Deutschland will Flugabwehrsystem an die Ukraine liefern – Iris-T SLM aus deutscher Produktion

Als erstes Land will Deutschland der Ukraine ein modernes weitreichendes Flugabwehrsystem aus westlicher Entwicklung und Produktion liefern. Das kündigte Bundeskanzler Olaf Scholz vor dem Bundestag an. Die Ukraine hatte bei ihren Wünschen nach schweren Waffen aus dem Westen neben Kampfpanzern und Artillerie immer wieder auch auf solche Abwehrsysteme gedrungen.

Scholz kündigte in seiner Regierungserklärung vor dem Parlament am (heutigen) Mittwoch an, die Ukraine solle das Flugabwehrsystem Iris-T SLM der Firma Diehl Defence erhalten. Damit könne eine ukrainische Großstadt vor russischen Luftangriffen geschützt werden. Zusätzlich werde Deutschland Radare zur Aufklärung von Artilleriestellungen liefern, die die geplante Abgabe von Panzerhaubitzen der Bundeswehr ergänzen.

Der O-Ton des Kanzlers:

Scholz_Luftverteidigung_Ukraine_01jun2022     

 

Die Ukraine soll damit ein Luftverteidigungssystem erhalten, über das die Bundeswehr selbst bislang nicht verfügt (wenn es auch möglicherweise mit den geplanten Beschaffungen aus dem 100-Mrd-Euro-Sondervermögen für die deutschen Streitkräfte beschafft wird). Das System Iris-T SLM, von Diehl in Zusammenarbeit mit dem Luft- und Raumfahrtkonzern Airbus, dem Radarspezialisten Hensoldt und der auf Funktechnik spezialisierten Münchner Firma Rohde&Schwarz entwickelt, ist ein Waffensystem, das fast ausschließlich aus deutschen Entwicklungen und Komponenten besteht.

Das Flugabwehrsystem nutzt dafür den Flugkörper Iris-T, der bereits von den Tornado- und Eurofighter-Jets der Luftwaffe zum Kampf gegen Flugzeuge eingesetzt wird. Mit einer Abschussvorrichtung – das SL steht für Surface Launched, vom Boden gestartet – und einem eigenen Radargerät wird damit eine eigenständige Luftverteidigung für ein begrenztes Areal aufgebaut. In der Größenordnung liegt ein Luft-Boden-System Iris-T unterhalb der in der Bundeswehr bereits zur Flug- und Raketenabwehr genutzten Patriot-Systeme.

Die Ukraine dürfte voraussichtlich eine so genannte Feuereinheit Iris-T SLM erhalten: Diese Konfiguration mit drei Startfahrzeugen, so genannten Launchern, einem Radarfahrzeug und einem Führungsfahrzeug kann gegnerische Flugzeuge, Hubschrauber und Marschflugkörper bis zu einer Höhe von 20 Kilometern und einer Entfernung von maixmal 40 Kilometern abschießen. Damit ist das System leistungsfähiger als die Grundkonfiguration Iris-T SLS, das auf eine Reichweite von bis zu zwölf Kilometern ausgelegt ist. Eine solche Feuereinheit könnte, wie vom Kanzler angekündigt, als Schutz für eine Großstadt eingesetzt werden.

Die Lieferung dieses Systems an die Ukraine dürfte vergleichsweise rasch möglich sein: Diehl hat bereits Feuerheinheiten an Ägypten geliefert und bereitet derzeit eine weitere Feuereinheit für das nordafrikanische Land vor. Dieses System könnte voraussichtlich umgeleitet werden; Ägypten würde eine spätere Lieferung erhalten. Derzeit sind die Produktionskapazitäten der Firma auf zwei solcher Feuereinheiten pro Jahr ausgelegt; sie könnten aber auf drei bis vier Feuereinheiten erhöht werden – abhängig von der Frage, ob alle Komponenten für das System beschaffbar sind.

Diehl hat das Iris-T-Flugabwehrsystem bereits an Schweden geliefert (s. Foto oben); Norwegen beschafft es ebenfalls. Bei der Bundeswehr wird die Einführung erwogen, einen Vertrag gibt es aber bislang nicht.

(Archivbild: Erprobung des Iris-T SLS Systems für die schwedischen Streitkräfte in Vidsel im Juni 2020 – Diehl Defence)