Merkposten: Erste Nationale Sicherheitsstrategie übernächste Woche
Die seit Monaten erwartete erste Nationale Sicherheitsstrategie der Bundesrepublik soll bis zur nächsten Sitzungswoche des Bundestages ab dem 22. Mai vorliegen. Das Parlament kündigte für den 25. Mai eine Debatte darüber im Plenum an.
Der Bundestag berät zum Auftakt der Plenarsitzung am Donnerstag, 25. Mai 2023, über die „nationale Sicherheitsstrategie“, die die Bundesregierung vorlegen will, heißt es in einer Mitteilung, die die Pressestelle des Bundestages am (heutigen) Samstag auf ihrer Webseite veröffentlichte – schon das ein ungewöhnlicher Vorgang. Aus Parlamentskreisen wurde Augen geradeaus! bestätigt, dass das Grundsatzpapier in der nächsten Sitzungswoche von der Bundesregierung an den Bundestag übergeben werden soll.
Die federführend vom Auswärtigen Amt erarbeitete Nationale Sicherheitsstrategie ist das erste Grundlagendokument dieser Art in der Geschichte der Bundesrepublik. Es soll nicht nur die bisherigen vom Verteidigungsministerium verantworteten Weißbücher zur Bundeswehr und zur Sicherheitspolitik ablösen, sondern darüber hinausgehend umfassend alle Bereiche der Sicherheit betrachten.
Die Vorlage dieser Strategie, die in anderen Nationen schon lange üblich ist, war im Koalitionsvertrag vereinbart und schon längst erwartet worden. Wir werden im ersten Jahr der neuen Bundesregierung eine umfassende Nationale Sicherheitsstrategie vorlegen, hatten SPD, Grüne und FDP in ihrer Vereinbarung Ende 2021 festgelegt.
Die sehr frühzeitige (abgestimmte?) Ankündigung über die Webseite des Deutschen Bundestages dokumentiert die Entscheidung, dass es eine Regierungsvorlage gibt. Das Auswärtige Amt ist federführend. Mithin darf ferner angenommen werden, dass alles, was dem Deutschen Bundestag zur Beratung vorgelegt wird, Konsens in der derzeit amtierden Bundesregierung ist. Der Text, der wohl bald als Bundestagsdrucksache nachzulesen sein wird, gilt als Regierungsmaxime. Es kann also sein, dass Leserinnen und Leser der Bundestagsdrucksache eigentlich nur noch fragen könnten, was denn „nicht drinn steht“, was „ausgeklammert worden ist“, was „textlich umschifft“ worden ist. Spannend wäre nachzulesen, wie die Ressortabstimmung erfolgte. Aber das bleibt findigen Nachforschern überlassen. Die Debatte im Plenum ist ja dann eher der (vorläuftige) Abschluss. Aber – es bleibt spannend.
Von Interesse darf sein, wie dies außerhalb unseres Landes aufgegriffen – sofern es überhaupt, Erwähnung, finden wird. Es bleibt spannend.
Vielen Dank für den Merkposten.
Habe wahrscheinlich schon zu viele Weißbücher erlebt. Daher bin ich was die Substanz und insbesondere die Konsequenzen aus dem Dokument angeht sehr skeptisch.
Was soll danach für welche Ressorts konkret als Folgerung hieraus entstehen?
Diese Grundsatzdokumente sind oftmals nur Berliner Selbstbeschäftigung – schon zu Beginn ohne Anspruch auf konkrete Taten.
Dazu gibt es noch den „strategischen Kompaß“ der EU, dem DEU natürlich verpflichtet ist:
https://www.eeas.europa.eu/eeas/questions-and-answers-background-strategic-compass-0_en
@Thomas Melber:
Es gibt mittlerweile genug sog. Strategiedokumente von NATO, EU und auf nationaler Ebene.
Die echte Aufgabe ist die Strategieumsetzung, die meistens auf der nationalen Ebene erfolgen muss.
Dafur braucht man einen guten Plan, Geld und das richtige Personal.
An allem fehlt es – gerade auch bei uns -weiterhin.
Welchen Sinn macht eine Nationale Sicherheitsstrategie ohne einen Nationalen Sicherheitsrat?
Ein nationaler Sicherheitsrat wäre eine weitere Ersatzbefriedigung, bzw. Aushängeschild ohne reale Funktion. Die politische Klasse will keine Sicherheits- und Verteidigungspolitik, da Deutschland per Definition auf einer Insel der Glückseligkeit lebt, und immer leben wird. Ende der Durchsage.
@DIN A4
„Die politische Klasse will keine Sicherheits- und Verteidigungspolitik, da Deutschland per Definition auf einer Insel der Glückseligkeit lebt, und immer leben wird.“
In dem Punkt ist sich die politische Klasse mit der Bevölkerung weitgehend einig. Diese sieht auch oder gerade (Performance der russ. Truppen in der Ukraine) keine reale militärische Bedrohung Deutschlands. Es gilt weiterhin der Grundsatz ab den 1990er Jahren: Deutschland ist von Freunden umzingelt. Die Sicherheitsarchitektur in Europa garantieren und bestimmen die USA.
Die relevante Frage wäre, was ist, wenn die USA diese Aufgabe nicht mehr erfüllen wollen oder können? Ob diese Frage in engsten Zirkeln diskutiert wird, weiß ich nicht. Auf jeden Fall nicht in einer Nationalen Sicherheitsstrategie und damit öffentlich.
Erstmal ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Dennoch, auf Strategie folgt Gap-Analyse worauf hin Handlungsbedarf erkannt wird. Der Handlungsbedarf präzisiert sich in Maßnahmen, welche mit geeigneten Strukturen zu unterfüttern wären.
@Sehestes: Doch Öffentlich, genau wie in den USA auch. Ich verweise auf den aktuellen Sicherheitshalber und die polnischen Warnungen: Was passiert wenn das prorussisch-neutrale China per Invasion Taiwans und implizit Okinawa die USA in einen Zweifrontenkonflikt verwickelt?
Sehr viel naheliegend. Können wir uns per öffentlicher Strategie besser mit unseren europäischen Alliierten abstimmen? GASP mal aus den Sonntagsreden in die Realität holen? Hören wir in Europa irgendwann mal auf, Außen- und Sicherheitspolitisch zu Irrlichtern.
„Erste Nationale Sicherheitsstrategie übernächste Woche..“
Ob darin dann auch unsere „nationalen Interessen“ formuliert sind. Bislang haben unsere Regierungen ja immer so getan als hätten wir gar keine.
Das Papier zur Nationalen Sichertsstrategie ist eine Momentaufnahme des sicherheitsrelevanten Spektrums mit Absichtserklärung und Einschätzungen. Das notwendige Werkzeug zur Umsetzung, ein Nationaler Scherheitsrat o.Ä. ist leider aus unerfindlichen Gründen vom Tisch gewischt worden. Vielleicht kommt die Erkenntnis über seine Notwendigkeit noch,
@AoR
Genau diese Analyse und Planung (inkl. Finanzierung) wird es nicht geben.
Wird bei den Weißbüchern:
No action, talk only.
Ich denke, dass in vielen Köpfen Sicherheitspolitik gleichgesetzt wird mit Verteidigungspolitik.
Und dass all das jetzt federführend das Auswärtige Amt entwirft ist quasi politisches Ränkespiel par excellence.
Dabei ist’s noch nicht lang her, dass es einen Brexit gab, den keiner glauben wollte. Und Oderbruch bzw. Ahrtal, Heidefeuer oder ähnliche Krisen werden ja auch weggemanagt.
Mal sehen was da kommt.
@Hannes Schroeder-Lanz:
Ursprünglich sollte die Sicherheitsstrategie ja deswegen auch breit angelegt werden und auch den Katastrophenschutz umfassen.
Die Länder fühlten sich aber zu wenig beteiligt und bei den Maßnahmen ist wohl wieder die äußere Dimension von Sicherheit im Fokus.
Es wäre eigentlich nicht so schwer, aber in unserem Staat mit viel Föderalismus und Ressortdenken nur möglich, wenn richtig geführt wird. Passiert nicht.
Deswegen ist auch der Sicherheitsrat eine typische Berliner Scheindebatte.
Neue Kästchen erzeugen nicht mehr Führung.
Hat die langwierige Diskussion unter den Koalitionspartnern doch noch zu einem Ergebnis geführt. Schaun wir mal, ob auch noch Inhalte übrig geblieben sind oder ob wir nur wieder eine hohe Trefferquote beim Bullshit-Bingo haben.
@Memoria
Die Rahmenrichtlinien zur Gesamtverteidigung (noch von 1989 (sic !)) sollen ja nunmehr überarbeitet werden, und daneben gibt es noch die Konzeption zivile Verteidigung.
Man muß das eben nur auch umsetzen, genau wie mit dem Weißbuch u.a. Vorlagen, wie von AoR geschrieben.
Wir haben hier kein Erkenntnisproblem sondern ein Ableitungs- und Umsetzungsproblem.
@AoR
Wenn die USA aus welchem Grund auch immer (Nebenkriegsschauplatz; splendid isolation) sich von West- und Zentraleuropa abwenden sollten, stehen ganz andere Fragen als die derzeit in Polen diskutierte Aufrüstung zur Debatte. Aus deutscher Sicht ganz zuerst die Frage, braucht Deutschland eigene Kernwaffen. Eine Frage, die in Japan zumindest öffentlich diskutiert wird.
Eine gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik der EU wird es solange nicht geben, solange aus der EU nicht die Vereinigten Staaten von Europa geworden sind. Letzteres ist Illusion, da an dieser Perspektive auch die USA kein Interesse haben. Welche gemeinsamen Sicherheitsinteressen haben denn z.B. Spanien und Polen oder Italien und Schweden?
Na denn, lassen wir uns überraschen. Nur ist es leider in der Politik nicht so, daß „was lange währt wird endlich gut“ bedeutet, sondern den kleinsten gemeinsamen politischen Nenner darstellt. Ich bin insgesamt eher skeptisch, daß etwas Brauchbares dabei herauskommt.
@Segestes: Ich zitiere mal @Pio-Fritz mit Bezug auf kleinsten gemeinsamen Nenner“ und die Frage, ob dieser Nenner nicht auch Ergebnis einer Betrachtung der Konsequenzen irrlichternder SiPo einpreisen sollte.
Verweise mal auf die Einlassungen von Prof. Masala zur Polfrage gegen Ende des letzten Sicherheitshalber ganz im Schlaglicht von Frank Sauers Mahnung, „man möge mal vom Hohen Ross ™️ runterkommen“
„Die politische Klasse will keine Sicherheits- und Verteidigungspolitik, da Deutschland per Definition auf einer Insel der Glückseligkeit lebt, und immer leben wird. Ende der Durchsage.“
Nicht so schnell! Eine nationale Sicherheitsstrategie kann man eben nicht auf ein DIN A4-Blatt schreiben, sie kann aber (wenn tatsächlich gewollt) zu einem Ausgangspunkt für eine gesamtgesellschaftliche Debatte zur Sicherheitspolitik werden. Die Hoffnung stirbt zuletzt (doch nicht).
Ich stimme der Aussage von DINA4 nicht zu dass es kein Interesse an Sicherheitspolitik in der breiten deutschen Öffentlichkeit gäbe.
Das mag bis Anfang 2022 so gewesen sein aber inzwischen sind es die ehemaligen Friedenstauben die die Waffenschmieden auf Hochtouren bringen. Und bei den Falken werden Ideen laut gedacht für die man vor zwei Jahren zum Exorzisten geschickt worden wäre.
Alle sind sich inzwischen einig dass Sicherheitspolitik ein Teil der Politik ist. Selbst die extremen Ränder unter Wagenknecht und Chrupalla sind ja im Prinzip FÜR eine robuste Sicherheitspolitik, nur halt an der Seite Russlands.