Lesestoff fürs Wochenende: Kopf hoch und Vertrauen in die Führung?
Geschönte Meldeketten in der Bundeswehr, je weiter oben desto mehr Meldungen auf Grün, keine Auftragstaktik erwünscht, innere Führung in der Krise? Was auch hier in den Kommentaren immer wieder anklingt, hat die Kollegin Julia Weigelt sehr lesenswert aufgeschrieben:
heißt denn auch ihr Text in der November-Ausgabe von loyal, dem Magazin des Reservistenverbandes. Unbedingte Leseempfehlung.
(Und der Hinweis, dass es ein Zeichen auch von Pluralität und Meinungsfreiheit in den Streitkräften ist, dass dieser Text in der Zeitschrift des Reservistenverbands erscheint – der ja im Wesentlichen aus dem Verteidigungshaushalt finanziert wird. Das wird auch hoffentlich so bleiben.)
(Archivbild Juli 2014: Soldat*innen des Sanitätsdienstes beim feierlichen Gelöbnis am 20. Juli 2014 vor dem Verteidigungsministerium in Berlin – Sebastian Wilke/Bundeswehr)
Ein T für Frau Weigelt. 🙂
[Danke für den Hinweis. T.W.]
Aus dem Artikel:
„Und wenn ich General Mais höre, wenn er sich jetzt beschwert, das Heer stehe blank da, dann fragt man sich als junger Offizier: Mensch, du warst Jahrzehnte Teil des Systems – was hast du denn gemacht, um das zu verhindern?”“
Er hat ja gewusst, daß den Laden unrund läuft. Evtl. war das Interesse an einer funktionierenden Bundeswehr noch weiter oben nicht vorhanden. Nein! Kein Stammtisch – lediglich eine Ableitung aus den Beobachtungen, die über die letzten Jahre gemacht wurden.
Der Artikel ist gut, teile die meisten Argumente. Aber ich habe auch genügend Personen erlebt, die sich bequem im System eingerichtet haben, ihre Aufgabe mit Zähnen und Klauen verteidigen und jede Änderung ablehnen. Vielfach mit der Begründung: es ändert sich doch nichts, ich bin zu schwach,….. Systemverkrustung vor allem im Bereich Rüstung und bequeme Lamoryanz.
Mir würden mehrere Fragen zu der Frage gehen: wie wird mit Fragen und Antworten umgegangen?
Ist es ein Problem der Meldekette, dass das BMVg mehr als 6 Wochen braucht, um die Bestandszahlen der Bundeswehr öffentlich zu machen – oder muss erst die Story zu den Zahlen vom 30.09.2022 geschrieben werden?
Ist es ein Problem der Meldekette, dass das BMVg Fragen zur Nachbeschaffung von Material und Munition, das richtigerweise an die Ukraine abgegeben wurde, (noch) nicht beantwortet hat.
Nicht alles ist eine Frage der Meldekette – oder doch?
Der Artikel lässt mich ein wenig ratlos zurück,
die zitierten Aussagen kann man mit ein wenig Dienst- & Lebenserfahrung (leider) zumindest in Teilen nachvollziehen und das Aufzeigen und Zusammenfassen durch Frau Weigelt schafft wichtige Sichtbarkeit.
Ihre Einschätzung, bzw. „absolutistische “ Aussage zur sexuellen Orientierung der Generale / Admirale stimmt auch ohne 24/7 Kontakt zu dieser Ebene allerdings so gar nicht. Da wird einfach kein Aufsehen, im Sinne von Betonung, daraus gemacht. Zur Kenntnis (so es denn überhaupt wichtig ist, die Schuhgröße interessiert schließlich auch nicht, wenn es um Charakter geht) kann man es schon nehmen. Meiner Beobachtung nach ist genau das ein Zeichen, dass (Gott sei Dank) inzwischen vieles selbstverständlicher ist. Schwierig wird es immer dann, wenn die Lautstärke einer Diskussion den Inhalt übertönt. Das sagt dann allerdings mehr über den Sender als den Empfänger aus.
Ich bin überrascht das ausgerechnet in der „loyal“ solch ein ungeschönter Bericht auftaucht.
Ich hoffe das zieht in Bonn und Berlin große Kreise und landet nicht in der berühmten Ablage P.
Denn der Bericht tritt die zunehmende Ohnmacht der Truppe wie ein Nagel auf den Kopf. Jeder TE-Fhr oder Chef kennt die genannten Excellisten in der irgendein höherer Stab eine Abfrage zur „Einsatzbereitschaft“ des Personals macht. Das sich das oftmals nicht immer in Ampelfarben quantifizieren lässt dürfte auch klar sein.
Ich bin felsenfest davon überzeugt, auch wenn ich damit einigen Kameraden auf den Schlips trete, dass die Bundeswehr ein Problem im „Mittelbau“ hat. Während Truppe und die Führung des Heeres einen Wandel (wenn auch aus verschiedenen Gründen) herbeisehnen, sitzt die Kategorie A13 – A16 die Zeitenwende gekonnt aus.
Dies hat vielerlei Gründe, einer davon ist, dass man insbesondere im Heer meistens den Überbringer der schlechten Nachricht „köpft“. Das heißt wenn jemand meldet „nicht durchführbar wegen xyz“ dann kriegt er nochmal die Chance es diesmal „passend“ zu machen oder aber es kommt ein Anderer der es dann macht, zum Karrierenachteil vom Vorgänger.
Folglich wird schon im vorauseilenden Gehorsam alles so hingebogen, dass gar kein Anfangsverdacht für Probleme aufkommen, aus Angst vor Karrierenachteilen, ein wahrer Teufelskreis.
Der zweite wesentliche Punkt ist unser starres BS-System. Ein Oberstleutnant oder Oberst, welcher nicht mehr gefördert wird, muss sich nicht mehr anstrengen. Edeka ist erreicht, also wird in den meisten Fällen die Pension herbeigesehnt. Das ist nur für den Dienstherrn schlecht, da man jahrzehntelang jemanden mitschleift der nur bedingt außerhalb von Ämtern und Stäben zu gebrauchen ist.
Das Ergebnis sieht man dann auf großen Übungen in Wildflecken: sehr viel Eichenlaub, sehr große Bauchumfänge, grottige Englischkenntnisse und in einigen Fällen gefährliches Halbwissen. Für Personal was 4-5 Scheine im Monat verdient ein sehr trauriges Bild.
Jetzt könnte man argumentieren, dass das an den direkten Vorgesetzten liegt die solchen „Müßiggang“ unterbinden müssen. Eigentlich schon, mein Eindruck ist jedoch das man ab einem gewissen Dienstgrad kaum Angst vor Konsequenzen haben braucht.
Aus meiner bescheidenen Froschperspektive fehlt für Stabsoffiziere einfach das notwendige Korrektiv, welche solch problematischen Entwicklungen unterbindet.
Die Hütte brennt und was ist Thema?
Selbst im vorliegenden Artikel wird ab dem ersten Drittel auf Zeitgeistthemen abgestellt. Von geschönten Meldeketten, Personalmangel und Krise der Inneren Führung geht es dann schleunigst zu OTL Biefang und ihrem persönlichen Schicksal. Nur: das persönlich Schicksal von klageführenden Stabsoffizieren ist für die Bundeswehr und ihren Auftrag gänzlich unerheblich. Dann geht es aber auch schon – husch husch – weiter zum nächsten Zeitgeistthema: psychische Gesundheit. Abgehakt. Und weiter zu völlig neuen Erkenntnissen: „Zeiten zur Regeneration, Ruhe und Reflexion sind essentiell“. Aha. Wer hat schon genug? Immer noch nicht? Dann eben noch einen Allgemeinplatz „Raum für Offenheit ist nicht nur in Fragen der Diversität wichtig“. Soso. „Der Soldat muss in den Streitkräften das erleben, was er auch verteidigen soll.“ Ach schau mal einer an. Das Trommelfeuer der Worthülsen ist unerbittlich. Schade eigentlich, dass Frau Weigelt auf den Punkt „Wenn jedes Detail über Berlin laufen muss, zeigt das, dass denen Vertrauen in uns fehlt und Innere Führung nur eine hohle Phrase ist“ nicht mehr eingeht.
Am Ende des Artikels wird deutlich: nicht nur die Autorin („ich wüsste sofort, wem ich mein Leben anvertrauen würde“) hat den eigentlichen Auftrag der Bundeswehr und was dafür wirklich wichtig ist, völlig aus dem Blick verloren.
Etwas Realität gefällig? Ein Interview mit Volodymyr Regesha, Spitzname „Santa“, der seit 2014 kämpft und vom 24.02. bis zum 02.09. mit seinem Freiwilligenverband Pisky (!) gehalten hat. Auf die Frage, welche Aspekte im Kampf bedeutend sind, antwortet er „die flexible Herangehensweise im Gefecht und im Krieg an sich“. Es habe sich gezeigt, dass „diejenigen, die das militärische Mantra zur Seite legen und auf ihre eigene Art und Weise vorgehen, um ihren Auftrag zu erfüllen, erfolgreicher sind“. Auftragstaktik par exellence. Ob der Mann mit dem Ohrring und der roten Mütze je etwas von Innerer Führung gehört hat? Nun, Frau Weigelt. Ich wüsste auch sofort, wem ich mein Leben anvertrauen würde. Aber was reg‘ ich mich auf, wir haben ja eh nur für zwei Tage Munition.
https://www.youtube.com/watch?v=TTynaSDsns4
Daß die Ausstattung der Bw in einem LV/BV Szenar keinen Bestand haben kann ist selbst einem Laien klar: im Krisen- oder Konfliktfall mit 70% des Sollbestandes, der nicht einmal einsatzbereit sein muß, dazustehen ist völlig unzureichend. Selbst 100% sind nicht genug, da erfahrungsgemäß (Total-) Verluste auftreten.
Aufwuchsfähigkeit – Fehlanzeige Aber wer bewacht und beschützt militärisch genutzte wichtige KRITIS, let alone die Liegenschaften der Bw?
Wie hier bereits mehrfach angesprochen hätten snap drills (Dienstaufsicht Insp und IBUK !) die Augen öffnen können, allein, derjenige sieht der auch sehen will. Und selbst wenn man diese nicht durchführen wollte so hätten die (internen) Klarstandsmeldungen doch Anlaß zum rigorosen Abstellen der Mängel geben müssen.
Man sprach von einer Vorwarn- bzw. Vorbereitungszeit von zehn Jahren – die Annexion der Krim war 2014. Ausrüstung auszuschreiben bzw. zu bestellen wenn der Spannungsfall vor der Türe steht ist vielleicht etwas zu kurzfristig. Si vis pacem para bellum.
Meine Firma hat an einer Ausschreibung des BAAIN im Bereich des militärischen Lufttransport teilgenommen. Das Angebot wurde disqualifiziert, weil in der Spezifikation für eine Teilprojektleiter Funktion eine „kaufmännische Ausbildung“ gefordert wurde. Wir hatten leider für die Position „nur“ einen ehemaligen Stabsoffizier aus dem Lufttransport mit langjähriger Führungs- und Facherfahrung benannt – leider ohne kaufmännische Ausbildung.
Mit einer Ausbildung als Verkäufer bei Aldi hätten wir die Anforderungen erfüllt.
Mit einem anonymen (frei erfundenen) Profil hätten wir die Anforderungen erfüllt (Welche Firma kann die exakte personelle Besetzung eines Projektes über drei Jahre garantieren?).
Die Ausschreibung wurde verantwortet von einer Juristin.
So arbeiten Rüstung und militärische Behörden. In Afghanistan werden dringend benötigte Fahrzeuge stillgelegt, weil der TÜV überschritten ist. Hubschrauber und Schützenpanzer werden nach ziviler Arbeitsstättenverordnung ausgelegt. Es gab schon Diskussionen um die Abgasnormen bei militärischen Fahrzeugen. Hauptsache auf dem Papier keine Fehler machen.
Die Soldaten und Mitarbeiter in den Einheiten sorgen am Ende mit Pragmatismus und persönlichem Risiko dafür, dass das System nicht zusammenbricht – um dann zu hören: „Was wollt ihr denn? Es funktioniert doch!“.
Was erwarten wir von so einem System? Eigenverantwortliches Handeln im Sinne des Auftrages war einmal Kern der Inneren Führung. Traurig.
Ehrlich gesagt überzeugt mich der Artikel nicht. Hier werden vollkommen unterschiedliche, leider unbestreitbare Sachverhalte wie die Tendenz des „grünmeldens“ in einen Topf geworfen mit einer ziemlich unverhüllten Gender-/Sexual-Agenda.
Ein Beispiel: „Wo sind die 20 schwulen Generale und Admirale, die es statistisch gesehen unter den 200 geben muss? Geoutet hat sich bislang keiner.“
Wow. Da sind gleich so viele sachliche und handwerkliche Fehler in einem Satz, dass man (ich) gar nicht weiß, wo man anfangen soll. Vielleicht bei der Frage ob die Formulierung „muss“ richtig ist? Oder ob die angenommenen 10% tatsächlich wissenschaftlicher Konsens sind? Oder ob, wenn das der Fall ist, dass das auch in jeder Teilgruppe der Gesellschaft zutrifft? Oder mit der ziemlich übergriffigen Forderung jemand solle sich outen??
Auch die Darstellung des Diszis gegen Oberstlt Bifang ist (bewusst?) mißleitend. Nicht die Tatsache, dass Bifang auf Tinder war, war der Grund für das Diszi (und ganz bestimmt nicht, die unterstellte transphobie), sondern das BVerwG hat klar gemacht, dass es um das „wie“ Bifang sich präsentiert hat ging. Aber naja, solche Fakten gehen leider in diesem Artikel unter :(
@Trevor Faith sagt: 05.11.2022 um 16:13 Uhr
[GenLt Mais]
„Er hat ja gewusst, daß den Laden unrund läuft. Evtl. war das Interesse an einer funktionierenden Bundeswehr noch weiter oben nicht vorhanden.“
Ich bin ja beim besten Willen kein Fan meines Inspekteurs, aber genauso wie seine Vorgänger wurde regelmäßig intern und öffentlich durch ihn darauf hingewiesen.
Wer es in Politik und Öffentlichkeit wissen wollte, wusste es.
Man (die DEU Gesellschaft) hat sich halt nur dazu entschieden die Mahnungen der diversen Generale / InspH zu ignorieren. Das kann man dann aber wohl kaum Gen Mais vorwerfen.
Hm, bei manchen scheint es auszusetzen, sobald der Name Biefang fällt (der schwierig abzuschreiben scheint). Und dann wird der ganze Text verdammt.
Das ist recht sinnfrei und wird jetzt bitte nicht der Stil der Diskussion.
Muss tatsächlich jede Abweichung vom sogenannten Mainstream immer öffentlich auf dem „Markt“ der Eitelkeiten ausposaunt werden und dient das dann der gesteigerten Einsatz- und Kampfbereitschaft oder doch eher dem eigenen Ego?
@Koffer:
Das Kernproblem des „grünmelden“ haben sie dann aber ziemlich übergangen.
Teilen sie zumindest den Teil der Problembeschreibung?
Dieser ist nämlich für mich der wesentliche Teil des Berichts, der wohl sehr vielen als glaubwürdig erscheint.
Es ist nmB weiterhin ein systemisches und kulturelles Problem – gerade im Heer.
Dies muss endlich klar angesprochen werden.
Wurde zu lange zu wenig gemacht.
@T.Wiegold sagt: 05.11.2022 um 22:12 Uhr
„Hm, bei manchen scheint es auszusetzen, sobald der Name Biefang fällt (der schwierig abzuschreiben scheint). Und dann wird der ganze Text verdammt.“
Naja, wenn der Text zu einem nicht unerheblichen Umfang über Oberstlt Biefang (deren Namen ich nicht mit Absicht falsch geschrieben habe und ich erlaube mir den zugegebener Maßen schmunzelnden Hinweis, dass ja auch Sie Buchstaben beim Namen der Autorin vergessen hatten ;) ) und über sexuelle Identitäten ist, dann muss sich die Autorin eben an diesem Missmatch auch messen lassen. Geht es im Artikel um Führungsverständnis, Auftragstaktik, Innere Führung oder um sexuelle Identität in der Bundeswehr?
Aus meiner Sicht sind diese schwerwiegenden Mängel des Artikels umso ärgerlicher, weil das von den wichtigen anderen Aspekten des Artikels ablenkt.
Ich denke Frau Weigelt bringt Dinge zusammen, die wenig mit einander zu tun haben und berichtet in bestimmten Bereichen dann auch noch tendenziös. Ich halte den Artikel insgesamt daher für nicht gelungen. Obwohl er zweifelsohne starke Absätze hat. Dennoch insgesamt mindestens „one bridge too far“. Wer zu viel will bekommt am Ende gar nichts. Clausewitzes Erkenntnisse über die Gefahren des Kulminationspunkts scheinen auch im Journalismus ihre Berechtigung zu haben…
Es ist schon interessant zu lesen, wie „schwer“ sich der ein oder andere Kommentator mit dem inhaltlichen Verständnis des Artikels tut. Kritik kann schon schmerzen, aber sie ist ein unverzichtbarer Fortschrittsmotor.
Es geht darum, ob wir bestehende Probleme weiter in einer „Schweigekultur“ umfärben wollen oder ob wir Probleme in einer offenen und kritischen „Lösungkultur“ willkommen heißen wollen.
Und was die sexuelle Orientierung einzelner Menschen angeht: wir leben im postmodernen 21. Jahrhundert. Einfach nur peinlich. Vielleicht sollte sich der ein oder andere besorgte Moralapostel mal informieren, was alles „state of the art“ ist. Da ist Frau Biefang sicher kein Exot. Oder besser nicht. Die Truppendienstgerichte sind so schon überlastet.
Habe den Text nach dem Griff in den Briefkasten gleich gelesen, weil er die zentrale Stimmung, die mein Team seit Jahren hat, genau trifft. Meldungen zu weiß Gott was an weiß Gott wen und über Jahre keinerlei Verbesserung, sondern mehr Bürokratie, weniger Personal, immer weniger Interesse und Verständnis der (höheren) Führung. Teilweise unerfüllbare Aufträge, die über DREI Führungsebenen nach unten ohne Kritik und Widerspruch weitergegeben wurden. Bei einem solchen Auftrag hätte jeder verfassungskundige Mensch sagen können, dass der Auftrag a) nicht mit Artikel 65 Grundgesetz Absatz 2 vereinbar sein kann und b) praktisch völlig undurchführbar war. In einem Saal von über vierzig Stabsoffizieren haben nur zwei dem Auftrag widersprochen. Verwirrung am Rednerpunkt, dann nächster Tagesordnungspunkt. Bislang kam nichts mehr zu diesem Auftrag…..
Neben der „opportunistischen Bestenauslese“ und „Anpassungsgewinnern“ sehe ich noch einen zentralen Aspekt: Schwächen der hist-pol Bildung, die „ein Denken im größeren Rahmen von Führung“ meiner Beobachtung nach nicht gefördert hat bzw. fördert.
Strukturell, wie sie in der Offizierausbildung teilweise abgebildet wurde. Z.B. Klausuren gegen Lehrgangsende mit Schwerpunkt Reproduktion und kaum eigenständige Urteilsbildung. In der neuen OffzAusb im Heer seit 2020 droht die MilGesch ja ziemlich unter die Räder zu kommen, zumal die Truppenschulen noch nie die entsprechende Lehre hatten. Große Unterschiede sehe ich auch in der Umsetzung der hist-pol-Bil in den Verbänden. Nach meinem Eindruck wird sie hier selten als Instrument der Erziehung und Prägung von Führungspersönlichkeiten gesehen. Die Luftwaffe scheint dabei noch erkennbar besser aufgestellt zu sein, als das Heer. In der SKB sehe ich nur nur viel Orientierungslosigkeit. Zur Marine fehlen mit Einblicke.
Fazit: neben dem systemischen Opportunismus der Ebenen A15 aufwärts, dürfte ein immer mehr fehlendes historisch-politisches Verständnis bzw. Bewußtsein, was klare und gute Führung überhaupt bedeutet, auch ein zentrales Problem sein. Und gleich die Anmerkung: NEIN, ich fordere keine altmodische heldenorientierte Operationsgeschichte zum Schlagen aus der Nachhand, die in manchen unmodernen Köpfen noch spukt.
Gerne noch einmal: Wer diesen Text nur nutzen möchte, um sich über die Causa Biefang aufzuregen, und alles andere Geschriebene beiseite schiebt, möge das bitte am Stammtisch tun.
Auch der lustige Trick, einfach den Nick zu wechseln, ist nicht besonders einfallsreich.
Einer der Mitkommentatoren wundert sich etwas darüber, daß ausgerechnet die loyal
den Artikel veröffentlicht. Warum denn nicht. Die Redaktion der Zeitschrift hat für mich den Begriff Loyalität gut im Sinne von konstruktiv verinnerlicht. Zur Erinnerung sei auch nochmal auf den früheren Artikel zu den aktuellen Flugabwehrfähigkeiten der Bundeswehr hingewiesen.
1980 trug ich erstmalig die Uniform. 1983 kam Frau Julia Weigelt auf die Welt. 2021 trug ich das letzte Mal die Uniform, eventuell noch ein Mal. Jedes Mal hat man sich dann etwas an die innere Führung zu erinnern. Da fällt einem immer wieder ein Kernpunkt ein: das Gewissen.
Darüber schreibt Frau Weigelt aber nicht.
Persönlich könnte ich in diesem Zusammenhang hier noch einige Zeilen tippen, doch erlaube ich es mir erst einmal den weiteren Fortgang der Diskussion abzuwarten.
@T.W. „[Die Hütte brennt und was ist Thema? Manche drehen durch, sobald der Name Biefang fällt. Sie machen genau das, was Sie der Autorin vorwerfen. T.W.]“
Herr Wiegold, durchdrehen war das noch nicht. Das sieht bei mir ganz anders aus. Aber im Ernst. Ich habe den Eindruck, Sie nehmen einem die Kritik am Artikel übel, der ja genau das machen soll – Debatte anstoßen. Ohne zu trollen: da sind wir schon wieder beim Thema Innere Führung.
Mein Punkt ist der; Ursprünglich war ja die Innere Führung zu Beginn der 50er Jahre als erweitertes Führungsprinzip erarbeitet worden, indem Führen mit Auftrag nicht rein militärisch, sondern immer auch politisch verstanden werden sollte. Also die Übergabe der politischen Verantwortung an den militärisch Handelnden zum selbstständigen Abgleich: dient mein Tun dem politischen Zweck? (Verfassungstreue, Demokratie etc.) Dies entspricht ja 1:1 dem Leitbild „Staatsdiener in Uniform“. Diese doppelte Verantwortung scheitert jedoch in der Praxis an der Realität, wie man dann vor allem in den Auslandseinsätzen beobachten konnte. Zu vage und zu abstrakt, zu verkopft. Da ist zudem noch die meist von Unteroffizieren und Mannschaften, aber auch jungen Offizieren wahrgenommene Verlagerung der Gewichtung vom Militärischen zum Politischen.
Womit wir wieder bei meinem vorherigen Post sind. Hat irgendjemand mal ernsthaft in Erwägung gezogen, dass die propagierten zivilgesellschaftlichen Entwicklungen – die der Soldat als Staatsbürger in Uniform ebenso widerspiegeln soll – eventuell nicht mit der militärischen Realität 1:1 vereinbar sind? Hier wird der Gesellschaft wohl auch etwas vorgemacht (vgl. Thema „Bewaffnetes THW“, „Bewaffnete Entwicklungshelfer“). Diese Diskrepanz ist ja noch gepaart mit greifbaren Problemen wie Beschaffung, Unterfinanzierung, Überreglementierung, Inkompatibilität mit Partnerstreitkräften aufgrund von Vorgaben, Personallage. Der Einsatzbereitschaft ist dies alles nicht zuträglich.
Innere Führung hat sich bewährt. Kritik an ihr ist Teil des Konzeptes und Änderungen sind nicht nötig. So das Mantra. Da ist man ja fein raus, könnte man denken. Meiner bescheidenen Meinung nach benötigen wir jedoch eine Anpassung der Führungsphilosophie an die neuen Realitäten: Wegfall Wehrpflicht, evtl. eigene Definitionen für Landes- und Bündnisverteidigung, Auslandseinsatz und Anpassung an Zeitenwende (?). Vor allem sollte Innere Führung auch gelebt werden. Dazu benötigen wir einen Diskurs der nicht nur Einbahnstraße ist. Soldaten müssen unabhängig vom Rang und Dienstgrad ihre Sicht der Realität der Bw u. Gesellschaft darstellen können und das ohne für abweichende Meinungen zerfleischt zu werden (vgl. Armee im Aufbruch).
Diese Themen wurden von Fr. Weigelt teils nicht einmal gestreift. Daher meine Kritik.
@ „Thomas Melber sagt:05.11.2022 um 19:29 Uhr: Daß die Ausstattung der Bw in einem LV/BV Szenar keinen Bestand haben kann ist selbst einem Laien klar: im Krisen- oder Konfliktfall mit 70% des Sollbestandes,“
Dabei handelt es sich streng genommen, um eine weitere Reduzierung der Streitkräfte um 30% unter die Norm-Stärke, da diese ohne Ausrüstung ja nicht kämpfen können und somit nichts anderes als Reservetruppen darstellen. Dazu kommen noch die bereits bekannten Leerungen der Depots, der allgemeine Ersatzteilmangel und die damit verbundene schlechte Einsatzbereitschaft des vorhandenen Großgeräts. All das war – auch durch die Arbeit der Medien und des Wehrbeauftragten – seit Jahren bekannt.
Die Frage ist doch also eigentlich: Warum wollte man diese Mängel nicht abstellen?
Diese Frage ist zu Beginn des Ukraine-Krieges kurz aufgeploppt und dann ganz schnell wieder in der Deckung versunken.
Danke Frau Weigelt ❤️
@Memoria sagt: 05.11.2022 um 22:17 Uhr
„Das Kernproblem des „grünmelden“ haben sie dann aber ziemlich übergangen.“
Denke nicht, dass ihre Aussage zutrifft. Beide Teile.
1. In meinem Ausgangskommentar habe ich gleich ganz am Anfang festgehalten, dass mich der Artikel nicht überzeugt WEIL er von wirklichen Probleme wie dem „grünmelden“ ablenkt. Daraus sollten Sie erkennen, was ich vom Grünmelden halte.
2. Ich sehe daran aber nicht das Kernproblem. Der Artikel nennt zwei andere Probleme, die ich für noch dringlicher halte.
a) Der Verlust unserer Bereitschaft (und Fähigkeit!) mit Auftrag zu führen! und
b) die Stilisierung einer ganz spezifischen Ansicht von Innerer Führung als quasi-religiöses Tabu.
a) macht uns kriegsuntauglich und b) macht uns friedens- und kriegsuntauglich
„Es ist nmB weiterhin ein systemisches und kulturelles Problem – gerade im Heer.“
Ich sehe alle drei Probleme (Grünmelden, fehlende Führen mit Auftrag und Tabuisierung von Weiterentwicklung der InFü) als in allen drei TSK problematisch. Führen mit Auftrag und Tabuisierung der WE der InFü aber mit besonders dramatischen Auswirkungen auf das Heer, weil gerade in LandOp beides besonders gebraucht wird.
Und alle drei Probleme spricht der Artikel berechtigt an. Deswegen ja meine Enttäuschung, dass er halt leider zwischenzeitlich in Identitätspolitik abdriftet und deswegen genau das passiert, was auch hier im Faden passiert ist.
Manche unterhalten sich mehr über die konträren Ansichten zu sexueller Identität als über die wesentlich weitreichenderen, grundsätzlichen Probleme –> die drei vom Artikel vollkommen richtig!!! angesprochenen aktuellen Grundprobleme der Bw.
Der Fall „Anastasia Biefang“ zeigt doch, dass die Bundeswehr nicht lernfähig ist. Wer diesen Fall in den Medien verfolgt hat, die Kommentarspalten gelesen hat, weiß doch, wie groß der Rückhalt in der Bevölkerung für diese Frau ist. Und das hätte man auch vorher erkennen können, dann wäre das gar nicht passiert.
Das Problem für die Bundeswehr ist, dass sie nicht völlig losgelöst von der Zivilbevölkerung agieren kann, sie ist nicht nur abhängig von der Zustimmung innerhalb der Bevölkerung, sie rekrutiert sich ja auch aus eben dieser Bevölkerung.
Aber in der Bundeswehrführung hat man sich irgendwann im Laufe des letzten Jahrzehntes dazu entschlossen, den Teil der Bevölkerung, der einem nicht in den Kram passt (dekadent, hedonistisch, bunt, vielfältig, „links“) Nicht mehr rekrutieren zu wollen.
Stattdessen durften sich dann Leute austoben, die das Bild einer „soldatischen Männlichkeit“ proklamieren durften. „Jeder (echte) Mann ist ein Soldat. Jede Frau ist die Mutter eines Soldaten (und das ist ihr einziger Daseinszweck)“.
Ich habe in den letzten Jahren wirklich viel absolut menschenverachtendes von offiziell mit Werbung beauftragten Soldaten gelesen.
Nur: Welcher mental gesunde junge Mensch fühlt sich denn davon angesprochen? In den heroischen Soldatentod zu marschieren? Sich sexuellen Folterungen zu unterwerfen, da „Soldaten eben eine gewisse Härte brauchen“? Die Demokratie abzulehnen, weil sie eben einfach zu „weich“ ist?
Und so hat die Bundeswehr in den letzten Jahren großteils Werbung für Rechtsextremisten gemacht. Und jetzt wundert man sich, warum man niemand mehr herein bekommt. Der Anteil dieser Personengruppe an der Gesamtbevölkerung ist wohl doch einfach zu gering.
Und nein, es gibt nicht nur Rechtsextremisten in der Bundeswehr. Aber denen hat man es wirklich sehr einfach gemacht, Leuten die dagegen gehalten haben hat man es zum Teil sehr schwer gemacht.
Aber „Hurra, Es ist endlich wieder Krieg. Da brauchen wir uns ja mit „Gedöns“ nicht mehr auseinander zu setzen“.
Der Artikel fing stark – als Reportage, der sich mit dem Kern des Problems befasste – an, um dann zum (mittlerweile offenbar schon fast obligatorischen) Gesinnungsaufsatz (die Bundeswehr sei nicht divers/weiblich genug, es gäbe nicht so viele homosexuelle Flaggoffiziere, wie statistisch zu erwarten seien, Frau Oberstlt i.G. Biefang sei größtes Unrecht widerfahren) überzugehen, den die Verfasserin dann auch noch mit der Aussage abbindet, jemand der Frau Biefang einen Verweis erteilt, sei auch ein schlechter Führer im militärischen Sinne, da sie ihm ihr Leben nicht anvertrauen würde. Damit wurde das ganze dann mehr zum Kommentar als zur Reportage – schade eigentlich.
Ich möchte mich zunächst für den Verweis auf besagten Artikel bedanken. Es zeigt, dass im Unterschied zum BMVg, zur Bundeswehr, Schwerpunkt Heer, auf unsere Medien Verlaß ist. Danke @ Wiegold.
Gern nutze ich die Gelegenheit, als Beispiel die sogenannte kritische Bestandsaufnahme zu nutzen. Zum wiederholten Male wird also Bestand aufgenommen. Wir erinnern uns „Fehlerkultur“ uvm.
„Die kritische Bestandsaufnahme ist davon geprägt, dass wir die Situation der Bundeswehr im Lichte der kriegerischen Auseinandersetzung in der Ukraine neu betrachten. Keineswegs sind die Projektarbeiten bei null gestartet – aber der Anspruch ist, angesichts der neuen Situation auch einen neuen Blick darauf zu werfen.“ Generalinspekteur der Bundeswehr, General Eberhard Zorn.
Im Heer wird zum wiederholten Male ein Pilotprojekt „Kritische Aufgabenbetrachtung“ im Kommando Heer aufgelegt. Nun, der Name ist neu.
Nichts von dem, was in grundsätzlichen Dingen wieder einmal festgestellt wird ist neu. Beispiel: „Die Strukturen der Bundeswehr müssen effektiver und effizienter gestaltet werden mit dem Ziel die Einsatzbereitschaft zu erhöhen. Dazu unterziehen wir Personal, Material und Finanzen einer kritischen Bestandsaufnahme. Die Bundeswehr muss demografiefest und langfristig auch mit Blick auf die Altersstruktur ausbalanciert sein.“
Man stellt selbst wieder einmal fest:
„Bei den Diskussionen zu allen vier abgedeckten Themenschwerpunkten kristallisiert sich ein essenzieller Punkt bei der Betrachtung der Bundeswehr heraus: Es gibt kein Erkenntnisproblem, aber wir haben ein Umsetzungsproblem.“
Warum also immer wieder ein Umsetzungsproblem??
Wie in Faden zum Sondervermögen bereits mehrfach angesprochen, passt es auch hierher: Schlüssel: Formen von Verantwortung erkennen und sich für die Sache, nicht dem personlichen Aufstieg und dem z.T. selbstverliebten Ego engagieren.
Verantwortung ist keine Struktur. Sie muss gelebt werden. Und Verantwortung leben erfordert Konsequenz. Verantwortung geht nicht ohne Konsequenz. Das war und ist wohl unsere größte Herausforderung.
Ich werfe somit erneut in die Diskussion, Führungsverantwortung und Führungsversagen. Versager an der Spitze sind nicht mitzuschleifen, gar zu fördern und befördern. Die im System Bundeswehr und BMVg seit Jahrzehnten innewohnende Kultur der Nicht-Verantwortung und persönliches als auch kollektives Führungsversagen zu erkennen und zu beenden, darum geht es. Das skandalöse Führungsversagen, im Kern für die Nichterfüllung des Verfassungsauftrages, trägt konkrete Name. Jedes Mal versucht man, wenn es konkret wird, sich aus der Verantwortung zu stehlen. Dies nicht mal gekonnt.
Das Führungsversagen beginnt und endet bei Frau Ministerin und ihren Vorgängern selbst. Es lässt sich aber auch für den GI, die Inspektuere und AbtLtr zuordnen.
Hallo Herrr Wiegold,
ist kein Trick. Hab doch meine Emailadresse angegeben. Sie wissen doch wer ich bin…
Aber gut. O.K. war wohl ein bißchen daneben… .
Mit meiner Replik ist wohl der Tunichtgut in mir durchgegangen. Ich habe nichts gegen Frau Biefang und auch nicht gegen Frau Weigelt. Das Geschreibe brachte das zum Ausdruck was nach meiner Erfahrung in der Truppe größtenteils Konsens ist. Dass das niemand hören will… na ja, ist ja Thema des Aufsatzes von Frau Weigelt. Bei dieser Steilvorlage konnte ich einfach nicht anders.
Dass Sie das wahrscheinlich nicht veröffentlichen – ob aus Stil oder Inhaltsgründen – damit habe ich schon gerechnet. Bitte regen Sie sich auch nicht darüber auf. Das war nicht Sinn und Zweck der Übung.
Das Beispiel hat sich aber so perfekt dazu geeingnet mittels Polemik aufzuzeigen, dass halt manches ab einer bestimmten Ebene „nicht mehr so kommuniziert, wie gedacht wird“. Alles nix Neues.
Das war`s schon. Wie gesagt, bitte nicht aufregen. Das war schon mit Absicht polemisch gschrieben (Deshalb auch der Nickname-Wechsel).
Einen schönen Sonntag noch.
Aber vieleleicht können Sie das
Es wäre mir lieber gewesen, wenn der Artikel etwas weniger breit gefasst wäre und statt der zeitgeistigen Themen etwas mehr Ursachenforschung behandelt hätte. Woran liegt es denn nun? Was ist die Ursache für die Grünmelderei? Hier mal meine Theorie dazu:
Es gibt eine Kultur der geduldeten Unehrlichkeit in der Bundeswehr. Die grüne Meldung wird geliefert wie bestellt, alle Beteiligten wissen, was sie da tun – und es bleibt folgenlos, die beteiligten Opportunisten können die Karriereleiter weiter erklimmen. Wohin so etwas in letzter Konsequenz führt, lässt sich in der russischen Armee ja seit Kriegsbeginn bestens beobachten. Warum aber wird diese Unehrlichkeit geduldet? Ich glaube, Auswahl und Ausbildung der Führungskräfte funktioniert seit Jahrzehnten schon nicht mehr wie sie sollte. Wer in der Bundeswehr aufsteigen möchte, wird darauf konditioniert, kurzfristige Erfolge einzufahren. Zuversetzung, Staub aufwirbeln, Punkt für die Vita kassieren, weiter geht die wilde Fahrt. Strategie weicht so Taktik, die Scherben müssen ohnehin andere aufkehren. An der Spitze stehen dann eben keine Strategen und schon gar keine Experten, sondern Generalisten, die maximal in Zweijahresscheiben planen – denn das hat man ihnen beigebracht. Das ist konsequenterweise das Abbild dessen, was man mit dem Motto „Breite vor Tiefe“ im unsäglichen de Maizièreschen Weißbuch haben wollte: Alles ein wenig können, aber nichts richtig. Da Führungskräfte gerne Nachfolger für sich installieren, die ähnlich denken und handeln wie sie selbst, kriegt man den Geist auch nicht mehr in die Flasche zurück. Der systemische Opportunismus ist meine Erachtens auch der Grund, warum die ganzen Reförmchen der Bundeswehr gescheitert sind: Reform bedeutet Kästchenkunde, Kästchen bedeuten Karriereoptionen. Dass diese Kästchen hinterher einen Auftrag erfüllen sollen ist zweitranging, man muss das nur gut genug ausschmücken um es dem Haushalt verkaufen zu können. Die Karawane zieht weiter, und die Bundeswehr ist um eine weitere Behörde reicher, in der sich alle verwundert die Augen reiben und versuchen das Konstrukt mit Leben zu füllen, mit den erwartbaren Konsequenzen.
Die Konnotaion einiger Themen als „Zeitgeistthemen“ oder „Genderagenda“ zeigt doch, wie wenig weit wir voran kommen. Meiner Bewertung nach hat alles das etwas mit Innerer Führung, Klima der Offenheit und Wertschätzung zu tun – siehe dazu auch das Interview mit Carlo Masala. Nur in so einem Klima wird sich auch eine Möglichkeit entfalten, offen und ehrlich Lagebilder zu generieren. Das fängt schon im kleinen an, und wer von seinen Mitarbeitenden getragen wird, der kann diese auch in seinem Verantwortungsbereich nach oben transportieren.
Bisher muss ich sagen, dass ich den aktuellen Strömungsabriss zwischen „kaltstartfähige Verbände aus der Grundaufstellung“ und dem täglichen Erleben als eklatant empfinde. Wir haben nun die 2.000 DP mehr in der Sanität (zumindest ausplanbar), aber sonst sehe ich auf meiner kleinen Ebene wenig Maßnahmen in der Umsetzung sind
– wir melden weiterhin eine bemerkenswert zusammenhangslose EBL (flankierende Einordnungen werden zK genommen),
– haben unverändert die SAZV,
– wissen weiterhin nicht, wie mit Soldat*innen umgegangen werden soll, die im NRF Verband auf Dienstposten sitzen (bzw im progn. Kohäsionsverband der künftigen Div2025) aber absehbar nicht in den Einsatz gebracht werden können,
– geben keinen größeren Rahmen zur Unterstützung im sozialen Bereich (Kinderbetreuung, Care Arbeit).
Von Material und der Beschaffung EVG möchte ich gar nicht erst anfangen.
Nach meiner Kenntnis ist das über alle Ebenen kommuniziert und auch extern immer wieder thematisiert worden, es fehlt allein eine transparente Reaktion, die für mich persönlich sichtbar ist. Allein der GI hat in der letzten Regionaltagung Bestandsaufnahme wohl das „Zielbild Heer“ als „zu ambitioniert“ bezeichnet, höre ich.
Die Reaktionen auf Twitter und auch hier zeigen ja, dass es tatsächlich eine Ablage gibt – und GM Mais‘ Aussage „blank dastehen“ ist zwar letztlich eingefangen worden, aber das Heer hat seitdem meines Wissens weder mehr Personal, noch mehr Material noch einen strukturellen Verjüngungsprozess im Sinne eines PSG bekommen.
Und das muss in meinen Augen auch gesellschaftlich diskutiert werden, um die Politik zu erreichen – denn ohne eine Einigkeit und Willensbildung auf diesen Ebenen mit der Kraft, Ressortinteressen und Bundesländerbesonderheiten zu überwinden, werden wir uns alle auf unseren Ebenen weiter abkämpfen und können aber klar, konstruktiv und unüberhörbar auf diese Tatsachen hinweisen.
[Auch hier der Hinweis, dass die Sache mit den Abkürzungen… nicht so einfach scheint. Nicht allen Nicht-Fachleuten ist der Unterschied zwischen EGV und EVG so direkt klar. T.W.]
Danke fürs Teilen, Thomas – und danke für deine unermüdliche Moderation. ❤️🙏🏻
Ich diskutiere hier nicht mit, wer mir persönlich konstruktives Feedback oder Wertschätzung geben will, kann das auf Twitter tun.
Schönes Wochenende allerseits!
LG Julia Weigelt
@Eskadron
Spielt die IF im täglichen Dienstbetrieb überhaupt eine Rolle? Es gibt zwar Pflichtlehrgänge für KpFw, TE Fhr u.a., aber wird das dann auch gelebt bzw. berücksichtigt?
Andere Armeen kommen wohl auch gut ohne eine explizit formulierte IF und auch ohne Traditionserlaß aus.
@Besorgte Bürgerin
Ich äußere mich grundsätzlich nur sehr selten zu Personen und Kameraden. Aber: die Bw hat keine Probleme mit Transsexuellen u.a., ich habe eine Kameradin getroffen, die als Reservistin sogar wieder beordert wurde. Die Geschlechtsumwandlung von A.B. hat übrigens die Bw bezahlt, so wie dies z.B. auch die US Army tut – daher dort die Unterstellung, man trete nur ein um sich das bezahlen zu lassen (ist in den USA quasi unerschwinglich für Normalverdiener). Das unterstelle ich A.B. natürlich nicht, sie ist ja bereits langjährig Kameradin.
Zur causa A.B. : ich verweise auf SG §10 – Pflichten des Vorgesetzten. Klar kann man auf Tinder Sexualpartner suchen, das sollte man dann aber doch eher diskret tun (wenn überhaupt) und nicht mit dem Text von Frau B., zumal sie ja auch sehr prominent ist.
Der Artikel im Spiegel (leider Zahlschranke)
spiegel.de/panorama/bundeswehr-warum-die-truppe-ein-problem-mit-ihrer-ersten-trans-kommandeurin-hat-a-ea818c82-9260-41c3-b8a0-f5643200cf9d
tut ein übriges. Unabhängig von der sexuellen Orientierung ist Frau B. Soldat und Vorgesetzte, dazu gehören eben auch außerdienstliche Pflichten, zumal sie sicher auch in einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit (seT) eingesetzt war / ist.
Die Show anläßlich der Kommandoübergabe ihres IT Bataillons tun ein übriges (in wie weit sie da zugestimmt hat weiß ich allerdings nicht).
Prof. Masala hat das ebenfalls nicht verstanden, seinen Artikel in der Loyal fand ich sehr daneben.
Der Artikel beschreibt in Auszügen eine dramatische Situation. Die Überschrift könnte lauten „Wie man die Bundeswehr systematisch ruiniert hat“. Ein Negativbeispiel mit Relevanz für die Sicherheit unseres Landes.
Reformen zahlreich. Ergebnis, die Bundeswehr – mittlerweile eine systemische Fehlkonstruktion: zu teuer, zu komplex, Endbahnhof Trümmerfeld. Nicht einsatzbereit, nicht kriegstauglich, nicht verteidigungsfähig. Da helfen auch 100 Mrd Euro nicht viel, vor allem wenn man sieht, wofür das Geld zum Teil aufgegeben werden soll.
Bundeswehr – kaum Fehlerkultur. Vielfach gedankenloses oder eiferndes Mitläufertum, Opportunismus, ungesunder Ehrgeiz, z.T. Narzismus, jener, welche es vermeintlich an die Spitze schafften.
Das hier angesprochen Führungsversagen illustriert die systemische Seite dieser Struktur und Kultur. Ablenkungsmanöver, Kurswechsel und sogar zum Teil offene Lügen, falsch verstandener Korpsgeist ab B6…wer kennt das alles nicht. Verschwendungen und damit verbundene Skandale kann man in AG ja nachlesen.
Zur Bestandsaufnahme: Das grundlegende Handwerkszeug erfolgreichen Führens ist bekannt, Wirkung bitte statt erneut Geschwafel!
Man kann es auch konkret machen:
Führungsversagen in AFG – aufbereitet?
Führungsversagen mit Blick nach Osten, seit 2014. Schuldige für das Fehlen einer wirklich wehrfähige Armee für LV/BV? Ach sicher, immer die anderen, schnell wird nur die Politik verantwortlich gemacht. Nein, auch schlampige Arbeit in der Bundeswehr selbst hat es so weit gebracht. Braucht es es diesen Artikel um das offen zu legen? Offenbar ja, denn Reformen und Bestandsaufnahmen haben nichts gebracht und so wie die Reginaltagungen laufen, kommt wieder nichts raus. A bissl Dampf ablassen und dann weiter so.
Mangelnde Auftragserfüllung wird bei den sogenannten Kleinen geahndet, doch Fehler müssen offenbar groß und teuer genug sein und ganz weit oben gemacht werden, dann ist es schon okay.
„Ob gegen den Bundeswehrangehörigen, der den Screenshot von Biefangs Profil gemacht und weitergeleitet hat, wegen Verletzung der Kameradschaftspflicht ermittelt wird, wollte das Ministerium weder bestätigen noch dementieren.“
Das ist für mich ein wichtiger Punkt.
Dazu kommt : Sind solche“ Beweise „, die an Bespitzelung erinnern, überhaupt zulässig?
Wenn ja, dann sind hier für alle“ Aktionen “ gegen Vorgesetzte Tür und Tor geöffnet.
Ein Gruß an Frau Weigelt, ich höre Sie sehr gerne auf“ Streitkräfte und Strategien „.
@Akki
„Es gibt eine Kultur der geduldeten Unehrlichkeit in der Bundeswehr. Die grüne Meldung wird geliefert wie bestellt, alle Beteiligten wissen, was sie da tun – und es bleibt folgenlos,“
Für mich erfüllt das den Tatbestand einer unwahren dienstlichen Meldung bzw. ist hart daran (WStG §42). Und wer jetzt sagt, eine schwerwiegende Folge trete nicht ein dem verweise ich auf WStG §2, 3:
„Im Sinne dieses Gesetzes ist … eine schwerwiegende Folge eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland, die Schlagkraft der Truppe, Leib oder Leben eines Menschen oder Sachen von bedeutendem Wert, die dem Täter nicht gehören.“
Unzureichende Dienstaufsicht (für mich z.B. regelmäßige Durchführung von realen Alarmierungen mit Überprüfung) ist auch strafbewehrt.
@TW
Sorry, aber das mußte sein. Wenn es auf die sanfte Tour nicht geht muß man eben auch anderes Werkzeug auspacken.
Es ist ein Problem der Unternehmenskultur in der Bundeswehr, wie hier einige Kommentatoren schon richtigerweise angemerkt haben. Sie haben es eben nur anders genannt oder Teilaspekte benannt (Fehlerkultur etc.). Diese Unternehmenskultur ist auch nicht homogen, sie zerfällt in viele Subkulturen, was hier im Kommentarfaden auch oftmals als Mindset bezeichnet wird. So ist die Unternehmenskultur in den TSK eben nicht gleich, im Heer von Truppengattung zu Truppengattung unterschiedlich, was eben auch zu unterschiedlichen Sicht- und Herangehensweisen an Probleme, Aufgaben, Aufträge etc. führt.
Alle diese Kulturen haben allerdings ein gemeinsames Ergebnis. Es werden im System Bundeswehr die Ja-Sager und Abnicker, also die „Grünmelder“, brutalstmöglich nach oben gespült, die natürlich ebensolche Leute wieder nachziehen. Das Ergebnis kann man jetzt „bewundern“, nämlich unsere völlig ausgeuferten Führungs- und Kommandostrukturen mit Stäben, Ämtern, OrgBereichen etc. pp.. Aber irgendwie muss man ja die ebenso ausgeuferte Generalität unterbringen und mit Aufgaben betrauen, die man vielleicht nicht wirklich braucht.
Bei der ganzen Diskussion sollte ein Argument, das immer noch in den Köpfen herumgeistert und nicht tot zu kriegen ist, einfach eliminiert werden. Die Bundeswehr ist nicht das Spiegelbild der Gesellschaft. Das war sie auch noch nie. Zu Zeiten der Wehrpflicht fehlten die Frauen und somit rd. 50% der Bevölkerung. Seit 2010 fehlen die Bevölkerungsgruppen, die der Bundeswehr gleichgültig, kritisch oder ablehnend gegenüber stehen. Denn diese werden nicht mehr über die Wehrpflicht zum Dienst herangezogen und kommen auch nicht freiwillig. Insofern hat man, wenn man von einem gesellschaftlichen Spiegelbild spricht, allerhöchstens ein Zerrbild desselben in den Streitkräften.
@Thomas Melber: „Spielt die IF im täglichen Dienstbetrieb überhaupt eine Rolle?“
Innere Führung dient einer guten Führungskultur bzw. gibt dieser Form und umschließt buchstäblich jeden Kritikpunkt (Grünmeldung, System/ Struktur, Opportunismus etc.) der von anderen Kommentatoren aufgegriffen wurde. IF spielt eine wesentliche Rolle, insbesondere beim Thema Führen mit Auftrag.
Wer mir im Hinblick auf die Bedeutung der Führungskultur (a.k.a Unternehmenskultur) nicht glauben mag, sollte sich die Beispiele Russische Streitkräfte (keine näheren Erläuterungen notwendig), Katholische Kirche (Missbrauch), VW (Abgasbetrug), Boeing (737 Max), Deutsche Bank (Libor/Euribor, Sanktionsumgehung, Cum-Ex etc.) anschauen. Eine gute Unternehmenskultur ist kein abgehobener Quatsch. Sie ist essentiell für die Sicherheit des Fortbestands, die Resilienz und die Effektivität eines Unternehmens.
Ich gebe Ihnen Recht, wenn Sie hinterfragen wie sichtbar so etwas im Tagesgeschäft ist. Eher weniger. Das heißt aber nicht, dass IF nicht wirkt. Insbesondere die beiden zentralen Zielsetzungen Organisation und Motivation sollten bei einer Reform der IF eine Stärkung erfahren. Bis so etwas durch ein Unternehmen gelaufen und etabliert ist, dauert das vermutlich mehr als ein Jahrzehnt.
Man kann alles Gerät und Personal der Welt, die ausgefeiltesten Strukturen, die hellsten Köpfe haben. Ohne eine gute IF/ Führungskultur ist das nichts wert.
Mein Fazit nach vielen Jahren Beschäftigung mit dem Thema Bundeswehr:
Ist doch alles egal. Es wird sich nichts ändern. Die Streitkräfte befinden sich in dem Zustand, in dem die Politik sie haben will, und die Führungsriegen der Streitkräfte sind mit dem Personal besetzt, das politisch kompatibel ist. So what? Tut mir leid für alle Aktiven, und alle Veteranen, deren Herz weiter für die Streitkräfte schlägt (mich eingschlossen), aber die letzten Jahrzehnte Verteidigungspolitik sprechen eine klare Sprache und die politische Führung der Gegenwart toppt das Ganze noch. Erspart euch also die Enttäuschung weiteren vergeblichen Hoffens und findet euch damit ab: Änderung wird es nicht geben. Zumindest nicht zum Besseren.
@Julia Weigelt: Schade, denn nicht jeder hat einen Twitter-Account (oder Lust, sich auf wenige Zeichen zu beschränken), während hier bei AG dagegen eine gute Diskussion – auch dank der unermüdlichen Moderation des Hausherrn! – sehr einfach möglich ist.
Vielleicht machen Sie ja doch hier ein bisschen mit! ;-)
@Nurso
„Wenn ja, dann sind hier für alle“ Aktionen “ gegen Vorgesetzte Tür und Tor geöffnet.“
Wenn sich der Soldat und Vorgesetzte so verhält wie es der Dienstherr mit Fug und recht erwartet passiert doch nichts.
Davon ab habe ich schon gehört, daß Soldaten über Monate hinweg kleinste, läßliche Verfehlungen ihres Vorgesetzen sammeln und diese dann en bloc dem Disziplinarvorgesetzten melden.
Die ganzen Erörterungen zum Grünmelden, Führungs(un)Fähigkeit, Dienstpostengeschacher,… lässt sich doch wunderbar auf die zivile Wirtschaft spiegeln. Auch dort gibt es hochgelobte Kompetenzattrappen mit vervorragenden Powerpoint-Kenntnissen an allen Ecken und Enden. Eine untere Führungsebene, die eher Oberindianer statt Unterhäuptling ist. Auf Bestandswahrung bedachte mittlere Führungsebenen („frozen middle“) und eine oberste Führung die sich nur mit Kennzahlen und Außendarstellung beschäftigt, aber weder willens, noch fähig ist, sich Informationen direkt und ungefiltert aus der Schlammzone zu holen und den Arbeitern das Gefühl zu geben, ernst genommen und respektiert zu werden. Unternehmensgrundsätze sind oft den Speicherplatz nicht wert, den sie belegen. Was soll da die Bundeswehr eine Ausnahme machen??
Ich kann „Mitleser sagt: 06.11.2022 um 12:39 Uhr“ nur zustimmen!
Unbenommen, dass Frau Weigelt einige Punkte richtig, manche vielleicht ungenau anspricht, wo bitte soll denn die von vielen Kommentaren ersehnte Wandlung herkommen? Des Pudels Kern wird bleiben. Reformen in der Bw waren bisher alle erfolglos. Leider.
Daher nochmals Zustimmung an @Mitleser
@Thomas Melber: Ich glaube, es ist unstrittig, dass das Instrumentarium existiert, um diesem Missstand zu begegnen. Es findet jedoch selten Anwendung, weil es immer noch jemanden weiter oben gibt, der davon mit betroffen wäre – und der Meldende den Ast absägt, auf dem er sitzt. Dazu kommt, dass nicht offen gelogen wird, das wäre ja leicht aufzudecken. Es ist mehr die Kunst der Auslassung und der Auslotung von Grauzonen, die in der Summe die Meldung verfälschen. Das zu ermitteln ist sehr aufwändig und selten von Erfolg gekrönt. Wenn bis in höchste Führungsebenen, militärisch wie zivil, SMS und Akten, also Beweismittel verschwinden können (das haben hier sicher alle verfolgt), dann braucht man sich nicht zu wundern wenn das Schule macht.
Die Einteilung in schwarz und weiß bzw. Dienstvergehen vs. kein Dienstvergehen hilft ohnehin nicht. Ich glaube viele geschönte Meldungen entspringen einem fehlgeleiteten Willen, trotz widriger Umstände „es irgendwie hinzukriegen“ und den eigenen Auftrag zu erfüllen. Ich glaube sogar, dass nicht wenige der Karrieristen den ehrlichen Willen besitzen, etwas zu verbessern – nur um auf dem Weg in die Schaltstellen der Macht korrumpiert zu werden, auch wenn das zugegebenermaßen ziemlich theadralisch klingt.
Apropos SMS: Eine gute Gelegenheit, sich an die legendäre Rede vom Haltungsproblem der Bundeswehr und ihre Folgen zu erinnern.
Kleiner Nachbrenner: Leider weiß ich nicht mehr wer und wann genau. Aber es sagte mal ein militärhistorisch bewanderter Taktiklehrer „Warum haben die Franzosen 1871 den Krieg verloren? Ganz einfach: Die französischen Generale saßen im Chateau und haben sich von ihren Adjutanten berichten lassen. Die deutschen Generale waren an der Front und haben sich ihr Lagebild selbst erstellt.“
So, genug OT.
Vielen Dank an Frau Weigelt und natürlich auch den Hausherrn für Ihre wertvolle Arbeit!
Zu
Chummily d.Ä. sagt:
06.11.2022 um 11:09 Uhr: …Reformen zahlreich. Ergebnis, die Bundeswehr – mittlerweile eine systemische Fehlkonstruktion: zu teuer, zu komplex, Endbahnhof Trümmerfeld. Nicht einsatzbereit, nicht kriegstauglich, nicht verteidigungsfähig. Da helfen auch 100 Mrd Euro nicht viel, vor allem wenn man sieht, wofür das Geld zum Teil aufgegeben werden soll…
und zu
Mitleser sagt:
06.11.2022 um 12:39 Uhr: …
Genau. Leider. Seit 2018 verfolge ich auch mit großem Interesse diesen Blog. Es steht tatsächlich nicht gut um unsere Bundeswehr. Militärische und politische (Spitzen-)Führungskräfte, die diesen Zustand e r n s t h a f t ändern wollen? Fehlanzeige! Und das (auch noch) bei einem „heißen“ Krieg mitten in Europa!!
Geht es uns noch „zu gut“?
Thomas Melber sagt:
06.11.2022 um 11:04 Uhr
„…tut ein übriges. Unabhängig von der sexuellen Orientierung ist Frau B. Soldat und Vorgesetzte, dazu gehören eben auch außerdienstliche Pflichten, zumal sie sicher auch in einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit (seT) eingesetzt war / ist.“
„Die Show anläßlich der Kommandoübergabe ihres IT Bataillons tun ein übriges (in wie weit sie da zugestimmt hat weiß ich allerdings nicht).“
100% Zustimmung. Wir haben bei uns im Verband mehrere Offiziere die gleichgeschlechtlich verheiratet sind.
Und um es „neudeutsch“ zu sagen: “ Who cares!“ Die Zeiten einer „Kießling-Affäre“ sind zum Glück lange vorbei.
Aber wer mit seiner „Geschlechtsumwandlung“ so „hausieren“ geht und in der öffentlichen Wahrnehmung steht, wie OTL Biefang, sollte sich seiner Vorbildfunktion auch dann (besonders) bewusst sein.
Ich denke irgendwann ist es auch genug und man sollte manche Dinge auf sich beruhen lassen.
Man muss nicht immer alles bis zum Schluss ausreizen.
HaWa sagt:
05.11.2022 um 19:03 Uhr
„Der zweite wesentliche Punkt ist unser starres BS-System. Ein Oberstleutnant oder Oberst, welcher nicht mehr gefördert wird, muss sich nicht mehr anstrengen. Edeka ist erreicht, also wird in den meisten Fällen die Pension herbeigesehnt. Das ist nur für den Dienstherrn schlecht, da man jahrzehntelang jemanden mitschleift der nur bedingt außerhalb von Ämtern und Stäben zu gebrauchen ist.“
„…mein Eindruck ist jedoch das man ab einem gewissen Dienstgrad kaum Angst vor Konsequenzen haben braucht.“
Auch ich befinde mich in einer solchen Position, aber mein Anspruch an mich, lässt ein solches Verhalten nicht zu. Dadurch, dass ich kaum Angst vor Konsequenzen haben muss, es sei denn ich würde „goldenen Löffel klauen“ und mich auf irgendeine Art bereichern, eröffnet mir ganz neue Perspektiven, um im Sinne meines Verbandes tätig werden zu können.
Wie hier schon an anderer Stelle geschrieben, viele Regelungen/Weisungen lassen sich in verschiedene Richtungen interpretieren, bei mir immer zum Wohle des Verbandes. Unbequem sein um positive Änderungen zu erreichen, ungeschönt die Wahrheit nach oben melden oder sich aus Aufträgen, wegen Undurchführbarkeit, mangels „Masse“ abzumelden gehört schon fast zum täglichen Geschäft.
Es ist nicht immer schön und der Kampf gegen Windmühlen kostet Kraft.
Aber positives feedback, aus vielen Telefonaten mit Entscheidern in vorgesetzten Kommandobehörden, bestärkt mich in meinem Handeln und zeigt, dass viele gerne anders würden, aber die Impulse auch von unten, aus den Verbänden kommen müssen.
Innere Führung und soldatisches Ethos stehen wieder in der Diskussion. Mancher fragt nach der Notwendigkeit.
Das Vertrauen von uns Soldaten in Vorgesetzte ist u.a. im Kontext von Verantwortung und Führungskönnen. Das ist Teil der Inneren Führung. Drei Führungsbereiche, Menschen führen, Organisation führen, Selbstführung. Im Kern Transformation von Führungswissen zum Führungskönnen.
Ich betone, dass Innere Führung für alle gilt. Auch diejenigen, welche ständig davon reden sind nicht jene, welche gut führen.
Ein weiterer Teil der IF ist Leistung bzw. Motivation zur Leistungserbringung. Dabei Mut zur Verantwortung.
Führungsschwäche gehört angesprochen und abgestellt. Auch weit oben, in Ämtern, Kommandos und zuvörderst im BMVg.
Schlüsselqualifikation Faulheit & Inkompetenz als Erfolgsrezept, das ist gerade nicht Teil der IF. Auch nicht Wichtigtuerei.
Nur unfähige Vorgesetzte zelebrieren ihre Ohnmacht, jammern, das sie eigentlich nichts ändern können oder geben anderen die Schuld. Fähige erzielen Veränderung im besten Sinne. Führen bedeutet halt Antworten haben, nicht nur Probleme beschrieben. Da fängt man doch besser mal bei sich selbst an. Führen mit Vorbild.
Ob wohl die Bestandsaufnahme erklärt, warum Soldaten und Beamte, die nicht mehr kompetent sind, trotzdem in neuen, höheren Führungspositionen landen? Einmal nach oben gefallen ist es zu spät. Da hat man dann erst recht falsche, überzogene Vorstellung des eigenen Talents. Man glaubt es, schaut auf die Schulter, sieht 1* gold oder gar 3*. Na, dann.
Wie war das mit dem Peter-Prinzip? Diese These besagt, dass jeder, der Mitglied in einer komplexen Hierarchie ist, so lange befördert wird, bis er seine absolute Unfähigkeit erreicht hat. Folglich wird jede Position irgendwann von einem Menschen besetzt, der eigentlich unfähig ist, diese Position und die damit einhergehenden Aufgaben zu erfüllen.
Alle sprechen von Kritisierbarkeit und Kritikfähigkeit. Alle wollen Feedback. After Action Review. Den mitdenkenden Soldaten oder Beamten.
Nur keiner will den Überbringer der Botschaft, niemand den Feedbackgeber.
Reales Beispiel aus dem BAIUDBw:
Im BAIUDBw wurden erhebliche Verstöße gegen das Bundesbeamtengesetz begangen. Meldung auf Dienstweg. Keine Reaktion. Remonstrationsschreiben an die Präsidentin des BAIUDBw. Dazu sind Beamte gesetzlich verpflichtet.
Ergebnis und Siegerehrung: Herr XYZ, wir sind zur der Überzeugung gekommen, dass Sie einen neuen Dienstposten bekommen sollten.
Über die Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages wurde die angestrebte Versetzung vom BMVg untersagt, weil die Begründung „sachfremd und unerheblich“ war.
Für mich steht fest: Der Dienstweg in der Bundeswehr ist tot. Alle Sachverhalte, die mir wichtig erscheinen und wo gegen klare Dienstvorschriften verstoßen wird, werden von mir mit einer Petition an den Deutschen Bundestag gemäß Art.. 17 GG versehen. Wenn man im BMVg möchte, dass Beamte der Bundeswehr keine Petitionen schreiben, dann soll man einfach das Grundgesetz ändern.
Da kommt Drehzahl auf….. Es bringt wirklich etwas. Das Schwert der Petition ist auch noch schärfer als die Eingabe an die Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages, dauert aber etwas länger.
Kehrseite: Vielleicht sollte man Berufssoldat oder Beamter auf Lebenszeit sein. Der persönliche Fanclub wird nicht größer.
Nach 25 Jahren Bundeswehr kann ich nur feststellen, so desolat, so lauwarm, so schwach in Geist und Führung war die Bundeswehr noch nie.
Kdr ZInFü nimmt Stellung.
„Lange habe ich überlegt, mich dazu zu äußern, nicht nur als Kommandeur des Zentrums Innere Führung, sondern weil ich von der Inneren Führung überzeugt bin. Man muss diese nur richtig verstehen und dann auch leben!
Der Artikel ist lesenswert. Für mich hat die Autorin aber Innere Führung leider nicht verstanden, trifft falsche Ableitungen und hat zudem auch nicht alles korrekt wiedergegeben. …“
Geht es also um das Leben von InFü im Alltag, oder um das Konzept an sich, um die ursprüngliche Baudissin-Linie oder um die eines Heinz Karst, der die Umsetzung beklagte, um im Grundbetrieb notwendig, bei „kriegsnah ausbilden“ und im Gefecht störend?
Alle Jahre wird Innere Führung durch’s Dorf getrieben, sie lebt offenbar.
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Ist die Pflicht zur Kameradschaft nach Paragraph 12 Soldatengesetz denn nicht eindeutig auch in Bezug auf Diversität?
Diese gab es doch schon lange bevor Diversität ein Thema wurde und geht weit über diese hinaus.
Wenn die Herkunft, Hautfarbe, sexuelle Orientierung, etc. eines Soldaten problematisiert wird, gefährdet das die Einsatzbereitschaft der Truppe, was auch jedem einleuchten sollte.
Paragraph 12 Soldatengesetz:
„Der Zusammenhalt der Bundeswehr beruht wesentlich auf Kameradschaft. Sie verpflichtet alle Soldaten, die Würde, die Ehre und die Rechte des Kameraden zu achten und ihm in Not und Gefahr beizustehen. Das schließt gegenseitige Anerkennung, Rücksicht und Achtung fremder Anschauungen ein.“
Natürlich ist dies ein Idealbild und den perfekten „Querschnitt durch die Gesellschaft“ gibt es in der Praxis nirgendwo, aber grade zu Wehrpflichtzeiten haben junge Menschen verschiedenster Hintergründe auf engstem Raum gemeinsam Herausforderungen bestanden, was sicherlich einen tragenden Kern der Bundeswehr darstellt.