Bundestagspräsidentin warnt junge Rekruten: Der Verteidigungsfall kann tatsächlich eintreten
Beim feierlichen Gelöbnis am Jahrestag des gescheiterten Attentats auf Adolf Hitler am 20. Juli hat Bundestagspräsidentin Bärbel Bas die neuen Soldatinnen und Soldaten daran erinnert, dass ihr Eintreten in die Streitkräfte in der aktuellen weltpolitischen Lage eine neue Bedeutung habe. Wenn Sie heute Ihre Gelöbnisformel sprechen, wissen Sie: In diesem Moment verteidigen in der Ukraine Soldatinnen und Soldaten ihre Heimat und setzen dafür ihr Leben ein. Und Sie wissen, dass der Verteidigungsfall auch für Deutschland tatsächlich eintreten kann.
Die SPD-Politikerin hielt am (heutigen) Mittwoch als Ehrengast die traditionelle Rede bei dem Gelöbnis vor dem Bendlerblock, dem Berliner Sitz des Verteidigungsministeriums. Der russische Krieg gegen die Ukraine macht uns wieder bewusst, wofür wir die Bundeswehr brauchen. Nach den Jahres des Sparens, der Aussetzung der Wehrpflicht und der Standortschließungen, sagte Bas.
Die Bundestagspräsidentin erinnerte zugleich daran, dass der am 20. Juli 1944 gescheiterte Attentäter Claus Graf Schenk von Stauffenberg zwar alles andere als ein Verfechter der parlamentarischen Demokratie gewesen sei. Doch der gescheiterte Putsch erinnert uns daran, dass wir Verantwortung für unsere Demokratie tragen. Befehle eines verbrecherischen Regimes nicht auszuführen, sei ausdrücklich im Grundgesetzt verankert – und der Blick auf die russischen Kriegsverbrechen in Butscha, Irpin oder Mariupol macht deutlich, warum wir dieses Selbstverständnis pflegen müssen.
Bas rief in ihrer Rede auch dazu auf, mit der von Bundeskanzler Olaf Scholz ausgerufenen Zeitenwende in der Sicherheitspolitik und dem Sondervermögen von 100 Milliarden Euro für die Ausstattung der Bundeswehr jetzt aus der Not des Krieges mehr und mehr eine Tugend der Wertschätzung für die Bundeswehr zu machen. Nur wenn die Streitkräfte in der Gesellschaft Anerkennung und Respekt erführen, würden sich auch in Zukunft junge Menschen finden, für die der Dienst bei der Bundeswehr ein attraktiver Beruf ist.
Bei dem traditionellen Appell zum 20. Juli legten in diesem Jahr rund 400 Rekrut*innen ihr Gelöbnis ab. Die Soldatinnen und Soldaten kommen aus dem Wachbataillon, dem Logistikbataillon 171 aus Burg, dem Logistikbataillon 172 aus Beelitz, dem Versorgungsbataillon 142 aus Hagenow sowie der Marineunteroffizierschule aus Plön, der Marinetechnikschule aus Parow, der Unteroffizierschule der Luftwaffe aus Appen und dem Sanitätsregiment 2 aus Rennerod.
Der vorab veröffentlichte Redetext der Bundestagspräsidentin zum Nachlesen:
20220720_Bundestagspraesidentin_Rede_Geloebnis
Nachtrag: Die Rede von Verteidigungsministerin Christine Lambrecht wurde vom Ministerium nicht als Text, aber als Audiodatei veröffentlicht:
Es wäre gut, wenn diese Reden von Lehrern im Schulunterricht verwendet würden.
@SanDino: Das ist leider keine alleinige Entscheidung der Lehrkräfte, sondern wesentlich Folge der Vorgaben in den (übervollen) Lehrplänen. Es gibt viele Bundesländer, bei denen äußere Sicherheit und Bundeswehr in den inhaltlichen Vorgaben für das Fach Politik/Sozialkunde praktisch nicht existieren. Die meisten neueren Lehrpläne, also nach der Aussetzung der Wehrpflicht eingeführte, sehen Bundeswehr max. als Nebenthema internationaler Krisenbewältigung, also den Berufssoldaten als bewaffneten Entwicklungshelfer. Das Wort Verteidigungsfall dürfte noch weniger in Lehrplänen/Rahmenrichtlinien vorkommen. Wie gesagt: eine direkte bildungspolitische Folge des Aussetzens der Wehrpflicht. Damit wurde das Thema Krieg und LV/BV rausgenommen, weil es „ja die Schülerinnen und besonders Schüler nicht mehr persönlich betreffen würde“. Mein persönlicher Bezug zum 24.2.2022: Im Juli 2021 habe ich in einer ausführlichen fachlichen Stellungnahme zu einem ministeriellen Lehrplanentwurf u.a. bemängelt, dass die Themen NATO als Bündnis, Bundeswehr und LV/BV mit keinem Wort vorkommen würden und habe auf mögliche Entwicklungen in Osteuropa durch die russische Politik und die Perspektive der MOE-Staaten hingewiesen… ! Der Nutzungszyklus solcher bildungspolitischen Vorgaben (Lehrpläne) liegt bei min. 10-15 JAHREN…..Sieben Monate später wurde dieser Punkt meiner Stellungnahme durch die Realität überrollt.
Beglückwünschen statt warnen wäre angebracht.
Wie das Beispiel Ukraine zeigt, daß, selbst nicht Soldaten berufene mangelhaft Ausgebildet an die Front kommen können. Eine gute militärische Ausbildung und Training ist ein Privileg was ich jedem empfehlen kann.
Es wäre gut, wenn diese Reden von den Rednern ernst gemeint wären.
Inhaltlich stimme ich zu, aber bei 18 Seiten Redemanuskript muss man ganz viel didaktisch reduzieren !-)
Das Szenario der Landesverteidigung ist aber gegenüber der Bündnisverteidigung immer nich signifikant unwahrscheinlicher. In so fern gäbe es einen deutlichen Unterschied zur Situation der Soldaten in der UKR und auch zur Situation bis Ende der 80er Jahre. Darüber hinaus sollte man das Szenario IKM nicht völlig vergessen. Es ist nicht nur hinsichtlich neuer Einsätze wahrscheinlicher, sondern weiterhin tägliche Routine der Bw, die wie insb AFG gezeigt hat auch Waffengewalt und Verlust von Leib und Leben beinhalten kann.
Alles keine Kampftruppen. Das lässt schon tief blicken.
[Hm, Sie haben sich nicht recht mit dieser regelmäßigen Veranstaltung in Berlin befasst? T.W.]
Ich lese immer nur „Gelöbnis“ – waren das alles Freiwillig Wehrdienstleistende (FWDL)??? Ich denke, zwischen Diensteid ( für SaZ und BS) und Gelöbnis (FWDL) gibt es nicht nur rechtlich gesehen schon einen gewaltigen Unterschied…
‚Sie wissen, dass der Verteidigungsfall auch für Deutschland jederzeit eintreten kann‘
Das ist ganz offensichtlich der Fall und jedem Mann und jeder Frau klar. Aber was folgt daraus?
Das Parlament und die politischen Entscheidungsträger sind aufgerufen, jetzt vorausschauend zu planen und zu reagieren, um funktionierende Strukturen zu schaffen, um eine effiziente Gefahrenabwehr aufzubauen.
Naheliegend ist die gesetzlich verankerte Einbindung der 54.000 Männer und Frauen der Bundespolizei in den sog. Kombattantenstatus. Bis 1994 gab es das bereits in Deutschland auf der Grundlage des ehemaligen BGS – Gesetzes. Bereits 2010 forderte die Gewerkschaft der Polizei von der Politik im Rahmen der Einsätze in Nordafghanistan eine Gesetzesnovelle pro Kombattantenstatus zugunsten der Polizei.
Aber die gesetzliche Grundlage ist nur die eine Seite der Medaille. Sehr schnell und sehr zeitnah muss der Aufbau kompatibler und funktionierender Organisationsstrukturen sowie Befehlsketten folgen.
Putins Despoten-Regierung operiert bereits mittels hybrider Kriegsführung, sowohl im Energiesektor, was ja nun allen in Europa und Deutschland klar sein wird, als auch im Bereich Propaganda, Desinformation und IT-Infrastruktur Attacken.
‚Wir verteidigen die innere Sicherheit und den inneren Frieden in Deutschland gegen russische Spionage, gegen Versuche der russischen Einflussnahme, gegen Lügen und russische Kriegspropaganda‘, so aktuell die Bundesministerin für Inneres, Fr. Nancy Faser unter Bezug auf die aktuelle Lagebewertung durch das Bundesamt für Verfassungsschutz.
Vielleicht hätte an diesem Tag des Gelöbnisses auch die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, Fr. Dr. Strack – Zimmermann, zu Worte kommen sollen, die im Portal WELT news am 17.07.2022 klartext wie folgt formuliert hat:
‚Jeder weiß, dass es im Einsatz gefährlich werden kann. Wer das nicht will, muss gehen!‘
Dass die Politik zur Abwechslung mal ehrlich ist und den Rekurten sagt, daß diese Krieg rechnen müssen, ist ein Fortschritt. Da kann dann kein Soldat später mehr sagen, er habe nicht gewusst, daß Soldat sein auch kämpfen müssen beinhaltet und dies eben nicht nur in Afghanistan oder Mali, sodern auch in Europa oder gar Deutschland selbst.
Aber es fehlte jede Erklärung, warum die Zeitenwende noch gar nicht läuft, fürs Heer ist noch kein einziger Panzer, kein einziges Artilleriegeschütz bestellt worden. Und keine Erklärung zur Anpassung der Truppenzahl und wie dies erreicht werden soll. Dagegen macht Polen vor wie es geht, wo 500 neue Raketenwerfer und viele hundert Panzer(aus Südkorea) neu beschafft werden sollen.
Peinlich für die BW finde ich, daß man nicht der Lage war, die angetretenen Soldaten anständig vor der Hitze zu schützen. Zwei Reden waren wohl eine zu viel oder zu lange. Denn sonst wäre heute nicht zu lesen(Zeitung mit 4 Buchstaben), daß 28 Soldaten kollabiert wären während der Hitze und drei davon sogar ins Krankenhaus gemusst hätten. Sonnenschirme für die anzutretenden Rekruten haben offensichtlich gefehlt.
Und warum mussten die Soldaten – in der Hitze – mit der Dienstjacke antreten? Die Soldaten hätten stattdessen nur mit kurzärmligen Hemden antreten können. Und statt Barett hätten Sonnenhüte(analog zur Kaiserlichen Schutztruppe, wie einst in Somalia getragen bei der BW, die Soldaten sicher besser vor der Sonne geschützt.
@Ex-Soldat
„Das Szenario der Landesverteidigung ist aber gegenüber der Bündnisverteidigung immer nich signifikant unwahrscheinlicher.“
LV ist in BV quasi inkludiert, wenn es nach Art. 5 bzw. Art. 42 gilt: mitgegangen, mitgefangen, mitgehangen.
@Closius:
Sonnenschirme? Ich bitte Sie! Das war bei feierlichen Gelöbnissen früher gang und gäbe, dass Kameraden reihenweise wegen Kreislauf aus der Formation gefallen sind. Nicht alle davon unverschuldet. Es gibt nämlich Mittel und Wege, sich auch beim stundenlangen Stehen im Rührt-Euch so zu bewegen, dass der Kreislauf nicht versackt. Ich weiß ja nicht, wie die Bedingungen aktuell so sind, aber ich war kaum körperlich jemals wieder so fit, wie ich es während/nach meiner AGA gewesen bin.
Man kann sich natürlich drüber streiten, ob man bei den gegebenen Witterungsbedingungen nicht aus Fürsorgegesichtspunkten das Zeremoniell an schattigere Orte verlagert, oder Programmpunkte streicht, denn knapp unter 40°C im Schatten sind kein Pappenstiel, wenn man im DA über Stunden in der Sonne steht. Aber wenn wir demnächst wieder Grundausbildungsregimenter haben wollen, wird das schwierig, weil dann die entsprechend gelobenden Personenzahlen erheblich sein werden. Die bringen Sie in Formation nicht eben in der Stadthalle unter.
Was soll man denn bitte im Ernstfall machen? Dem Feind mitteilen, dass heute bitte nicht gekämpft wird, wegen Hitzefrei? Oder man verlagert den Konflikt auf die Minigolfbahn neben dem Freibad; schickt Euren besten Mann?
@ Closius Laut Wikipedia hat das polnische Heer derzeit 180 Raketenwerfer. Ich hoffe, unsere polnischen Kameraden übernehmen sich da nicht. Denn auch bei denen wächst das ausgebildete Personal nicht auf den Bäumen.
@ closius
weil es immer noch sehr viele vorgesetzte gibt die eine anständige vollständige uniform mehr schätzen als a die fürsorge für die soldaten und b das das bild stimmen muss
@ Sandro Valecchi
„Bis 1994 gab es das bereits in Deutschland auf der Grundlage des ehemaligen BGS – Gesetzes. Bereits 2010 forderte die Gewerkschaft der Polizei von der Politik im Rahmen der Einsätze in Nordafghanistan eine Gesetzesnovelle pro Kombattantenstatus zugunsten der Polizei.“
wer hat denn damals darauf gedrungen das der Kombattantenstatus wegfällt die gleich
GdP die genauso friedensbeseelt war – und wenn man heute Polizisten draufanspricht das es ja sein könnte das es überlegungen gibt die einzusetzen weil es mehr polizisten gibt als soldaten – dann kommt die verhalten antwort nach schweigen „es wird viel erzählt“
@Closius
Interessantes Detai. Und nicht nur peinlich, sondern auch sträflich.
@Closius: Zustimmung.
Selbst im Einsatz (mit eingewöhntem Personal und passender Bekleidung) grätscht der Spieß dazwischen, wenn der Chef ein Antreten in der prallen Sonne überdehnt.
Also ganz, ganz amateurhafte Planung und Umsetzung. Die Offiziere und Spieße haben ihr Rückgrat scheinbar daheim gelassen.
Für die Soldaten beim Gelöbnis/Eid wäre es zudem auch ein „schönes“ Zeichen für die Zeitenwende gewesen, sie mit dem „Arbeitsanzug“ (Flecktarn Tropen) voll auszustatten und so aufzustellen. Denn darin tragen sie am Ende ihre Haut zum Markte, dafür leisten sie den Eid!
Andererseits könnt man auch ätzen, dass die Vorgesetzen in Kombination mit dem Dienstanzug derzeit die größte Gefahr für Leib und Leben darstellen und das gewählte Outfit doch passend ist… Hm.
Gestern, 20 Jahre später, Abschaffung der Zensur von bewaffneten Drohnen in Israel. (und in Deutschland?) Die gute Nachricht ist.. Regards.
Interssant an der Rede ist vor allem der Satz über Stauffenberg: diese Bemerkung fiel nicht zufällig – die politisch links stehenden Parteien dieses Landes beginnen, wie auch anderen Medien zu entnehmen ist, die handelnden Personen des 20. Juli 1944 allmählich zu demontieren, bar jeglicher Geschichtskenntnis, jeglichen Geschichtsbewusstseins und auch jeglichen Anstands. Die Frau Bundestagspräsident respektiert die Würde ihres Amtes nicht und missbraucht es für billige parteipolitische Zwecke.
[Ihre Meinung ist Ihre Meinung – aber die weit rechts angesiedelten Stammtischkommentare machen Sie im Kreis Ihrer Kumpane und hören auf, diese Plattform dafür zu missbrauchen. T.W.]
@Closius
Ganz ehrlich:
Ein Gelöbnis folgt einem gewissen Rahmen, und gerade dieses besondere Gelöbnis.
Und zu einer angetretenen Truppe passen Sonnenschirme leider so gar nicht. Auch sieht der „große Dienstanzug“ keine Tropenhüte vor.
Natürlich hätten man die Soldaten auch auf Klappstühlen platzieren können, jeder bekommt dann noch einen kleinen Baby-Pool in dem er seine nackten Füßen abkühlen kann – inkl. Sonnenschirm.
Auf die Schlagzeiten der Zeitung mit den vier Buchstaben wäre ich dann mal gespannt gewesen „Bundeswehr macht sich vor Russen lächerlich“
p.s. die Garderegimenter der Queen tragen ihre Bärenfellmütze auch wenn’s warm ist
@Closius sagt: 21.07.2022 um 9:39 Uhr
„Und warum mussten die Soldaten – in der Hitze – mit der Dienstjacke antreten? Die Soldaten hätten stattdessen nur mit kurzärmligen Hemden antreten können. “
10 Sekunden googlen zeigt, daß die Truppe kurzärmelig angetreten war. Lediglich die Ehrenformation war in voller Montur angetreten. Aber die habe auch die kürzeste Zeit vor Ort (Treten als letzte an und rücken als Erste ab).
@TW: bei allem Respekt, ich bin nicht in der Lage, den Inhalt meines Beitrags mit Ihrer Bewertung als „weit rechts angesiedelte(n) Stammtischkommentare“ zu erkennen, darf ich Sie hier höfllich um eine nähere Erläuterung bitten? Mein verstorbener Schwiegervater durfte, falls Sie das interessiert, im Zuge der Verfolgungen nach dem Attentat vom 20. Juli einige Monate im Knast verbringen. Im Übrigen besuche ich keinen Stammtisch und habe Freunde, keine „Kumpane“, gehe im Allgemeinen mit meinen Mitmenschen, auch was Kritik anbelangt, respektvoll um und wähle seit 1972 die SPD (wenn auch schweren Herzens, gerade in den letzten Legislaturperioden).
[Pardon, die Klassifizierung „bar jeglicher Geschichtskenntnis, jeglichen Geschichtsbewusstseins und auch jeglichen Anstands“ bezogen auf die Aussage, dass „Stauffenberg zwar alles andere als ein Verfechter der parlamentarischen Demokratie“ gewesen sei, ist schon recht eindeutig. Warum Sie aufgrund dieses Satzes zu der Aussage kommen „die politisch links stehenden Parteien dieses Landes beginnen … die handelnden Personen des 20. Juli 1944 allmählich zu demontieren“, ist da nicht recht nachvollziehbar. Ich würde mich freuen, wenn wir diesen OT damit abgeschlossen hätten. T.W.]
Soldatsein heisst im Verteidigungsfall zu kämpfen, d.h.auch zu töten. Dabei werden nicht nur gegnerische Soldaten getötet, sondern unvermeidbar, wenn auch ungewollt, Zivilisten. Das ist Krieg. Wem das nicht klar ist, der sollte im Verteidigungsfall nicht Soldat sein.
Zum Auftreten der Verteidigungsministerin ist aus meiner Sicht zweierlei anzumerken:
Eine Inhaberin der Befehls- und Kommandogewalt, die es für sachgerecht hält, bei einer öffentlichen Vereidigung/ einem öffentlichen Feierlichen Gelöbnis am 20. Juli im Bendler-Block vor der Front über einer schwarzen Hose lediglich eine flatternde weiße Bluse in der Manier Hemd über der Hose zu tragen, zeigt damit in meinen Augen, was sie von der von ihr geführten angetretenen Truppe hält – Hitze hin Hitze her.
Vorbildlich im Gegensatz dazu die Bundestagspräsididentin im blauen Hosenanzug mit (!) geschlossenem Blazer!
Weitaus schwerwiegender war es allerdings, daß die MInisterin in ihrer ansonsten inhaltlich nicht zu beanstandenden Rede den Namen Tresckow gleich zweimal als Treschko (sic!) aussprach. Deutlicher kann man Desinteresse am Inhalt dessen, was sie dort zum Aufstand es 20. Juli vortrug, nicht zum Ausdruck bringen.
Als Staatsbürger und ehemliger Berufssoldat kann man sich für diesen öffentlichen Auftritt der Ministerin nur ein weiteres Mal schämen!
Alle Jahre wieder werden die Verschwörer des 20. Juli an diesem einen Tag den Soldaten (mehr oder weniger) als Vorbilder empfohlen. Die übrigen 364 Tage des Jahres wird insbesondere das A13+ iG/ASTO Personal letztlich im Sinne Keitels geformt.
Zu den Ausfallzahlen, hitzebdingt:
Einige der angetretenen Rekruten sind erst seit Beginn dieses Monats in der Grundausbildung. D.h. sie haben außer Einkleiden und Vorüben für den 20.Juli 2022 noch nicht viel von der Bundeswehr erlebt. Zudem sollen sie wohl schon vorab stundenlang im „Bereitstellungsraum“ verweilt haben, wie sich jeder denken kann, der so ein Schauspiel schon mal miterlebt hat.
Wer dann vorsorglich viel trinkt, muss anschließend viel auf Toilette. Sich vor der Ministerin „in die Hosen machen“ will wohl auch keiner, das überlassen wir doch eher den B-besoldeten Kameraden, (das war ein Scherz!).
Und so führt eben eins zum anderen. In Anbetracht dieser Umstände finde ich 28/400 ausgefallene Soldaten gar nicht so schlecht. Den Schnitt kann manches Quartalsantreten eines redseeligen Kommandeurs locker schlagen.
Natürlich kann man sich nun fragen, wieso Ausbilder am 19. Juli 2017 in Munster wegen fehlender Fürsorge geahndet werden, nachdem sie ähnlich dienstunerfahrene Soldaten unnötiger Hitzebelastung aussetzten, aber das würde jetzt zu weit führen. Ich weiß, Äpfel und Birnen.
Viel wichtiger finde ich, und hier kann man anknüpfen an die monatliche Personalzahlendiskussion, wie sich dieses „Happening“ nun tatsächlich auf die Attraktivität der Bundeswehr in der Gesellschaft auswirkt. Also wie nehmen die Menschen so etwas wahr?
Die großen weiß-roten Portale haben jedenfalls primär das Negative goutiert, denn das dürfte die meisten Clicks generiert haben.
Die Erfahrungen in der Ukraine mit einer hochprofessionellen Berufsarmee und unterstützenden Territorialeinheiten dürften auch deutschen Militärs zu denken geben.
Sicher, eine Wehrpflicht bei der 500.000 junge Männer jedes Jahr zu Elitesoldaten ausgebildet werden, das ist schlicht Quatsch.
Aber grundsätzliche Fähigkeiten wie „Hilfseinsätze, Katastrophenschutz, Bergung, Pionierarbeiten, Erstversorgung, Führungsstrukturen“… das wäre jederzeit hilfreich, für m/w/d. Vom Einsatz hinter der Front bis zur Flutkatastrophe aber auch einfach wenn mal wieder eine Scheune irgendwo brennt oder bei einem Autounfall Verletzte zu versorgen sind. Es wäre einfach praktisch. Und das kann man meiner Meinung nach problemlos in einem dreimonatigem Grundkurs so weit lehren dass es ein Leben lang nützt.
@ Stöber sagt:
21.07.2022 um 10:48 Uhr
Stimmt absolut. Ich hatte als CSM (und das ist erst einige wenige Jahre her) auf der internationalen Ebene (Medal Parade) kein Problem damit, lediglich der deutsche Kontingentführer hatte etwas gegen solche Massnahmen (der war halt auf dem Karrieretrip, aber General ist er immer noch nicht geworden – nicht jeder Gebirgsjäger wird das automatisch ,SCNR :))
Schmankerl am Rand: der europäische kommandierende General sagte nur kurz und knapp: „Go ahead, you are right“
P.S.: Ja, ich kenne durchgeschwitztes Blauzeug bei Vereidigungen/Gelöbnissen aus eigener Erfahrung, aber bei meiner AGA in den 70igern hatten wir noch kriegsgediente Ausbilder die uns ein paar Tricks beigebracht haben.
@Kexkrümel sagt: 21.07.2022 um 11:00 Uhr
„p.s. die Garderegimenter der Queen tragen ihre Bärenfellmütze auch wenn’s warm ist“
+1 Volltreffer.
Manch einer scheint hier vergessen zu haben, das funktionale Disziplin nun einmal auch mit formaler Disziplin einhergeht.
@TBR sagt: 21.07.2022 um 14:17 Uhr
„Alle Jahre wieder werden die Verschwörer des 20. Juli an diesem einen Tag den Soldaten (mehr oder weniger) als Vorbilder empfohlen. Die übrigen 364 Tage des Jahres wird insbesondere das A13+ iG/ASTO Personal letztlich im Sinne Keitels geformt.“
Steile Aussage.
@Hetfield
„Viel wichtiger finde ich, und hier kann man anknüpfen an die monatliche Personalzahlendiskussion, wie sich dieses „Happening“ nun tatsächlich auf die Attraktivität der Bundeswehr in der Gesellschaft auswirkt. Also wie nehmen die Menschen so etwas wahr?“
Hauptsächlich negativ als Kadavergehorsam.
Keine Frage, eine Armee braucht Disziplin und muss zwangsläufig widrige Umstände aushalten können, aber sich nicht optimal an die äußeren Bedingungen anzupassen, nur damit der Anschein gewahrt ist, halte ich für wenig sinnvoll.
Darum tausendmal lieber Funktionalität über Form.
D.h. angepasste leichte, luftige Kleidung, Sonnenhüte und natürlich auch vorherige Instruktion, wie man stehen kann, ohne steif zu werden, dass das Blut stockt. Unauffällige Lockerungsübungen, wie man atmen kann usw.
Wer im echten Gefecht kollabiert, weil er dehydriert ist und zu warm angezogen war, ist wenig hilfreich. Das sollte ein Soldat von Tag 1 an lernen und eben nicht jeden Befehl blind und widerspruchslos auszuführen.
So ist das für die junge Generation eher abschreckend.
@lukan sagt: 23.07.2022 um 0:23 Uhr
„Darum tausendmal lieber Funktionalität über Form.“
Ich bin immer wieder erstaunt, wenn wir als Deutsche Ideen haben, und fest davon überzeugt sind, die in keiner anderen Armee praktiziert werden…
Naja, wir dachten ja schon immer, dass am deutschen Wesen die Welt genesen könne ;) Warum nicht auch einfach mal den Briten, den Franzosen, den Russen erklären wie Armee RICHTIG funktioniert. So mit Funktionalität über Form und so.
@Koffer
Sie meinen, weil die Briten ihren Gardesoldaten mit Fellmützen in der Sonne das Gehirn verschmoren lassen, haben sie die bessere Armee? Interessante These. Ich würde meinen, eine schlagkräftige Armee funktioniert trotz solcher Eskapaden, anstatt wegen.
Grundsätzlich ist gegen Härtetests nichts einzuwenden, die US Navy Seals haben unter anderem als Prüfung Stundenlang im Eiskalten Wasser auszuhalten und wer schlappmacht wird eben kein Seal, sondern kommt zurück in eine reguläre Einheit.
Aber der Sinn, einfach auf Befehl in der Sonne zu schmoren mit dem eigentlichen Zweck der moralischen Erbauung, erschließt sich mir überhaupt nicht, außer man wünscht vor allem stumpfe Befehlsempfänger zu erziehen, die gut in Reih und Glied stehen.
@ lukan sagt: 23.07.2022 um 17:58 Uhr
„Sie meinen, weil die Briten ihren Gardesoldaten mit Fellmützen in der Sonne das Gehirn verschmoren lassen, haben sie die bessere Armee? Interessante These. Ich würde meinen, eine schlagkräftige Armee funktioniert trotz solcher Eskapaden, anstatt wegen.“
Nein, niemand wird zum besseren Soldaten, WEIL er in der Sonne stehen muss. Aber das eine Vereidigung am 20. Juli AUCH in der Sonne statt finden kann und das das ein normaler und hinzunehmender Teil des Soldatenberufs ist und das das wiederum Ausdruck formaler Disziplin ist und das formale Disziplin die Basis jeglicher schlafkräftiger Armee ist, DAS ist nicht nur eine These, sondern vielmehr ein Erfahrungswert. Aber wie gesagt, vermutlich gilt das nur für andere Armeen, WIR könne das natürlich besser indem wir eine Vereidigung „light“ am 20. Juli machen würden. Mit Sonnenschirmen und so.
Ich finde schon die Variante kurzes Hemd als reichlich gewagt für diesen außerordentlichen Anlass. Möglicherweise hätte man über eine andere Uhrzeit reden sollen, aber ich vermute, dass dies nicht wegen der besonderen Bedeutung der Veranstaltung am 20. Juli nicht kurzfristig ging (Ehrengäste, Eltern aus dem gesamten Bundesgebiet etc…).
@TBR: es verwundert sehr, dass die Aussage, Offiziere der Bundeswehr würden „im Sinne Keitels“ geformt, hier ohne Weiteres durchgeht. Zweifellos hat ein stromlinienförmiges und karriereorientiertes Verhalten der Generalität zum desolaten Zustand der Bundeswehr beigetragen, das aber in Bezug zu einem Massenmörder zu setzen, könnte bei juristischer Würdigung durchaus als üble Nachrede qualifiziert werden.
[Sie haben recht, es ist mir durchgegangen. Das war nicht gut, kann leider passieren – und in der Tat, diese Analogie findet hier nicht statt. T.W.]
Die Rede von Bas finde ich ganz gut. Es bleibt die Frage, was folgt?
Die „Ausfälle“ (ich find das immer etwas beschönigend, mit dem Kopf auf dem harten Platz aufzuschlagen kann wenns dumm läuft auch recht übel enden) den Rekruten anzulasten, erst seit wenigen Wochen bei der BW, bei ca. 40 Grad…Nee, sorry. @Metallkopf: Ja, gibt Life-Hacks für sowas, wie hoch ist der Prozentsatz der Rekruten denen das beigebracht wird und der Führer die auf ausreichende Flüssigkeitsaufnahme und auch die Möglichkeit zur Flüssigkeitsabgabe achten..? Aus meiner Sicht eher sinnbildlich. Führern ists leider zu oft egal wies unten läuft, es muss nur nach oben wie gewohnt aussehen, und Rückgrat fehlt. Rede von Bas wird durch sowas leider in relevanten Teilen konterkariert. Daher +1 @Hetfield, Closius.
@ Koffer:
Zu früh abgesendet, wollte schreiben @ Koffer: Was zur Hölle hat formale Disziplin mit hitzebedingtem Kreislaufversagen von Rekruten zu tun???
@Koffer
„Aber das eine Vereidigung am 20. Juli AUCH in der Sonne statt finden kann und das das ein normaler und hinzunehmender Teil des Soldatenberufs“
Ich drücke es mal so aus, dieser „militärische“ Geist, der es als formale Disziplin ansieht, auf Befehl ohne Sinn und Verstand oder Not, in unpassender Kleidung solange in der Sonne zu stehen bis man umfällt – einfach weil es sich so gehört und ein Befehl ist – der bringt Menschen wie mich dazu, einen weiten Bogen um diese Armee zu machen.
Ich hatte immer mal wieder mit dem Gedanken gespielt, doch noch eine Militärische Laufbahn einzuschlagen. Ich bin noch jung genug, dabei Kampfsportler, Bergsteiger, Winterbiwakierer, Hobbymilitärstratege und Computerexperte. Ich vermute stark, meine Fähigkeiten könnten eine Bereicherung für die Landesverteidigung sein, aber so muss ich immer noch sagen, nein danke.
@Lukan + @Koffer
Ihr Posts haben mich echt zum Nachdenken gebracht, da ich da hin-und hergerissen bin.
@Lukan argumentiert mit UnZweckmäßigkeit der Einzelmaßnahmen (hier Antreten in der Sonne für ein öffentlichkeitswirksames Ereignis) während @Koffer darauf hinweist, dass eine Armee nur aufgrund formaler Geschlossenheit als Ganzes funktionieren kann (Ausfälle sind damit gerechtfertigt).
Evtl hilft es anhand eines anderen Beispiels den Unterschied zu verdeutlichen:
In den Einsätzen der Bw wurde außerhalb der großen Lager, also in der soldatischen Praxis, häufig der Anzug „frei Schnauze“ getragen und von den Sdt mit viel persönlichem Aufwand modifiziert. Das führte häufig zu mehr Zweckmäßigkeit, aber auch zu Stilblüten wie zB bunte Combat-Camo-Tacticool Fantasieuniformen.
In den Lagern wurde dass dann oft „zu bunt“ und es verlangten die vorgesetzten StOffze und Ktgt Fhr dann wieder den Anzug streng nach Vorschrift, Hosengummis inklusive.
Eine Diskussion, so alt wie organisierte Armeen selbst. Manchmal denke ich, es gibt innerhalb der Bw mehrere Armeen, eine Vorschriftsgemäße- und eine Zweckmäßige. Der dialektische Ausgleich zwischen den Positionen ist immer wieder notwendig, auch wenn es ein Spannungsfeld bleibt.
Also, @lukan: Genau Leute mit Ihrer Denke und Qualifikation BRÄUCHTE die Bw wahrscheinlich, aber meist würden Ihnen Leute vorgesetzt sein, welche eher die Denkrichtung @Koffer vertreten (müssen).
@Lukan
Das Wort „Ausfall“ klingt erstmal unmenschlich und befremdlich, lässt sicher aber begründen mit der Theorie hinter der „Kampfkraft“ einer mil Abteilung.
D.h. : Es erfüllt beinahe nie ein einzelner Mensch den Auftrag, sondern eine Gruppe Soldaten. Wenn hier Sdt ausfallen, ist dies teilw hinzunehmen, je nach Auftrag. Da wird eher logistisch gedacht, als menschlich und die Verantwortung tragen Vorgesetzte.
Sanitätsdienst ist häufig Teil der Logistik und es wird in diesen Dimensionen gedacht, zB innerhalb der NATO.
In DEU fühlt sich der SanDst zwar „der Menschlichkeit verpflichtet“ gem. Slogan, aber letztlich geht es um Kampfkrafterhalt durch Wiederherstellung der Einsatzfähigkeit von Einheiten/Verbänden und evtl Einzelpersonen.
Wenn ein Sdt ohnmächtig aus der Formation auf das Gesicht fällt kann das tödlich enden, da haben sie recht.
Hier ist es für mich die Frage, wieso link,rechts,hinter diesem Sdt keiner reagiert hat um den Fall zu bremsen. Falls diesen Rekruten vorab eingebläut worden ist auf „keinen Fall“ irgendwas zu machen, wäre das mMn ein Thema für die Vorgesetzten Stellen dieser Abteilung und die Grenze überschritten beim Thema „Form over Function“.
Kein Antreten, selbst für die hohe Politik, ist eine schwere Verletzung wert.
@Hetfield
„Manchmal denke ich, es gibt innerhalb der Bw mehrere Armeen, eine Vorschriftsgemäße- und eine Zweckmäßige“
Tja, da ist dann wohl der Widerspruch, denn die Vorschriften sollten ja eigentlich Zweckmäßig sein, oder nicht? Welchen Sinn haben sie sonst?
Natürlich muss der angehende Soldat nicht auf Anhieb den Sinn jeder Vorschrift verstehen, sondern tatsächlich lernen, sie erstmal einfach ohne Diskussion zu befolgen, aber dass die Vorschriften grundsätzlich Sinn machen sollten, ist doch eigentlich die Idee des Ganzen. Außer wie gesagt, wenn das Ziel ist, willenlose Roboter zu erziehen, die ohne nachdenken JEDEN Befehl ausführen.
Und beim Gelöbnis gerade am 20. geht es ja gerade auch um die Würdigung der damaligen Befehlsverweigerung und aktiver Auflehnung und Widerstand gegen den sinnlosen Befehl an ganz Deutschland, Heldenhaft unterzugehen. Da hat dann das in der Sonne stehen auf Befehl bis zum umfallen schon eine gewisse Ironie.
Passend zur Thematik hatte ich erst kürzlich den Klassiker „08/15 in der Kaserne“ gelesen, der kritisierte Geist scheint immer noch sehr lebendig zu sein.
Hallo,
ich hatte von 1987 bis 1997 diverseste Gelöbnisse & Vereidigungen zu allen Jahreszeiten.
Wir sind im Sommer durchaus im kurzen Hemd mit grossem Koppel angetreten.
Die Devise war: Unmerklich in den Stiefeln die Zehen bewegen, sodass der Kreislauf a bisserl erhalten bleibt aber die Zuschauer es nicht merken.
UND: Die Losung war, wenn man merkt, dass der Vordermann (bes. in der 1.Reihe) schwankt oder umzufallen droht, dann wird der am Koppel gepackt und nach hinten durchgereicht, zu den bereit stehenden Sanis — möglichst ohne viel Bohei, der Rest des Gliedes bleibt ungerührt stehen. DAS hat sich doch seit Jahren/Jahrhunderten nicht wirklich verändert?!
Danke, VG, NG.