Ukraine/Russland/NATO – der Sammler am 3. Februar 2023 (Updates: Pentagon, Scholz)

Bei den deutschen militärischen Unterstützungsleistungen für die Ukraine als Reaktion auf den russischen Angriffskrieg gab es am (heutigen) Freitag gleich drei interessante Entwicklungen: Im neuen US-Waffenpaket sind Raketen mit 150 Kilometer Reichweite enthalten. Die Bundesregierung bestätigte, dass die Lieferung von (älteren) Leopard 1-Kampfpanzern aus Industriebeständen genehmigt wurde. Und: Aus der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) kommt der Hinweis, dass auch Waffenlieferungen mit Ausbildung Deutschland sehr wohl zur Konfliktpartei in diesem Krieg machen könnten. Der Sammler am 3. Februar 2023:

• Die USA kündigten ein neues, umfangreiches Paket mit Waffenlieferungen für die Ukraine an:

Today, the Department of Defense (DoD) announces a significant new package of security assistance for Ukraine. This includes the authorization of a Presidential Drawdown of security assistance valued at up to $425 million, as well as $1.75 billion in Ukraine Security Assistance Initiative (USAI) funds.
The Presidential Drawdown is the thirty-first such drawdown of equipment from DoD inventories for Ukraine that the Biden Administration has authorized since August 2021. Today’s announcement includes critical air defense capabilities to help Ukraine defend its people, as well as armored infantry vehicles and more equipment that Ukraine is using so effectively, including Javelin anti-tank missiles, artillery ammunition, and conventional and long-range rockets for U.S.-provided HIMARS. The specific capabilities include:
Additional ammunition for High Mobility Artillery Rocket Systems (HIMARS);
Additional 155mm artillery rounds;
Additional 120mm mortar rounds;
190 heavy machine guns with thermal imagery sights and associated ammunition to counter Unmanned Aerial Systems;
181 Mine Resistant Ambush Protected (MRAP) Vehicles;
250 Javelin anti-armor systems;
2,000 anti-armor rockets;
Claymore anti-personnel munitions;
Demolitions munitions;
Cold weather gear, helmets, and other field equipment.
Under USAI, the DoD will provide Ukraine with:
Two HAWK air defense firing units;
Anti-aircraft guns and ammunition;
Equipment to integrate Western air defense launchers, missiles, and radars with Ukraine’s air defense systems;
Equipment to sustain Ukraine’s existing air defense capabilities;
Air defense generators;
Counter-Unmanned Aerial Systems;
Four air surveillance radars;
20 counter-mortar radars;
Spare parts for counter-artillery radars;
Puma Unmanned Aerial Systems;
Precision-guided rockets;
Secure communications equipment;
Medical supplies;
Funding for training, maintenance, and sustainment.

Das neue an diesem Paket – über den Umfang hinaus – verbirgt sich hinter der knappen Auflistung Additional ammunition for High Mobility Artillery Rocket Systems (HIMARS). Pentagon-Sprecher Brigadegeneral Pat Ryder bestätigte in einer Pressekonferenz, dass es sich dabei um so genannte Ground Launched Small Diameter Bombs (GLSDB) handele:

Q: Ukraine question. The Small Diameter Bomb in the latest Ukraine aid package has the potential to target Crimea. Is that the intent behind providing it now?
GEN. RYDER: So — thanks for the question, Joe. So — so yes, as part of the USAI package, we will be providing Ground Launched Small Diameter Bombs to Ukraine. This gives them a longer-range capability – long-range fires capability that will enable them, again, to conduct operations in defense of their country and to take back their sovereign territory in Russian-occupied areas.
When it comes to Ukrainian plans on operations, clearly that is their decision. They are in the lead for those. So, I’m not going to talk about or speculate about potential future operations, but again, all along, we’ve been working with them to provide them with capabilities that will enable them to be effective on the battlefield.

(…)

Q: Just a (inaudible) to specify on that one — within the — in the announcement, there’s a — one line that says „precision-guided rockets.“ Is that the Ground Launched —

GEN. RYDER: That is the — that is the Ground Launched Small Diameter Bomb.

Die Ankündigung dieser Waffen, die von Boeing und der schwedischen Firma SAAB entwickelt wurden, hatte sich schon seit einiger Zeit abgezeichnet. Die Ukraine erhält damit ein System, das deutlich weiter reicht als die bisher von den HIMARS- und MARS-Raketenwerfern abgefeuerten Raketen, und kann russische Stellungen und vor allem Depots weiter hinter der Front angreifen.

• Regierungssprecher Steffen Hebestreit reagierte auf Fragen nach der Genehmigung für die Leopard 1-Panzer aus Industriebeständen: Es handele sich um einen Antrag, der schon seit geraumer Zeit beantragt worden ist, um eine Lieferung von Leopard 1-Panzern zu ermöglichen. Details zu Art und Umfang der Genehmigung ließ Hebestreit ausdrücklich offen. Seine Aussagen vor der Bundespressekonferenz:

(Das Transkript dazu unten)

Die Süddeutsche Zeitung (Link aus bekannten Gründen nicht) hatte zuvor berichtet, dass die Bundesregierung grundsätzlich der Lieferung dieser älteren Kampfpanzer zugestimmt habe. Ein Großteil davon steht bei der Flensburger Fahrzeugbau Gesellschaft (FFG) und könnte für die Abgabe an die Ukraine instandgesetzt werden.

Die FFG bemüht sich nach Informationen von Augen geradeaus! bereits seit Monaten um eine solche Genehmigung. Während aus dem für Rüstungsexporte zuständigen Bundeswirtschaftsministerium schon länger Zustimmung signalisiert worden war, hatte das Kanzleramt jedoch damit gezögert. Unter anderem soll es auch darum gehen, die Leopard 1 als Waffenträger zum Beispiel für schwere Mörser zu nutzen. Die Ukraine verfügt bereits über Bergepanzer auf Basis dieses Kettenfahrzeuges und hat deshalb für wesentliche Teile bereits Erfahrung mit der Instandsetzung.

Die Übersicht der deutschen militärischen Unterstützungsleistungen wurde am Freitag aktualisiert; die Leopard 1 werden dort bislang allerdings nicht erwähnt.

Nachtrag: Bundeskanzler Olaf Scholz nahm bei einer Pressekonferenz beim Besuch der italienischen Ministerpräsidenten Giorgia Meloni dazu auch Stellung:

Frage: Noch eine Frage zu einem aktuellen Thema, wenn Sie erlauben: Die Bundesregierung hat heute eine Exportgenehmigung für Leopard-1-Panzer erteilt. Von diesen Panzern gibt es bei der Industrie eine dreistellige Zahl. Welche Dimension wird dieser Export haben? Gibt es für diese Panzer auch genügend Munition? (…)

Scholz: (…) Was die Frage im Hinblick auf die Exportgenehmigung betrifft, geht es jetzt erst einmal darum, dass die Möglichkeit geschaffen wird. Es wird ja auch insbesondere Sache der Unternehmen sein, herauszufinden, was denn real praktisch lieferbar ist. Wir werden sehen.

• Unterdessen scheinen sich Gespräche zwischen Schweden und Deutschland über die Abgabe von Flugabwehrsystemen an die Ukraine zu konkretisieren. Bereits im vergangenen Jahr hatte sich abgezeichnet, dass Deutschland die schwedischen Streitkräfte bitten könnte, Startgeräte für das Luftverteidigungssystem Iris-T SLS zur Verfügung zu stellen: Dieses von der deutschen Firma Diehl Defence gelieferte System ist sozusagen eine Nummer kleiner als das bereits an die Ukraine gelieferte System Iris-T SLM, hat auch eine geringere Reichweite – aber von den dafür nötigen Flugkörpern gibt es größere Vorräte als beim größeren System. Damit könnte Deutschland der Ukraine erheblich mehr Abfangmöglichkeiten zur Verfügung stellen.

Nun habe die Bundesregierung konkret in Schweden nachgefragt, berichtet die Wirtschaftsagentur Bloomberg:

Germany and Sweden are in talks over a new weapons package which would see Stockholm provide air defense missiles and launchers for Germany’s IRIS-T systems to Ukraine, according to people familiar with the matter.
Germany has asked Sweden to provide launchers for an IRIS-T compatible anti-missile system, said the people who asked not to be named as the discussions are confidential. The discussions would also make available more ammunition that can be used for Germany’s IRIS-T systems sent to Kyiv, according to people familiar with the matter.

• Die vom Regierungssprecher erneut geäußerte Ansicht zu den Waffenlieferungen Das sind Hilfslieferungen, keine Kriegsbeteiligung könnte – erneut – zum Gegenstand einer juristischen und dann auch politischen Debatte in Deutschland werden. Die SWP, die auch die Bundesregierung berät, veröffentlichte  einen Standpunkt des Juristen Christian Schaller, der für die Forschungsgruppe Globale Fragen der Stiftung arbeitet (und nicht für die Forschungsgruppe Sicherheitspolitik).

Der SWP-Wissenschaftler kommt zu der Einschätzung, dass die Lieferung von Waffen und nicht zuletzt die Ausbildung der Ukrainer an diesen Waffensystemen Deutschland sehr wohl zur Konfliktpartei machen könnten. Diese indirekte Gewaltanwendung sei zwar als Beitrag zum kollektiven Selbstverteidigungsrecht völkerrechtlich legitim – müsste aber dem UN-Sicherheitsrat (und damit dessen ständigem Mitglied Russland) angezeigt werden:

Deutschland unterstütze die Ukraine durch Waffenlieferungen bei der Ausübung ihres individuellen Rechts auf Selbstverteidigung gegen den von Russland geführten völkerrechtswidrigen Angriffskrieg, werde dadurch aber nicht zur Kriegspartei. So lautet die Position der Bundesregierung. In völkerrechtlicher Hinsicht stellt sich jedoch die Frage, wann das Unterstützen in einem bewaffneten Konflikt in eine
indirekte Gewaltanwendung umschlägt. Dann müsste nämlich das kollektive Selbstverteidigungsrecht in Anspruch genommen werden. Und man könnte sich kaum mehr darauf berufen, nicht Konfliktpartei zu sein. Doch das ius contra bellum und das humanitäre Völkerrecht geben keine eindeutigen Antworten darauf, wann die betreffenden Schwellen überschritten sind.

Das ganze Papier zum Nachlesen hier.

• Das britische Intel Update:

The scale of Russian paramilitary Wagner Group’s convict recruitment programme has probably significantly reduced from its peak between summer and autumn 2022.
The Russian Federal Penal Service (FSIN) figures released on 31 January 2023 reported a national penal population of 433,000, suggesting a decrease of 6000 inmates since November 2022.
In contrast, FSIN data had indicated a decrease of 23,000 from September to November 2022. Wagner recruitment was likely a major contributing factor to this drop.
Separately, anecdotal evidence from Ukrainian combatants over the last ten days suggests a reduced Russian reliance on human wave style assaults by Wagner convict fighters in key sectors.
Significant tensions between Wagner and the Russian Ministry of Defence are playing out in public; competition between factions in the Russian elite is likely to be partially responsible for the reduced supply of convicts.

• Das Morgenbriefing des ukrainischen Generalstabs:

Situation update of General Staff of UAF regarding russian invasion as of 6.00 a.m., February 3, 2023
Day 345 of the full-scale russian military aggression has begun.
The russian federation does not abandon its intentions to destroy the critical infrastructure of our state, continues to strike civilian objects and homes of the civilian population.
Over the past day, the enemy launched 4x rocket attacks, 2x of which hit the civilian infrastructure of the city of Kramatorsk, Donetsk Oblast, as well as 5x air strikes. They carried out more than 70x attacks from MLRS on civilian objects in the Kherson Oblast and Mykolaiv Oblast. Civilians were killed and wounded by enemy strikes.
The threat of further russian air and missile strikes on the entire territory of Ukraine remains high.
The adversary, suffering heavy losses, does not stop offensive operations on the Lyman, Bakhmut, Avdiivka and Novopavlivsk axes.
Over the past day, units of the Defense Forces have repelled attacks by occupiers in the areas of the settlements of Stelmakhivka, Nevske, and Bilogorivka in the Luhansk Oblast and Verkhnyokamianske, Mykolaivka, Krasna Gora, Paraskoviivka, Bakhmut, Ivanivske, and Kurdyumivka in the Donetsk Oblast.
Volyn, Polissya, Sivershchyna and Slobozhanshchyna axes: the situation has stabilized, no signs of the formation of offensive groups of the enemy have been detected. The occupiers shelled the districts of Klyusy, Gremyach and Yeliny of the Chernihiv Oblast; Murawayni, Tovstodubovo, Studenko, Katerynivka, Vovkivka, and Volfyno in Sumy Oblast, and Veterinary, Kozachoa Lopan, Strelecha, Glyboky, Zeleni, Staritsa, Ogirtsevo, Gatysh, Vovchansk, Vovchansky Khutori, Okhrimivka, and Novomlynsk in Kharkiv Oblast.
Kupyansk axis: the enemy shelled the areas of the settlements of Dvorichna, Golubivka, Kupyansk, Kucherivka, Kislivka and Kotlyarivka in the Kharkiv Oblast and Novoselivske and Stelmakhivka in the Luhansk Oblast.
Lyman axis: Terny, Makiivka, Chervonopivka, Dibrova and Torske in the Luhansk Oblast were shelled.
Bakhmut axis: Spirne, Bilogorivka, Paraskoviivka, Vesele, Bakhmut and Ivanivske of the Donetsk Oblast were affected by fire.
Avdiivka axis: Avdiivka, Tonenke, Vesele, Severne, Vodyane, Pervomaiske, Nevelske, Krasnohorivka, Georgiivka, Maryinka, Pobieda and Novomykhailivka were under enemy fire.
Novopavlivsk axis: the occupiers shelled Bogoyavlenka, Vugledar, Prechistivka, Velika Novosilka, and Neskuchne in the Donetsk Oblast.
Zaporizhzhia and Kherson axes: areas of more than 40x settlements were shelled by mortars, barrel and rocket artillery. Among them are Vremivka of Donetsk Oblast; Gulyaipilske and Kamianske in Zaporizhzhia, as well as Kherson, Zolota Balka, Mykhailivka, Havrylivka, Mylove, Burgunka, Novotyaginka and Kizomys in the Kherson Oblast.
During the past day, the aviation of the Defense Forces struck 4x areas where the occupiers were concentrated. Our defenders also destroyed a russian UAV of the „merlin“ type. Units of rocket and artillery troops hit the control post, 3x areas of concentration of manpower and the enemy’s ammunition depot.

• Das Briefing des russischen Verteidigungsministeriums:

Russian Defence Ministry report on the progress of the special military operation (3 February 2023)
The Armed Forces of the Russian Federation continue the special military operation.
In Kupyansk direction, the attacks, launched by Operational-Tactical Aviation and the artillery of the ‚Zapad‘ Group of Forces, have resulted in the neutralisation of the manpower and hardware of the units from 103rd Territorial Defence Brigade and 92nd Mechanised Brigade of the Armed Forces of Ukraine (AFU) near Tabayevka, Berestovoye (Kharkov region), and Novosyolovskoye (Lugansk People’s Republic).
Up to 40 Ukrainian personnel, one armoured fighting vehicle, as well as one U.S.-manufactured AN/TPQ-50 counterbattery warfare radar have been eliminated.
One AFU ordnance depot has been destroyed near Blagodatovka (Kharkov region).
In Krasny Liman direction, the artillery strikes and the offensive operations, conducted by the ‚Tsentr‘ Group of Forces, have resulted in the neutralisation of the units from 66th Mechanised, 25th Airborne, and 80th Airborne Assault brigades of the AFU near Nevskoye (Lugansk People’s Republic), Yampolovka (Donetsk People’s Republic), as well as Serebryanskoye forestry.
Over 70 Ukrainian personnel, two armoured fighting vehicles, one infantry fighting vehicle, one D-20 howitzer, and one U.S.-manufactured M-777 artillery system have been eliminated.
One AFU ordnance depot has been destroyed near Krasny Liman (Donetsk People’s Republic).
In Donetsk direction, the offensive operations, conducted by the ‚Yug‘ Group of Forces, have resulted in gaining more advantageous lines and positions.
Up to 40 Ukrainian personnel, one Msta-B howitzer, as well as one U.S.-manufactured AN/TPQ-37 counterbattery warfare radar have been eliminated.
One fuel depot for AFU hardware has been destroyed near Krasnoarmeysk (Donetsk People’s Republic).
Moreover, two AFU ordnance depots have been destroyed near Kurakhovka and Mikhaylovka (Donetsk People’s Republic).
In Zaporozhye direction, the artillery and units from the ‚Vostok‘ Group of Forces, have neutralised the units from 108th and 110th territorial defence brigades near Levadnoye, Marfopol, and Lugovskoye (Zaporozhye region).
The enemy has lost over 20 Ukrainian personnel, one U.S.-manufactured M-777 artillery system, two D-20 howitzers, and one D-30 howitzer.
In Kherson direction, counterbattery warfare operations have resulted in the destruction of one Akatsiya self-propelled howitzer, and two Gvozdika self-propelled artillery systems.
One launching ramp for U.S.-manufactured HIMARS multiple-launch rocket system (MLRS) has been destroyed near Antonovka (Kherson region).
Three AFU ordnance depots have been destroyed near Kazatskoye, Nikolayevka, and Mikhaylovka (Kherson region).
Operational-Tactical Aviation, Missile Troops and Artillery of the Armed Forces of the Russian Federation have neutralised 86 AFU artillery units at their firing positions, manpower and hardware in 103 areas.
One launching ramp for Tochka-U tactical missiles, and one Norwegian-manufactured NASAMS air defence missile system have been destroyed near Krasnoarmeysk (Donetsk People’s Republic).
Fighter Aviation of Russian Aerospace Forces has shot down one MiG-29 airplane of Ukrainian Air Force near Chervonoarmeyskoye (Kherson region).
Air defence facilities have shot down seven Ukrainian unmanned aerial vehicles near Kotlyarovka (Kharkov region), Nikolskoye, Kirillovka (Donetsk People’s Republic), Kuzemovka, Kremennaya (Lugansk People’s Republic), as well as Golaya Pristan (Kherson region).
In total, 382 airplanes, 206 helicopters, 3,008 unmanned aerial vehicles, 403 air defence missile systems, 7,723 tanks and other armoured fighting vehicles, 1,004 fighting vehicles equipped with MLRS, 3,988 field artillery cannons and mortars, as well as 8,255 units of special military hardware have been destroyed during the special military operation.

• Das Transkript zu den Aussagen vor der Bundespressekonferenz; neben dem Regierungssprecher der stellvertretende Sprecher des Verteidigungsministeriums, Oberst Arne Collatz:

Frage: Herr Hebestreit beziehungsweise Herr Säverin, die Kollegen der Süddeutschen haben ja gemeldet, dass weitere Panzerlieferungen durch die Bundesregierung genehmigt worden seien, Panzer des älteren Typs Leopard 1. Meine Frage: Können Sie uns das bestätigen? Meine damit verbundene Frage ist: Welche besondere Rolle könnte dieser Panzer, sobald er denn von den beteiligten Firmen fertiggestellt ist, in dem Ukraine-Krieg spielen?

StS Hebestreit: Ich tue mich ein bisschen schwer damit, mich zu so etwas zu äußern, weil wir da eigentlich sehr klare Verfahren haben, dass der Bundestag nach einer ergangenen Genehmigung mit einem kurzen Zeitverzug darüber informiert wird. Ich würde aber ausnahmsweise insoweit davon abweichen, weil wir das Thema Panzer in den vergangenen Tagen und Wochen intensiv miteinander verhandelt haben. Ich kann bestätigen, dass eine Ausfuhrgenehmigung erteilt worden ist. Viel mehr möchte ich zum jetzigen Zeitpunkt nicht sagen. Das wird sich dann in den nächsten Tagen und Wochen womöglich noch konkretisieren.

Zusatzfrage: Dann würde ich die Frage mit der militärischen Möglichkeit an das Verteidigungsministerium geben, weil ich da einfach zu wenig weiß. Was kann dieser Panzer in dem Ukraine-Krieg bewirken, sobald er dann geliefert werden kann?

Collatz: Da kann ich Ihnen auch nur spärliche Informationen liefern. Seit 2003 hat die Bundeswehr diesen Panzer nicht mehr im Bestand. Er ist in den ersten Versionen seit den 60er Jahren in Betrieb. Vielleicht gibt Ihnen das einen Hinweis, und es hilft Ihnen, wenn ich aufzeigen kann, dass das ungefähr die Gerätegeneration mit dem T62 und dem T64 ist, die wir auch jetzt auf dem Gefechtsfeld sehen. Es ist also schon etwas, was sich annähernd vergleichen lässt. Aber im Vergleich zum Leopard 2, gerade in den moderneren Varianten, kann er natürlich im Gefechtswert überhaupt nicht Schritt halten.

Frage: Noch einmal nachgefragt: Es geht ja um Anträge auf Genehmigung von Rheinmetall und FFG in Flensburg. Rheinmetall soll 88 Leopard 1 haben, die FFG gut 100. Können Sie die Zahlen schon bestätigen?

StS Hebestreit: Nein, das möchte ich zu diesem Zeitpunkt nicht tun, dafür gibt es geregelte Verfahren, wo auch die konkreten Details genannt sind. Ich habe sie auch gar nicht vorliegen. Ich hätte mich eigentlich formal auch komplett zurückziehen und sagen können: Das tun wir zu gegebener Gelegenheit, aber ich dachte, gerade beim Thema Panzer und Leopard-Panzer ist hier eine sehr große Wissbegier. Da wollte ich jetzt auch nicht eine unnötige Geheimniskrämerei an den Tag legen. Aber da bitte ich dann doch darum, dass Sie das bisschen Geduld aufbringen, das es braucht, zunächst die zuständigen Stellen zu informieren und dann auch Sie.

Frage : Die Zahl werden Sie nicht nennen, das ist jetzt klar. Aber eine andere Frage zu den Leopard-Panzern. Das war auch Thema bei dem gestrigen Auftritt des russischen Präsidenten in Wolgograd. Gibt es da eine Reaktion der Bundesregierung? Er hatte ziemlich starke Worte in Bezug auf die deutschen Leopard-Panzer gebraucht.

StS Hebestreit: Die Bundesregierung hat die Worte des russischen Präsidenten selbstverständlich zur Kenntnis genommen. Das reiht sich in eine ganze Reihe von abstrusen historischen Vergleichen ein, die immer wieder als Rechtfertigung des russischen Überfalls auf die Ukraine herangezogen werden. Sie entlarven sich selbst. Es geht seitens der Ukraine darum, sich gegen einen Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine zu wehren. Die Ukraine bekommt finanzielle, politische, humanitäre und auch militärische Unterstützung von einer ganzen Reihe von Staaten. Deutschland gehört zu diesen Staaten, die die Ukraine intensiv bei ihrem Abwehrkampf unterstützen, aber das sind Hilfslieferungen und Unterstützungsleistungen und keine Kriegsbeteiligung. Das ist dem russischen Präsidenten sicherlich auch sehr klar.

Frage: Noch eine Frage zum Leopard 1 entweder an Herrn Hebestreit oder Herrn Collatz: Es sollen ja zwei Bataillone aufgestellt werden, wenn ich es richtig verstehe, eines aus Leopard 2, da beteiligt sich die Bundesregierung mit eigenen Panzern, und ein Bataillon mit Leopard-1-Panzern. Wenn die jetzt aus Deutschland geliefert werden, verstehe ich das richtig, dass das ein Beitrag sein könnte zum Auffüllen dieses einen Leopard-1-Bataillons?

StS Hebestreit: Ich würde das gern an drei Stellen korrigieren. Die erste Stelle: Die Bundesregierung hat keine Leopard-Panzer, sondern die Bundeswehr. Das zweite ist: Es soll zwei Bataillone Leopard-2-Panzer geben, nicht eines aus Leopard-1- und eins aus Leopard-2-Panzern. Es sind zwei Leopard-2-Panzerbataillone geplant. Insoweit ist das die Antwort auf die dritte Frage, ob das da irgendwie hineinpasst: Das ist ein Antrag, der schon vor geraumer Zeit gestellt worden ist, um eine Lieferung von Leopard-1-Panzern zu ermöglichen. Zu allem Weiteren bitte ich, wie gesagt, um ein bisschen Geduld. Das wird sich dann in den nächsten Tagen und Wochen materialisieren.

Frage: Ich hätte noch eine Frage an das Verteidigungsministerium: Der Hersteller vom Leopard 1 sagt, dass man ihn auch aufrüsten könne und dass er moderner und kampffähiger gemacht werden könne. Wie muss man sich das vorstellen? Gibt es da etwas, was Sie uns sagen können? Und was mich auch noch interessieren würde: Die Industrie hatte ja immer wieder gesagt, dass sie erst einmal noch eine ganze Zeit brauche, um die sozusagen wieder fitzumachen. Wissen Sie, wie lange das dauern könnte?

Collatz: Das sind tatsächlich Fragen, die nur die Industrie selbst beantworten kann. Was Aufrüstung angeht, ist es sicherlich so, dass man sich einige Verbesserungen vorstellen kann. Auch die Bundeswehr macht ja Upgrades an ihren Großgeräten. Und so kann ich mir vorstellen, dass da auch zum Beispiel, was Panzerung angeht, etwas leicht Installierbares durch die Industrie angeboten wird. Aber da würde ich Sie tatsächlich bitten, sich an die Industrie zu wenden. Vor allen Dingen sind die Zeitläufe von hier aus überhaupt nicht zu bewerten, weil es auch darum geht, was da im Einzelnen angefasst werden soll.

Frage : Nur eine Verständnisfrage. Herr Hebestreit, der Kanzler hat letzte Woche im Bundestag gesagt, Kampfjet-Lieferungen sind eine rote Linie für ihn. Ist das nur für ihn eine rote Linie oder für die Bundesregierung?

StS Hebestreit: Ich kann mich nicht an eine Äußerung des Bundeskanzlers erinnern, in der er von einer roten Linie gesprochen hat.

Zusatzfrage : Er hat gesagt: Mit mir gibt es keine Kampfjets.

StS Hebestreit: Das hat er nicht gesagt.

Zusatzfrage : Nicht?

StS Hebestreit: Nein.

Zusatz : Das gucke ich einmal nach.

StS Hebestreit: Ja, gern.

(…)

Frage: Herr Hebestreit, nur noch einmal für mich zum Verständnis: Ein solcher Antrag zur Lieferung von Leopard-1-Panzern: Wird der von der Ukraine gestellt oder wird der von den betroffenen Unternehmen gestellt?

StS Hebestreit: Der wird von einem betroffenen Unternehmen gestellt. Das sind diejenigen, die die Geräte haben und sie ausführen wollen. Es geht ja um eine Ausfuhr, eine Exportgenehmigung.

(wird ergänzt)