Kabinett bittet Bundestag um Zustimmung zu Sudan-Evakuierung – Operation bis Ende Mai möglich (Update)

Der am Wochenende bereits begonnene Evakuierungseinsatz der Bundeswehr im Sudan soll nachträglich vom Bundestag genehmigt und bis Ende Mai verlängert werden. Das Bundeskabinett beschloss ein entsprechendes Mandat, das am (morgigen) Mittwoch vom Parlament beraten werden soll. Für die Evakuierung über Luft und See sollen bis zu 1.600 Soldat*innen eingesetzt werden können. Update: die Flüge sollen am heutigen Abend beendet werden .

[Unterwegs,  deshalb mobil update] Verteidigungsministerium und Auswärtiges Amt kündigten das Ende der Flüge an:

„Heute Abend findet der vorerst letzte Evakuierungsflug aus Sudan nach Jordanien statt. Sofern andere Nationen den Betrieb des Flugverkehrs sicherstellen, sind keine weiteren deutschen Evakuierungsflüge aus dieser Region geplant. Das Krisenunterstützungsteam des Auswärtigen Amtes und die Bundeswehr werden dann ihre Kräfte zurück nach Deutschland verlegen, bleiben jedoch reaktionsfähig. Noch in Sudan verbliebene Deutsche, die bisher nicht zum Flughafen kommen konnten, werden auch in den nächsten Tagen von unseren internationalen Partnern bei deren Evakuierungsflügen mitgenommen.“

Nach Angaben eines Regierungssprechers stimmten die Kabinettsmitglieder am (heutigen) Dienstagvormittag im Umlaufverfahren dem Mandatstext zu. Das so genannte Parlamentsbeteiligungsgesetz sieht für Auslandseinsätze der Bundeswehr eine Zustimmung des Bundestages vor, bei Gefahr im Verzug wie in der aktuellen Lage im umkämpften Sudan kann diese Zustimmung auch nach Beginn der Operation erteilt werden.

Das neue Mandat sieht ausdrücklich vor, dass die Evakuierung mit Zustimmung der sudanesischen Regierung stattfindet, konkret also mit Erlaubnis der Militärmachthaber, die die sudanesische Armee kontrollieren und gegen die paramilitärischen Rapid Support Forces (RSF) kämpfen. Faktisch ist die Bundeswehr ohnehin auf deren Zustimmung angewiesen, weil der für die laufende Evakuierung genutzte Militärflughafen unter Kontrolle der Regierungs-Streitkräfte steht.

Im Mandat wird als eine Aufgabe der Bundeswehr auch die Evakuierung auf dem Seeweg genannt. Langfristig stellen sich die Streitkräfte darauf ein, Deutsche und Staatsbürger anderer Nationen aus Hafenstädten wie Port Sudan abzuholen, wenn sie sich auf dem Landweg dorthin durchgeschlagen haben.

Aus dem vom Kabinett verabschiedeten Mandatstext:

Der Deutsche Bundestag wolle beschließen:
1. Der Deutsche Bundestag stimmt der am 22. April 2023 getroffenen und durch Beschluss der Bundesregierung am 25. April 2023 bestätigten Entscheidung zur Entsendung erster Einsatzkräfte am 23. April 2023 und dem damit bereits begonnenen Einsatz bewaffneter deutscher Streitkräfte zur Evakuierung deutscher Staatsangehöriger und weiterer berechtigter Personen sowie im Rahmen verfügbarer Kapazitäten Staatsangehöriger von Dritt- staaten, aus Sudan zu.
2. Völker- und verfassungsrechtliche Grundlagen
Der Einsatz bewaffneter deutscher Streitkräfte erfolgt auf Grundlage der Zustimmung der Regierung von Sudan zum Einsatz bewaffneter deutscher Streitkräfte zur Evakuierung deutscher Staatsangehöriger und weiterer berechtigter Personen sowie im Rahmen verfügbarer Kapazitäten von Staatsangehörigen von Drittstaaten, wie von der Bundesregierung mit Verbalnote vom 22. April 2023 erbeten und von Sudan wiederholt mündlich bestätigt, sowie aufgrund des völkergewohnheitsrechtlich anerkannten Rechts aller Staaten zur Evakuierung eigener Staatsangehöriger. Der Aufenthalt in Jordanien findet mit Zustimmung der dortigen Regierung statt. Der Einsatz erfolgt in Übereinstimmung mit den verfassungsrechtlichen Vorgaben für Einsätze bewaffneter deutscher Streitkräfte im Ausland, insbesondere auf der Grundlage von Artikel 87a Absatz 1 und 2 des Grundgesetzes.
3. Auftrag und Aufgaben
Durchführung eines Einsatzes zu einer militärischen Evakuierung deutscher Staatsangehöriger und weiterer berechtigter Personen sowie im Rahmen freier Kapazitäten von Staatsangehörigen von Drittstaaten aus Sudan.
Im Rahmen dieses Auftrages ergeben sich dabei für die Bundeswehr unter anderem folgende Aufgaben:
– Führung einer nationalen militärischen Evakuierungsoperation im Rahmen des nationalen Risiko- und Krisenmanagements zum Schutz deutscher Staatsangehöriger im Ausland;
– Sicherung, Schutz sowie Evakuierung diplomatischer und konsularischer Vertretungen (inklusive Bergung von Mitteln), in denen deutsches Personal eingesetzt ist;
– Evakuierung deutscher Staatsangehöriger und weiterer berechtigter Personen sowie im Rahmen verfügbarer Kapazitäten Staatsangehöriger von Drittstaaten aus Sudan;
– Abstimmung und Kooperation mit internationalen Verbündeten und Partnern zur Durchführung des Evakuierungsauftrages.
4. Einzusetzende Fähigkeiten.
Für den Einsatz bewaffneter deutscher Streitkräfte im Rahmen der militärischen Evakuierungsoperation werden folgende militärische Fähigkeiten bereitgehalten:
– Führung;
– Wirkung, Sicherung und Schutz;
– Militärisches Nachrichtenwesen;
– Aufklärung;
– Führungsunterstützung;
– Einsatzunterstützung, einschließlich Transport und Umschlag;
– Lufttransport;
– Seetransport;
– Sanitätsdienstliche Versorgung.
5. Ermächtigung zu Einsatz und Dauer
Der Bundesminister der Verteidigung wird ermächtigt, im Einvernehmen mit der Bundesministerin des Auswärtigen für die Evakuierung deutscher Staatsangehöriger und weiterer berechtigter Personen sowie im Rahmen verfügbarer Kapazitäten Staatsangehöriger von Drittstaaten aus Sudan die in Nummer 4 genannten Kräfte und Fähigkeiten weiterhin einzusetzen, solange die konstitutive Zustimmung des Deutschen Bundestages vorliegt, längstens jedoch bis zum 31. Mai 2023.
6. Status und Rechte
Der Einsatz wird durchgeführt auf der Grundlage des Völkerrechts und der Zustimmung der Regierung Sudans. Dies umfasst den Einsatz militärischer Gewalt zur Durchsetzung des Auftrags, insbesondere zum Schutz der zu evakuierenden Personen und eigener Kräfte, sowie im Rahmen der Nothilfe. Das Recht zur individuellen Selbstverteidigung bleibt unberührt.
Der Aufenthalt in Jordanien findet mit Zustimmung der dortigen Regierung statt.
7. Einsatzgebiet
Das Einsatzgebiet umfasst das Staatsgebiet Sudans sowie anliegende Seegebiete.
Angrenzende Räume und das Hoheitsgebiet von Staaten in der Region können zu den Zwecken „Vorausstationierung, Zu- und Abgang sowie Versorgung“ mit Zustimmung des jeweiligen Staates und nach Maßgabe der mit ihm getroffenen bzw. zu treffenden Vereinbarungen genutzt werden.
8. Personaleinsatz
Es können insgesamt bis zu 1.600 Soldatinnen und Soldaten eingesetzt werden.
Zur Durchführung von konkreten Operationen kann, zum Zweck der Verlegung von Personal in unterstützender Funktion in angrenzende Räume, die Personalobergrenze zeitlich befristet überschritten werden. Gleiches gilt in Notsituationen.
Im Rahmen der Evakuierungsoperation kann der Einsatz von deutschem Personal in Kontingenten anderer Nationen auf der Grundlage bilateraler Vereinbarungen und in den Grenzen der für Soldatinnen und Soldaten des deutschen Kontingents bestehenden rechtlichen Bindungen genehmigt werden.

Die Kosten veranschlagten Auswärtiges Amt und Verteidigungsministerium auf rund 22,4 Millionen Euro, die aus dem Verteidigungshaushalt gezahlt werden.

(Foto: Für die Evakuierungsoperation im Sudan bereitgestellte geschützte Transportfahrzeuge des Typs Mungo auf der Luftwaffenbasis Al Azrak in Jordanien – Foto Einsatzführungskommando der Bundeswehr)