Bundeswehr auf dem Balkan: Weiter im Kosovo, Rückkehr nach Bosnien

Die Bundeswehr bleibt weiter auf dem Balkan präsent und weitet ihr Engagement noch aus: Der Bundestag verlängerte den seit 1999 laufenden Einsatz im Kosovo und beschloss eine Rückkehr in die EU-Mission in Bosnien-Herzegowina. Grund ist auch der russische Einfluss auf dem Balkan und die Furcht vor Destabilisierung in der Folge des Angriffskrieges auf die Ukraine.

Das Parlament stimmte am (heutigen) Freitag zunächst einer Verlängerung der deutschen Beteiligung an der NATO-geführten KFOR-Truppe (Kosovo Force) zu. Das neue Mandat (Bundestagsdrucksache 20/1976) billigten 526 Abgeordnete, 99 stimmten dagegen und zwei enthielten sich. Die Koalitionsfraktionen SPD, Grüne und FDP sowie die Union stimmten praktisch geschlossen zu; die AfD – bei einer Ja-Stimme des früheren Bundeswehrgenerals Joachim Wundrak  – und die Linke praktisch geschlossen dagegen.

Wie schon im bisherigen Mandat (Bundestagsdrucksache 19/29625) sollen bis zu 400 Soldatinnen und Soldaten bei KFOR eingesetzt werden können. In dem seit Juni 1999 laufenden Einsatz ist die Bundeswehr derzeit mit noch knapp 70 Soldatinnen und Soldaten vertreten. 15 von ihnen gehören zum Stab des KFOR-Hauptquartiers, 30 zum deutschen nationalen Unterstützungselement, zehn zu den multinationalen Aufklärungskräften und weitere zwölf zu den NATO Advisory and Liaison Teams (NALT) zur Beratung der kosovarischen Sicherheitskräfte.

In der Begründung des neuen Mandats wird erstmals auch eine mögliche Destabilisierung der Region durch Russland als Grund für die Fortführung genannt:

Die Republik Kosovo hat stets zum Ausdruck gebracht, dass sie die fortgesetzte Präsenz von KFOR auf der Grundlage der Sicherheitsratsresolution 1244 (1999) wünscht. Ebenso wird der KFOR-Einsatz international breit unterstützt. Zugleich ist der deutsche Beitrag zu KFOR ein Bekenntnis zu den Verpflichtungen in der NATO.
Die Sicherheitslage in der Republik Kosovo ist weiterhin überwiegend ruhig und stabil. Allerdings verbleibt nach wie vor ein Konflikt- und Eskalationspotenzial, insbesondere im Norden der Republik Kosovo. Die weiterhin angespannten Beziehungen zwischen der Republik Kosovo und der Republik Serbien können sich mittelbar auch auf die Sicherheitslage in der Republik Kosovo auswirken. Die innenpolitische Situation in der Republik Kosovo ist mit dem Blick auf den Norden des Landes weiterhin fragil. Vor dem Hintergrund
des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine steigt die Sorge vor russischen Destabilisierungsversuchen.

Die Befürchtung, Russland könne zu einer Destabilisierung der Situation auf dem Balkan beitragen, findet sich auch als Grund für die erneute Beteiligung der Bundeswehr an der EU-Mission EUFOR Althea in Bosnien. Dabei geht es um die Befürchtung, die bosnische Teilrepublik Republika Srpska könnte mit russischer Unterstützung eine Abkehr von dem Mehrvölkerstaat vorantreiben und letztendlich das Friedensabkommen von Dayton 1995 infrage stellen.

Aus der Begründung des Mandats (Bundestagsdrucksache 20/2242):

Die aktuellen politischen Entwicklungen in Bosnien und Herzegowina geben Grund zu großer Sorge. Ethnische Spaltungen prägen noch immer den Alltag, dominieren die Politik und blockieren Fortschritte und Reformprozesse. Nationalistische und hetzerische Rhetorik sind heute wieder Teil des politischen Diskurses. Zusätzlich hat das Parlament der bosnisch-serbischen Entität Republika Srpska in den vergangenen Monaten konkrete rechtliche Schritte eingeleitet, die Region weiter vom Gesamtstaat abzuspalten. Diese neue Qualität der Lage zeigt sich auch in der Suspendierung eines Gesetzes der Entität Republika Srpska unter Nutzung der sogenannten Bonn Powers durch den Hohen Repräsentanten (HR) für Bosnien und Herzegowina, Bundesminister a. D. Christian Schmidt. Zusätzlich besteht derzeit die Gefahr, dass der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine und mittelbar die Konfrontation zwischen der westlichen Werte- und Staatengemeinschaft und der Russischen Föderation von der russischen Seite als Katalysator für eine weitere Destabilisierung Bosnien und Herzegowinas genutzt werden könnte. Insbesondere die engen Beziehungen der serbischen Regierung zur russischen Föderation und ihr Einfluss auf die bosnisch-serbische Entität Republika Srpska tragen zu diesen Befürchtungen bei.
Angesichts dieser Entwicklungen ist das Potenzial einer weiteren Destabilisierung mit der Folge einer Eskalation bis hin zur möglichen Abspaltung der Republika Srpska gegenwärtiger denn je seit dem Ende des Krieges 1995. Die bosnisch-herzegowinischen Wahlen am 2. Oktober 2022 bilden in diesem Kontext einen Kristallisationspunkt für weitere Konflikte und könnten einer Zäsur gleichkommen.

Die Führung der EU-Mission hatte aufgrund solcher Befürchtungen bereits im Februar, unmittelbar vor Beginn des russischen Angriffskriegs, eine Verstärkung der Althea-Truppen angekündigt.

Der so genannten Wiederaufnahme der Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an der EU-geführten Sicherheitsoperation in Bosnien und Herzegowina stimmten 516 Abgeordnete zu; 96 sprachen sich dagegen aus und drei enthielten sich. Wie schon bei der Abstimmung über den Kosovo-Einsatz stimmten die Abgeordneten der Koalitionsfraktionen und die Union praktisch geschlossen zu, die AfD (wiederum mit Zustimmung Wundraks) und die Linke praktisch geschlossen dagegen.

Das neue Mandat sieht eine Personalobergrenze von 50 deutschen Soldatinnen und Soldaten vor. Zunächst sollen allerdings nur rund 20 eingesetzt werden, fünf davon im Stab der EU-Mission und die übrigen in den so genannten Liaison and Observation Teams (LOT). Grundlage ist ein Mandat des UN-Sicherheitsrats, das zuletzt im November vergangenen Jahres verlängert wurde. Inhaltlich wird der Auftrag der Bundeswehr in dem Balkanland praktisch der gleiche sein wie früher: Unterstützung der Ausbildung der bosnischen Streitkräfte, Beitrag zur Einhaltung des Friedensabkommens von Dayton, das den Bosnienkrieg vor fast drei Jahrzehnten beendet hatte, und die Schaffung eines sicheren Umfelds.

(Archivbild: Besuch von Bundeswehr-Generalinspekteur Eberhard Zorn,r., im KFOR-Hauptquartier in Pristina im Oktober 2018 – Foto KFOR)