Ukraine/Russland/NATO: Mehr deutsche Leopard für die Ukraine – der Überblick am 24. Februar 2023 (Update: Iris-T)

Ein Jahr nach Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine wird in der Ukraine wie im Westen nicht nur dieses Krieges gedacht – die Frage, wie es weitergeht, steht im Mittelpunkt. Unterdessen erhöhte Deutschland die Zahl der zugesagten Leopard-Kampfpanzer für die ukrainischen Streitkräfte. Der Überblick am 24. Februar 2023:

• Das Verteidigungsministerium kündigte am (heutigen) Freitag an, mehr Kampfpanzer der Bundeswehr an die Ukraine abzugeben als bisher geplant. Die Mitteilung des Wehrressorts:

Die Bundeswehr erhöht die Abgabe von Kampfpanzern Leopard 2 A6 an die Ukraine

Heute hat Verteidigungsminister Boris Pistorius unter Beteiligung seiner militärischen Berater entschieden, weitere vier Kampfpanzer Leopard 2 A6 aus Beständen der Bundeswehr an die Ukraine abzugeben.
Deutschland erhöht damit seine Abgabeanzahl von 14 auf 18 Panzer. Mit dieser Entscheidung sind wir gemeinsam mit unseren portugiesischen und schwedischen Partnern nun in der Lage, ein gemischtes ukrainisches Bataillon bereitstellen zu können.
Gemeinsam mit Polen wurde eine Initiative ins Leben gerufen, der Ukraine zwei Bataillone Kampfpanzer Leopard 2 zur Verfügung zu stellen. Während Polen den Anteil zur Lieferung von Leopard 2 A4 übernommen hat, koordiniert Deutschland den Anteil Leopard 2 A6.
Mit der heutigen Ankündigung Schwedens zur Lieferung von zehn Leopard 2 A5 Kampfpanzern, die technisch der deutschen 2 A6 Version ähneln, sind wir gemeinsam mit Portugal in der Lage, der Ukraine 31 Leopard 2 zur Verfügung zu stellen.

Interessant an dieser Ankündigung ist – neben dem bislang seltenen Sprachgebrauch, der Minister habe unter Beteiligung seiner militärischen Berater entschieden – die jetzt absehbare Zusammensetzung der Kampfpanzer-Abgabe an die Ukraine: Offensichtlich haben sich nicht genügend Nationen gefunden, die bereit gewesen wären, nach deutschem Vorbild Gefechtsfahrzeuge in der Version 2A6 abzugeben. Bislang hatte Deutschland davon 14 zugesagt, Portugal 3 – weit unter der für ein Battaillon in ukrainischer Gliederung nötigen 31 Panzer.

Mit der deutschen Erhöhung auf 18 Leopard 2A6, den drei 2A6 aus Portugal und der schwedischen Zusage, zehn Leopard 2A5 zu liefern, wird nun dieses Bataillon zustande kommen. Inwieweit die Erklärung  zutrifft, dass die schwedischen Panzer technisch der deutschen 2 A6 Version ähneln oder ob das eher eine politische als eine technische Aussage ist, werden wir in den nächsten Tagen sicherlich noch aus der Panzertruppe hören.

Entscheidend dürfte aber das politische Signal gewesen sein, dass damit die angekündigte Lieferung von Kampfpanzern an die Ukraine auch klappt. Zumal Polen nicht nur angekündigt hatte, mit dem Bataillon von älteren Leopard 2A4 auf gutem Wege zu sein – der polnische Ministerpräsident Mateusz Morawiecki kündigte bei seinem (heutigen) Besuch in der ukrainischen Hauptstadt auch an, die ersten seien bereits in der Auslieferung.

Update: In der Mitteilung der schwedischen Regierung zu den weiteren Waffenlieferungen an die Ukraine wurde vor allem die Ankündigung der Leopard-Lieferung zur Kenntnis genommen. Aber es steht auch noch ein weiterer interessanter knapper Satz drin:

In addition, Sweden – in cooperation with Germany – intends to ensure Ukraine’s access to additional IRIS-T air defence system, for which Sweden is providing essential parts.

Dahinter verbirgt sich ein Plan, über den Deutschland und Schweden schon seit einiger Zeit reden: Deutschland hat der Ukraine das Flugabwehrsystem Iris-T SLM der deutschen Firma Diehl zur Verfügung gestellt. Aber die Flugabwehrraketen dafür sind nicht nur teuer, sondern auch vergleichsweise knapp. Was es aber in größerer Zahl gibt, sind die Iris-T-Flugkörper, wie sie auch von der Luftwaffe als Bewaffnung ihrer Jets genutzt werden.

Diese – weniger leistungsfähigen – Flugkörper können auch vom Boden verschossen werden und sind die Waffen des kleineren Flugabwehrsystems Iris-T SLS. Dieses System hat, bislang, nur Schweden im Einsatz – also ging es darum, ob das skandinavische Land die so genannten Launcher zur Abgabe an die Ukraine bereitstellen würde. Eine komplette Feuereinheit wird nicht benötigt, da die Startgeräte in das vorhandene (und weitere später gelieferte) SLM-Systeme eingebunden werden können.

Mit der schwedischen Ankündigung rückt also näher, dass die Ukraine auch weitere Startgeräte und eben auch Flugabwehrraketen erhalten kann.

• China hat seine angekündigte und mit Spannung erwartete Friedensinitiative für die Ukraine öffentlich gemacht. (Die englische Fassung hier, und die Sicherungskopie: 20230224_China_Ukraine_Friedensplan)

Allerdings: Während der Westen aufgefordert wird, die Sanktionen gegen Russland aufzuheben, ist von einer Forderung nach einem russischen Abzug aus der Ukraine nicht die Rede. Die Reaktion im Westen ist deshalb auch recht gedämpft – China habe nicht viel Glaubwürdigkeit, weil das Land den russischen Angriff nicht verurteilt habe, sagte zum Beispiel NATO-Generalsekretär Stoltenberg.

• Das britische Intel Update mit einer Kurzbilanz nach einem Jahr Krieg: Russlands aktuelle Strategie ziele jetzt nur auf die Erschöpfung der Ukraine.

Since 2014 Russia’s strategic goal in Ukraine has highly likely been consistent: to control its neighbour. Over 2014-2021, it pursued this objective through subversion, by fomenting an undeclared war in the Donbas, and by annexing Crimea.
On 24 February 2022, Russia pivoted to a new approach and launched a full-scale invasion which attempted to seize the whole country and depose its government.
By April 2022, Russia realised this had failed, and focused on expanding and formalising its rule over the Donbas and the south. It has made slow and extremely costly progress.
In recent weeks, Russia has likely changed its approach again. Its campaign now likely primarily seeks to degrade the Ukrainian military, rather than being focused on seizing substantial new territory.
The Russian leadership is likely pursuing a long-term operation where they bank that Russia’s advantages in population and resources will eventually exhaust Ukraine.

(wird ggf. ergänzt)

(Archivbild: Verteidigungsminister Boris Pistorius, r., am 2. Februar 2023 auf einem Leopard 2A6 des Panzerbataillons 203 in Augustdorf – Mario Bähr/Bundeswehr)