Friedensforschungsinstitute für weitere (militärische) Unterstützung der Ukraine – und Vorbereitung von Verhandlungen

Die großen deutschen Friedensforschungsinstitute haben die Bundesregierung in der aktuellen Lage des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine zu einer Doppelstrategie aufgefordert. Die Ukraine solle weiterhin nach Kräften auch mit Waffen und Militärgerät unterstützt werden, zugleich gehe es darum, Vermittlung und Verhandlungen für einen Frieden zwischen beiden Ländern bereits jetzt vorzubereiten, erklärten Wissenschaftler*innen der Institute bei der Vorstellung ihres jährlichen Friedensgutachtens am (heutigen) Montag in Berlin.

Dass sich deutsche Friedensforscher*innen für die militärische Unterstützung der Ukraine aussprechen, ist zwar nicht neu, wird aber dennoch öffentlich zum Teil mit Unverständnis zur Kenntnis genommen. Nicole Deitelhoff von der Hessischen Stiftung für Friedens- und Konfliktforschung machte in der Stellungnahme stellvertretend für alle Beteiligten Institute deshalb auch deutlich, dass diese Haltung einen Grund habe: Die militärische Unterstützung der Ukraine sofort einzustellen, wie es in einigen öffentlichen Forderungen verlangt werde, um so Friedensverhandlungen zu erreichen, werde den Krieg nicht stoppen und nach jetzigem Wissensstand keinen greifbaren Frieden bringen.

Deitelhoff verwies darauf, dass sich die Bundesregierung auch der Aufgabe stellen müsse, in ihrer Kommunikation sehr klar zu machen, dass der Krieg in der Ukraine noch Jahre dauern könne. Die Unterstützung des Landes werde deshalb vermutlich sehr lange Zeit notwendig sein. Das müsse aber bereits jetzt begleitet werden von der Suche nach möglichen Lösungen für Waffenstillstand und Frieden unter Einbeziehung auch anderer Länder wie China oder Brasilien. Entscheidend dafür sei, dass solche Verhandlungen glaubwürdig und belastbar geführt würden – bis hin zu Sicherheitsgarantien für die Ukraine nach einem Ende der Kampfhandlungen.

Das bedeute für Deutschland allerdings auch, dass die nötigen Mittel zur Unterstützung der Ukraine langfristig bereitgestellt werden müssten, sagte Ursula Schröder vom Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Universität Hamburg. Diese Aufgabe sei nicht im Sommer nächsten Jahres vorbei. Die Sicherheitsgarantien für die Ukraine könnten nach ihrer Einschätzung aber nicht so weit gehen, dass in dem Land NATO-Gruppen zur Absicherung stationiert werden sollten – zur militärischen Abwehr müsse die Ukraine selbst befähigt werden.

Die Friedensforschungsinstitute riefen in ihrem Jahresgutachten auch dazu auf, trotz aller Probleme mit der Handlungsfähigkeit der Vereinten Nationen in der aktuellen Situation die Weltorganisation zu stärken und alle noch vorhandenen Möglichkeiten für eine Verbesserung der internationalen Sicherheitsordnung zu nutzen. Die Vereinten Nationen haben nicht aufgehört zu arbeiten, sagte Schröder. Eine Möglichkeit wäre, die UN mit einem planbaren und regelmäßig steigenden Haushalt auszustatten, der ihre Arbeit absichert. Dabei könnte Deutschland als zweitgrößer UN-Beitragszahler eine Vorreiterrolle übernehmen.

Das Friedensgutachten greift natürlich noch viel mehr Details auf; hier zum Nachlesen.

Die Pressekonferenz mit Deitelhoff, Schröder sowie Tobias Debiel vom Institut für Entwicklung und Frieden der Universität Duisburg-essen und Conrad Schetter vom Bonn International Centre for Conflict Studies zum Nachhören:

Friedensgutachten_BPK_12jun2023