das ohne Bewegung der anderen Seite ein Signal. Möglicherweise eine falsches.
Es ist nicht erkennbar, dass das Signal zu verhandeln auf der Gegenseite anders interpretiert wird, als Schwäche. Wem das nützt? Putin.
Im übrigen sucht die Ukraine als souveräner Staat, und damit als in erster Linie Verhandelnder selbst die Mittel diesen Krieg zu beenden. Als angegriffener Statt hat die Ukraine das Recht der Selbstverteidigung. Ratschläge, deren Nutzen fraglich sind von vom Krieg nicht Betroffenen wirken aus Sicht der Ukraine möglicherweise als Einmischung.
Es erscheint daher zwar moralisch vertretbar, abber in der Realität nicht durchsetzbar, jetzt Verhandlungen zu fordern. Verhandlungen sind jederzeit möglich, aber dazu bedarf es den Wunsch der Kriegsteilnehmer. Dieser ist absehbar nicht wahrscheinlich.
Hervorragender Gastkommentar von Andreas Umland in der NZZ zu dem Thema Friedensverhandlungen:
https://www.nzz.ch/meinung/ukrainekrieg-die-sirenengesaenge-der-voreiligen-friedensstifter-ld.1741011?mktcid=smch&mktcval=twpost_2023-06-11a
@Herr Richter: 1+
@Schlammstapfer:
„Da stimme ich sogar zu. Es würde den Krieg verändern. Es würde ihn noch schmutziger machen als er schon ist. Anfangs würden die Russen weitere territoriale Gewinne erzielen aber gleichzeitig würde sich die Ukraine auf einen Guerillakrieg verlegen würde und Russland eindeutig nicht über die Truppen verfügt, um die besetzten Territorien zu befrieden.
Der Preis, den Russland für die gewaltsame Verhinderung einer NATO Migliedschaft und (wahrscheinlich auch) einer EU Mitgliedschaft für die Ukraine zu zahlen hätte, wäre sehr hoch. Andererseits war die weitere Verfolgung dieser Ziele ja das Überschreiten jener roten Linie, die von russischen Regierungen schon 2008 gezogen und seither immer wieder bestätigt worden ist.
Der Denkfehler der „Experten“ besteht meiner Ansicht darin, zu glauben, dass die russische Regierung nicht dazu bereit ist, einen solchen Preis zu zahlen. Man hat ja auch solange nicht glauben wollen, dass die Russen tatsächlich zum Krieg bereit waren, bis sie uns vom Gegenteil überzeugt haben.“
Ist dieser Sinnzusammenhang gewollt? Sie stimmen zu, dass ein Ende der Waffenlieferungen keinen Frieden bringen, weil Russland dann auch gegen in einem blutigen Besatzungskrieg die eroberten Gebiete zu russifizieren bzw. Sogar versucht die gesamte Ukraine zu besetzen. Danach behaupten Sie es wäre der „Denkfehler der „Experten““ dies Russland nicht zuzutrauen. Dabei schreiben die Experten eben genau das.
Russland würde als brutale Besatzungsmacht Widerstand gegen jedes Menschenrecht brechen und von seinem Ziel die ganze Ukraine zu erobern nicht nachlassen, genau deswegen sprechen die Experten sich FÜR verstetigte Waffenlieferungen aus!
Russland muss schlicht effektiv abgeschreckt werden wobei verbrannte Finger da wohl nicht mehr ausreichen, da muss man wohl die imperialistischen Hände abhaken.
und da sage ich danke Ukraine und Entschuldigung, dass „wir nicht viel mehr liefern.
1 Mrd Euro Waffen in der Ukraine wirken für mich wie 50 Mrd Euro in der Bundeswehr. Keine Personalkosten, keine Lagerkosten usw. Warum wir noch keine 100 Leo2 und 200 Lynx für 4 Mrd Euro für die Ukraine bestellt haben ist mir ein Rätsel (oder 100 auf Upgrade wartende Leo2 geschickt haben und 100 neue bestellt haben.)
@Schlammstapfer
„Ausser Lula da Silva fallen mir da nicht viele ein“
Da stimme ich Ihnen voll zu. Bis auf den Teil mit Lula da Silva.
Er, Regierungschef eines BRICS Landes, massivst abhängig vun russland und china, ist unabhängig? Das wäre mir sehr neu. Auch hat er sich bereits dahingehend geäussert, daß er dem russischen Narrativ und Forderungen sehr angetan ist.
Ich muss wirklich etwas lachen.
Falls irgendjemand glaubt, dass die Ukraine am Ende ihren Frieden verhandelt, nachdem sie ihre Verteidigung nur durch Unterstützung anderer Länder bestreiten konnte, ist wirklich naiv.
Die Weltpolitik wird von einer Handvoll Staaten und zukünftiger Staaten bestimmt. Und die habe ich genannt.
@JP
Dem hochinteressanten, informativen und lesenswerten Kommentar von Andreas Umland in der NZZ ist lediglich hinzuzufügen, dass er zur Pflichtlektüre so mancher Politiker und( Zeit)“genossen“ zwingend gehören sollte.
@ JP (13.06.2023 um 13:57 Uhr):
Zustimmung. Sehr gute Zusammenfassung. Daumen hoch.
@Nicolo 15
Die UKR kann den krieg aus eigener Kraft nicht fortsetzen, sie ist aus Ustg angewiesen – zur Aufrechterhaltung des laufenden Gefechts und zum Wiederaufbau nach dem Krieg.
Von daher kann man schon von außen Druck aufbauen, wenn das gewünscht ist.
Möglich wäre ggf.:
– Volksabstimmung im Donezk unter int. Aufsicht
– dto. in Cherson
– Abkommen über die Wasserversorgung der Krim
– dto. über die Energieversorgung
Das Problem ist, daß RUS die Gebiete bereits als russisches Staatsgebiet deklariert hat.
Indien wäre ein möglicher Vermittler.
Das wurde ja auch so von México vor der UN GA vorgeschlagen (Der Papst fällt ja gerade aus Vermittler aus)
Zu Lula da Silva: Das Ergebnis der Präsidentschaftswahlen in Barsilien war sehr knapp, aber Lula besaß die volle Unterstützung des Westen – man wollte ja Bolsonaro loswerden.
@Der Realist:
Schön das Sie das erheitert. Sie glauben also, dass die Ukraine am Ende einfach das schlucken muss was über ihren Kopf hinweg entschieden wird?
Verhandlungen vorbereiten ist immer eine gute Idee, allerdings müssen verschiedenste Szenarien vorbereiten werden, da es unglaublich viele Variablen gibt.
1. Wie sieht die Front aus wenn die Verhandlungen beginnen?
2. Wer hat noch welches Potential?
3. Wer ist wo an den Schalthebeln der Macht?
Usw.
Eine wirkliche Verhandlungslösung würde vermutlich bedeuten, dass beide Seiten massiv Kröten schlucken müssen und muss zwingend den Konflikt nachhaltig beenden. Das kann aus meiner Sicht nur mit Sicherheitsgarantien für die Ukraine passieren. Die einzige derartige Garantie die etwas wert wäre ist die Mitgliedschaft in der NATO (oder eigene, ukrainische Nuklearwaffen (aber das Thema machen wir besser nicht auf)).
Lösung:
Russland darf die Krim, Donezk und Luhansk behalten
Ukraine darf der NATO beitreten
Klingt alles vollkommen abstrus, würde aber wichtige Kernforderungen beider Seiten berücksichtigen und auf anderer Seite müssten beide massive Rückschläge hinnehmen.
Sind allerdings reine Gedankenspiele. Alles ändert sich sollte zB Putin sterben und die Nachfolge hat andere Pläne. Oder Russland macht komplett mobil und pfeift auf alles, oder Belarus greift auch noch in den Krieg ein, oder die russische Front kollabiert oder oder oder
Ich beneide grade keinen Diplomaten der die Eventualitäten bedenken und vorbereiten muss – wirklich nicht.
@Thomas Melber:
Was macht sie so sicher, dass die Ukraine ohne westliche Unterstützung nicht weiter kämpfen kann oder wird? Alle Umfragen zeigen, dass die Verteidigungsbereitschaft unter den Ukrainern extrem hoch ist. Wir haben doch gerade erst in Afghanistan gesehen, selbst wenn nur Teile der Bevölkerung sich einer militärischen Kraft widersetzen, ein Land praktisch nicht zu erobern ist. Und dort war das Kräfteverhältnis noch deutlich unausgeglicher.
Deswegen ist es doch genau die richtige Aussage der Friedensforscher. Wer der Ukraine nicht hilft, verlängert das Leid. Nicht umgekehrt!
@F.Richter: Super Kommentar!
@GolfEcho83:
Haben sie sich mal die Stärke der Armee Belarus angesehen? Das ist doch ungefähr der Kräfteansatz, den die Russen/Wagner alleine in Bachmut gebraucht haben – und das auch nur dann, wenn sie ALLE Kräfte einsetzen.
Woher kommt eigentlich die Mär, dass Russland noch groß mobilisieren kann?
Man muss sich doch nur die Verluste auf Oryx ansehen. Alleine über 100 T-62 wurden schon zerstört. Und Russlands Aussage war doch, man setzte diese nur als Hilfsartillerie ein (Mal wieder eine Unwahrheit). Das würde doch keine Armee machen, die noch volle Taschen mit moderneren T-72, T-80, T-90 hat.
Klar, vermutlich finden sich irgendwo wirklich noch ein paar Millionen Aks die noch zu gebrauchen wären, aber würden solche Menschenmassenqngriffe wirklich was bringen, gerade wo die Ukraine auch sehr viel Wert auf Artillerie und Aufklärung durch Drohnen setzt?
@ GolfEcho83
Mich erheitert nicht die Situation der Ukraine, sondern die naive Annahme, dass die internationale Unterstützung am Ende dazu führen wird, die Ukraine am Verhandlungstisch mit Russland zu platzieren.
So funktioniert Russland nicht. Die Ukraine ist da immer der schwächere Gegner. Russland braucht Contra auf Augenhöhe.
@Der Realist:
„Russland braucht Contra auf Augenhöhe.“
Ausnahmsweise kann man ihnen einmal zustimmen.
Und genau weil Russland Contra auf Augenhöhe braucht erfolgt die militärische Unterstützung für die Ukraine!!
Genau aus dem Grund konnte die Ukraine bereits ca. 50% der nach dem 24.02.22 von Russland besetzten Gebiete befreien.
Jetzt ist die Zeit für „mehr Contra“. Damit die Ukraine alle besetzten Gebiete befreien kann. Und damit alle seine Bürger wieder in Frieden und Freiheit leben können, ohne den russischen Besatzungsterror.
Wir müssen die Ukraine jetzt endlich so unterstützen, dass sie diesen Krieg gewinnt. Nur eine militärische und politische Niederlage Russlands führt zu einem dauerhaften und gerechten Frieden in Europa. Dem russischen kolonialen Expansionsstreben muss ein für alle Mal ein Ende bereitet werden! Sonst wird Russland dauerhaft Krieg gegen europäische Staaten führen (so wie es das bereits mehrfach angekündigt hat).
@Der Realist:
Als ich zuletzt auf die Karte gesehen habe, hieß der souveräne UN-Mitgliedsstaat, gegen den Russland gerade einen Angriffskrieg führt, Ukraine!
Mit wem sonst sollte sich Russland denn an den Verhandlungstisch setzen, wenn nicht mit seinem eigentlichen Kriegsgegner?
Woher kommt eigentlich immer wieder diese unfassbare Missachtung der Souveränität anderer Länder, nur um Großmachtsgelüste eines abgehalfterten ehemaligen Hegemons nach „Augenhöhe“ zu befriedigen?
@ Thomas Melber
Sie haben nur leider vergessen zu erwähnen, dass Russland die gesamte Ukraine als russisches Staatsgebiet betrachtet. Daher sind ihre Ansätze nicht möglich. Übrigens wo landen wir mit einer Weltordnung , die Aggression belohnt, Kriegsverbrechen ignoriert und das Recht des Stärkeren propagiert? Oh ja und es gab in unserem Land mal eine Kultur von Demonstrationen gegen Imperialisten und Revisionisten. Wo sind wir nur kleben geblieben?
@der Realist:
reicht dazu nicht, wenn „die großen mächtigen Brüder“ einfach „grimmig guckend“ hinter der Ukraine stehen?
Im übrigen hätte die NATO und EU natürlich auch vieles anzubieten, heißt ja nicht, dass „Wir“ als westliche Bündnisse Russland nicht noch was obendrauf geben dürfen.
Die EU garantiert die Minderheitenrechte in der Ukraine, also auch für Russen.
Die NATO bzw. vor allem die USA garantieren keine Stationierung von Truppen in der Ukraine. eventuell auch wieder Rückzug aus anderen östlichen Ländern?
praktisch die ganzen Verträge, die Russland zerrissen hat wieder neu aufregen, damit sich wirklich niemand bedroht fühlen muss. Rüstungskontrolle, Anzahl Waffen, Reichweite Raketen usw usf.
Ich persönlich hätte das sehr gerne alles wieder, aber diesmal muss sich das bisher bescheißende Russland verdammt nochmal auch dran halten!!!
Russlands Verhalten passt wirklich zu gut zum jugendlichen Sankt Petersburger Straßenschläger, dass muss aufhören.
@Der Realist
Oh ja, aus russischer imperialer Sicht gehört die Ukraine zu Russland und folgerichtig nicht an den Verhandlungstisch. Welchen Verhandlungstisch bitte, wenn doch eh alles russisch ist? Das Selbstbestimmungsrecht der Völker ? Gibt es aus russischer Sicht nicht. Ich hoffe Sie merken vielleicht auf welchem dünnen Eis Sie sich bei der Bedienung russischer Narrative bewegen??
@ Nicolo15
Wir sprechen uns wieder, sobald die Verhandlungen abgeschlosen sind.
Dann werden auch Sie sehen, wer in der Welt die Regeln aufstellt.
[Den Ton lassen Sie hier gleich. T.W.]
@ Dominik
ich bin kein Freund der aktuellen russichen Regierung, aber recherchieren Sie einmal, welche Versprechen 1989/1990 gemacht wurden, um den Russen die Wiedervereinigung abzuringen.
Und danach recherchieren Sie, wieviele dieser Versprechen vom Westen auch wirklich umgesetzt wurden…
Man muss in der Politik immer beide Seiten betrachten. Ohne Schuld ist meistens keine Seite.
Ich wünsche mir eine schnelle Lösung dieses Krieges am Verhandlungstisch, damit das sinnlose Blutvergießen auf beiden Seiten endlich aufhört. Denn militärisch ist dieser konflikt nicht zu lösen, ohne dass Russland ganz am Ende die Nuklearkarte zieht, wenn sie konventionell durch massive Hilfe des Westens verloren haben.
Und das möchte niemand. Also muss man reden. Kompromisse finden. Und sich danach wieder annähern.
Anders geht es nicht.
Thomas Melber sagt am 13.06.2023 um 23:31 Uhr (u.a.):
“ … Möglich wäre ggf.:
– Volksabstimmung im Donezk unter int. Aufsicht
– dto. in Cherson …“
So, so – man lässt dann also die verbliebenen oder neu angesiedelten Russen abstimmen. Die vertriebenen Ukrainer spielen keine Rollle mehr. Werter Herr Melber, Sie sollten diese Ihre Position mal durchdenken – meine ich jedenfalls.
@Hans Schommer
Wer von den vertriebenen bzw. geflohenen Ukrainern will denn überhaupt wieder zurück in den Donbas? Die Kuh muß vom Eis oder soll das Gebiet dauerhaft unter VN-Verwaltung gestellt werden?
Oder doch wieder alles auf Anfang und Rückkehr zu Minsk II ?
@JP
„Nur eine militärische und politische Niederlage Russlands führt zu einem dauerhaften und gerechten Frieden in Europa“.
Ich ergänze, wenn der Ausgang des Krieges und der anschließende Friede nicht die Saat des nächsten Krieges in sich bergen. Nicht jeder Verlierer akzeptiert nämlich, daß er zu recht verloren hat. Nicht jeder Gewinner ist auch weise genug, um nicht den Verlierer zu demütigen o. ä. Es soll schon Besiegte gegeben haben, die danach auf spätere „Rache“ auswaren.
Vor allem: RUS ist noch stabil. Was passiert wenn es den Krieg verliert ist unbestimmt: wird Putin abgelöst und wenn ja: durch wen? Zerbricht die RF? Spaltet sich Tschetschenien ab – Kadyrov hat ja auch Truppen verloren und die Aura der „Unbesiegbarkeit“ ist auch weg? Was passiert mit den Privatarmeen / PMCs?
@Sven Rothe:
„Ich ergänze, wenn der Ausgang des Krieges und der anschließende Friede nicht die Saat des nächsten Krieges in sich bergen. Nicht jeder Verlierer akzeptiert nämlich, daß er zu recht verloren hat.“
Und soll man aus dieser Angst heraus etwa Russland mit seinem verbrecherischem Krieg durchkommen lassen?
Das kann es doch wohl nicht sein. Dann würden wir Selbstabschreckung betreiben, und uns selbst von vornherein in den Fuß schießen.
Man hört von rechten und linken Russland-Fans ja immer wieder dieses Narrativ, dass man jetzt Putin „etwas anbieten“ müsse, damit er „sein Gesicht wahren“ und an der Macht bleiben können. Denn nach ihm „könnte es ja noch viel schlimmer“ werden.
Damit geht man Russlands Propaganda auf den Leim, und seiner Einschüchterungs-Strategie.
Nach einer militärischen Niederlage wird Russland sehr viel schwächer sein. Und egal wer dann an der Macht sein wird, oder ob das Kolonialreich Russische Föderation in mehrere unabhängige Einzelstaaten zerfällt, der oder die Machthaber werden es sich dann dreimal überlegen, wieder so ein kriegerisches Abenteuer anzufangen. Wobei ein unabhängiges Tatarstan, Kalmykien oder Burjatien mit Sicherheit keinerlei imperialistische Ambitionen haben werden.
Dieser Kolonialismus und Rassismus ist ein Problem der ethnischen Russen, der ‚Moskoviter‘. Und wenn die durch einen Zerfall ihres Kolonialreichs dann auch ihre Rohstoffe verlieren (die liegen nämlich weit überwiegend in den kolonialisierten Gebieten), fehlen ihnen auch die Ressourcen für neue Kriege.
@Der Realist:
„……….ohne dass Russland ganz am Ende die Nuklearkarte zieht……“
Sie vergessen, dass Russland de facto bereits die Nuklearkarte gezogen hat. Mehrfach.
Die Zerstörungen, die Russland in der Ukraine bereits angerichtet hat, entsprechen der mehrerer taktischer Atombomben:
– Mariupol komplett zerstört
– Soledar komplett zerstört
– Bachmut komplett zerstört
– Vuhledar komplett zerstört
– Marinka komplett zerstört
– Avdivka komplett zerstört
– wenn man alle Zerstörungen in den anderen hunderten Städten und Dörfern aggregiert, kommt ebenfalls die Wirkung mehrerer takt. Atombomben zusammen
– die langfristigen Verwüstungen der Dammsprengung übertreffen wahrscheinlich auch noch die einer takt. Atombombe.
Und nein, Russland wird keine Atombombe werfen. Weil sie dann China, Indien und den ganzen Rest der Welt gegen sich haben werden. Und das wissen die Russen ganz genau!
[Sie scheinen dem Irrtum anzuhängen, dass jeder Kommentar hier einer Entgegnung von Ihnen bedarf. Bitte nicht (mehr). T.W.]
@ JP Warum sollte sich Burjatien mit 66,6 Prozent russischen Bevölkerungsanteil für unabhängig erklären? In Tartarstan sind es immerhin fast 40 Prozent. Und in Kalmückien mit nicht ein mal 300000 Einwohnern sind es 25 Prozent. Das sehe ich so nicht. Und wenn man dann, so wie Tatarstan, nur von russischem Staatsgebiet umgeben ist, wird es wohl etwas schwierig. Warten wir mal das Ende des Krieges ab. Alles andere ist Spökenkiekerei.
@JP
Ich habe nicht gesagt, irgendwer solle irgendwen mit irgendetwas durchkommen lassen. Ich habe nur Ihre These, die Niederlage Rußland werde automatisch den ewigen Frieden bringen, hinterfragt. Auch wenn Vergleiche sicherlich hinken, die Niederlage Sadam Husseins mündete in einem Krieg, der den Irak bis heute zeichnet, in Europa waren die Uhren nach 1871 auf Krieg gestellt, nach Versailles sann man in Deutschland auf Revision… Meinen Hinweis auf den nötigen verantwortlichen Umgang mit Sieg und Niederlage in die Nähe der Rechtfertigung des rus. Angriffs zu rücken, ist also neben der Sache.
@Der Realist:
„@ GolfEcho83
Mich erheitert nicht die Situation der Ukraine, sondern die naive Annahme, dass die internationale Unterstützung am Ende dazu führen wird, die Ukraine am Verhandlungstisch mit Russland zu platzieren.
So funktioniert Russland nicht. Die Ukraine ist da immer der schwächere Gegner. Russland braucht Contra auf Augenhöhe.“
Ist das so? Mit wem sollte Russland denn sonst verhandeln? Und vor allem – was macht Sie glaubend, dass die Ukraine es akzeptieren würde NICHT am Verhandlungstisch zu sitzen?
Hinzu kommt: Russland ist lediglich im militärischen (und hier auch ehr im nuklearen Sinne) eine Großmacht. Und wieviel dieser Großmachtstatus wert ist sieht man grade auf dem Gefechtsfeld.
Hinzu kommt noch ein Punkt der aus Sicht des Historikers relevant ist: Großmächte und Imperien fallen. Unweigerlich. Vielleicht ist die Russische Föderation grade an diesem Punkt. Das werden wir aber erst in ein paar Jahren wissen. Wichtig ist nur im Hinterkopf zu behalten, dass der Status Quo (Russland als dominierende Regional- / Großmacht und die Ukraine als vermeintlicher / abtrünniger Vasall oder Interessensgebiet) unveränderlich ist. Denn genau das ist nicht so.
Auch die Nuklearbewaffnung ist hier kein Garant dafür, dass ein Staat als solcher bestehen bleibt. Lustiger Weise ist es die Sowjetunion die uns genau das gezeigt hat.
Und auf diesen Post von Ihnen möchte ich auch noch einmal eingehen:
„@ Dominik
ich bin kein Freund der aktuellen russichen Regierung, aber recherchieren Sie einmal, welche Versprechen 1989/1990 gemacht wurden, um den Russen die Wiedervereinigung abzuringen.“
Diese „Versprechen“ wurden zuerst einem Staat gegenüber gemacht der dann nicht mehr existierte. Nämlich der Sowjetunion.
Dann wurden im Laufe der 1990er Jahre Verträge geschlossen. Schriftlich und von allen Seiten unterschrieben. An diese haben wir – der Westen – uns gehalten. Das kann man von der Russischen Föderation nur bedingt behaupten.
@Nicolo
„Im entscheidenden Gremium der Vereinten Nationen, dem Sicherheitsrat ist die UN doch paralysiert, Friedenspolitik findet nicht statt und im Ukraine-Krieg ist die UNO überhaupt nicht vorhanden.“
Sie überfordeern die UN. Die UN sind eben keine Weltregierung. Gerade die USA haben der UN schon mehrfach die Mittel verweigert, die sie laut Selbstverpflichtung zu zahlen haben. Es war, meines Wissens nach, Bill Clinten, der gesagt hat, dass die USA ihre Interessen wahren werden, egal ob mit den UN oder ohne sie. Daran haben sich bislang alle US-Präsidenten gehalten.
Wie soll aus den UN jemals mehr werden können, als das was sie jetzt sind wenn sich selbst die Supermacht USA und ihre Verbündeten nicht an deren Regeln halten? Muss man sich wundern, wenn dann andere Regierungeen dasselbe „Recht“ für sich beanspruchen? Institutionen wie die UN aber auch die EU wurden geschaffen um nationale Egoismen langfristig zu überwinden. Die UN haben hier viele gute (oder zumindest gut gemeinte) Initiativen gestartet. Da wären die WHO, die UNESCO, das UNHCR und die Blauhelmmissionen, um nur einige zu nennen. Alles Initativen, die im Sinne der UN Charta zu einer vereinten Welt mit gleichen Standards und Regeln führen sollen. Aber, und das sehen wir auch an der EU, die Widerstände der nationalen Egosimen, sind enorm. Letztlich und endlich will sich keine Regierung zu sehr von aussen in ihre souveräne Entscheidungskompetenz hineinreden lassen. Die UN Charta ist ein Ideal. Ein Ziel, das man anstrebt aber das man nie erreicht. Die letzten Versuche der westlichen Welt, andere Völker mit Gewalt von den Vorteilen von Menschenrechten und Demokratie zu überzeugen sind in Libyen, Syrien und in Afghanistan böse schief gegangen. Überhaupt gibt es nur wenige Staaten, die dem Ideal wirklich nahe kommen. Laut dem Economist leben nur 7 % der Weltbevölkerung in echten Demokratien und Rechtsstaaten.
@Oppophoniker
Zitat:“Man hat es in Russland mit einem mindestens über mehrere Dekaden radikalisierten, klerikal-imperialistischen Terrorstaat zu tun.“
Ihre Beschreibung trifft aktuell eher auf die Türkei zu als auf Russland aber im großen und ganzen stimme ich ihnen zu. Und jetzt stellen Sie sich vor, das an der Spitze dieses Staates nicht mehr Putin sondern Prigoshin oder ein noch radikalerer russischer Oligarch mit politischen Ambitionen steht.
Zitat:“Friedensvermittler im vom Westen diskutierten Sinne werden aufgrund der über Jahrhunderte prägenden Kolonialgeschichte der Europäer aus den Ländern des Südens und Ostens schwer zu gewinnen sein. Zumal sich die politischen Entwicklungen dort auch nicht unbedingt als demokratiestrebend verorten lassen.“
Wiedersprechen Sie sich da nicht selbst? Es gehört ja zu den Vorteilen, die die Russen und Chinesen z.B. in Afrika haben, dass sie nie zu den Kolonialmächten gehört haben. China war ja selbst ein Opfer des europäischen Kolonialismus. Ob der Vermittler aus einer „lupenreinen“ Demokratie kommt ist für die Vermittlung in diesem Konflikt ebenfalls zweitrangig. Ich stimme ihnen zu mit der Formulierung „Friedensvermittler im vom Westen diskutierten Sinne“. Der Vorstellung der Vertreter des „Westens“ entspricht ein Vermittler, der eine Ende des Konflikts anstrebt, dass den Interessen des „Westens“ entspricht. Da dies aber nicht im Sinne Russlands ist, wird jeder Versuch einer Vermittlung scheitern, bzw. gar nicht erst zustande kommen.
Zitat:“Wenn die freie Welt und die EU die Ukraine als (über)lebende Demokratie in ihren Bund aufnehmen, behalten oder retten wollen, wird das ohne Flugverbotszone und Einsatz von westlichen Bodentruppen nicht gelingen…“
Sie machen mir Angst. Das ist genau jenes Szenario, dass mit dem höchsten Grad an Wahrscheinlichkeit in einen Atomkrieg mündet. Neulich hörte ich in ein Interview mit einer ehemaligen Mitarbeiterin des NATO Planungsstabes hinein. Nach drei Minuten habe ich abgeschaltet. Es war einfach unerträglich. Ich hoffe, dass diese Frau wegen offensichtlicher Geisteskrankheit nicht mehr bei der NATO ist und dass es dort noch Leute gibt, die ihren Verstand noch beisammen haben. Russland ist nicht Serbien oder der Irak, dass kann man nicht mal eben in völkerrechtswidriger Weise in die Unterwerfung bomben.
[Letzte Warnung. Noch einmal andere Meinungen als „geisteskrank“ bezeichnen und Sie sind hier endgültig raus. T.W.]
@ Otto
Zitat:“Da stimme ich Ihnen voll zu. Bis auf den Teil mit Lula da Silva.“
Machen Sie einen anderen Vorschlag. Ich fürchte allerdings, Sie werden in dieser „globalisierten Welt“ kaum Staaten finden, die nicht zumindest von China abhängig sind. Schauen Sie sich doch nur mal unsere wirtschaftliche Lage an. Neutralität allein ist vermutlich auch nicht aussreichend. Es gibt aktuell jede Menge Staaten, die sich neutral verhalten weil sie von dem Konflikt profitieren und deshalb kein Interesse an einem baldigen Ende haben.
@J.P.
„Und soll man aus dieser Angst heraus etwa Russland mit seinem verbrecherischem Krieg durchkommen lassen?“
Lassen wir nicht aktuell die Regierung in Mianmar mit einem „verbrecherische Krieg“ gegen die eigene Bevölkerung davonkommen? Oder haben wir den Saudies ihre Verbrechen im Jemen übel genommen? Interessiert uns eigentlich der Bürgerkrieg im Sudan und die dort begangenen Verbrechen? Haben wir den USA für einen der zwölf völkerrechtswidrigen Kriege (seit Vietnam), die sie vom Zaun gebrochen haben, die Freundschaft gekündigt? Haben wir den Türken nicht sogar die Waffen geliefert, mit denen sie nun im eigenen Land und im völkerechtswidrig besetzten Norden Syriens ethnische Säuberungen an Kurden und Yesiden betreiben können?
Sie sind entweder noch sehr jung oder haben sich eine sehr idealistische Vorstellung von internationaler Politik bewahrt.
Auch der Auslöser dieses Konflikts zwischen der Ukraine und dem „Westen“ auf der einen und Russland auf der anderen Seite waren nicht Fragen von „richtig“ oder „falsch“ sondern gegensätzliche Interessen. Russland versucht diese nun seit über einem Jahr mit Gewalt durchzusetzen und die Ukraine ist allein unfähig, das zu verhindern. Wie es aktuell an der Front den Berichten nach aussieht, haben auch die Lieferungen westlicher schwerer Waffen keinen wesentlichen Unterschied gemacht. Alles, was die anfängliche Weigerung, den Konflikt mit Verhandlungen zu lösen, bislang der Ukraine eingebracht hat sind massive Zerstörungen, zig Tausende von Toten und verkrüppelte Menschen sowie ein massiver Bevölkerungsverlust durch Millionen von Flüchtlingen, die die Ukraine verlassen haben. Laut Umfragen wollen rund 35% der Ukrainer, die zu uns geflüchtet sind, nicht wieder in ihre Heimat zurück. Wer soll denn das Land wiederaufbauen?
Der Haftbefehl gegen Putin und die zigtausenden Ermittlungen wegen Kriegsverbrechen unterscheiden diesen Krieg von den anderen Kriegen, bei denen der internationale Gerichthof keine Ermittlungen geführt hat, aber ob daraus jemals mehr wird, als eine nette Geste gegenüber den Ukrainern, bleibt abzuwarten. Ich bin da skeptisch.
@T.W.:
Da die Frage direkt an mich gerichtet ist, möchte ich kurz antworten dürfen. Danke.
@Dirk Wege:
„@ JP Warum sollte sich Burjatien mit 66,6 Prozent russischen Bevölkerungsanteil für unabhängig erklären? In Tartarstan sind es immerhin fast 40 Prozent. Und in Kalmückien mit nicht ein mal 300000 Einwohnern sind es 25 Prozent. Das sehe ich so nicht.“
Das hat weniger mit der Bevölkerungszusammensetzung zu tun, als mit der Tatsache, dass Moskau die anderen Republiken und Föderationssubjekte total vernachlässigt. Beispiel: In 20% (!) des Landes haben die Bewohner keine Trinkwasserleitungen und keine Kanalisation. Der Groll gegen das entfernte, arrogante Moskau, dass sich zwar alle Ressourcen nimmt, aber kein Geld zurückfließen lässt, ist sehr groß. Regionale Unabhängigkeitsbestrebungen werden sich wahrscheinlich eher an wirtschaftlichen und politischen, als an ethnischen Bruchstellen zeigen.
Tatarstan hatte sich übrigens schon vor einigen Jahren mehr Unabhängigkeit von Moskau erkämpft. Ist aber von Putin im Rahmen seiner immer totalitäreren Machtausübung wieder einkassiert worden.
@Herr Rothe:
nicht Rache, aber Gerechtigkeit. Russland ist sehr Rohstoffreich, da könnte man einen fairen Prozentsatz zur Reparationsfinanzierung finden.
Führende Kriegsverbrecher sind auszuliefern, das ist keine Rache.
Aussöhnung macht Sinn, aber dazu muss auch das Verbrecherregime bereit sein!
@Realist:
mal wieder die Atomkarte gezogen, Respekt. Bei den Besten gelernt?
„…welche Versprechen 1989/1990 gemacht wurden, um den Russen die Wiedervereinigung abzuringen.“
Na welche denn? Bitte mit harten Fakten unterlegt, nicht irgendein Versprechen von Genscher, der nicht einmal Regierungschef, anderen Ländern, die es noch gar nicht gibt, ihre Souveränität abspricht, um die eigene wiederzukriegen.
Ansonsten verweise ich auf GOL, der das gut beschreibt. Es gibt offizielle Verträge in denen Russland, teilweise auch Putin persönlich noch anderes unterschrieben hat.
@Schlammstapfer:
Bitte benennen Sie die 12vvölkerechtswidrigen Kriege der USA seit 1975.
Bitte benennen Sie auch die demokratischen Rebellenformationen in Myanmar, Sudan Jemen etc. Wenn 2 Terrorgruppen dich bekriegen, was sollen „wir“ dann machen. Syrien schieben Sie doch auch auf die bösen USA, genauso wie Lybien, Fakt ist aber, dass man eben eher nicht eingegriffen hat und trotzdem wahrscheinlich alles ganz böse völkerrechtswidrig ist, Sie jetzt dann aber ein Einschreiten in anderen Ländern fordern. Wie jetzt? Wenn Sie das entscheiden ist völkerrechtswidrig dann mal nicht do schlimm? Die UN ist in allen von ihnen genannten Ländern gelähmt, wer die Hand sucht Myanmar hat ist ihnen klar oder? Im übrigen sogar beide Seiten unterstützt…Im Sudan ähnlich…