Sicherheitshalber der Podcast Folge 57: Die überschätzten russischen Streitkräfte: Fehlersuche | Waffenlieferungen: Pro & Contra
Sicherheitshalber ist der Podcast zur sicherheitspolitischen Lage in Deutschland, Europa und der Welt. In Folge 57 sprechen Ulrike Franke, Frank Sauer, Carlo Masala und ich mit Gustav Gressel, dem ersten “returning guest”. Er ist Senior Policy Fellow am ECFR und war in Folge #26 schon mal im Podcast, um über die Modernisierung der russischen Streitkräfte zu sprechen.
Seit Kriegsbeginn in der Ukraine wissen wir, dass die russischen Streitkräfte deutlich weniger leistungsfähig sind als erwartet. Sicherheitshalber Fehlersuche! Wie haben wir uns so täuschen können?
Im zweiten Teil wenden wir uns der seit Tagen die Schlagzeilen beherrschenden Diskussion um die Lieferung schwerer Waffen in die Ukraine zu. Wir prüfen systematisch die wesentlichen Argumente und fragen: Will Deutschland nicht? Oder kann Deutschland nicht? Oder beides?
Abschließend wie immer der “Sicherheitshinweis”, der kurze Fingerzeig auf aktuelle, sicherheitspolitisch einschlägige Themen und Entwicklungen – diesmal mit französischen Artillerielieferungen in die Ukraine, einer neuen Drohne bzw. “loitering munition”, einem echten IT-Sicherheitshinweis für alle, die ein Lenovo-Notebook besitzen und Desinformation mit Blick auf Mali.
Russlands Streitkräfte: 00:03:08
Waffenlieferungen: 00:40:13
Fazit: 01:11:32
Sicherheitshinweise: 01:12:34
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Erwähnte und weiterführende Interviews, Literatur und Dokumente:
Thema 1 – Russlands Streitkräfte
Unser Gesprächspartner: Dr. Gustav Gressel
Senior Policy Fellow, European Council on Foreign Relations (ECFR). Twitter: @GresselGustav
Sicherheitshalber Podcast Folge #26: Russlands sicherheitspolitische Fähigkeiten und Ambitionen, 24.04.2020.
Gustav Gressel. Combined farces: Russia’s early military failures in Ukraine. ECFR, 15.03.2022
Gustav Gressel. Ukraine: Time for the West to prepare for the long war. ECFR, 19.04.2022
Phillips Payson O’Brien. How the West Got Russia’s Military So, So Wrong. The Atlantic, 31.03.2022
Jeffrey H. Fischer. A Key Reason for Russia’s Colossal Electronic Warfare Failure in Ukraine. The Defense Post, 13.04.2022
Thema 2 – Pro & Contra Waffenlieferungen an die Ukraine
Institut für Weltwirtschaft Kiel: Ukraine Support Tracker – Eine Datenbank für militärische, finanzielle und humanitäre Unterstützung der Ukraine.
Marianne Max. Experte widerspricht Scholz: Befinden uns in einem Alleingang, indem wir nichts tun. T-Online, 22.04.2022
Interview mit Frank Wenn die Landesverteidigung an ein paar Mardern zu scheitern droht, können wir gleich dichtmachen, Spiegel, 09.04.2022
Interview mit Olaf Scholz: Bundeskanzler Scholz reist vorerst nicht in die Ukraine. rbb, 13.04.2022
Briefing des Verteidigungsministeriums zur Unterstützung für die Ukraine. Audio von Generalleutnant Kai Rohrschneider, Abteilungsleiter Führung Streitkräfte im Verteidigungsministerium, 22.04.2022
Sicherheitshinweise:
Carlo: Frankreich liefert Artillerie in die Ukraine
http://lignesdedefense.blogs.ouest-france.fr/archive/2022/04/22/40-artilleurs-ukrainiens-en-france-a-parti-de-ce-week-end-po-23000.html?utm_source=dlvr.it&utm_medium=twitter
Frank: Sicherheitslücke in der Firmware von Lenovo Notebooks – Liste betroffener Geräte:
https://support.lenovo.com/de/en/product_security/len-73440#Lenovo%20Notebook
Rike: Phoenix Ghost Drohne für Ukraine: https://warontherocks.com/2022/04/loitering-munitions-in-ukraine-and-beyond/
Thomas: Russische Söldner in Mali sollen Massengräber und angebliche Gräueltaten der französischen Armee inszeniert haben:
https://orf.at/stories/3261426/
In Postcast wurde Frage gestellt, warum die Slovenien Panzer geliefert werden können, und dafür andere Waffen nämlich aufgearbeitete Marder zurückbekommen, hatte General a.D Bühler in seinem Potcast gesagt, das gar keine Einheit für diese Waffen vorgesehen sind, Diese stehen im Depot. Deshalb kann was anderes geliefert werden.
Frage an die Experten: Wo kommt die Munition für den Marder her?
In der Schweizer Presse (Tagesanzeiger, Bund, etc.) finden sich am Samstag (23.4.) Berichte, wonach Deutschland zweimal um eine Exportgenehmigung für Marder-Munition ersucht habe, die von Ruag produziert wurde. Der Bitte wurde im Hinblick auf die Gesetzeslage und des Neutralitätsstatus nicht entsprochen. Ist das ein echtes Problem?
Was ist denn eigentlich an der Meldung von der englischsprachigen „Telegraph“ dran, das deutsche und andere Konzerne noch nach 2014 Zubehörteile an die Russen lieferten? Vor einigen Tagen ging es in einem Forum darum, das abgeschossene russische Fahrzeuge z. B. französische Thermaloptiken hatten, die 2016 während der Krimsanktionen produziert wurden. Einfach mal nach „Russia using weapons supplied by France, Germany against Ukraine – report“ suchen (weiß nicht, ob Links erwünscht sind).
Ist die Beurteilung des russischen Militärs nicht ein wenig zu harsch? Letztlich war es eine politische Entscheidung und Fehleinschätzung anzunehmen, dass die Ukraine kollabieren würde und die „befreiten“ Ukrainer Russen willkommen heißen würden.
Darüber hinaus scheint mir die Aufrüstung der Ukraine, die innerhalb weniger Tage und Wochen stattfand, auch noch nicht so richtig in Köpfen verankert zu sein: Die Ukraine hat jetzt die stärkste Infanterie Europas und demnächst eine Artillerie, die sich mit Russland messen kann. Ende des Jahres wird sie vielleicht (wahrscheinlich) auch über die größte Panzerarmee verfügen. Sie kann auf große Teile der europäischen und amerikanischen Rüstungsindustrie zugreifen.
https://www.bloomberg.com/opinion/articles/2022-04-14/russia-ukraine-war-u-s-is-running-out-of-weapons-aiding-kyiv
Das ist mehr als was jede andere Armee auf der Welt besitzt, inklusive der USA.
Die Geschichte geistert seit ein paar Wochen rum. Die Sanktionen nach dem Abschuss des Verkehrsflugzeuges im Donbass betrafen nur Neuaufträge. Frankreich ging damals schon recht weit und untersagte die Auslieferung des Mistral-Helikopterträgers an Russland im letzten Moment, als russische Matrosen bereits eine erste Erprobungsfahrt machten. Dass da noch ein paar Restaufträge abgearbeitet wurden, kann man natürlich skandalisieren, aber sollte auch sehen dass die Ukraine bis 2018 auch noch Restaufträge im Wert von mehreren hundert Millionen abarbeitete. Bei Deutschland ist es größtenteils ein Eisbrecher (100 von 122 Mio.), der auch noch nicht ausgeliefert ist, sondern z. Z. noch Hamburg gebaut wird.
https://www.hafen-hamburg.de/de/presse/news/pella-sietas-gmbh-sichert-bau-eines-eisbrechers-der-eisklasse-eisbrecher7-und-groessten-einzelauftrag-der-unternehmensg-36585/
https://www.investigate-europe.eu/de/2022/eu-staaten-exportierten-waffen-nach-russland/
Auch die russische Propaganda hört zu! Aus einem Kommentar (den ich hier mal zitiere, aber nicht freischalte):
Eine wahrhaft illustre Runde lieber Herr Wiegold!
Festzuhalten bleibt, der exakt gleiche Typus von „Experten“ die den Sturz von Assad in Syrien innerhalb eines Monats vorausgesagt hat, die von der Stabilität der Regierung in Kabul überzeugt war,
diskutiert nun die Performance der russischen Armee.
Natürlich nicht ohne die üblichen Vorwürfe barbarischen Gräueltaten, ohne die Diskussionen im Westen per se nicht stattfinden.
Es wird ein weiteres Mal große Bambi Augen und viele Krokodilstränen geben.
Achso, vielleicht in der nächsten Folge ein Vertreter von Asov?
Die Amerikaner sollen Deutschland zwingen im Moment nicht benötigte Waffen an die Ukraine zu liefern. Ich würde die Leo 1 , Gepard und Marder aus den Depots der Industrie an Rumänien geben. Immerhin hat die Ukraine die Dnjepr-front bei Cherson nicht gehalten und ein Vorstoß auf Moldawien ist Kriegsziel der Russen.
Wer nicht handelt; wird behandelt.
[Verstehe jetzt Ihre Argumentation nicht so ganz – Rumänien jetzt wieso? T.W.]
Hallo Herr Wiegold, seit langem großer Fan und Zuhörer (alle Folgen..)
Ich würde an dieser Stelle die Diskussion über die Ausbildungsdauer Marder gerne mit Fakten versachlichen. Auf meinen Ausbildungsnachweis zum Richtschützen auf dem Marder ATN 750 300118 Blockausbildung finden sich folgende Daten über die Dauer dieser Ausbildung … 10.08.89 bis zum 25.08.89! Zwei Wochen! Damals noch ohne moderne Simulatoren und im gemächlichen Wehrpflichtigen Friedensbetrieb…
Dauer der Einweisung eines geübten Kraftfahrers auf den Marder sogar noch weniger. Ausbildung des Kommandanten vermutlich 2 bis 3 Wochen, wenn er den Richtschützen und Kraftfahrer ersetzen können soll. Nach dieser Zeit ist der Panzer technisch von der Besatzung voll einsatzfähig.
Ich habe selbst, als KP Chef d. Res. einer PzGrenKp Marder, erfahren dürfen wie lange es dauert einen militärisch sinnvoll einesetzbaren Zug / Kompanie aus Reservisten aufwachsen zu lassen. Reservisten die seit 2 Jahren keine Waffe mehr in der Hand hatten haben dafür ebenfalls 2 Wochen auf dem Übungsplatz benötigt.
Daher kann ich General a.D. Domröse nur zustimmen, dass es max 2 Wochen für die Einweisung auf den Marder bedarf.
Woher kommen die Angaben über längere Ausbildungsdauern? Hier wird m. E, nach unterstellt, dass wir auch das allgemeine Verhalten / Zusammenspiel in der Gruppe (ein Marder plus Besatzung incl. Infanteristen), im Zug zwischen 4 Gruppen und in der Kompanie zwischen 3 bis 4 Zügen ausgebildet werden muss. Stichworte Feuer und Bewegung, gedecktes Aufsitzen, Überwachen von Räumen, Sprung von Deckung zu Deckung, Versorgung im Feld, Instandsetzung kleinerer Schäden etc. Wer so argumentiert verkennt, dass die Ukrainer derzeit über deutlich mehr Kampferfahrungen und verfügen als irgend eine deutsche mechanisiert Einheit. Die beherrschen Dinge wie Feuer und Bewegung, Feldinstandsetzung, Wartung, Ketten auf und abziehen etc. im Schlaf! Die fahren dabei nur eine neues Auto, wenn wir ein neues Auto kaufen lernen wir auch nicht die STVO neu…
Somit bleibt festzustellen, wer das Ausbildungsargument auf der Zeitachse von mehr als 4 Wochen bemüht für den Marder (Pz. Haub. 2000 anderer Schnack), macht sich einer Verkürzung der Tatsachen im konkreten Fall schuldig und unterstützt wissentlich (z.B. General a.d. Vad) ein politisch gewolltes Narrativ mit einer ganz eigenen Agenda und trägt m. E. so zur gezielten Desinformation der Bevölkerung bei.
ATN Kopie konnte ihr hier leider nicht einkopieren….
Ganz herzlichen Dank an alle teilnehmenden Experten dieses Podcasts! War erneut eine hervorragende Sendung mit sehr fundierten, ausgewogenen Informationen.
Ich möchte gerne noch eine Perspektive ergänzen zum Thema Waffenlieferungen – „schwere Waffen“: Hier muss man ja unterscheiden zwischen Lieferungen, die kurzfristig möglich und sinnvoll sind, und solchen, die mittel- und langfristig möglich und sinnvoll sind. Denn selbst wenn es in den nächsten Wochen einen ersten Waffenstillstand geben sollte (was sehr unwahrscheinlich ist angesichts der russischen Kriegs- und Unterwerfungsziele), endet damit ja nicht der Konflikt. Und einen langfristigen, nachhaltigen Frieden kann es nur geben, wenn ein erneuter Überfall Russlands auf die Ukraine ausgeschlossen werden kann, was wiederum mindestens eine militärisch starke und verteidigungsfähige Ukraine voraussetzt (notwendige, aber noch nicht hinreichende Bedingung). Und solche strategischen Überlegungen müssen jetzt bereits begonnen bzw. mitberücksichtigt werden. Die langfristige Friedenssicherung in Europa und Sicherung der territorialen Integrität der Ukraine muss jetzt bereits in die Überlegungen zu Waffenlieferungen einfließen. Da einerseits Rüstungsproduktion sehr lange Vorlauf- und Produktionszeiten hat, und andererseits qualitativ hochwertige Ausbildung auf komplett neuen, modernsten Systemen ebenfalls längere Zeit benötigt. Das wäre die langfristige Perspektive. Kurz- und mittelfristig: Kurzfristig ist die Lieferung schwerer Waffen auf Basis sowjetischer Systeme, wie sie die Ukraine einsetzt, Stichwort „Ringtausch“ (Weitergabeverfahren wäre ein korrekterer Begriff), sicher sinnvoll. Ebenso wie die aktuell erfolgende Lieferung schwerer Artillerie und gepanzerter Fahrzeuge (M113, Mastiff, Bushmaster etc.). Und zur mittelfristigen Perspektive (2-4 Monate): Hier könnte insbesondere Deutschland einen signifikanten Beitrag leisten aus den bestehenden Beständen bei der Industrie, die definitiv nicht mehr in der Bundeswehr Verwendung finden werden: Konkret die 50 Leopard 1A5 bei Rheinmetall, ca. 100 Leo 1A5 bei FFG sowie ca. 60 M113 in Panzermörser-Ausführung bei FFG. Laut Aussage dieser Unternehmen könnten alle diese Einheiten relativ schnell einsatzbereit gemacht werden: Nach Auftragserteilung ca. 6 Wochen bis zur Auslieferung erster Exemplare, und ca. 3-4 Monate bis zur Fertigstellung des gesamten Loses. Die Ausbildung von Besatzungen und Mechanikern könnte parallel erfolgen. Da die Ukraine über hervorragend ausgebildete Panzerbesatzungen mit Einsatzerfahrung verfügt, ließe sich die Ausbildung der Besatzungen (oder die Ausbildung von Ausbildern) innerhalb weniger Wochen und bis zur Auslieferung der ersten Exemplare abschließen. Die Ausbildung von Mechanikern wird länger dauern, kann innerhalb von 3-4 Monaten aber auch auf ein Niveau erfolgen, dass zunächst ausreichend ist. Und diese Ausbildung kann auch parallel zum Einsatz weitergeführt werden, zumal wenn diese Panzer hinter der Front zur Entlastung eingesetzt werden (dazu gleich mehr). Sollte ein Engpaß seitens der Industrie bei Ersatzteilen bestehen, könnten z.B. 100 – 120 der 150 Leo 1 in den Einsatz gehen, der Rest wird für Ersatzteile vorgehalten. Nun zum Einsatzprofil: Die ukrainischen Streitkräfte haben natürlich nicht alle Panzer direkt an der Front. Sondern Einheiten befinden sich auch in 2. und 3. Reihe dahinter z.B. zur Verteidigung der Städte wie Dnipro oder Odessa. Wenn man die Leos genau dafür einsetzt, für diese aktuell „hinteren Linien“, ergeben sich folgende Vorteile: 1. Die dafür bisher eingesetzten MTBs wie T-72 werden frei, und können direkt an die Front verlegt werden. 2. Die Verwendung der Leos hinter der Frontlinie bringt Zeitgewinn, da bei dieser Verwendung vor Ort nur ein minimales Ausfall- und Reparaturrisiko besteht, und in der Zeit die Mechaniker weiter ausgebildet werden können. Und die Besatzungen können natürlich auch weiter trainiert werden. Von der Lieferung der Leo 1A5 und M113 (letztere würden die amerikanischen M113 Lieferungen sehr gut ergänzen) könnte die Ukraine signifikant profitieren in diesem mittelfristigen Zeitfenster.
Ich verstehe dass nicht mit der Ausbildung. Wenn man nicht grade vom Wickeltisch gefallen ist. Dauert sowas etwa 2 We. Wenn man es ordenlich macht.
someone sagt:
24.04.2022 um 10:00 Uhr
Darüber hinaus scheint mir die Aufrüstung der Ukraine, die innerhalb weniger Tage und Wochen stattfand, auch noch nicht so richtig in Köpfen verankert zu sein: …“
Völlig richtig erkannt!
+1
In Sowjetzeiten hatte wahrscheinlich die Gegenseite eine hochgefahrene Rüstungsindustrie, aber im Jahr 2022 ist das eben nicht mehr der Fall. So schnell können die Russen da überhaupt nicht mithalten, wenn man sich die reinen Zahlen der schon gelieferten Rüstungsgüter und auch noch der zugesagten Rüstungsgüter anschaut.
Das Kräftegleichgewicht müsste man jetzt nur noch durch gezielte einzelne Waffensysteme ausgleichen und Russland hat fast keine Chance mehr die gesamte Ukraine einzunehmen. Hat sie eigentlich schon jetzt nicht mehr.
Ich denke da eher an Aufklärungsmittel und Spezialmunition wie Switchblade usw. und nicht an Marder und Leo 1.
Die NATO ist zur Verteidigung der NATO Gebiete zuständig und natürlich wäre eine vollständig eingenommene Ukraine ein strategische Gefahr für NATO Gebiet.
Deshalb ist die Unterstützung (in Maßen) auch gerechtfertigt.
Aber ich habe mittlerweile gar keine Angst mehr vor der konventionellen Russischen Armee und ich bezweifel auch stark, dass sie es überhaupt schaffen würde jetzt noch mehr als 100 Kilometer nach Polen einzudringen.
Aber man sollte einen angeschossenen Tiger nicht zu sehr in die Ecke drängen, deshalb muss jeder weitere Schritt wohlüberlegt sein.
Man weiß ja aus der Geschichte, dass Anführer in der Verzweiflung oft sehr schlimme und auch für sie selbst strategisch schlechte Entscheidungen gefällt haben und gerade beim Thema Atomwaffen und Dritter Weltkrieg ist es vollkommen egal, ob man am Ende völkerrechtlich Recht hatte oder nicht.
Der Schaden ist dann in EUROPA da und wir müssen die Folgen ausbaden. Da bringt es mir persönlich nichts zu sagen: „Putin hatte kein Recht uns anzugreifen“.
@T.W: Was den Troll betrifft kann ich als langjähriger Leser nur festhalten, dass es ihre kritischen Blogeinträge und die Kommentare waren die in der deutschen Debatte zuerst darauf hinweisen, dass das afghanische Staatsoberhaupt nicht mehr als der Bürgermeister von Kabul war und dass die ideologische wie organisationale Zersplitterung der syrischen Opposition unweigerlich in deren Untergang führen würde, und dass die sektistische Realität (Kurden, Christen, Alawiten, Juden, Säkulare Überzeugungen) Syriens Islamisten verabscheut wie der Teufel das Weihwasser. Auch Mali Entwicklungen recht korrekt vorhergesagt.
Zum Thema, hier, um namentlich zu zitieren @KPK dann @Eric Hagen, welche nüchtern aber vorsichtig mitteilten, man möge die Ukrainer nicht unterschätzen und dass diese den Krieg für sich entscheiden würden.
Tja @RUS ISR hier laufen sachliche Debatten welche eine Bandbreite an wahrscheinlichen Ergebnisse darstellen und diskutieren.
P.S: Evtl. Herrn Putin melden er möge sich besser hier informieren als bei seinen Jasagern, deutsch kann er /SCNR
@Helge Sagadin heute 11.53h:
Somit bleibt festzustellen, wer das Ausbildungsargument auf der Zeitachse von mehr als 4 Wochen bemüht für den Marder (Pz. Haub. 2000 anderer Schnack), macht sich einer Verkürzung der Tatsachen im konkreten Fall schuldig und unterstützt wissentlich (z.B. General a.d. Vad) ein politisch gewolltes Narrativ mit einer ganz eigenen Agenda und trägt m. E. so zur gezielten Desinformation der Bevölkerung bei.
100% d‘accord.
Ich war W15 RichtSchtz-ATN Leopard 2, 3./21 von Oktober 1986 – Dezember 1987.
Nach anfänglichen Trockenübungen fand dann eine Woche Schießen in Bergen-Hohne statt. Nach ein bis zwei Tagen konnte ich die BK bei voller Fahrt kontrolliert halten, die Korrekturen durch den Kdt. wurden weniger. Lasern, Vorhalt, BK/MG-Umschalt in meiner Erinnerung eine Frage von kurzfristiger (!) Übung und ganz klar auch eine Teamarbeit zusammen mit dem Kdt. M.E. der einzige, der evtl. mehr Erfahrungen gebraucht hätte ( und ja auch damals in aller Regel Z4/Z8 war). Der Fahrer musste auch noch die deutsche StrVO lernen, das müssten die UKR-Soldaten jetzt auch nicht. Der Ladeschütze musste nur aufpassen, die heißen Patronenböden mit Asbest-Handschuhen anzufassen (und damals noch das Turm-MG bedienen).
Auch und gerade der Leo-2 war Mitte der 80er ganz eindeutig für GWDl
lern- und bedienbar.
@T.Wiegold:
Auch von mir Hochachtung, Wertschätzung und Dank für Ihre Arbeit, man muss wohl schon sagen, Mut.
Wie sehr Sie dran sind an dem Thema, zeigt dann wohl die offene, nicht nur als Troll getarnte „Stellungnahme“ RU.
An dieser Stelle mein Hinweis auf einen meiner Wahrnehmung nach Troll-Beitrag:
„D plant „Ringtausch“ – Slowenische KPz für UKR“ vom 21.4. sagt „Aufräumer“ um 22.32h: „Als ehemaliger ausgebildeter Panzeraufklärungszugführer (schwerer Spähtrupp Leopard 1 und Leopard 2) glaube ich nicht an eine schnelle und effektive Ausbildung an Leopard oder Marder Panzern innerhalb von 2-3 Wochen…Es wird wesentlich mehr Zeit für die Ausbildung in Anspruch nehmen, um diese Fahrzeuge im Gefecht effektiv führen zu können.“
Damit wird genau das Narrativ bedient, die deutschen Waffensysteme seien kurzfristig nicht durch UKR bedienbar.
[Danke für die Blumen und eine Bitte zur Vorsicht: Nur weil jemand eine andere Meinung vertritt und auch etlichen hier widerspricht, wird er noch lange nicht zum Troll. Da gibt’s ganz andere Anzeichen, auf die ich sehr genau achte – und den genannten Kommentar würde ich nicht in diese Ecke stellen wollen.
Mir scheint, das gilt jetzt für alle bis hin zu GenLt Rohrschneider, dass viele die Beherrschung eines Waffensystems nach deutscher Vorschrift im Gefecht der verbundenen Kräfte oder wie das heute heißt als Maßstab nehmen – und nicht die gefechtsmäßige Beherrschung unter den aktuellen Bedingungen in der Ukraine. Das führt offensichtlich zu dem massiven Delta in der Einschätzung des benötigten Zeitansatzes. T.W.]
Über die französische Lieferung von Haubitzen an Marokko sollten man auch nochmal reden: Entweder sollen die gegen die Sahauris eigesetzt werden (das will offiziell niemand in Europa) oder gegen Algerien (das kann Frankreich eigentlich erst recht nicht wollen). Warum also liefert Frankreich schwere Waffen an Marokko?
[Ok, sollte man, aber in diesem Thread ist das ziemlich OT. Wir sollten aber, ich nehme das mal als Hinweis, auch mal das Thema Westsahara auf die Liste setzen. T.W.]
Bzgl. der Waffenlieferung aus BW-Beständen:
Wie auch oder gerade in diesem Blog über die ganzen Jahre dokumentiert, musste die BW erfahren, das einmal aufgegebene/abgegebene Systeme erst einmal weg sind, quasi auf unbestimmte Zeit. Und selbst wenn der dringende Bedarf eingesehen wird und Ersatz kommen soll, es viele Jahre (oder soll man Jahtzehnte sagen) dauern kann bis bis neue Systeme einsatzfertig auf dem Hof stehen.
Unter diesen Erfahrungen ist die Reserviertheit der BW-Führung für mich nachvollziehbar. Damit ist weniger über die prinzipielle Machbarkeit gesagt.
Bei der Bewertung der bisherigen russischen militärischen Performance – auch in diesem Podcast – liegt der Fokus fast ausschließlich auf dem stecken gebliebenen Vorstoß im Norden auf Kiew und den Rückzug der russ. Truppen aus diesen Räumen.
Im Süden hingegen haben die Operationen des von Dwornikow geführten südlichen Miltärbezirks einen ca. 100-150 km breiten Korridor geschaffen. Nördlich der Krim bis an den Dnejpr und nördlich des Asowschen Meeres die Landverbindung zwischen Krim und Donbas, mit Ausnahme der isolierten Verteidiger in Mariupol als letzten „Stachel“.
Nordöstlich von Kherson halten die russ. Truppen einen breiten Streifen bereits auf der Nordseite des Dnejpr und wurden dort durch ukrain. Gegenangriffe nur partiell zurückgedrängt. Von diesen Positionen aus werden Kriwoj Rog und Dnipro bedroht. Sehr weiträumig gedacht ist es eine Bedrohung der Front im Donbas aus dem Rücken.
Ich habe den Eindruck, dass man den Fehlschlag des Angriffs im Norden als Maßstab für die Beurteilung und die Prognosen nimmt, während die Resultate im Süden untergewichtet bzw. fast ignoriert werden.
Kann es nicht sein, dass RUS mit einem Afghanistan-Szenario gerechnet hat? Man ersetze die Russen durch Taliban und die Ukrainer als afghanische Streitkräfte. Dann wäre die RUS Annahmen:
– Der Westen ist schwach, zieht sich zurück, ist kriegsmüde und wird nicht eingreifen
– Die einen Ukrainer schließen sich freudig den RUS an
– Die anderen Ukrainer werden sich wegen der schieren Angst vor den RUS ergeben, die korrupte Regierung flieht usw.
Nach drei Wochen ist dann alles vorbei. „victory desease“ aber bezogen auf Afghanistan.
=> Alle drei Annahmen haben sich als falsch erwiesen, aber nun ist der Krieg vom Zaun gebrochen…
Danke für die sehr gute Folge.
Bei der Ausbildung und Ausrüstungshikfe kam mir der politische Hintergrund zu kurz.
Es scheint doch mittlerweile klar zu sein, dass dies nicht gewollt ist und daher werden eben gerne Bedenken aus dem Apparat aufgegriffen.
Die Aussagen von Rohrschneider zeigen, dass die Bundesregierung sich seit 2 Monaten die Fahrzeuge bei der Industrie nicht einmal angeschaut hat.
Man war wohl damit beschäftigt diese von Listen zu streichen.
Bei der Abgabe von Mardern aus Beständen der Bw ist mir auch die Aussage zu allgemein: Brauchen wir alle für die Verpflichtungen?
Stimmt in dem Umfang nicht für eFP und VJTF, also was ist es noch?
Lassen sich die Verpflichtungen nicht mit Puma erfüllen?
Für mich ist auch das nicht plausibel und vorallem wird seitens der militärischen Führung offenbar nicht so strategisch und interessengeleitet gedacht wie es hier – dankenswerterweise Dr. Franke und Dr. Sauer taten:
Ja die Bw hätte Einschränkungen, aber damit helfen wir nicht nur den Ukrainern, sondern wir reduzieren die Streitkräftepotentiale der Russischen Föderation – für eine sehr lange Zeit.
Im BMVg denkt man aber eher in Einmeldungen usw.
Damit will ich nicht sagen, dass man alle Marder abgeben soll, aber mit einer Teilmenge der Bw und dann der Industrie wäre schön viel geholfen.
Die Ausbildung auf Zugebene könnte schon abgeschlossen sein!
Stattdessen wochenlange Bedenkenträgerei und Verzögerung.- leider allzu oft von der Presse nicht hinterfragt.
Einfach ein Trauerspiel.
@Blick in den Nebel:
Die unterschiedliche Performance der Russischen Kräfte im Norden und Süden ist mAn in drei Aspekten begründet:
1) Wesentlich ungünstigere Geographie im Norden, noch verschlimmert durch gezielte Überflutungen und Brückensprengungen durch die verteidigenden Ukrainer
2) Wesentlich größere Distanzen vom Rail Port of Disembarkation (, RPOD, Eisenbahnversorgungspunkt) im Norden (ganz besonders nordwestlich Kiev) bedingt durch weniger dichtes bzw., durchbrochenens Eisenbahnnetz, gerade auch was die Rangier- und Verladebahnhöfe angeht
3) Anscheinend auch ein gewisser qualitativer Vorteil der ursprünglich im süden eingesetzten Russischen Truppen
Wenn man sich dann die „Gebietsgewinne“ der Russen auch im Süden anschaut ist man auch dort kaum mehr als 80-100 km vom letzten länger Russisch kontrollierten Rangier- bzw. Verladebahnhof weggekommen. Der Donbass (und Luhansk) ist gerade wegen der Dichte an Gleisanlagen (nicht nur an Gleisstrecken) ein Gebiet in dem die Russischen Logistikschwächen nicht ganz zo schwer zum Tragen kommen. Wesentlich beibt es für die Ukrainer Knotenpunkte im Schienennetz mit Rangier- und Verladebahnhöfen (z.B. Severodonetsk ) zu halten bzw. den Russen die Nutzung dieser zu verwehren, da die Russen von dort aus wieder „logistische Reichweite“ entwickeln könnten.
Da es hier bezüglich der Ausbildungszeit diverse Fragen gibt, bitte ich Sie, kurz einen Artikel zu lesen.
Er stammt aus „Soldat und Technik“ vom 22.04. 22, und nennt sich Erklärstück zu den Ausbildungszeiten komplexer Waffensysteme.
Darin geht es um den Unterschied zwischen „Bedienbarkeit“ oder „Komplette Einsatzdoktrin“ beherrschend.
Also ich kann fahren, schießen und reparieren oder das Gefecht der verbundenen Waffen.
Ich möchte hier einmal den Blick auf die politische Diskussion fokussieren.
Spätestens seit U.v.d. L. wurde die Bundeswehr als absolutes „Mängelwesen“ deklariert. Das war wohl auch z.T. eine Form von moralischer Erpressung , um mehr Etat für das eigene Ressort herauszuschlagen.
Allerdings ist dieses Narrativ jetzt fest in der deutschen Bevölkerung verankert -> „Wir sind blank“.
Auch darum hat die Bundesregierung mit breiter Zustimmung, nicht nur im Parlament, sondern auch in der Bevölkerung, ein sehr großes „Sondervermögen“ für die BW bereitstellen können.
Noch fußt das auf großeZustimmung, Aber das Pendel kann sehr schnell in die andere Richtung gehen.
Nämlich dann, wenn man der Bevölkerung nicht mehr vermitteln kann, dass die Bundeswehr relativ modernes Material einfach „verschenkt“, obwohl dann für die eigene Verteidigung nichts mehr da ist.
In der deutschen Bevölkerung unterstützt die überwiegende Mehrheit der Menschen die Verteidigungsabsichten der Ukraine. Allerdings ist es sehr schlecht zu argumentieren, warum die deutschen Steuerzahler eine ungeheure Summe für die Bundeswehr ausgeben soll, wenn diese einfach modernes Material „verschenken“ kann.
Im Podcast wurde recht gut erklärt, warum es im Prinzip keinen Unterschied macht, die Marder direkt an die Ukraine zu liefern, anstelle dem Umweg des Ringtausches. Nur ist Verteidigungspolitik und Rüstungspolitik ein schwieriges Feld und die meisten Menschen hören sich ganz sicherlich keinen sicherheitspolitischen Podcast an.
Die Politik ist allerdings darauf angewiesen, dass der überwiegende Teil der Bevölkerung ihrer Argumentation folgen kann. Sonst verliert die Regierung ihre Legitimation.
Das wird oft aus militärischer Sicht vergessen. Der überwiegende Teil der Bevölkerung. Interessiert sich kaum bis gar nicht für militärische Details. Argumente und Fakten in dieser Hinsicht dringen kaum in das Bewusstsein der Mehrheit. Nicht jeder hat eben Ahnung von Militär. Und es gibt durchaus noch andere wichtige Interessen. All dies muss die Regierung bedenken und dann einen Kompromiss finden. Das macht eine Demokratie aus.
„Bei der Bewertung der bisherigen russischen militärischen Performance – auch in diesem Podcast – liegt der Fokus fast ausschließlich auf dem stecken gebliebenen Vorstoß im Norden auf Kiew und den Rückzug der russ. Truppen aus diesen Räumen.“
Weil die Ausgangssituation im Norden deutlich relevanter in einem NATO-Szenario ist, d.h. die Vorteile im Süden, insbesondere die auf Eisenbahn basierenden Versorgung, im Falle einer Auseinandersetzung mit der NATO nicht mehr gegeben sind.
Der Tagesspiegel meldete am Freitag unter Berufung auf das Pentagon, das die Ukraine in Sachen Panzer den Russen aufgrund der Hohen zahl von erbeuteten Fahrzeugen (laut dem Militärblog Oryx über 200) angeblich überlegen sei*. Was denkt der Rest der Leser (@all) darüber? Welche Auswirkungen wird das haben, bzw. ist das realistisch?
*Wobei das als nicht verifizierbar gekennzeichnet wurde.
PS: An der Actionfigur hätte ich auch Interesse xD
Das reicht aber nicht für einen Rollback. Minimumziel müssen die Demarkationslinien von vor dem 24.2. sein. Eher noch mehr. Ansonsten wird es ein Pyrrhussieg für die Ukraine und wir stehen in fünf Jahren wieder genau dort, wo wir jetzt stehen.
Wo ist denn Putin in die Ecke gedrängt? Die Pläne des größten Feldherrn aller Zeiten gingen nicht auf, so gingen auch viele Pläne von anderen Staaten nicht auf. Scheitern aufgrund eigenen Größenwahns ist noch kein in die Ecke dränghen, ansonsten macht man sich die Argumentation und Gedankengänge Putins zu eigen.
Im Gegenteil, er fürchtet sich noch nicht genug. Russen sollen sich fürchten. Es ist nämlich genau dieses bedingungslose Entgegenkommen, das sie zu solchen Taten veranlasst hat. Er dachte, er käme damit durch, weil es ja die dummen Deutschen mit ihrer endlosen Sehnsucht nach Harmonie gibt, die auch bereit sind dafür das sonstige Osteuropa zu ignorieren und abzukanzeln. Das muss aufhören.
„Der überwiegende Teil der Bevölkerung. Interessiert sich kaum bis gar nicht für militärische Details. Argumente und Fakten in dieser Hinsicht dringen kaum in das Bewusstsein der Mehrheit. Nicht jeder hat eben Ahnung von Militär. Und es gibt durchaus noch andere wichtige Interessen. All dies muss die Regierung bedenken und dann einen Kompromiss finden. Das macht eine Demokratie aus.“
Hier muss ich widersprechen: Die Regierung sollte gerade nicht Rücksicht auf uninteressierte Bürger nehmen und einen sicherheitspolitischen Kompromiss suchen. Es sollte stattdessen die korrekte Lösung mit Daten verkauft werden und gut ist. Der uninteressierte Bürger hat die Aufmerksamkeitsspanne eines Goldfisches und sollte nicht den Maßstab für politisches Handeln setzen. Ein mündiger Bürger sollte es.
Danke T.W. für den Hinweis bezüglich der Notebbooks. Ich habe mir den Link angeschaut und erleichtert festgestellt, nicht betroffen zu sein. Mein Notebook arbeitet mit der Ubuntu Distribution von Linux. Nur als Hinweis an alle, die es leid sind, dauernd den Microsoft Sicherheitslücken hinterher zu „patchen“.
@T. Wiegold
Also ich fand den „Troll“ nicht besonders trollig. Immerhin hat der unbekannte Verfasser nur darauf hingewiesen, dass sich auch Experten irren können. Ich kann ihrem Blog Sicherheitshalber leider nicht regelmäßig folgen (lamgsame Leitung) und es wäre schön wenn ich den herunterladen könnte.
Meine Erfahrung mit „Trollen“ ist die, dass man sie vor allem daran erkennt, dass sie andere Foristen verbal und persönlich attackieren, dass sie andere Meinungen heruntermachen (ohne Begrundung für ihre ablehnende Haltung) und dass sie ihre eigene Position grundsätzlich niemals begründen (Quellenangaben). Ich finde auch, das der Begriff „Troll“ geradezu inflationär benutzt wird. Mir scheint, dass jeder, der die Mainstrem-Meinung nicht teilt oder historische Entwicklungen abweichend vom Mainstream interpretiert als „Troll“ bezeichnet wird. Ich finde das schade.
Ich wünsche Ihnen einen guten Start in die neue Woche
MfG
Schlammstapfer
Bezüglich der russischen Performance:
Ich vertrete die These, dass es hauptsächlich ein Moralproblem ist. Zum einen lag ein Großteil der Truppen vorher 2 Monate im Winterbiwak im Zuge der „Großübung“. Und soetwas stärkt nur, wenn man 100% vom Nutzen der Sache überzeugt ist, sonst laugt Kälte und Nässe auf Dauer einfach nur aus. Zum anderen haben ja tatsächlich viele Russen familäre Bindungen in die Ukraine.
Und „Alles Nazis“ Propaganda wirkt nur begrenzt und so strohdumm sind die einfachen Russen auch nicht, dass sie das einfach übernehmen. (all die aktuellen Umfragen und russischen Onlinekommentare auf die gerne verwiesen wird, würde ich sehr skeptisch sehen, eben weil ja jeder Russe mit IQ über Zimmertemperatur sich hüten wird, offen Kritik auszusprechen)
Eine Truppe die nicht kämpfen will, kämpft einfach schlecht.
Etwas anderes wäre es gewesen, wenn tatächlich die NATO oder die Ukraine Russland selbst angegriffen hätte. Oder auch nur versucht hätte, die russischsprachigen „Volksrepubliken“ zurückzuerobern.
Dann hätte die russische Armee als Verteidiger sicher ganz anders gekämpft.
So waren sie aber eindeutig der Agressor und das weiß offenbar auch der einfache Soldat.
Während die Ukrainer die legitimen Verteidiger sind und mit Hoffnung und Moral verbissen die Stellung halten.
p.s. an einem Artikel über die Westsahara wäre ich auch sehr interessiert und generell auch ein Danke an sie Herr Wiegold für ihre gute journalistische Arbeit und generell diese Plattform hier.
Zur Bewertung der bisherigen russischen militärischen Performance im Süden:
Wie haben sie Cherson genommen? „Dummheit oder Verrat, vielleicht beides“, sagt Andrey Gordeev, ehemaliger Gouverneur der Region Cherson: „Wir haben also vier Verteidigungslinien… “
https://meduza-io.translate.goog/feature/2022/03/30/herson-reportazh-spetskora-novoy-gazety-eleny-kostyuchenko?_x_tr_sl=auto&_x_tr_tl=de&_x_tr_hl=de
Es sollte auch berücksichtigt werden, dass Russland (im Gegensatz zu Ukraine) noch mit einer „Friedensarmee“ (ohne Mobilisierung) unterwegs ist. Ein unbekannte Größe ist in welchem Umfang dort noch Waffensysteme eingelagert sind, und wie diese funktionstüchtig gemacht werden können.
Interessant fand ich auch das Interview mit Mark Hertling:
https://www.thebulwark.com/i-commanded-u-s-army-europe-heres-what-i-saw-in-the-russian-and-ukrainian-armies/
@someone
„Das reicht aber nicht für einen Rollback. Minimumziel müssen die Demarkationslinien von vor dem 24.2. sein. Eher noch mehr. Ansonsten wird es ein Pyrrhussieg für die Ukraine und wir stehen in fünf Jahren wieder genau dort, wo wir jetzt stehen.“
Minimalziel am Anfang des Krieges war Erhaltung einer westlichen Rumpfukraine und selbst dass wurde von vielen skeptisch angesehen.
Minimalziel der Zivilisten vor Ort ist vermutlich überleben und dass die Bomben bald aufhören.
Mein persönliches Minimalziel, was sich laut meinen Kenntnissen mit dem der Bevölkerungsmehrheit des Planeten deckt, ist Vermeidung eines 3.Weltkrieges mit nuklearem Schlagabtausch.
Und alleine nach all der Zerstörung bisher, ist etwas anderes als ein Pyrrhussieg kaum möglich.
„Wo ist denn Putin in die Ecke gedrängt? “
Denn das ist er in jeder Weise. Er hat die Entscheidung zum Einmarsch getroffen, trägt die Verantwortung und alles in allem ist die ganze Kampagne militärisch und politisch bisher eine Katastrophe.
Die russische Armee hat in kurzer Zeit Verluste an Mensch und Material erlebt, wie sie es seit dem 2.WK nicht mehr kannte. Sie ist unfähig durch die Ukrainischen Linien zu brechen. Das Flagschiff der Schwarzmeerflotte ist gesunken. Es gibt keine großen Siege zu berichten. Nichtmal Mariupol, wo die Bevölkerung zu 90% russische Wurzeln hat, ist erobert. Und dennoch wurde „Sieg“ erklärt. Wenn Putin solche „Siegesbotschaften“ nötig hat, dann ist das ein sehr eindeutiges Zeichen davon, wie schlecht es steht.
„Russen sollen sich fürchten.“
Und ich fürchte mich vor diesen nationalistischen Vereinfachungen. Die russischen Militaristen und Imperialisten sollen sich fürchten, ja! Aber das russische Volk nicht.
Umso mehr man aber den Krieg nicht gegen das russische Militär in der Ukraine richtet, sondern gegen das russische Volk an sich, umso mehr wird es ein totaler Krieg, mit allen Folgen.
Nein, die russische Gesellschaft hat ein ernstes Problem. Auch selbsternannte Russlandsversteher haben es. Lüge und Verdrehung der Wahrheit in einer Art Zombedialektik ist in Russland so zum Alltag geworden, dass jeder daran teilhat. Brutalität wird überall gepredigt und gepriesen. Nicht nur im Fernsehen und von staatlichen Stellen, sondern auch auf privaten Telegramkanälen. Man sieht die Aussonderungen ja auch hier, selbst von Ihnen. Der Führerkult Putin ist soweit gediehen, dass sein Fall mit dem Fall von Russland gleichgesetzt wird. Aussagen zu Atomschlägen werden einfach hingenommen. Bomben sind Schiucksal, an denen sich nichts ändern lässt, solange man dem HERRN sich nicht unterwirft.
Das wird nicht besser. Das wird schlimmer, je länger man diese Bewegung und diese Gesellschaft frei gewähren lässt.
Das ist der Kern der Abschreckung.
Oder nehmen Sie Tontaubes Kommentar über dem Ihrigen: Da werden die russischen Schlächter plötzlich zu einer Friedensarmee. Nebenbei noch mit der Lüge garniert, dass die Ukraine vollständig mobilisiert sei.
@lukan
+1
Diese Mentalität in den letzten Wochen jetzt auf Teufel komm raus „den Russen“ eine riesige Niederlage mitzugeben sollte nicht über die Tatsache hinwegtäuschen, dass Russland danach immer noch existiert.
Egal ob Putin dann noch Präsident ist oder nicht, der Russe in Samara oder die Russin in Wladiwostok sind noch da und wir alle auf der Welt müssen mit denen irgendwie miteinander auf der Erde leben können.
Ich bin froh Ende des 20. und Anfang 21. Jahrhundert aufgewachsen zu sein und nicht in den Jahrhunderten um 1500-1900.
Kriege zwischen VÖLKERN waren noch nie für ein Volk schön, sondern immer schrecklich.
Die Russische Regierung und auch die oberste russische Militärführung muss unser Gegner sein, aber nicht das Volk und auch nicht der kleine Befehlsempfänger im Schützengraben (natürlich muss der im Zweifel bekämpft werden) – aber er ist eben auch nur ein Soldat in einer Wehrpflichtarmee und nach der Kampfmoral zu urteilen auch nicht so geil auf Krieg gegen die Ukraine.
Es gab in der Geschichte der Menschheit auch noch keinen offenen heißen Krieg zwischen Nuklearmächten. Das sollte man auch immer im Hinterkopf behalten, wenn man seine tollen „Strategien“ aus dem Geschichtshut zaubert.
Das übergeordnete Ziel jetzt im Ukrainekrieg muss ein Schweigen der Waffen sein.
Wenn dann über Jahrzehnte die Ukraine geteilt ist mit dem momentanen Frontverlauf und aber keine nennenswerten Gefechte stattfinden, dann ist das schon ein Sieg – für beide Seiten! Für „beide Seiten“ ist gerade deshalb wichtig, weil sonst immer einer den Sieg des anderen nicht gönnen würde und die Waffenruhe brechen möchte.
Für alles andere wie Neutralitätsstatus oder Aufrüstung kann man dann die nächsten Jahre Verhandlungen führen.
Man darf nicht vergessen, dass die Ukraine mit der NATO und der EU ein sehr großes Verhandlungsdruckmittel hat. Wir müssen da militärisch überhaupt nicht siegen in der aktuellen Kriegsphase. Wirtschaftlich und komischerweise auch politisch geeint sind wir um ein vielfaches mächtiger als Russland und das weiß Putin auch.
@Lukan:
also gutes altes „Ich habe Atomwaffen, ich erwarte die bedingungslose Kapitulation jedes Landes ohne Atomwaffen um mich herum, sonst gibts nen Atomschlag“?
Wäre die Berlin Blockade heute, dann wäre Westberlin wohl aufgegeben worden.
Mariupol zu 90% russische Wurzeln? Dazu haben Sie sicher eine Quelle oder? das passt nicht einmal mit russisch sprachig.
Die russische „totaler Krieg“ äh korrigiere „totale militärische Sonderoperation“ Propaganda in Russland bekommen Sie mit? Es hängt wohl alles davon ab, wie gut sich das einfache Volk dieser Gehirnwäsche widersetzen kann. Die Erfahrung zeigt aber, dass solche Propaganda sehr erfolgreich ist. Man muss nur an die USA denken, wo Trump sehr erfolgreich mit dem Verbreiten von absurdesten Lügen war/ist, OBWOHL die Bevölkerung dort sich frei informieren kann.
Ein guter russsicher Freund/Kollege erzählt mir nichts gutes, obwohl der als Psychologe im Konfliktmanagement unterwegs ist, kann der praktisch nichtmal mehr seine Familie in Russland überzeugen, dass das russische Staatsfernsehen was anderes als die pure Wahrheit verbreiten würde. Und nein, die sagen das nicht, weil sie Angst hätten abgehört zu werden. Er hat seine Familie (Eltern, Brüdern, Schwestern) praktisch „aufgegeben“.
„Friedensarmee“ in „“ = eine Armee in Friedenszeiten. versteht wohl leider nicht jeder ^^
Wenn auch nur indirekt im Zusammenhang mit Waffenlieferungen stellt sich mir folgende Frage, zu der ich nirgendwo bisher Infos gefunden habe.
Hat das BMVG bzw. das Amt in Koblenz schon signifikante Aktivitäten/Ergebnisse erzielt, die Lieferung bzw. Instandsetzung/Kampfwertsteigerung bereits beauftragter Waffensysteme bei der Industrie zu beschleunigen?
Haben wir aus den bestehenden Rahmenverträgen zumindest zusätzliche Abrufe für Schwerlasttransporter/sonstige LKW betätigt.
Irgendwie habe ich (mit Ausnahme von persönlicher Austattung für die Soldaten, was sicher wichtig war) die Wahrnehmung, das allen wie das Kaninchen auf die Schlange auf den Haushalt 2022 und das Sondervermögen schielen.
Zwischendurch möchte ich mich einmal bei all denen bedanken, die mir bei aufkommender Ohnmacht, Verbitterung und Resignation immer wieder neuen Mut und Hoffnung geben. Nicht nur in diesem Faden.
Ihr seid auch der Grund dafür weshalb ich doch immer wieder in die Kommentare schaue. Gerade in der letzten Zeit. Danke.
Mich hätte interessiert, wie die Art und der Zustand des Materials eingeschätzt wird. Mich hat das hohe Maß an alten Versionen und die Seltenheit von upgrade Versionen (insbesondere bei AFV, IVF) erstaunt. Vielleicht beim nächsten Mal?
@someone: 100% Zustimmung.
@Tom Cruise: in ihrem letzten Post kam der Systemiker aus ihnen heraus . Nur für sie, aber auch alle die immer dem kleinsten gemeinsamen Vielfachen hinterherhängen und dies als guten Kompromiss sich selbst und vor allem den Opfern von Gewalt und Terror zu verkaufen versuchen:
– RU hat den UA im Budapester Memorandum im Beisein von USA und GB volle Souveränität
schriftlich garantiert. Bedingung war die Rückgabe der Atomwaffen an RU.
– gab es in Europa ein ungeschriebenes Gesetz ’nie wieder Krieg‘,
– RU fühlt sich von NATO bedroht, bewegt sich aber seit ca. 8 Wochen auf diese ‚ Gefahr‘ zu,
– RU jagt Nazis, spricht aber den Ukrainern nun zum zweiten Mal in ihrer angeblich so langen
gemeinsamen Geschichte das Existenzrecht ab. Ich weiß, Truschba und so ….. ,
– ist RU 2014 in der UA eingefallen, nicht anders herum.
– darf man sich gerne als Systemiker outen, aber dazu gehört auch, daß man weiss wo man
diese etwas spezielle Denkschule anwendet und wo nicht,
– darf man einem überfallenen Staat gerne erzählen, das es wirklich besser ist, wenn er die
Opferrolle sowie die Gebietsverluste akzeptiert damit man selbst beruhigt weiterschlafen
kann. Ja ich weiß, Atomkrieg und ‚was passiert schlimmes, wenn wir den russischen Bären weiter reizen?‘ und so….. .
Die letzten beiden Punkte kann man natürlich so sehen, muss man aber nicht. Als Systemiker versteht sich.
@dominik
„Mariupol zu 90% russische Wurzeln? Dazu haben Sie sicher eine Quelle oder? das passt nicht einmal mit russisch sprachig.“
Der Begriff Volk, Rasse, Ethnie und Kulturraum sind ja nicht gerade eineindeutig formuliert und ich bezog mich mit der Sprache auf die kulturellen Wurzeln:
https://en.wikipedia.org/wiki/Mariupol#Ethnic_structure
Und da ist eine Tabelle mit Daten von 2001 die 89.64 % russisch angibt. Aber im Text gibt es eine andere Angabe von 60-80%. Und wie es aktuell aussieht weiß wohl niemand.
Und das war auch gar nicht mein Punkt, ob Mariupol zu Russland gehören soll, aber wenn es zum Thema gemacht wird, nun: ich halte tatsächlich Staatsgrenzen nicht für heilig unveränderbar, sondern Landesgrenzen sollten wo immer möglich den Willen der lokalen Bevölkerung repräsentieren. Wenn Mariupol also russisch sein will, dann von mir aus gerne.
2014 scheinen sie es zum Teil gewollt zu haben, heute aber bestimmt nicht mehr.
Und ich wüsste nicht, wo ich je gesagt haben sollte, dass man Putin machen lassen soll, weil er Atomwaffen hat. Waffenlieferungen ja bitte. Wird ja auch gemacht und funktioniert ja auch.
Aber darüber hinaus vielleicht ein wenig Weitblick. (a la Flugverbotszone und ähnliche Späße)
@someone
„Man sieht die Aussonderungen ja auch hier, selbst von Ihnen.“
Welche Aussonderungen mache ich bitteschön? Weil ich die Meinung äußere, ein Krieg sollte sich gegen Militär und nicht Zivilisten richten? Weil Zivilisten in einem diktatorisch geführten Land mit Zensur ihre Meinung nicht mehr frei äußern können und darum nicht davon ausgegangen werden kann, dass sie alle kriegsbegeistert sind und damit Kollektivschuld haben?
Na dann.
Und nein, ich habe keinen unabhängigen Blick in die Masse des russischen Volkes.
Ich weiß nur, dass die Kontakte die ich habe, nicht Kriegsbegeistert sind und ich weiß insbesondere, dass autmatisch übersetzte Onlinekommentare sicher kein Mittel sind, für ein akurates Stimmungsbild. Denn wie gesagt, da gibt es Zensur und Repression. Per definition kann man also keine größere Kritik finden. Jedenfalls nicht in offenen Quellen.
Aber man kann es sich mental natürlich einfach machen wenn man sowas sich als Bestätigung holt fürs bequeme Lagerdenken „der Russe ist der Feind“, schöne alte vertraute Denkmuster.
ant65 sagt:
25.04.2022 um 15:03 Uhr
Sie können gerne meinen Kommentar im anderen Faden lesen:
https://augengeradeaus.net/2022/04/ukraine-russland-nato-der-sammler-am-24-april-2022/#comment-381972
Die Alternativen die wir haben, sind nun mal Fakt. Im Traumland kann man sich gerne seine eigene Welt denken, in der realen Welt läuft es anders.
„Per definition kann man also keine größere Kritik finden. Jedenfalls nicht in offenen Quellen.“
Also dafür, dass Instagram abgeschaltet in Russland ist, sind aber sehr viele junge russ. Frauen in Russland noch weiterhin in Instagram online. Es gibt immer Wege um der Zensur zu entgehen. Selbst in China.
Das schlimme ist eher, dass den Durchschnittsrussen der Krieg in der Ukraine nicht wirklich interessiert.
Ja man findet es schlimm und vielleicht mag man Putin auch nicht mehr nach dieser Invasion (obwohl man ihn vorher vielleicht verehrt hat), aber man fährt trotzdem weiter in die Uni oder zur Arbeit und geht feiern. Aus den Augen, aus den Sinn.
Erst in ein paar Monaten oder Jahren wird der Russische Bürger es merklich spüren, was der Krieg (also die Sanktionen) für sie wirtschaftlich und damit auch vom Lebenswert für Einschnitte bedeutet.
Wenn die Ersatzteile für den eigenen Mercedes nicht mehr geliefert werden oder die Preise für viele Importwaren steigen oder nur über den Schwarzmarkt zu bekommen sind. Während der Lohn komischerweise nicht steigt weil die eigene Firma keine neuen Aufträge aus dem Ausland bekommt.
Der Hunger in der Welt könnte sofort besiegt werden. Es gibt genügend Nahung auf der Erde, sie ist nur ungerecht verteilt und die reichen Nationen schmeißen sehr viel in den Müll.
Interessiert zwar jeden Deutschen, aber trotzdem wirft jeder !! was weg, weil es nicht schmeckt oder zu faul zum Einfrieren ist.
Rein psychologisch gesehen ist das ein Schutzmechanismus und so lange man nicht täglich ein verhungertes afrikanisches Kind vor seiner Haustür findet oder eben einen toten Soldaten blockt man diese Themen gedanklich immer weg.
Oder lesen wir momentan bei den vielen deutschen Twitter-Usern oder in unseren persönlichen Whatsapp-Gruppen (Freunde, Familie) etwas von dem „vergessenen Krieg“ im Jemen? Da hat sich auch nichts geändert die letzten Jahre und das Leid wurde nicht kleiner.
Das hat also nichts mit Zensur oder offenen Internet zu tun.
Viele Geschehnisse sind oft weit weg oder nicht greifbar.
Die Reihenfolge ist wohl so, erst wird auf dem Schlachtfeld entschieden und dann wird verhandelt werden.
Der Westen muss begreifen, dass Russland einen Krieg gegen das westliche Gesellschaftsmodell führt (gegen die freiheitliche Demokratie). Dieser Krieg wird nicht an den Distriktgrenzen von Donetzk und Luhansk enden, sondern mindestens bis an die polnische Grenze geführt werden.
Wenn man dies einmal akzeptiert hat, dann ist jegliche westliche Waffenhilfe an die Ukraine gerechtfertigt und notwendig. Über den zu erreichenden Endzustand kann man sich Gedanken machen, wenn es soweit ist. Jetzt gilt es Russland soweit als möglich zurück zu drängen.
Angesichts der realen Lage werden dies wohl die Oblastgrenzen von Donetzk und Luhansk sein, sowie die Krim und der Landkorridor dazwischen..
Sollte Russland nach einem Waffenstillstand dann weiter ukrainische Infrastruktur jenseits der Demarkationslinie mit Raketen usw. angreifen, wird es in absehbarer Zeit eine passende Antwort seitens des Westens und der Ukraine geben.
Wenn dieser Konflikt eines gezeigt hat, dann ist dies das die russiche Armee weitaus weniger effektiv ist wie sie vom Westen vorher eingeschätzt wurde und die Drohung mit den Atomwaffen ist immer ein zweischneidiges Schwert. Wer diese Waffen zuerst einsetzt, muss mit der militärischen Antwort des Gegners, in diesem Falle der Nato rechnen. Darauf wird Putin sich nicht einlassen, denn bei diesen Krieg soll ja nicht Russland als Staat von der Landkarte radiert werden, sondern lediglich sein Expansionsbestreben gegen Westen und Süden eingehegt werden. Insofern ist dieser Krieg für Russland keine existenzielle Bedrohung, sondern lediglich für die jetzt herrschende Klasse in Russland. Dies gilt es zu unterscheiden.
@Tom Cruise
„Wenn die Ersatzteile für den eigenen Mercedes nicht mehr geliefert werden …“
LADA ab jetzt nur noch ohne ABS lieferbar, hatte ich gelesen 😎
Lukan, 25.04.22, 15:03:
„Und das war auch gar nicht mein Punkt, ob Mariupol zu Russland gehören soll, aber wenn es zum Thema gemacht wird, nun: ich halte tatsächlich Staatsgrenzen nicht für heilig unveränderbar, sondern Landesgrenzen sollten wo immer möglich den Willen der lokalen Bevölkerung repräsentieren. Wenn Mariupol also russisch sein will, dann von mir aus gerne.
2014 scheinen sie es zum Teil gewollt zu haben, heute aber bestimmt nicht mehr.“
Danke für den Hinweis auf die angebliche Grauzone im Völkerrecht die da sein soll, das es einen Widerspruch gäbe dahingehend das das Selbstbestimmungsrecht der Völker der territorialen Integrität von Nationalstaaten entgegenstünde. Die Journalistin G.K.-S. hat in einem Interview schon mal so was geäussert. Komisch nur, daß es nur schriftliche Vereinbarungen ( und somit auch Verantwortung ) zwischen Nationalstaaten gibt, Völker oder gar Volksgruppen kommen da als Unterzeichner im internationalen Verkehr nicht vor. Warum wohl ?
Statt solche pseudojuristischen Argumentationen zu bemühen oder gar Kriege (Entschuldigung, ich meinte natürlich Spezialoperationen) anzuzetteln, wäre es zielführender das jene Menschen, die einem fremden Staat nachträumen, in diesen übersiedeln. Nicht das ich dafür wäre, das man diese Menschen aktiv dazu ‚motiviert‘ diesen Schritt zu gehen, aber immer noch besser als Krieg. Besser wäre es, wenn die Volksgruppen miteinander leben können, aber im Fall von RU und UA ist die Vergangenheit noch viel zu präsent, gerade auch das Hungern und Sterben unter Stalin, was zwar auch auf russischem Territorium damals zeitgleich vorkam, aber trotzdem der UA nicht geholfen hat.
Doch um das zu verstehen müsste RU seine eigene Geschichte selbstkritisch aufarbeiten. Statt dessen wird der Entwurf einer Genoziddefinition der VN so lange ‚bearbeitet‘ bis dieser Tatbestand auf die innerrussischen Geschehnisse nicht mehr anwendbar ist oder es werden Gruppierungen die z.B. die Erinnerung an das Gulagsystem aufrecht erhalten verboten und kriminalisiert.
So wird Empathie verhindert, und das begünstigt das Entstehen von Situationen wie die Ukraine sie jetzt erleben muss.
Um mit Herrn P. zu schließen: „Was ist daran so schwer zu verstehen ?“
Dass sie z. B. hier die Opferrolle der Russen so herausstreichen, als ob die Nato russische Städte bombardieren würde, Russen massakrieren und vergewaltigen. Dies ist nicht der Fall. Ich verstehe voll und ganz, dass es in einer Diktatur nicht leicht ist, Opposition zu üben und nehme für mich auch gar nicht in Anspruch, ob ich in Lage wäre in solch einer Situation Widerstand zu leisten. Aber Sie stellen es dar, als ob der russischen Gesellschaft die oberste Empathie gehört und die Ukrainer endlich aufhören sollen, sich zu wehren. Das ist ein vollkommen falscher Kompass. Die Probleme der russischen Bevölkerung sind zweit- und sogar drittrangig. Und ja, so langsam kann man darüber nachdenken, ob es eine russische Kollektivschuld gibt und inwiefern die russische Gesellschaft so disfunktional ist, dass sie nicht in freundschaftlicher Nachbarschaft mit anderen Ländern leben kann. Es wurden ihr in den letzten Jahren genügend Brücken gebaut und vieles, sehr vieles verziehen. Sie schlug es alles aus. Und das ist nicht nur der Mann oben an der Spitze.
Ich finde diese Diskussion über Ethnien und Volksgruppenzugehörigkeiten irritierend. Letztendlich kommt es doch darauf nicht an. Das wäre die Akteptanz von Putins Argumentationskette.
Schliesslich leben alle Bürger seit 1991 in der Ukraine in von Russland seinerzeit anerkannten Grenzen. Und offenbar ist der Großteil der Bürger damit zufrieden.
Warum das jetzt als Techtfertigung oder Begründung für eine Annexion durch Russland herhalten soll, erschließt sich mir nicht. Das hätte dann die Qualität der „Volksabstimmung“ zur Annexion der Krim.
„Ich finde diese Diskussion über Ethnien und Volksgruppenzugehörigkeiten irritierend. Letztendlich kommt es doch darauf nicht an. Das wäre die Akteptanz von Putins Argumentationskette.“
Tja, worauf kommt es aber an?
Mir persönlich die Frage, wie kann man militärische Konflikte möglichst dauerhaft lösen.
Kurzfristig helfen der angegriffenen Ukraine Waffen, ja.
Langfristig kann man aber Russland nicht militärisch besiegen, eben wegen Atomwaffen.
Langfristig braucht es also andere Lösungen.
Etwa internationale Verträge und Recht und Sanktionen, für die, die sich nicht daran halten.
Haben wir aber überhaupt ein allgemeinverbindliches und anerkanntes internationales Recht, dass etwa das Verurteilen von Kriegsverbrechern ermöglichen würde?
Wohl kaum, wenn etwa die USA erklärt, sie würde eher die Niederlande angreifen, als ein Internationales Gericht über ihre Soldaten akzeptieren.
https://en.wikipedia.org/wiki/American_Service-Members%27_Protection_Act
Recht funktioniert aber nur, wenn es für alle gilt, sonst ist es lediglich Recht des Stärkeren.
Und das Völkerrecht und Selbstbestimmungsrecht der Völker wird ebenso uneinheitlich angewandt.
Mein Utopischer Lösungsvorschlag wäre ein sofortiger Waffenstillstand. Dann gibt es ein Referendum unter internationaler Aufsicht, wobei wahlberechtigt alle die sind, die vor 2014 (vor der Gewalt) in den umstrittenen Gebieten gelebt haben. Und anhand dieses Referendums werden die Grenzen neu gezogen.
Putin geht es ja angeblich um das Selbstbestimmungsrecht der Russen vor Ort.
So ließe sich das zweifelsfrei klarstellen und lösen. Aber natürlich hat er kein echtes Interesse daran, was die Menschen vor Ort denken, sie gehören zum Russischen Reich und Punkt. Und aus westlicher Sicht gehören sie zur Ukraine und Punkt. Na dann muss der Krieg eben weitergehen.
Zitat: „Recht funktioniert aber nur, wenn es für alle gilt, sonst ist es lediglich Recht des Stärkeren. “
Was wir momentan erleben in der Ukraine ist doch das „Recht des Stärkeren“ und wenn wir ehrlich sind, hat dieses Recht des Stärkeren im ganzen Kalten Krieg Bestand gehabt.
Die Stärke des Rechts, bzw. die Herrschaft des Rechts, kann nur in Staatengemeinschaften angewandt werden, die dieses Prinzip akzeptieren, z.b. in der Europäischen Union. Und da ist es schon schwierig genug, wie man am Beispiel Polen und Ungarn sieht, die dieses Prinzip beugen wollen.
Der Economist lieferte jüngst Berichte (leider hinter der Bezahlschranke) über das russische Militär („How rotten is Russias Army?“ und „Russias Army in a Woeful State“) mit dem Tenor: “They put a lot of money into modernisation. But a lot of this money was lost in the process. Corruption surely helps explain why Russian vehicles were equipped with cheap Chinese tyres, and thus found themselves stuck in the Ukrainian mud. It may also explain why so many Russian units found themselves without encrypted radios and were forced to rely on insecure civilian substitutes or even Ukrainian mobile phone networks“. Den Berichten zufolge funktioniert ein nennenswerter Anteil der ohnehin zu wenigen „sicheren“ Telefone & Funkgeräte wegen technischer Mängel nicht. Ursache: Putins Freunde haben sich verdeckte Preiserhöhungen durch minderwertige Qualität genehmigt. Solche Praxis beugt der Oligarchen-Armut vor. „Von einem Regime, das seine Stützen durch alle althergebrachten Mittel der Geschäftemacherei korrumpieren muß, kann nicht erwartet werden, daß es damit vor der Armeeverwaltung halt macht“, schrieb Friedrich Engels im Hinblick auf Napoleon III und den Krieg 1870/71. Das hat sich wohl nicht geändert.
[Das ist zwar ein wichtiger Punkt, gehört aber eigentlich nicht in diese laufende Debatte – am ehesten noch zu der Podcast-Folge, in der wir genau über dieses Thema gesprochen haben. Deshalb dorthin verschoben.
T.W.]