Dokumentation: Scholz in Litauen, Pressekonferenz mit baltischen Staats- und Regierungschefs

Bei seinem Besuch in Litauen am (heutigen) Dienstag hat sich Bundeskanzler Olaf Scholz sowohl zur geplanten stärkeren Präsenz der Bundeswehr in dem baltischen Land als auch zu deutschen Waffenlieferungen an die Ukraine und zu Sanktionen gegen Russland geäußert. Zur Dokumentation das Transkript des Bundespresseamtes von der gemeinsamen Pressekonferenz Scholz‘ mit dem litauischen Präsidenten Gitanas Nausėda, der estnischen Ministerpräsidentin Kaja Kallas und dem lettischen Ministerpräsidenten Krišjānis Kariņš:

Nausėda: Guten Tag, meine Damen und Herren! Herr Bundeskanzler Olaf Scholz, Ministerpräsident Krišjānis Kariņš, Ministerpräsidentin Kaja Kallas, ich freue mich, Sie alle heute hier in der Hauptstadt Litauens, in Vilnius, begrüßen zu dürfen.

Gemeinsames Handeln, Einigkeit und Solidarität der Partner sind im derzeitigen Sicherheitsumfeld unerlässlich und unverzichtbar. Vor mehr als 100 Tagen, am 24. Februar, wurden Europa und die ganze Welt von einer neuen strategischen Realität eingeholt, einer Realität, in der der Aggressor, nämlich Russland, die souveräne Ukraine angegriffen und mit der rücksichtslosen Vernichtung der ukrainischen Nation begonnen hat. Während der ganzen Zeit verteidigen die Ukrainer heldenhaft ihr Land.

Der Kampf geht nicht nur um die Freiheit und Souveränität der Ukraine, sondern auch um die Zukunft Europas. Ich glaube, dass sich niemand mehr Illusionen über Russland macht. Wir müssen uns darüber im Klaren sein, dass die militärische Bedrohung durch Russland nicht verschwindet und eine langfristige Bedrohung für den gesamten euroatlantischen Raum bleiben wird. Russland erhöht systematisch seine Sicherheit auf Kosten anderer souveräner Staaten und verstößt dabei brutal gegen die Grundprinzipien der territorialen Integrität, der nationalen Souveränität und des Völkerrechts.

Es kann keinen Dialog oder keine Zusammenarbeit geben, kein Beschwichtigen oder Nachgeben gegenüber diesem terroristischen Staat. Wir müssen eine starke Reaktion der demokratischen Welt in Form von Sanktionen, Rechenschaftspflicht für die begangenen Kriegsverbrechen und völlige Isolation anstreben. Wir müssen entschlossen auf die russische Bedrohung reagieren und unsere Verteidigung stärken.

Gemeinsam mit den Regierungschefs von Deutschland, Lettland und Estland haben wir über Sicherheitsfragen im Baltikum diskutiert. Die baltischen Staaten befinden sich in einer besonders sensiblen Sicherheitslage an der Frontlinie der Nato. Maximale Abwehrbereitschaft und verstärkte Einsatzkräfte in unserer Region sind der Schlüssel zur Sicherheit des gesamten Bündnisses. Wir sind uns einig, dass die Verteidigungskapazitäten in den baltischen Staaten ausgebaut werden müssen, indem die Zahl der stationierten Truppen erhöht und die Luft- und Seeverteidigung verstärkt wird. Litauen ist bereit, mehr alliierte Streitkräfte aufzunehmen und die gesamte erforderliche Infrastruktur bereitzustellen. Wir sind dankbar für den Einsatz und die Solidarität, die die deutschen Truppen und die Enhanced Forward Presence der Nato in Litauen übernommen haben.

Bereits in diesem Monat erwartet Litauen auf dem Nato-Gipfel in Madrid Entscheidungen, die die Sicherheit der Ostflanke der Nato erheblich stärken werden, den Übergang von der Abschreckung zur Vorwärtsverteidigung, vom Bataillon bis zur Brigade, von der Luftpolizei bis zur Luftverteidigung. Wir müssen Finnland und Schweden das grüne Licht für den Nato-Beitritt geben. Dies wird der Sicherheit des Ostseeraums und des Bündnisses insgesamt einen starken strategischen Impuls verleihen. Wir müssen der Politik der offenen Tür der Nato treu bleiben und allen anderen Ländern mit euroatlantischen Bestrebungen die Lebensfähigkeit dieser Politik demonstrieren. Dies ist eine historische Chance, das Bündnis mächtiger zu machen als je zuvor.

Angesichts der russischen Invasion in der Ukraine hat Europa gezeigt, dass es durchaus in der Lage ist, ein Übereinkommen zu erreichen und in einem kritischen Moment die richtigen Entscheidungen zu treffen. Unsere Einigkeit ist unsere Stärke, und wir müssen diesen Weg weitergehen. Wir sollten uns nicht spalten lassen. Wir müssen die Ukraine weiterhin mit allen möglichen militärischen, wirtschaftlichen und politischen Mitteln unterstützen, bis die Ukraine diesen Krieg gewinnt.

Eine wichtige politische Botschaft, die wir so schnell wie möglich senden müssen, ist die Zuerkennung des EU-Kandidatenstatus für die Ukraine. Es ist an der Zeit, klarzustellen, dass die Ukraine in die Europäische Union gehört. Wir haben kein moralisches Recht, diesen Augenblick zu verpassen. Die Ukraine verteidigt dieses Recht mit ihrem Blut.

Wir werden demnächst auf EU-Ebene über das siebte Sanktionspaket diskutieren, das meiner Ansicht nach ein Embargo für russisches Gas umfassen sollte. Dadurch werden sowohl die Möglichkeiten Russlands eingeschränkt, den Krieg zu finanzieren, als auch die Energieunabhängigkeit Europas erhöht. Darin sehe ich ein strategisches Ziel für die gesamte EU, durch die Diversifizierung unserer Energieimportquellen Investitionen in die grüne Energie und die Verbesserung unserer Infrastruktur erreichen zu können.

Unsere Entschlossenheit und unsere Fähigkeit, zu reagieren und jetzt die richtigen Entscheidungen zu treffen, werden das Europa bestimmen, in dem wir in den nächsten Jahrzehnten leben werden. Deshalb müssen wir alles tun, um unsere Werte und unseren Frieden zu verteidigen, damit wir auf der richtigen Seite der Geschichte stehen. Wir müssen handeln, und zwar sofort. – Vielen Dank.

Scholz: Ich freue mich über die Einladung nach Vilnius und darüber, dass wir miteinander sprechen können, was wir schon oft und wiederholt getan haben, bilateral, bei vielen Treffen in Brüssel, aber, und das gehört auch zu unserer gemeinsamen Geschichte, auch schon im Kanzleramt in Berlin, wo wir den Austausch, den wir heute fortgesetzt haben, sehr intensiv miteinander begonnen haben. Für mich ist das eine wichtige Botschaft; denn es geht doch darum, dass wir die Einigkeit demonstrieren, die wir angesichts der russischen Aggression und des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine brauchen.

Das ist ein Krieg, der, wie ich das seinerzeit formuliert habe, eine Zeitenwende mit sich gebracht hat, weil sich Russland über alle Regeln, die wir in den letzten Jahrzehnten miteinander vereinbart haben, hinweggesetzt hat, insbesondere die Regel, dass Grenzen nicht mit Gewalt verschoben werden sollen. Dieser Konsens ist durch den russischen Angriffskrieg infrage gestellt, und das ist eine Infragestellung der Friedensordnung, die mit all den bedrohlichen Konsequenzen verbunden ist, die wir jetzt jeden Tag sehen und verfolgen, wenn wir die Bombardements, die Artilleriegefechte und das unglaublich brutale Morden und Töten im Osten der Ukraine sehen, das Russland zu verantworten hat.

Deshalb bin ich sehr froh, heute hier zu sein, weil das ein Tag ist, der kurz auf die Entscheidung folgt, die der Deutsche Bundestag am letzten Freitag getroffen hat. Mit verfassungsändernder Mehrheit ist ein Sonderfonds für die Bundeswehr auf den Weg gebracht worden, der 100 Milliarden Euro umfasst und mit dem es möglich sein wird, die auch jetzt schon sehr starke deutsche Bundeswehr weiter zu stärken. Wir geben heute etwa 50 Milliarden Euro pro Jahr für Verteidigung aus. Das wird eine Summe sein, die jetzt erheblich steigen wird, wenn wir das Ziel verfolgen, in den nächsten Jahren jedes Jahr zwei Prozent unsere Wirtschaftsleistung für diese Aufgabe einzusetzen.

Das ermöglicht uns, damit auch sicherzustellen, dass die Bundeswehr als dann wahrscheinlich mit Abstand größte konventionelle Armee in Europa im Rahmen der Nato ihre Aufgabe gewährleisten kann, die gemeinsame Verteidigung zu organisieren und sicherzustellen. Auch das habe ich schon gesagt und will ich gerade hier und heute wiederholen: Als Verbündete in der Nato fühlen wir uns einander verpflichtet, und wir werden im Falle eines Angriffs jeden Zentimeter des Nato-Territoriums verteidigen.

Insofern ist es sehr gut, dass wir uns jetzt hier darüber unterhalten, welche Konsequenzen das für die Nato-Strategie und unser gemeinsames Vorgehen hat. Ich bin sehr froh darüber, dass wir doch absehen können, dass es gemeinsame Entscheidungen im Rahmen der Nato über die Frage geben wird, wie wir unsere Sicherheit miteinander und gemeinsam gewährleisten. Das gilt insbesondere im Hinblick auf die Entwicklung der Nato-Mission Enhanced Forward Presence. Deutschland ist hier vor Ort tätig. Deshalb werde ich auch unser Kontingent hier gemeinsam mit dem Präsidenten besuchen und mich über die konkrete Arbeit unserer Soldatinnen und Soldaten informieren.

Wir haben uns fest vorgenommen, unseren Beitrag zu verstärken. Auch das gehört zu den notwendigen Konsequenzen im Nato-Zusammenhang. Wir sind bereit, unser Engagement zu verstärken und es in Richtung einer robusten Kampfbrigade zu entwickeln, das die Abschreckung beziehungsweise Abwehr einer Aggression in Litauen gemeinsam organisieren kann. Wir haben vor, dazu miteinander entsprechend zu arbeiten.

Für uns ist ebenfalls ganz wichtig, dass wir uns darüber unterhalten, wie wir auf den russischen Angriff reagieren, indem wir alles dafür tun, dass Russland diesen Krieg nicht gewinnen kann. Es muss den Krieg beenden und seine Truppen zurückziehen. Das verlangen wir mit der Ukraine, an deren Seite wir solidarisch stehen.

Wir werden die Ukraine weiterhin mit Waffenlieferungen unterstützen. Deutschland tut dies so intensiv wie kaum ein anderer und wird seine Unterstützung auch in der nächsten Zeit fortsetzen, solange es notwendig ist, um die russische Aggression zurückweisen zu können.

Wir werden darüber hinaus auch das, was wir an Sanktionen auf den Weg gebracht haben, konsequent umsetzen. Die Europäische Union hat sich jetzt auf ein sechstes Sanktionspaket verständigt, das in der Tat die schon jetzt erheblichen Auswirkungen der Sanktionen noch einmal verstärken wird. Wir haben ganz klar die Botschaft gesetzt, dass diese Sanktionen im Hinblick auf die Entwicklungschancen der russischen Wirtschaft so wirksam sein müssen, dass sie ein Grund sind, von der russischen Aggression wegzugehen, und Putin und seine Regierung überzeugen, den Krieg zu beenden und die Truppen zurückzuziehen. Deshalb sind die Sanktionen, deshalb ist die Einigkeit wichtig, und deshalb ist das für uns ein zentrales Thema.

Gleichzeitig ist es für uns wichtig, dass wir auf die übrige Welt schauen, die unter den Konsequenzen des russischen Krieges mitzuleiden hat. Obwohl der Krieg von den Ländern Asiens, Afrikas und im Süden Amerikas weit entfernt ist, spüren sie jeden Tag die Konsequenzen, die Konsequenzen wohlgemerkt des russischen Angriffskriegs. Deshalb sehen wir, wie überall Lebensmittelpreise steigen, wie es große Schwierigkeiten gibt, die Finanzmittel aufzubringen, um Energie zu importieren. All das sind Konsequenzen der russischen Aggression.

Wir sind deshalb dabei, zusammen mit den Vereinten Nationen, mit allen, mit denen wir sprechen können, Wege zu finden, wie die russische Blockade des Seewegs aufgehoben werden kann, sodass es möglich wird, ukrainischen Weizen in alle Welt zu exportieren, ohne dass dies zu einer Bedrohung der Ukraine wird. Denn das ist auch ganz klar: Die Ukraine hat alles Recht, sich zu verteidigen und zu schützen. Deshalb darf durch die Weizenexporte keine neue Gefahr für die Sicherheit und Integrität der Ukraine entstehen.

Insgesamt hatten wir hier miteinander ein sehr gutes Treffen, ein Treffen, das Ausdruck einer Kontinuität guter Beziehungen ist, ein Treffen, das mir die Gelegenheit gibt, Deutschlands Beitrag zu unserer gemeinsamen Sicherheit in der Nato zu dokumentieren und noch einmal auszudrücken, dass wir unsere Verantwortung auch weiterhin wahrnehmen werden.

Schönen Dank.

Kariņš: Vielen Dank, Herr Gitanas Nausėda, vielen Dank, Herr Olaf Scholz, vielen Dank für die fruchtbare Diskussion, die wir heute hatten. Ich denke, Putin hat ein unerwartetes Ziel erreicht. Er hat nämlich die Nato verstärkt und unsere Zusammenarbeit erweitert. Die europäischen Länder und auch die Weltgemeinschaft arbeiten jetzt viel enger zusammen, um diese Aggression abzuwehren.

Es ist sehr wichtig, dass wir der Ukraine weiterhin unsere Unterstützung auf unterschiedliche Art und Weise geben. Wir müssen nämlich die Waffenlieferungen verstärken, Munition, Geschütze, schwere Waffen. Das ist selbstverständlich. Diese Arbeit muss weiterhin fortgesetzt werden. Die humanitäre Hilfe soll weiterhin geleistet werden, ebenso alles andere, was für die ukrainische Regierung notwendig ist, um ihren Verpflichtungen nachzugehen.

Es ist auch sehr wichtig für uns, politisch zu denken. Welche politischen Maßnahmen ergreifen wir, die die Ukraine weiterhin unterstützen können, damit die Ukraine auch mehr Möglichkeiten hat, der EU beizutreten, damit der Ukraine auch der Kandidatenstatus zuerkannt wird? Wir, die baltischen Länder, vor allem Lettland, wissen immer noch sehr gut, wie ein positives Signal aus der EU an uns gesendet wurde und wie dieses Signal, also der künftige Beitritt zur EU, fruchtbare Reformen ausgelöst hat. Deswegen ist die Zusammenarbeit mit Partnerländern sehr wichtig.

Die Ukraine an sich soll gestärkt werden, damit sie diesen Krieg gewinnen und Russland als Aggressor verlieren wird. Wir wollen Frieden und Stabilität in Europa. Aber dies wird nur dadurch erreicht, dass Russland diesen Krieg verliert und auch versteht, dass die Ziele auf militärischem Wege nicht mehr umzusetzen sind. Deswegen ist die militärische Hilfe an die Ukraine unabdingbar.

Die drei baltischen Staaten sollten gleichzeitig auch ihre Verteidigungsbudgets auf bis zu drei Prozent des Bruttoinlandsproduktes erhöhen. Das ist eine logische Entscheidung und auch ein Signal an Putin, dass wir viel mehr in unsere Verteidigung investieren und unsere Streitkräfte weiterhin stärken.

Dies reicht aber nicht aus. Wir müssen die Ostflanke der Nato weiterhin stärken, nämlich von der Ostsee bis zum Schwarzen Meer. Die baltischen Länder befinden sich in einer heiklen Situation. Deswegen wende ich mich an Herrn Bundeskanzler. Ich freue mich, dass Deutschland seine vorgeschobene Präsenz in Litauen und genauso ja auch in allen baltischen Ländern verstärken wird. Das freut mich außerordentlich. Doch diese Arbeit muss auch fortgesetzt werden. Die Verteidigung und die vorgeschobene Präsenz der Nato-Streitkräfte sollen weiterhin aufgebaut werden.

Wir unsererseits stärken unsere Streitkräfte und unsere Kampfbereitschaft. Doch dazu brauchen wir etwas mehr Zeit. Wir brauchen mehr Zeit auch für unsere Verteidigung, weil wir als erste den Feind abwehren würden, während wir die die Unterstützung unserer Verbündeten weiterhin erwarteten. Das heißt, dass wir solidarisch handeln müssen. Nicht nur die baltischen Länder und nicht nur Europa, sondern die ganze Nato soll Solidarität bezeugen, gemeinsam handeln und sich nicht einschüchtern lassen. Wir müssen uns in militärischer Hinsicht und auch wirtschaftlich weiterhin stärken, damit unsere Kinder und Enkelkinder keine Angst vor einem fremden Land und vor einer Aggression haben.

Vielen Dank.

Kallas: Sehr geehrter Herr Gitanas Nausėda, sehr geehrter Herr Olaf Scholz, vielen Dank für Ihre Gastfreundschaft. Wir schätzen jede Möglichkeit, um unsere gemeinsame Situation und Sicherheit genauer zu besprechen.

Vielen Dank an Deutschland für die historische Entscheidung, die Militärausgaben zu erhöhen. Historisch gesehen: Wenn ein starkes Deutschland präsent ist, dann wird auch die Sicherheit Europas sichergestellt.

In drei Wochen haben wir ein Gipfeltreffen im Madrid, nämlich im Rahmen der Nato, und es ist sehr wichtig, dass innerhalb dieses Treffens bestimmte Entscheidungen getroffen werden, nämlich zur Sicherung der Ostflanke. Die strategischen Ziele Russlands sind nach wie vor die gleichen, und es ist kaum zu prognostizieren, was Russland in der Zukunft unternimmt. Wir müssen aber deutlich zeigen, dass die Nato bereit ist, jeden Zentimeter unseres Landes zu verteidigen, damit Russland und andere Aggressoren abgeschreckt werden.

Wir haben auch bestimmte Maßnahmen eingeleitet, um unsere Streitkräfte zu stärken. Estland, Lettland und Litauen haben ihre Militärausgaben bis auf 2,5 Prozent des Bruttoinlandsproduktes erhöht, und wir freuen uns, dass Deutschland das Gleiche entschieden hat.

Wir bedanken uns ganz herzlich bei unseren Verbündeten für ihre Präsenz bei uns in Lettland, Estland und Litauen, doch diese Zusammenarbeit kann auch weiterhin vertieft werden. Gestern habe ich mich mit Boris Johnson getroffen, und wir haben gemeinsam bestätigt, dass die Nato-Präsenz im Baltikum weiterhin erhöht werden muss, nämlich bei der Luftverteidigung und bei der Seeverteidigung. Diese Entscheidungen müssen auch in Madrid getroffen werden.

Das Gleiche haben wir heute auch mit Deutschland besprochen, und wir schätzen die Bemühungen Deutschlands als der Rahmennation der Nato, die Verteidigung Litauens und des Baltikums zu stärken, sehr. Das heißt, wir fühlen uns sicherer; wir sind nicht allein. Die Führerschaft Deutschlands wird dazu beitragen, dass in Madrid bestimmte Entscheidungen, nämlich solche zur Sicherung der Ostflanke der Nato, getroffen werden.

Auch die Ukraine erwartet bestimmte Handlungen von uns, damit auch die Weltgemeinschaft bei diesem Krieg in der Ukraine eingreift. In der Ukraine werden schwere Waffen benötigt, um Russland abzuwehren. Herr Olaf Scholz, ich freue mich deshalb sehr über Ihre Entscheidung, Luftverteidigungssysteme in die Ukraine zu schicken. Diese sind sehr nötig, um den Aggressor zu besiegen. Estland hat neulich einige Haubitzen in die Ukraine geschickt, nämlich gewaltige Haubitzen mit einem Kaliber von 155 Millimetern. Wir müssen natürlich auch ein bestimmtes Signal an die Ukraine senden, dass ein Kandidatenstatus für dieses Land zugesichert werden kann, damit die Ukraine nach dem Krieg mit dem Aufbau des Landes beginnen kann.

Wir müssen uns auch die Frage stellen: Wann können wir eingreifen, wenn nicht jetzt, um die Kriegsmaschinerie Russlands zu stoppen, die von Erdöl und Gasverkäufen gespeist wird? Sollen wir unsere Energiesicherheit besser entwickeln und die erneuerbaren Energiequellen besser ausnutzen? Wir haben viel Gemeinsames vor allem im Bereich Energie, etwa bei den Windkraftanlagen in der Ostsee. Wir dürfen nicht müde sein, wir müssen Entscheidungen treffen, die der Ukraine helfen, und das wollen wir in Madrid erreichen.

Frage: Ich habe eine Frage zu den deutschen Waffenlieferungen in die Ukraine: Herr Scholz, Sie sagen immer, Deutschland mache zurzeit alles, was es kann. Es gibt aber viele Fakten, die das infrage stellen. Zum Beispiel bittet die Ukraine seit ein paar Monaten um Marder-Schützenpanzer. Das Unternehmen Rheinmetall sagt seit April, dass das kein Problem sei. Ihre Bundesregierung hat aber bis Ende Mai gewartet und dann mitgeteilt, dass diese Schützenpanzer für den Ringtausch an Griechenland geschickt werden. Die Ukraine betont immer, dass sie genau diese Marder braucht, dass sie Leoparden braucht, und nicht zum Beispiel altes Zeug aus Griechenland. Es gibt Berichterstattung in der deutschen Presse, dass von Ende April bis Ende Mai sogar kaum leichte Waffen an die Ukraine geschickt worden seien. Letzte Woche hat der Außenminister der Ukraine gesagt, dass sie es satthätten, auf deutsche Waffen zu warten. Herr Scholz, warum bekommen so viele Menschen den Eindruck, dass die Bundesregierung immer bis zum letzten Augenblick zögert, was die Unterstützung und die Waffenlieferungen anbelangt?

Scholz: Schönen Dank für Ihre Frage, denn sie gibt mir die Gelegenheit, Ihren falschen Eindruck zu korrigieren. Es ist so, dass Deutschland einer der wichtigsten militärischen Unterstützer der Ukraine ist; niemand liefert in ähnlich großem Umfang, wie Deutschland es tut. Es gibt ein paar wenige, die auch sehr viel tun, wie zum Beispiel die Vereinigten Staaten von Amerika; aber Deutschland zählt zu den Ländern, die in ganz großem Umfang ihre Möglichkeiten einsetzen. Wir haben in großem Umfang geliefert: Panzerabwehrwaffen, Luftabwehrraketen, Munition in riesigen Mengen, gepanzerte Truppentransporter. Wir haben Mörser geliefert und auf den Weg gebracht. Wir haben dafür Sorge getragen, dass es möglich ist, dass jetzt auch Haubitzen geliefert werden – die modernsten übrigens, die in diesem Konflikt eingesetzt werden können; deshalb sind ukrainische Soldaten zum Training in Deutschland. Wir haben Flakpanzer auf den Weg gebracht und uns darüber mit der Ukraine verständigt, und diese Bestellung ist jetzt auch vorbereitet.

Es ist so, dass es da immer wieder einmal Meldungen gibt, auch solche, die völlig falsch sind, wie zum Beispiel, dass dieses hochtechnische und sehr wirksame Gerät zum Schutz der eigenen Truppen gar nicht gewünscht werde – aber der Vertrag ist unterschrieben. Das ist vielleicht ein Beispiel für die Ansammlung von nicht ganz richtigen Behauptungen, die in dieser Diskussion eine Rolle spielen.

In der Tat, wie unsere Verbündeten auch – wie die USA zum Beispiel, aber auch manche andere – haben wir den Weg beschritten, dass wir die Ukraine dadurch unterstützen, dass wir auch Ringtausche unterstützen, also die Möglichkeit, dass Waffen, die unmittelbar eingesetzt werden können und die in Ländern wie Tschechien, Griechenland und verschiedenen anderen Ländern vorhanden sind, auch genutzt werden können und wir dafür sorgen, dass diese Länder dann nicht gewissermaßen unbewaffnet sein müssen, sondern sie dann mit solchem Gerät ausstatten, das bei uns in gewisser Zeit geliefert werden kann.

Das sind, glaube ich, gute Wege und gute Vereinbarungen, und sie alle tragen dazu bei, dass die erhebliche, massive und weitreichende Unterstützung aus Deutschland einen ganz zentralen Beitrag dazu liefert, dass die Ukraine sich bis heute so verteidigen kann, wie es auch tatsächlich geschieht. Das ist wichtig, dazu bekennen wir uns, und ich wiederhole noch einmal: Die von mir getroffene Entscheidung, dass Deutschland anders als in vielen Jahrzehnten vorher in einen solchen Konflikt hinein Waffen für eine der beiden Parteien liefert, ist eine weitreichende Entscheidung, die wir jetzt aber mit großer Konsequenz umsetzen.

Frage: Eine Frage an den Bundeskanzler: Der litauische Präsident hat ein siebtes Sanktionspaket mit Sanktionen auch im Gasbereich gefordert. Ich hätte ganz gerne gewusst, ob Sie das unterstützen.

Sie haben gerade die Waffenlieferungen angesprochen: Unterstützen Sie auch eine Ausfuhr von spanischen Leopard-Panzern in die Ukraine? Es gibt Berichte, dass die spanische Regierung dazu bereit ist.

Eine Frage, die sich an die baltischen Kollegen richtet: Verstehen Sie die Vorbehalte, die es bei großen westlichen Nato-Staaten gibt, moderne Kampfpanzer an die Ukraine zu liefern?

Scholz: Was die letzte Frage betrifft: Bisher liegt kein solcher Antrag vor. Wenn es einen gibt, dann werden wir ihn sorgfältig prüfen – bisher ist er nicht da.

Zu Ihrer ersten Frage: Wir haben gerade ein sechstes Sanktionspaket beschlossen, das neben all den Sanktionen, die wir bisher auf den Weg gebracht haben, und vielen Details, die, glaube ich, gar nicht wahrgenommen worden sind, im Wesentlichen auch das Sanktionspaket im Hinblick auf Öl beinhaltet. Deutschland hat diese Entscheidung unterstützt, weil wir sowieso auf diesem Weg sind. Sie wissen, dass wir Energieimporte im Hinblick auf Kohle ab dem Herbst als Europäische Union sanktioniert haben.

Das war uns möglich, weil wir uns bereits vor dem Kriegsausbruch sorgfältig mit der Lage auseinandergesetzt haben und deshalb wussten, wie wir solche Importe bis zum Herbst entsprechend des Sanktionsregimes ersetzen können.

Das Gleiche gilt für den Import von Öl. Auch dort sind wir schon lange dabei, das für uns vorzubereiten. Dort, wo es um mit Schiffen angelandetes Öl geht, das in das deutsche Verteilsystem geht, ist das bereits unterwegs. Im Hinblick auf zwei größere Raffinerien, die heute an dem russischen Pipelinenetz für Ölexporte hängen, haben wir auch einen genauen Plan, wie wir dem Konzept folgen können, das die Europäische Union beschlossen hat, bis zum Jahresende aus diesen Importen auszusteigen und letztendlich mit Schiffen angeliefertes Öl über andere Pipelines zu den beiden Raffinerien zu bringen.

Was Gas betrifft, haben wir sehr weitreichende Gesetze auf den Weg gebracht. Sie werden dazu führen, dass innerhalb kürzester Zeit Pipelines an den norddeutschen Küsten gebaut werden, die uns den Import von LNG-Gas ermöglichen, über die begrenzten und nicht ausreichenden Kapazitäten hinaus, die wir aus den westeuropäischen Häfen von den Niederlanden, Belgien und Frankreich nach Deutschland bekommen können. Wir haben dabei gelernt, dass dieser Wunsch, solche LNG-Importmöglichkeiten zu schaffen, sehr breit von vielen unserer Nachbarländer unterstützt wird, die keine Küstenverbindung haben und dann auch über das deutsche Gaspipelinenetz versorgt werden wollen, was für sie von existenzieller Bedeutung ist.

Diese Gesetze, die wir gerade verabschiedet haben, führen dazu, dass wir in allerkürzester Zeit die Pipelines errichten können und wahrscheinlich erste Terminals mit Regasifizierungsschiffen zum Anfang des nächsten Jahres in Betrieb nehmen können. Ein Ersatz der Kapazitäten, die wir brauchen, setzt aber noch weitere Investitionen und Tätigkeiten voraus, die noch längere Zeit in Anspruch nehmen werden und jetzt nicht unmittelbar bevorstehen.

Insofern geht es für uns aus deutscher Perspektive ausschließlich darum, dass wir uns selber in die Lage versetzen, dass wir komplett aus anderen Quellen stammendes Gas importieren können. Das wird gerade mit größtem Tempo vorbereitet, geht aber natürlich nur so schnell, wie die Physik es zulässt.

Zusatzfrage: Ich hätte ganz gern noch die Frage gestellt, ob Sie Verständnis dafür haben, dass einige große westliche Nato-Länder – die USA, Frankreich, Deutschland – Vorbehalte gegenüber der Lieferung von schweren Kampfpanzern an die Ukraine haben.

Nausėda: Ich möchte erst einmal etwas dazu sagen, ob es irgendwelche Vorbehalte gibt. Der Bundeskanzler hat das klar verneint.

Aber es gibt Informationen über Vorbehalte, dass schwere Waffen nicht in die Ukraine geliefert werden. Diese Unterstützung wird geliefert, nämlich in Zusammenarbeit mit den anderen Staaten dieser Region, die diese Unterstützung liefern und die ihrerseits eine bestimmte Unterstützung von anderen Nato-Verbündeten erwarten.

Wir machen, was wir können. Das heißt, die Unterstützung Litauens an die Ukraine ist sehr umfassend, sowohl militärisch als auch politisch. Das bezeugt auch der heutige Besuch des Bundeskanzlers hier in Litauen.

Jeder Nato-Mitgliedstaat übernimmt eine bestimmte Rolle, und es wird eine Unterstützung geliefert. Das ist sehr wichtig, dass jeder seine Rolle übernimmt und seine Aufgaben leistet.

Frage: Meine Frage bezieht sich auf die Kommunikation. Gibt es eine Kommunikation zwischen dem Kreml und anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union, zum Beispiel mit Deutschland? Gab es eine Diskussion mit Putin? Gab es gemeinsame Anknüpfungspunkte, Diskussionspunkte oder Themen, die Sie mit Putin besprochen haben? Und macht es einen Sinn, mit Putin weiter zu verhandeln oder zu diskutieren? Vielleicht könnten diese Fragen auch andere Staats- und Regierungschefs hier beantworten.

Ich hätte noch eine Frage, nämlich in Bezug auf die letzten Behauptungen von Herrn Macron, dass wir Russland nicht erniedrigen müssen. Stimmen Sie zu?

Scholz: Schönen Dank. Ich bin fest davon überzeugt, dass das eine Wichtigkeit für uns alle ist, dass wir einig gegen die russische Aggression vorgehen. Das haben wir miteinander zustande gebracht mit mittlerweile sechs Sanktionspaketen, die wir auf den Weg gebracht haben, die die russische Wirtschaft erheblich beeinträchtigen.

Anders als die vorherigen Sanktionspakete, die nach der Annexion der Krim und nach dem von Russland angezettelten Aufstand im Osten der Ukraine verhängt worden sind und die übrigens immer noch in Kraft sind, haben wir jetzt sehr wirksame, sehr weitreichende Sanktionen, die sicher dazu führen werden, dass die russische Wirtschaft um Jahrzehnte zurückgeworfen wird, dass sie am Fortschritt der Welt, am ökonomischen und technischen Fortschritt, nicht teilnehmen kann. Das zeigt sich jeden Tag klarer und ist eine erhebliche Beeinträchtigung.

Wie wir mittlerweile aus Berichten wissen, führt das wegen des Missbrauchs ziviler Exporte für militärische Zwecke sogar dazu, dass Russland auch nicht in der Lage sein wird, seine militärischen Kapazitäten in gleicher Weise aufrechtzuerhalten – auch eine unmittelbare Folge der Sanktionen. Insofern kann man sagen, sie sind sehr effektiv gewesen.

Das gilt auch für die finanzielle und humanitäre Unterstützung der Ukraine, die von vielen Ländern vorangebracht worden ist. Deutschland hat sein immer schon sehr hohes finanzielles Engagement für die Ukraine fortgesetzt. Gerade erst haben wir verkündet, dass wir eine Milliarde direkte Haushaltssubventionen an die Ukraine überweisen werden, um möglich zu machen, dass das Land durch diese schwierige Zeit kommt. Die Europäische Union bemüht sich um Unterstützung. Die USA tun das, viele andere haben das gemacht. Insofern gehört das zu dem Ganzen dazu.

Dann gibt es natürlich die hier schon sorgfältig diskutierten Unterstützungen der Ukraine in ihrem Verteidigungskampf mit Waffenlieferungen. Es sind drei Dutzend Länder, die das mittlerweile machen. Deutschland zählt zu denjenigen, die ganz vorne dabei sind.

Diese Waffenlieferungen haben dazu beigetragen, dass der gesamte Plan, den Putin mit diesem Krieg verfolgt hat, bisher nicht aufgegangen ist. Er hat einen einigen Westen. Er hat eine einige Nato. Er hat erreicht, dass die Nato ihre Verteidigungsanstrengungen verstärkt, dass Deutschland in erheblichem Umfang seine militärischen Kapazitäten verbessert, dass wir die Stärke der Nato an der Ostgrenze ausbauen, dass zwei Staaten neue Mitgliedstaaten der Nato werden wollen, nämlich Finnland und Schweden, und dass es bisher nicht gekannte beispiellose Sanktionen gegen sein eigenes Land gibt, mit all den Konsequenzen.

Er hat sein militärisches Ziel, das am Anfang ganz offensichtlich die Eroberung der gesamten Ukraine war, nicht erreicht. Er ist jetzt dabei, einen brutalen Krieg im Osten der Ukraine zu führen, um irgendetwas zu erreichen. Aber die Botschaft, die ganz klar ausgesprochen gehört, ist: Es wird nicht funktionieren. Wenn sein Plan ist, dass nach irgendeiner Zeit, nach unglaublichen Bombardements und unglaublicher Zerstörung, die Waffen schweigen und sich dann alles wieder normalisiert – das wird nicht geschehen. Wir werden einen Diktatfrieden, der von russischen Gnaden abstammt, nicht akzeptieren. Die Ukraine wird das auch nicht tun.

Deshalb ist für uns ganz, ganz klar, dass das Ergebnis dieser militärischen Situation und unserer ganzen Maßnahmen sein muss, dass Russland seine Truppen zurückzieht, die Waffen schweigen und die Integrität und Souveränität der Ukraine verteidigt wird. Unser Ziel muss ausdrücklich sein, dass es Vereinbarungen gibt, die auch von der Ukraine selbst für richtig gehalten werden. Das ist nicht die Vorstellung von Putin. Er wird zum Beispiel ohne eine Verständigung mit der Ukraine von den Sanktionen nicht runterkommen, die aus der Sicht des ukrainischen Präsidenten, aus der Sicht des ukrainischen Parlaments und aus der Sicht des ukrainischen Volkes richtig ist. Das ihm immer wieder in all diesen Gesprächen zu sagen, ist von allergrößter Bedeutung; und das mache ich auch.

Wer solche Gespräche führt, muss standhaft sein und einen klaren Standpunkt haben. Genau das ist der Fall, wenn wir miteinander sprechen.

Kariņš: Wenn Putin zum Beispiel versteht, dass er diesen Krieg verliert, dann wird er verhandeln. Das heißt, wir müssen das Ziel erreichen, dass die Ukraine diesen Krieg gewinnen muss. Deswegen muss die Ukraine sowohl militärisch als auch wirtschaftlich unterstützt werden, und gleichzeitig müssen Russland möglichst strenge Sanktionen aufgebürdet werden. Das heißt, wir werden im Sinne Macrons Russland sowohl militärisch als auch wirtschaftlich erniedrigen.

Diese Niederlage in Bezug auf einige Gefechte oder der heutige Zustand der russischen Armee ist die größte Erniedrigung. Das, würde ich sagen, ist eine Erniedrigung Russlands. Deswegen müssen wir in Europa solidarisch bleiben und nicht miteinander diskutieren oder einander beschuldigen, dass ein Land weniger leistet als das andere. Ich glaube, was die Ukraine betrifft, leisten wir sowohl militärisch als auch humanitär genug Unterstützung. Es ist wichtig, dass jedes Land der Ukraine Hilfe leistet. Wir müssen das möglichst gut weitermachen.

Ich möchte auch betonen, dass Deutschland die Ukraine sehr massiv unterstützt hat. Wenn ich den Herrn Bundeskanzler richtig verstanden habe, wird Deutschland das weiter machen. Das heißt, wir müssen einig bleiben und unsere Handlungen koordinieren. Unser Ziel ist eindeutig: Russland muss verlieren. Russland muss diesen Krieg verlieren, und die Ukraine muss gewinnen, damit wieder Stabilität und Frieden in Europa hergestellt werden.

Nausėda: Was die Frage angeht, ob wir Russland nicht erniedrigen oder erniedrigen müssen: Russland hat sich mit diesem Krieg selbst erniedrigt. Wir haben schon mehrmals wiederholt, dass Russland schon längst die roten Linien überschritten hat. Das heißt, es gehört nicht in die Familie der zivilisierten Länder. Jede Bemühung, das Gesicht zu wahren, wäre ein Irrtum, und das wäre inkonsequent. Wir müssen entschlossen und solidarisch vorgehen. Gleichzeitig jedoch zu versuchen, durch die Hintertür zu Putin zu gelangen, wäre eine inakzeptable Legitimierung dieses Regimes. Das muss nicht sein.

Es gibt natürlich Diskussionen innerhalb der Europäischen Union und der Nato. Aber so ist die Demokratie, und alle Möglichkeiten müssen ausgeschöpft werden. Die Position Litauens ist es, dass es sehr kompliziert ist, mit einem Diktator zu verhandeln.

Kallas: Ich beantworte diese Frage auf Englisch, weil diese Frage auf Englisch gestellt wurde.

Die Ziele von Putin sind nach wie vor die gleichen. Wir müssen uns darüber keine Gedanken machen, dass Putin verliert und das Gesicht verliert.

Frage: (ohne Übersetzung)

Zusatzfrage: Es gibt die Vorstellung, Getreide aus Odessa durch eine Koalition von Staaten zu transportieren. Was halten Sie von dieser Idee? Hätten Sie einige Vorschläge, was das angeht? Es gibt eine andere Alternative, Getreide durch Belarus zu transportieren.

Scholz: Zunächst einmal ist es sehr wichtig, dass es uns gelingt, Getreide aus der Ukraine zu exportieren – selbstverständlich der Ukraine wegen, weil es ein wichtiger Bereich ihrer Wirtschaft ist, aber vor allem anderen, weil es in der Tat so ist, dass viele Menschen auf der Welt darauf angewiesen sind, dass dieses Getreide dort ankommt und dass die Sorge um Hunger und Hungersnöte beseitigt werden kann.

Ich will aber auch an dieser Stelle sehr klar sagen: Es ist Russlands Verantwortung, dass diese Gefahr besteht. Es sind nicht die Sanktionen. Es ist der russische Krieg gegen die Ukraine, der dazu führt, dass wir jetzt diese Probleme haben. Aber trotzdem bemühen wir uns, Lösungen zu finden. Der Generalsekretär der Vereinten Nationen ist tätig und spricht mit allen Parteien über die Frage, wie eine Lösung eines Exports über die ukrainischen Häfen stattfinden kann. Das ist aber natürlich nicht einfach, denn es gibt klare einfache Regeln, wie man beschreiben kann, dass der Export gelingt. Aber es muss ja auch ganz sicher sein, dass die dann freigemachten Transportwege nicht für eine russische militärische Aggression gegen die Ukraine durch diese Korridore missbraucht werden. Das gehört also dazu, wenn man eine solche Vereinbarung vorbereitet.

Es gibt andere Wege des Exports, die genutzt werden können: über Straßen, über Züge und über die Binnenschifffahrt in Europa. Selbstverständlich gibt es auch Möglichkeiten, über Häfen an der Ostseeküste in den baltischen Ländern Exporte zu organisieren. Aber das setzt immer voraus, dass das auch sicher und ordentlich funktioniert. Und es muss auch klar sein, dass das kein Vorwand dafür sein kann, Maßnahmen infrage zu stellen, die wir getroffen haben, um der brutalen Diktatur von Lukaschenko in Belarus zu begegnen und den Bürgerinnen und Bürgern von Belarus, die so hart unterdrückt werden, beizustehen.

Insofern ist das eine große, komplizierte Aufgabe, für die sich gegenwärtig sehr viele bemühen, eine Lösung zu finden. Deutschland ist mit seinen Freunden und Partnern und den Vereinten Nationen an vorderster Stelle dabei, einen Weg zu suchen, wie das funktionieren kann.

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