Nachgetragen: Eckpunkte für neues Rüstungsexportkontrollgesetz

Nachgetragen aus der vergangenen Woche: Das Bundeswirtschaftsministerium hat Eckpunkte für ein Rüstungsexportkontrollgesetz vorgelegt, das von den Ampel-Koalitionsparteien in ihrem Koalitionsvertrag im Dezember vergangenen Jahres angekündigt worden war. Bei der Entscheidung über Rüstungsexporte soll künftig die Einhaltung der Menschenrechte und die europäische Rüstungszusammenarbeit ein höheres Gewicht bekommen.

Berichte darüber hatte es, offensichtlich aufgrund gezielter Information des grün geführten Ministeriums, bereits am vergangenen Donnerstag gegeben. Am Freitag dann veröffentlichte der zuständige Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium, Sven Giegold, die Details und den Wortlaut des Eckpunktepapiers via Twitter. Dabei betonte er, dass es über diese Details noch keine Verständigung in der Koalition gebe:

Unser @BMWK hat jetzt die Eckpunkte für das Rüstungsexportkontrollgesetz vorgelegt. Zukünftig werden bei der Entscheidung über Rüstungsexporte die Einhaltung der Menschenrechte und die europäische Rüstungszusammenarbeit ein höheres Gewicht haben. Ein Thread:
In den letzten Monaten habe ich mit den Mitarbeiter*innen im @BMWK intensiv an der Konzeption des #REKG gearbeitet.Unsere Eckpunkte stehen unter dem Motto Verbindlichkeit, Restriktivität, Transparenz und Europa.
Erstmals sollen mit dem #REKG die deutschen und europäischen Regeln in ein verbindliches deutsches Gesetz gegossen werden. Eine restriktive Praxis zum Export von Rüstungsgütern wird damit Gesetz genauso wie die Stärkung europäischer Zusammenarbeit im Verteidigungsbereich.
Eine restriktive Rüstungsexportpolitik ist integraler Bestandteil unserer Außenpolitik und entspricht unseren Sicherheitsinteressen. Je näher andere Länder dieser Wertebasis stehen, desto eher sind Rüstungsexporte dorthin möglich und gerechtfertigt.
Unsere Rüstungsexportentscheidungen müssen der Verlässlichkeit der Empfängerstaaten in Fragen der Menschenrechte, Rechtsstaatlichkeit und Demokratie entsprechen. Ebenso die Unterstützung einer multilateralen Ordnung und weitere Sicherheitsinteressen werden berücksichtigt.
Die wichtigsten Elemente unserer Eckpunkte sind:
Verbindliche Kriterien schaffen: Erstmals soll für Rüstungsexportentscheidungen der Bundesregierung ein Kriterienkatalog gesetzlich festgeschrieben werden, der für Rüstungsexportentscheidungen maßgeblich ist.
Der gesetzliche Kriterienkatalog orientiert sich maßgeblich an den acht Kriterien des Gemeinsamen Standpunktes der EU zu Rüstungsexporten und wird um darüber hinausgehende Vorgaben aus den Politischen Grundsätzen der Bundesregierung dazu ergänzt.
Menschenrechte stärken: Die Berücksichtigung von Menschenrechten, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit im Empfängerland wird durch die Einführung eines erweiterten Menschenrechts-Kriteriums größeres Gewicht erhalten.
Eine restriktive Entscheidungspraxis – v.a. gegenüber Drittländern – wird damit unterstrichen. Künftig sollen Anträge für Empfängerländer mit angespannter Menschenrechtslage und bei fortdauernden und systematischen Verletzungen von Menschenrechten grundsätzlich abgelehnt werden.
Europa stärken: Gleichzeitig finden die Anforderungen, die sich aus der Zusammenarbeit mit unseren strategischen Partnern und einer verstärkten europäischen Rüstungskooperation ergeben Berücksichtigung in den Eckpunkten.
So wird zum einen das Ziel einer europäischen Regulierung in Form einer EU-Rüstungsexportverordnung betont. Zum anderen sollen bei Kooperationsprojekten im Rüstungsbereich neue verbindliche Regelungen getroffen werden.
Erstmals soll auch die Möglichkeit von Mehrheitsentscheidungen der projektbeteiligten Länder zum Export von gemeinschaftlich produzierten Rüstungsgütern ermöglicht werden. Damit wird der Stellenwert der rüstungsindustriellen Zusammenarbeit in Europa unterstrichen.
Unfairer Standortwettbewerb um die laxe Anwendung europäischer Regeln wird damit Grenzen gesetzt.
Transparenz erhöhen: Die Transparenz über erteilte Genehmigungen wird mit verschiedenen Maßnahmen erhöht. Auch die Unterrichtung des Bundestages wird weiter verbessert.
Opferschutz stärken: Die Rechte derer werden gestärkt, die infolge qualifizierter Pflichtverstöße der Rüstungsexporteure zu Schaden an Leib und Leben kommen. Eine entsprechende zivilrechtliche Haftung kann unterstützend durch Verbände vor Gericht geltend gemacht werden.
Bürokratie abbauen: Das umständliche zweifache Genehmigungserfordernis bei der Ausfuhr von Kriegswaffen nach dem Kriegswaffenkontrollgesetz und dem Außenwirtschaftsgesetz wird in einem Verfahren konzentriert.
Die Eckpunkte werden wir nun mit den sicherheitsrelevanten Ressorts diskutiert. Darauf basierend werden wir dann den Gesetzesentwurf erarbeiten und ins Kabinett einbringen, bevor der Bundestag seine Beratungen zum Gesetzgebungsverfahren aufnehmen kann.
Bis dahin freuen wir uns über Feedback aus Zivilgesellschaft, Wirtschaft und Wissenschaft!
Mit den Koalitionspartnern hat bisher nur eine Frühkoordinierung stattgefunden. Diese beinhaltet keine Zustimmung zu den Eckpunkten. Es wurde jedoch klar, dass eine von mir geplante Verbandsklage keine Zustimmung der Partner finden würde. (…)
Mit dem Team aus dem @BMWK arbeite ich nun mit voller Kraft daran, damit dieses wegweisende Gesetzesprojekt der Ampel-Koalition Wirklichkeit wird!

Die Eckpunkte zum Nachlesen hier:
20221013_eckpunkte-ruestungsexportkontrollgesetz-entwurf

Die Passage im Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP:

Für eine restriktive Rüstungsexportpolitik brauchen wir verbindlichere Regeln und wollen daher mit unseren europäischen Partnern eine entsprechende EU Rüstungsexportverordnung abstimmen. Wir setzen uns für ein nationales Rüstungsexportkontrollgesetz ein.
Unser Ziel ist es, den gemeinsamen Standpunkt der EU mit seinen acht Kriterien sowie die Politischen Grundsätze der Bundesregierung für den Export von Kriegswaffen und
sonstigen Rüstungsgütern, die Kleinwaffengrundsätze und die Ausweitung von Post-Shipment-Kontrollen in einem solchen Gesetz zu verankern. Nur im begründeten Einzelfall, der
öffentlich nachvollziehbar dokumentiert werden muss, kann es Ausnahmen geben. Den Rüstungsexportkontrollbericht werden wir transparent gestalten. Wir erteilen keine Export- genehmigungen für Rüstungsgüter an Staaten, solange diese nachweislich unmittelbar am Jemen-Krieg beteiligt sind.

Nun ist das Ziel, die deutschen Rüstungsexporte neu zu regeln, für die Grünen wie auch für die Sozialdemokraten kein neues Thema – bereits 2016 hatte der damalige SPD-Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel etwas in der Richtung angekündigt. Ob das nun in einer Koalition unter Beteiligung der FDP einfach wird, ist eine interessante Frage.

Die Grünen hatten sich ja auch auf ihrem Parteitag am vergangenen Wochenende damit befasst, da ging es recht konkret um deutsche Zulieferungen an europäische Waffensysteme wie den Eurofighter, die zum Beispiel an Saudi-Arabien geliefert wurden. Für diese Anteile an multinationalen Projekten bleibt auch mit den jetzt vorgelegten Eckpunkten Ärger absehbar. Da heißt es zum Beispiel:

Die Entscheidungskompetenzen im Rahmen von Abkommen sollen unter Abwägung des besonderen Interesses an Kooperationsfähigkeit und dem Ziel der Durchsetzung einer restriktiven Rüstungsexportpolitik weiterentwickelt werden. Eine Option ist, dass sie im Falle des Exports gemeinsam produzierter Rüstungsgüter auch gemeinsame, mit (ggf. qualifizierter) Mehrheit getroffene Entscheidungen der Kooperationspartner vorsehen. Für die Mehrheitsentscheidungen ist eine Stimmrechtsgewichtung
anzustreben, die dem jeweiligen Umfang der Projektbeteiligung der Kooperationspartner entspricht.

Das kann man ja durchaus so verstehen, dass in Deutschland produzierte Schleifringe für in Frankreich gebaute Airbus-Hubschrauber oder hierzulande hergestellte Spezialschrauben für britische Eurofighter auch beim Export dieses Geräts in von Deutschland ausgeschlossene Länder weiterhin ausgeführt werden dürfen (übrigens zwei nicht erfundene, sondern konkrete Beispiele der Vergangenheit). Das dürfte, abgesehen von der Abstimmung in der Koalition, auch innerparteilich bei Grünen und SPD nicht nur Zustimmung finden.

(Archivbild April 2020: Ein U-Boot der Klasse 209/1400 von Thyssen Krupp Marine Systems für Ägypten bei der Rückkehr von Versuchsfahrten in See vor dem Leuchtturm Kiel-Friedrichsort – Helwin Scharn)