Einsatz in Bosnien: Bundeswehr soll nach Sarajevo zurückkehren
Fast zehn Jahre nach dem Ende ihres Einsatzes in Bosnien-Herzegowina soll die Bundeswehr in das Balkanland zurückkehren. Angesichts der Befürchtungen um Auswirkungen des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine auf die Stabilität Bosniens will sich Deutschland wieder an der EU-Mission EUFOR Althea beteiligen. Das Mandat wird noch für diese Woche erwartet.
Das Bundeskabinett wird voraussichtlich am kommenden Mittwoch ein Mandat für einen erneuten Bundeswehreinsatz in der EU-Mission beschließen. Aus dem Althea-Einsatz, eine Nachfolgemission der Einsätze in der Implementation Force (IFOR) und späteren Stabilisation Force (SFOR) waren deutsche Soldatinnen und Soldaten im September 2012 abgezogen. Es war der damals längste Auslandseinsatz der Bundeswehr, der 1995 unter anderem mit den Flügen deutscher Tornados über Bosnien und Herzegowina begonnen hatte.
Das neue Mandat, das nach Beschluss im Kabinett dem Bundestag zur Billigung zugeht, sieht eine Personalobergrenze von 50 Soldatinnen und Soldaten vor. Zunächst sollen allerdings nur rund 20 eingesetzt werden, fünf davon im Stab der EU-Mission und die übrigen in den so genannten Liaison and Observation Teams (LOT).
Grundlage ist ein Mandat des UN-Sicherheitsrats, das zuletzt im November vergangenen Jahres verlängert wurde. Inhaltlich wird der Auftrag der Bundeswehr in dem Balkanland der gleiche sein wie früher: Unterstützung der Ausbildung der bosnischen Streitkräfte, Beitrag zur Einhaltung des Friedensabkommens von Dayton, das den Bosnienkrieg vor fast drei Jahrzehnten beendet hatte, und die Schaffung eines sicheren Umfelds. Faktisch hat sich jedoch die politische Lage in Bosnien-Herzegowina vor allem angesichts des Vorgehens des an Serbien orientierten Teilstaats Republika Srpska zunehmend verschlechtert – und hat die Europäische Union vor allem nach dem russischen Angriffskrieg weiter alarmiert.
Bereits am 23. Februar, einen Tag vor Beginn des russischen Einmarsches in die Ukraine, hatte das Althea-Kommando die Verstärkung seiner Truppen angekündigt:
Four companies, comprising approximately 500 personnel from EUFOR’s reserves stationed outside of Bosnia and Herzegovina will be deployed, as a precautionary measure, in the country over the next two weeks to reinforce existing forces, in order to, more effectively support our BiH partners in maintaining a safe and secure environment.
The deterioration of the security situation internationally has the potential to spread instability to Bosnia and Herzegovina. The deployment of these forces is a precautionary measure to strengthen stability in BiH by positioning sufficient, capable forces in-countryto support the BiH Government efforts to maintain a safe and secure environment. Their mission will be to demonstrate the EU’s determination to maintain stability in Bosnia and Herzegovina. It is a prudent and proportionate measure which reflects the EU’s and EUFOR’s unequivocal commitment to the territorial integrity and sovereignty of Bosnia and Herzegovina.
EUFOR has been deployed in Bosnia and Herzegovina since 2004. EUFOR comprises of a total of approximately 3,500 personnel of which 600 are currently deployed in country. The companies that will soon be deployed will bring the total number of EUFOR forces stationed in BiH up to 1,100. These personnel will come from Austria, Bulgaria, Romania and Slovakia.
EUFOR’s assessment is that there is currently no threat to the safe and secure environment that would require EUFOR’s support. The situation is being continually monitored and further reinforcements can be brought in if necessary.
Die ersten Verstärkungskräfte waren Anfang März eingetroffen. Von der deutschen Außenministerin Annalena Baerbock waren Anfang April Überlegungen für einen erneuten Einsatz der Bundeswehr bei Althea bekannt geworden.
Schon im vergangenen Jahr war nach Ankündigungen aus der Republika Srpska, den Verbund mit dem bosnischen und dem kroatischen Landesteil aufzukündigen, von einem stärkeren militärischen Engagement der EU die Rede. Der damalige Althea-Kommandeur hatte das allerdings als nicht erforderlich zurückgewiesen. Im Zusammenhang mit dem Vorgehen Russlands und der Befürchtung, der serbisch dominierte Landesteil könnte seine Pläne mit russischer Unterstützung vorantreiben und damit das Balkanland destabilisieren, kam die EU offensichtlich zu einer neuen Bewertung.
(Archivbild Januar 2004: Deutsche Soldaten bei SFOR an einer Straßensperre auf der Suche nach Kriegsverbrechern bei Pale – SMSGT John P. Rohrer/U.S. Air Force)
1. Die Aufgaben wachsen exponenziell. Das ist absehbar für Osteuropa, den Mittelmeerraum einschließlich Balkan, Vorderasien und Nordafrika. Wie sollen hierfür in allen TSK die Reihen aufgefüllt werden?
2. Derzeit kann sich kein Land in der EU alleine verteidigen. Angesichts des Zustandes der Streitkäfte in der EU, der individuellen wirtschaftlichen und politischen Abhängigkeiten der Länder (z. B. Ungarn) und den individuellen Unwägbarkeiten (z. B. Wiederwahl Trump) ist das ein riskanter Weg.
Ich bin überzeugt, dass wir aus den angeführten Gründen an einer politischen Debatte zur allgemeinen Dienstpflicht (wie zuletzt vom Bundespräsidenten gestern versucht) nicht mehr vorbeikommen. Wer jetzt bereits Schnappatmung bzgl. Befürchtungen um die Professionalität bekommt, dem würde ich schonmal prophylaktisch ein „Ukraine, Finnland, Schweden“ entgegenwerfen.
[Den OT Wehr/Dienstpflicht machen wir in diesem Thread nicht auf. T.W.]
Hoffentlich erwachsen die Möglichkeiten in einem anzupassenden Mandat. Habe selber als Bosnien-Veteran im 1.SFOR-Kontigent miterlebt, welcher Quantensprung sich vom üblen UN-Mandat (UNPOROFOR), was keinerlei Handhabe außer Selbstverteidigung zuließ, über das etwas beherztere NATO-Mandat (IFOR) zum Durchsetzungsmandat der NATO (SFOR) vollzog und den Menschen vor Ort half. Also keine Halbherzigkeit, sondern neben zusätzlichen „boots on the ground“ auch das Mandat etwas mehr in Richtung SFOR schieben, wenn man etwas erreichen möchte. Die UN brauchen wir da unten mit Sicherheit nicht. Unsere niederländischen Kameraden können ein trauriges Lied davon singen.
Wenn die sicherheitspol. Lage und wahrscheinliche Entwicklung eine vstk Truppenpräsenz in BIH erforderlich macht- wie ernsthaft kann man dann über einen baldigen EU- Beitritt nachdenken?
Bei allem Verständnis für strategische Überlegungen den West- Balkan sino- russ. Einfluss entziehen zu wollen- welche Instabilitäten holt man sich damit in die EU, die ohnehin mit HUN und POL mindestens 2 Vollmitglieder hat, die fallweise mehr als ein Klotz am Bein europäischen Exekutivvermögens darstellt?
Erhöhte Truppenpräsenz ist kein Indiz für EU- Mitgliedsreife.
Die Unruheherde in westlichen Balkan, zumal in Bosnien und Herzegowina (BoH), sprechen Serbisch und schreiben Kyrillisch.
Der Kanzler hatte sich vergangene Woche in Belgrad angesichts seines Anerkennungsgesuchens zwischen SRB und ALB eine glatte Abfuhr vom Belgrader Präsidenten eingeholt.
Als gesichert muss betrachtet werden, dass größtes Hinderniss beim friedlichen Zusammenleben des tri-ethnischen Staates BoH die Teilrepublik „Republika Srpska (RS)“ mit der Hauptstadt Banja Luka darstellt.
Die im Krieg verfeindeten Armeen der „Republik Bosnien und Herzegowina (ARBiH)“, dem „Kroatischen Verteidigungsrat (HVO)“ und der „Armee der Republika Srpska (VRS)“ sind seit 2006 offiziell in die „Armee der Föderation Bosnien und Herzegowinas (VFBiH)“ vereint.
ALTHEA muss im Falle ernster Unruhen in BoH sich mit dem einzigen rein serbischen Truppenteil konfrontiert sehen, dem „3. Infanterie-Regiment in Tradition der Armee der Republika Srpska (VRS)“. Obendrein gilt, die Verfassungs-Treue der RS-Soldaten innerhalb der vereinigten Gesamtarmee zum Staat BoH ist wenigstens ungesichert.
Das Kommando von ALTHEA und die EU werden wissen, „the total number of EUFOR forces stationed in BiH up to 1,100“ ist zwar durchaus mehr als ein Symbol, nicht aber abschreckungsfähig angesichts der räumlichen Ausdehnung der RS innerhalb von BoH.
Der künftige deutsche Beitrag für ALTHEA mit offenbar zzt max 50 Soldaten in Stabsfunktionen und Verbindungskommandos trägt einer seriösen BdL nicht rechnung.
Am Mittwoch kommt im BT hoffentlich mehr dazu, die ex-SFOR Kasernen in Butmir und Rajlovac bieten Unterkünfte genug.
Fünfzig Soldaten, die zudem im Wesentlichen Stabsaufgaben haben, dass sollte die Bundeswehr schon gerissen bekommen. Es ist allerdings verwunderlich, dass die bosnische Armee 10 Jahre nach Ende von SFOR es immer noch nötig hat, das ihr NATO Streitkräfte das Händchen halten. Was ist da schiefgelaufen?
Bosnien ist nicht wirklich oft in in den Nachrichten gewesen.
@ Schlammstapfer
Was schief gelaufen ist kann ich Ihnen ziemlich genau sagen: bald 27 Jahre nach Srebrenica denken serbische Nationalisten, dass es wieder an der Zeit ist Bosniaken und andere (größtenteils muslimische) Minderheiten in den Staub zu treten. Beflügelt von Ihren panslawischen Freunden aus dem Osten. Mehr ist da nicht dahinter…
Ist das die Region, in der sechs Staaten in die EU wollen, und einer davon sich von den Chinesen ausrüsten lässt?
Ich würde sagen: „Brüssel, wir haben ein Problem, und kein Kleines.“ Und warum sollte jetzt was funktionieren, was seit 30 Jahren nicht funktioniert?
Eigentlich war man auf einem guten Weg in BIH, zumindest bis 1999. Mit Beginn des Kosovo-Krieges hat sich die Stimmung des serbischen Bevölkerungsanteils wieder radikalisiert. Und mit der Anerkennung des Kosovo als eigenständigen Staat war es dann ganz vorbei.
Unter Führung der „feinfühligen“ Amerikaner hat man in seiner Kurzsichtigkeit seinerzeit viel politisches Porzellan zerschlagen, was sich bis heute durchzieht. Eine Schutzmission für die albanische Minderheit und ein gewisser autonomer Status für den Kosovo hätten den fragilen politischen Gebilden in Serbien und Bosnien-Herzegowina mehr geholfen und Stabilität in die Region gebracht.
Man kämpft jetzt mit den selbstgemachten Problemen. Und die USA halten sich fein raus.
@TomCat
Das funktioniert nicht nur seit 30 Jahren nicht, sondern seit 1878/Berliner Konferenz mit Bismark.
Und, das bleibt so. 400 Jahre osmanische Okkupation und serbisch-orthodoxer sowie kroatisch-katholischer Widerstand blieben unaufgearbeitet.
Nicht die IC ist erfolglos, sondern die Balkanvölker untereinander.
@Pio-Fritz
Aber klar doch, durch das Eingreifen der Amerikaner/NATO zugunsten der Albaner im Kosovo-Krieg war es ganz plötzlich vorbei mit der „Bomben-Stimmung“ auf dem Balkan. Den Völkermord der Serben an einer anderen muslimischen Minderheit nur ein paar Jahre vorher vergessen sie dabei bequemerweise. Der ist übrigens bis heute in weiten Teilen immer noch ungesühnt bzw in der Nation der Täter verleugnet. Die Serben wären auch bestimmt nicht darauf gekommen, das nochmal zu versuchen, wo sie doch beim ersten Mal so glimpflich davon gekommen sind. Sieht man ja in der Ukraine, wozu es führt wenn schlimmste Völkerrechtsverletzungen ohne echte Konsequenzen bleiben. Das kann doch nur ein schlechter Trollversuch von Ihnen sein??
@ Klaus-Peter Kaikowsky
Warum wohl unaufgearbeitet ? Die Ethnien vor Ort haben doch versucht es auf ihre Art und Weise aufzuarbeiten . Nur weil uns das nicht gefallen hat besteht das Problem noch heute .
Wir müssen endlich kapieren das wir uns nicht überall einzumischen haben , wenn die ihre Probleme so lösen wollen sollen sie es machen . Mit dem Kosovo haben wir uns denn größten rechtsfreien Raum in Europa geschaffen . Und auch das Spiel ist noch nicht beendet , und wird am Ende mehr Länder mitreißen wie vorher .
Hätten wir das Geld lieber in Bildung und Schulen bei uns gesteckt wäre allen mehr geholfen und auf jeden Fall schon Frieden Vor Ort .
Puh … die Mär der Aufarbeitung/Erinnerungskultur/Vergebung … und dass die implizite Kommentierung, dass die Menschen dort unten selbst der entscheidende Faktor sind ist schon harter Tobak.
Vieles was Konfliktlinien durch die Westbalkanstaaten geht hat natürlich historische Trajektionslinien – aber nichts (und ich wiederhole gerne *nichts*) geschieht dort ohne die Einbeziehung der „Powers that be“. Und das ist natürlich die EU – und als Staaten habe ich dort in der „Western Balkans Perspective“ eine illustre Mischung aus:
Serbien
Kosovo
Albanien
Bosnien-Herzegowina
Nord-Mazedonien
Montenegro
Alle teilen eine im weitesten Sinne gemeinsame Geschichte, alle teilen sich eine größtenteils gemeinsame geographische und geomorphologische Raumdimension und haben eine strategische Bedeutung für die EU (welche größtenteils aus der Lage resultiert, Nachbarn kann man sich nicht aussuchen). Natürlich mischen in der Region historisch zwei andere Akteure mit (Russland und die Türkei) und es gibt auch gewisse Begehrlichkeiten der externen Akteure – halt die berühmt-berüchtigten divergierenden Interessen.
Auch die EU hat keine gemeinsame Strategie (außer die übliche Schaukelpartie – es gibt halt Mitgliedsstaaten mit starkem Interesse einer kompletten Balkanintegration und dann halt die „Bremser“ – Deutschland gehört mal zu dem einen als auch dem anderen Lager). Die USA haben die ganze Diskussion nach dem Kosovo-Krieg als letztem Konflikt der post-jugoslawischen Nachfolgekriege und dem Erreichen der eigenen Ziele als „european problem and challenge of integration“ definiert – die Mär vom klassischen amerikanischen Porzellanzerschlagen lenkt aber zuverlässig gut von vielen eigenen Versäumnissen der EU in der Region ab. Bisher war in all den jahren das EU-Credo ein: Wir kitten mit Geld alles (!) zu, hauptsache keine ethnischen Säuberungen mehr und bitte kein Srebrenica 2.0!
In diesem Kontext sind die Rufe nach Versöhnung und Aussöhnung im besten Falle naiv-träumerisch, meistens aber auch kontraproduktiv. Denn die meisten Akteure sind sich aktuell auch sicher, dass die EU nicht robust eingreifen wird … daher testet man (nicht nur die Serben, die sehen wir nur gern als Vasallen Russlands und „evil incarnate“) die Grenzen aus.
Und China … nun ja, auf dem Westbalkan kann man mit minimalen Investitionen maximalen Schaden anrichten – die EU hat de facto keine „Resilience Strategy“ im zivilen oder zivil-militärischen (oder auch sicherheitsakteursbezogenen) Bereich. Gibts im Bereich der EP (östliche Partnerschaft der EU) und der zuständigen DG NEAR eher nicht … und wenn dann wachsweich. Spannend sind dazu die Blickwinkel der europäischen Akteure dazu wie Kroatien, Slowenien, Ungarn, Rumänien und Griechenland … denn die haben alle auch ihren eigenen Claim bei den sechs „Kandidatenstaaten“, bei denen ja auch NATO-Partner am Start sind :-). Tricky … aber es lässt sich nicht nur auf die Osmanische Fremdherrschaft, den – vor allem – kroatischen Faschismus und die religiösen Konflikte runterbrechen. Die sind hier meist total gute Ausreden, weil vor allem wir Zentral- und Westeuropäer es gern einfach erklärt haben wollen und mit den Serben eine Art „Blitzableiter“ da ist – provozieren können auch andere Akteure richtig gut. Auch wenn Dodik schon sehr gut ist in dem was er macht und wie er es macht. Loyalität … das ist ein hartes Wort, vor allem im einem Konstrukt wie BiH. Wir hatten letztes Jahr dazu (also „European Road to Nowhere“ – Integrationssackgasse des Westbalkans) eine Veranstaltung – auch mit vielen Akteuren aus Banja Luka – und die krasse Unterschiedlichkeit bei der Einordnung der Sicherheitslage, der Stabilität aber auch der Perspektiven hinsichtlich europäischer Werte war bemerkenswert deutlich und ehrlich. Die EU ist schon in vielen Punkten dissonant (vgl. Ungarn und Polen und Auslegungen einzelner Staaten zum Thema Freizügigkeit, Migration, Integration etc.) und wie soll dann dieses dissonante, strategieleere Wohlstandsziel (denn das ist meist das Verständnis in den sechs Ländern – die btw alle (!) Nettomigrationsländer in die EU sind als günstige Arbeitskräfte sind) robust wirken?
Genau … man kauft sich Frieden, sofern das Preisschild stimmig ist.
@emdeema sagt: 14.06.2022 um 18:46 Uhr
Sie haben offensichtlich meinen Kommentar nicht genau gelesen.
Das Eingreifen der NATO im Kosovo war leider bitter nötig.
Aber die Lösung, einen „Staat“ Kosovo zu schaffen, der dieser bis heute nicht ist, war und ist eine der großen politischen Fehlentscheidungen der letzten 20 Jahre.
Das hat keine Ruhe oder gar Frieden in die Region gebracht, sondern vielmehr einen permanenten Unruheherd geschaffen. Die Lage dort ist zu komplex, um das auf Gut und Böse zu reduzieren zu können.
@ Paradox
Danke für die Übersicht.
@ emdeema
Sie machen es sich zu einfach, anderen Trollerei vorzuwerfen. Aber es ist natürlich leicht, wenn die eigene Wissensbasis ein bisschen dünn ist. Paradox erinnert zurecht daran, dass die Gemengelage auf dem Balkan schon immer sehr kompliziert war und das die zahlreichen Interessen und damit Einmischungen von aussen, von denen die von Ihnen genannten Panslaven (die mit Sicherheit nicht zu meinen Freunden gehören) nur eine Interessengruppe darstellen, die Situation nicht einfacher machen. Ihre einseitige Schuldzuweisung an die Serben beweist sowohl Linientreue als auch einen Mangel an Sachkenntnis. Vor dem internationalen Tribunal, dass die während des Bürgerkriegs beganngenen Verbrechen aufgearbeitet hat, mussten sich militärische und politische Führer aller beteiligten Ethnien verantworten.
@ Pio-Fritz
Die Abspaltung des Kossovo hat, da stimme ich mit ihnen völlig überein, völlig unnötig einen Präzedenzfall geschaffen, der erheblich zur Destabiliesierung in Europa (nicht nur in der EU) beigetragen hat. Unabhängigkeitsbewegungen in Spanien, Frankreich, Großbritannien und Italien berufen sich darauf und verwenden das dort exekutierte Prozedere als Blaupause für die eigenen Pläne. Die russische Regierung hat diese Blaupause ebenfalls bei der Unterstützung der Sezession der Krim ausgenutzt und den Westen mit seiner Ablehnung der Anerkennung in Erklärungnöte gebracht.
Die Anerkennung des Kossovo als unabhängiger Staat wird bis heute auch von fünf EU-Mitgliedsstaaten abgelehnt (Spanien, Griechenland, Rumänien, Kroatien und die Slowakei). Weswegen die Versuche einger Staaten, den Kossovo in die EU aufzunehmen, scheitern werden. Übrigens, inzwischen haben 14 Staaten, die die Unabhängigkeit des Kossovo ursprünglich anerkannt hatten, diese Anerkennung wieder zurückgezogen. Die dortigen Regierungen haben eben erkannt, was das für eine Riesendummheit gewesen war.
Die Europäische Union war mal mit dem Anspruch gestartet, mehr sein zu wollen als eine große Freihandelszone. Mit der Osterweiterung wurde die EU zwar größer, aber wie die politische Entwicklung zeigt, auch weniger handlungsfähig. Wie kann man allen Ernstes unter diesen Bedingungen über weitere Erweiterungen auch nur nachdenken?
Die Bestrebungen der Erweiterungen sind geopolitisch motiviert. Man will möglichst viele europäische Staaten in das westliche ‚Körbchen‘ holen, um sie dem Einfluss Russlands und Chinas zu entziehen. Das ist verständlich. Aber der Preis dafür ist eine handlungsunfähige Europäische Union, die sich immer weiter von ihren Werten enfernt, je mehr sie von diesen Rechtsstaats- und Demokratiedefizitären Staaten aufnimmt. Dieser Preis ist für meinen Geschmack zu hoch.
Otto von Bismarck hat mal gesagt: „Der Balkan ist mir nicht die gesunden Knochen eines einzigen pommerschen Grenadiers wert.“ Der Balkan hat sich seit Bismarcks Zeiten zwar verändert. Aber so sehr nun auch wieder nicht.
[So, der dreiste Versuch, daraus jetzt eine sehr grundsätzliche Kosovo-Debatte zu machen, ist damit beendet. T.W.]
@ T.W.
Was unterstellen Sie mir da bloß. Zugegeben ich bin ein wenig vom Pfad der Debatte um die Debatte zur SFOR-Fortsetzung abgeirrt.
Was die Forsetzung der SFOR Debatte anbetrifft. Wenn die Situation auf dem Balkan so brenzlig ist, dass man über Truppenverstärkungen nachdenken muss, dann bedeutet das kein gutes Zeichen für die EU Erweiterung in diese Richtung. Ich denke da an die Tour von Frau von Leyen vor ein Paar Wochen und die Reise von Herrn Scholz in das Kossovo, nach Serbien und Bulgarien war dann auch ziemlich überflüssig.