Sicherheitshalber der Podcast Folge 55: Krieg gegen die Ukraine: Überraschungen, Handlungsoptionen, Implikationen und “Realpolitik”
Sicherheitshalber ist der Podcast zur sicherheitspolitischen Lage in Deutschland, Europa und der Welt. In Folge 55 sprechen Ulrike Franke, Frank Sauer, Carlo Masala und ich erneut ausschließlich über den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Unsere Diskussion hat fünf Schwerpunkte:
1. Was hat uns überrascht, bzw. was ist uns in den ersten drei Wochen des Krieges aufgefallen (auch mit Blick auf Russlands nukleare Drohungen)?
2. Was können wir – der (sog.) “Westen”, die NATO, die EU – noch tun mit Blick auf die militärische Situation (Waffenlieferungen); und was sollten wir unterlassen (Flugverbotszonen)?
3. Welche Rolle (als Vermittler?) spielen Akteure wie China, Israel oder die Türkei?
4. Was sind die globalen Implikationen dieses Kriegs, etwa mit Blick auf Nahrungsmittelpreise und Lieferketten?
5. Auf vielfachen Hörerwunsch: Wovon reden selbsternannte “Realpolitiker”, wenn sie NATO (eine Teil-)Schuld am Krieg zuschreiben und Vorschläge unterbreiten wie etwa die Ukraine (gegen ihren Willen) zu einem neutralen Pufferstaat zwischen Russland und der NATO zu machen?
Vorstellung: 00:00:51
Russischer Angriffskrieg: 00:05:27
Fazit: 01:13:55
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Erwähnte und weiterführende Interviews, Literatur und Dokumente: Thema – Putins Krieg gegen die Ukraine
Richard K. Ashley: The Poverty of Neorealism, in: International Organization 38:2, 225-286.
Justin Bronk: Is the Russian Air Force Actually Incapable of Complex Air Operations?. RUSI, 04.03.2022.
Gustav Gressel: Combined farces: Russia’s early military failures in Ukraine. ECFR, 15.03.2022.
Malcolm Jorgensen: The Weaponisation of International Law in Ukraine. Völkerrechtsblog, 15.03.2022
Daan Kayser: Increasing Autonomy in Weapons Systems: 10 Examples that can inform thinking. Pax, Dezember 2021 (weil wir über “Switchblade” (US), “KUB” (RUS) etc. gesprochen hatten).
Peter W. Singer: Opinion | How Ukraine Won The #LikeWar, Politico, 14.03.2022.
Paul Strobel: Der Online-Spähtrupp: Soziale Medien, der Krieg in der Ukraine und der militärische Nutzen, Augen geradeaus!, 16.03.2022 .
SWR2 Forum: Wehrhaft mit Wehretat – Was macht die Bundeswehr mit den Milliarden?, 14.03.2022.
Sicherheitspod Folge #26 zu Russlands sicherheitspolitischen Fähigkeiten und Ambitionen mit Gustav Gressel
Sicherheitspod Folge #35 zu Drohnenkrieg um Bergkarabach
Das Beispiel mit MAN kommt mir bekannt vor. So lief das in meinem Lehrbetrieb in der DDR auch. Da war das allerdings noch einen Zacken schärfer. Hauptsache, das Plansoll war erfüllt.
Hm, Frank, eingermassen schwammig bzgl. der Realismusdebatte zwischen denjenigen, die auf Einigung mit RU drängen und die UKR zu einer Art neutralem Pufferstaat machen wollen und denjenigen, die das nicht wollen:
Zitat:
„Das Problem ist, dass dieser Dissenz, der herrscht, zwischen Leuten, die dieses Argument bringen und uns, gar nicht der ist zwischen Realismus und Idealismus – sondern – dass diejenigen, die sich da besonders als Realisten hervor zu tun glauben, weder die Realität zur Kenntnis nehmen, noch – und das macht das Ganze so bizzar, unsere Interessen vertreten, mit dem, was sie da vorbringen. Also mit unsere meine ich Deutschlands, des Westens – was immer das ist – der NATO und der EU.“
Verbleibt unklar:
Was genau verbirgt sich hinter „die Realität“? Also was genau wird denn nicht zur Kenntnis genommen?
Was sind unsere Interessen? Warum vertritt man unsere Interessen nicht, wenn man glaubt, die Ukraine als Pufferstaat (bspw. im Sinne einer Finnlandisierung) wäre ein genereller Lösungsansatz? Wie genau vertritt man unsere Interessen, wenn man Russland schwächt?
Zitat:
„Weil hier ist das Problem mit der Argumentationslinie in 3 Punkten:
1. Punkt
Es ist ja nicht so, dass das mit der neutralen Ukraine noch nicht versucht wurde – wir haben es versucht – Stichwort Budapester Memorandum usw. – und es klappt halt nicht. Immer dasselbe versuchen aber andere Ergebnisse erwarten, ist wohl eher realitätsfremd.“
Stimmt.
„2.Punkt
Das Ganze ist ne ‚false Balance‘. Da wird ja so getan, als sei die NATO genau dasselbe wie der russische Einflusssphärenphantomschmerz. Beides auf die gleiche Stufe gestellt. Realiter ist es doch so, in die NATO muss man wollen, und selbst dann kommt man manchmal, wie im Falle der Ukraine, nicht rein. In die russische Einflussphäre wirst du nach sowjetischen Stil gezwungen. Und zwar mit der vorgehaltenen Waffe oder dem vorgehaltenem Gashahn. Und das macht realiter – nicht in der Wunschwelt, und das macht realiter einen Unterschied mit Blick auf wie diese Staaten sich dann hinterher verhalten.“
Ja, ist ja richtig, aber was soll dieser Einwand im Hinblick auf das Ursprungsziel, die Argumentationslinie der Pufferstaatbefürworter im Ringen der Grossmächte zu widerlegen? (Vorsicht, wird jetzt eiskalt) Es ist doch erstmal irrelevant, wie Grossmächte ihre Einflusszonen realisieren. Wichtig ist, dass sie es tun. Und alle wenden von Fall zu Fall das neben anderen eben auch zur Verfügung stehende Instrument Gewalt an, wie gerade jetzt in der Ukraine.
Bisher galt in Europa „nicht wir – nicht hier“ aber Gewaltanwendung ist beileibe kein aussergewöhnlicher Vorgang.
usw usf.
Ich habe nicht ganz verstanden, wo die Reise genau hingehen sollte, hätte aber gern mehr von Frank dazu gehört. Wo/wie kann man denn die von Thomas erwähnten Vorträge von Frank zu hören bekommen?
Aber warum wird nicht RGW 90. an die Ukraine geliefert und schlicht nachgekauft?
Herzlichen Dank für diese sehr gelungene Folge,
ein ausdrückliches „Chapeau“ zur Thematik Realisten versus Idealsten.
Das Prinzip der Bataillonskampfgruppen und deren Funktionsweisen hat das Bundesheer mal sehr anschaulich für Laien erklärt.
Die russische Bataillonskampfgruppe: https://youtu.be/wSDP-CmwcNM
Die „Bataillonstaktische Gruppe“ im Angriff: https://youtu.be/5n7jAXgxFRQ
Weil es gleich zum Beginn hieß, es gäbe für die russische BTG keine deutsche Entsprechung: Soweit ich weiß, ist die russische BTG ein um Kampfunterstützer verstärktes Kampftruppenbataillon. Damit müsste es m.E. dem deutschen Begriff GEFECHTSVERBAND entsprechen.
leie sagt:
18.03.2022 um 22:02 Uhr
„Zitat:
„Weil hier ist das Problem mit der Argumentationslinie in 3 Punkten:
1. Punkt
Es ist ja nicht so, dass das mit der neutralen Ukraine noch nicht versucht wurde – wir haben es versucht – Stichwort Budapester Memorandum usw. – und es klappt halt nicht. Immer dasselbe versuchen aber andere Ergebnisse erwarten, ist wohl eher realitätsfremd.“
Stimmt.“
Nein, das stimmt gerade nicht. Ich habe mir das auch mal in Ruhe angehört, und gerade hier, bei dem Punkt, zeigt sich gut, wie problematisch und voreingenommen die vertretenen Positionen eigentlich sind. Eine für Russland bis dahin unproblematische Neutralität der Ukraine wurde spätestens ab 2013/14 mit dem Vorgehen der EU (nochmal: Assoziierungsabkommen usw.), den Machtverschiebungen in der Ukraine (Maidan etc., mal ohne Bewertung) hin zu den nationalistischen Kräften, der ATO in der Ost-/Südost-Ukraine nicht nur in Frage gestellt, sondern ganz klar die Beendigung in Angriff genommen, gipfelnd im per Verfassung verankerten Nato-Beitrittswunsch, massiver Aufrüstung mit hauptsächlich US-amerikanischer (inkl. CIA-Programmen) und britischer Unterstützung.
Das alles zu unterschlagen oder unter dem Recht der freien Bündniswahl etc. zu verstecken, ist genau einer der argumentativen Tricks oder/und Zeichen der voreingenommenen Herangehensweise, die „unsere“ Sicht so sehr prägt und daher auch international jetzt zunehmend stärker kritisiert wird.
Diese sog. „realistischen“ Positionen dann noch weiter zu diskreditieren (nichs anderes ist das ja), indem man sie lediglich den äußersten linken und rechten Rändern in der Debatte zuweist, ist dann nur noch sozusagen das Sahnehäubchen auf dem Ganzen, unterschlagend, dass diese Positionen neben Mearsheimer u.a. auch von Kissinger, Kennan usw. vertreten wurden/werden, ebenso wie von maßgeblichen europäischen Politikern und Experten (u.a. auch aus der Bundeswehr), die weder dem linken noch dem rechten „extremen Rand“ zuzurechnen sind.
Interessant wird es, wenn in der Diskussion nun auch „unsere“ Interessen mit angesprochen werden (aber wessen?). Von der Einräumung dieser „Interessen“ ist es nur noch ein kleiner Schritt, zumindest die Möglichkeit ernsthaft einzuräumen, dass diese jetzige gefährliche Entwicklung „interessengeleitet“ forciert worden ist. „Russland schwächen“ als unser Interesse hat eben nicht nur die aktuelle Komponente (jetzt dem Agressor Einhalt gebieten), sondern auch die langfristige, geostrategische. Die wird dann gern unterschlagen.
Jedenfalls haben wir nun die sicherheitspolitischen und sozialen wie wirtschaftlichen Folgen zu tragen, von den weltweiten ganz zu schweigen. Und höchstwahrscheinlich eine Zäsur im Weltgeschehen, deren Auswirkungen noch nicht einmal ansatzweise abzusehen sind.
Damit will ich nichts rechtfertigen, insbesondere nicht den Angriff Russlands, aber ohne ehrliche Analyse (auch unseres eigenen Verhaltens bzw. das maßgeblicher Kräfte bei uns) und Kompromissbereitschaft wird es kaum möglich sein, längerfristig für Sicherheit und Frieden zu sorgen. Und das sollte doch unser erstes Ziel sein, oder nicht? Selbst für mich gehört dazu ganz sicher auch eine starke Verteidigung – aber eben nicht nur.
Grüße, S.
Ich hab noch eine zu der Frage zu der scheinbar schlechten Materialverfügbarkeit der russischen Armee. Es ist ja jetzt eher unwahrscheinlich, dass bis zum kleinsten Soldaten, alle in der russischen Armee total baff sind, dass ihre Technik nicht so toll ist wie geglaubt. Bis zu welcher Ebene reicht denn jetzt der Kreis derjenigen, die sich da Luftschlösser aufgebaut haben? Ich hoffe Mal nicht, dass er zu der Erkenntnis kommt, dass das einzige auf das er sich halbwegs noch verlassen kann, die Nuklearstreitkrafte sind.
Hoi Stefan,
Ich weiss das. 2014 war ein politstrategisches Desaster für RU. Und nicht ganz fair. Aber hey, es ist ein Spiel zwischen Machtblöcken.
RU hat es nicht kommen sehen. Das ist das Erste. Spätestens dann war Ende der Naivität.
Und wenn sie seit 2014 in Sachen UKR nichts weiter hinbekommen als 8 Jahre später die Blödeste aller Optionen auf den Tisch zu legen, dann muss man das exakt so zur Kenntnis nehmen.
Legten wir die Ukraine wieder als neutralen Staat auf den Tisch – und das war er eben mal, dann würde das mit hoher Wahrscheinlichkeit genauso enden wie heute.
Mir ist unserer Doppelmoral mehr als bewusst – wir sind eben auch nicht mehr als ein Machtblock.
Mir schoss beim Satz “ Das kommt von „ganz links oder ganz rechts“ von Frank auch sofort durch den Kopf, viel besser hätte man die Position im driveBy kaum diskreditieren können, zumal die Haltung „UKR sollte besser aufgeben“ ganz ähnlich von recht unverdächtigen Leuten wie RD Precht oder gar Thomas Fischer im Spiegel geäussert wurde. Aber Frank kämpft eben auch.
Und das ist doch ein interessanter Moment. Alle kämpfen. Zeit, die wirklichen Interessen zu erfahren, das, was wirklich gedacht und gewollt wird. Und ich will das hören. Deswegen die Fragerei.
Stefan sagt:
19.03.2022 um 12:35 Uhr
“ Das alles zu unterschlagen oder unter dem Recht der freien Bündniswahl etc. zu verstecken, ist genau einer der argumentativen Tricks oder/und Zeichen der voreingenommenen Herangehensweise, die „unsere“ Sicht so sehr prägt und daher auch international jetzt zunehmend stärker kritisiert wird. “
Äh, wenn man sich das anhört, plädieren die Diskutanten, angeführt von Sauer, doch eigentlich knallhart dafür, westliche Interessen gegen die russ. Großmachtbestrebungen durchzusetzen, in diesem ganzen Streit um „die Ukraine“
(vgl. Kaukas. Kreidekreis)
Das gewisse Herumeiern und Bedenkentragen betr. evtl. allzu forscher Vorgehensweise (Flugverbotszonen, noch massivere Waffenlieferungen etc.), das man vor dieser Abschlußaussage zu hören bekam, steht dazu in einem gewissen Widerspruch, denn Voll Rohr Interessenvertreter würden ja wohl auch gewisse „Eskalationsrisiken“ kaltblütigst in Kauf nehmen (wie z. B. die Osteuropäischen Vorkämpfer mit ihrer verständlichen, äußerst negativen Russlandbild, das nun auf das übelste bestätigt wird).
– Atomdrohung ? Pah, nur ein Blöff.
– und wenn ? Lieber tot als …unter Putins „Fuchtel“
Oder ?
„In die NATO wird keiner gezwungen“ ist schon leicht verkürzt. Die NATO wird als reines Verteidigungsbündnis betrachtet, und in D legt man Wert darauf sich nicht an Bushs Irak-Krieg oder den Drohneneinsätzen der CIA beteiligt zu haben. Dass diese Einsätze so erst durch die Infrastruktur der NATO ermöglicht wurden, blendet man hier gerne aus.
Das sind aber 2 Seiten der gleichen Medaille, und es ist wichtig diese Position nachvollziehen zu können.
„Abgeräumt“ wird in einer Welt, in der jeder 7. Mensch Chinese ist, v.A. das sture Durchsetzen von US-Interessen sein. Bisher konnten wir uns im Wissen der US-Schutzmacht eine ziemlich einseitige Moral erlauben. Aber dass diese Schutzmacht intl. viel böses Blut verursacht hat, die Welt seit Bush nicht gerade Hochzeiten des Völkerrechts erlebte oder allgemein stabiler wurde, ist auch Teil der Geschichte.
Immerhin wacht man in Europa langsam mal auf, und wird sich der eigenen Position und Stellung auf dem Globus bewusst.
Was bis hierhin gelaufen ist, ist nicht mehr zu ändern. Wie weit eine „Schwächung Russlands“ in unserem Interesse ist – Russland ist nicht Putin. Ich würde sagen, mit einem autokratischen Despoten, einem weiteren inkl. Privatarmee, ohne Opposition und einer indoktrinierten Bevölkerung ist Russland bereits geschwächt. Aber Fakt ist halt auch, ein zum Ultranationalismus tendierendes RU störte nur wenige Politiker und Industrielle, wenn es dem eigenen Profit diente.
Da sich weder die Bevölkerung noch die 6.000 Sprenköpfe von der Karte wischen lassen, sollte in unserem Interesse eher ein stabiles Russland sein, mit dem wir arbeiten.
Falls die totale Eskalation überhaupt vermieden werden kann, befürchte ich aber eher eine Wdh. der Geschichte nach dem 1. WK/Versailler Vertrag, mit absehbar ähnlichem Ergebnis.
Interessante Ansichten zur politischen Kommunikation der USA… ich will 2024 auch keinen Trump sehen, aber beim besten Willen: Bidens „Kommunikation“ macht mich teils sprachlos und wirkt auf mich ähnlich abgehoben wie seine Ansprache zum Abzug aus Afghanistan.
Biden hat schon – vor der Invasion – damit eröffnet, dass Putin ein „Killer“ ist… nicht wirklich was Neues, leider nicht einzigartig im „Showgeschäft“. Das Offensichtliche so zu betonen geht wahrscheinlich an die Putin-Anhänger im eigenen Land, aber Diplomatie geht anders.
Wenn ein US-Präsident über Nord Stream 2 „entscheidet“, vermittelt das hoffentlich nur ungewollt das Bild, D wäre sowas wie Bidens Belarus.
Medienwirksames Unterstreichen, wieviele Billionen bereits in die UA geflossen sind – dürfte nicht nur Putin, sondern jeden der den USA eins auswischen will motivieren, den Sack erst recht „zuzumachen“. Und die lautstarke Warnung an China, „Russland zu helfen“ – als Chinese würde ich mich glatt provoziert fühlen, noch einen draufzusetzen.
Meinem Verständnis nach überlässt man das Hetzen anderen, während polit. Führer leisere Töne anschlagen, um Optionen offen halten. So kenne ich das auch von der Kuba-Krise.
Wäre ich Anhänger von Verschwörungstheorien, würde ich fast sagen USA und China machen sich einen Spaß daraus, RUS und Europa gegeneinander auszuspielen.
Vielleicht gibt es auch schon Pläne, eine „Exilregierung“ für die EU zu bilden, die dann rechtmäßig über den verstrahlten Kontinent entscheidet, Hauptsache Russland wurde geschwächt und die USA wieder geeint… in meinem Interesse ist das jedenfalls nicht. Deswegen meine Hoffnung, dass doch noch Vernunft einkehrt.
@Werner69,
„Das gewisse Herumeiern und Bedenkentragen betr. evtl. allzu forscher Vorgehensweise (Flugverbotszonen, noch massivere Waffenlieferungen etc.), das man vor dieser Abschlußaussage zu hören bekam, steht dazu in einem gewissen Widerspruch…“
…stimmt.
https://youtu.be/Ei_xK2V_qH8?t=727
DIe Nonchalance dieser Haltung steht imho nicht nur in einem gewissen, sondern sogar in einem deutlichen Widerspruch dazu, dass der einzukalkulierende und nun eingetretene Fall eben zur Folge haben könnte, dass neben den Russen auch die so kräftig selbstvergewisserten Falken in den eigenen Reihen dann aber auch sehen wollen und eine deeskalatorisch mit Waffen vollgestopfte Ukraine den Unterschied zwischen 1000en Stingers und einer alten Mig29 nicht mehr so ganz nachvollziehen will.
Stellt sich eben raus, Waffenlieferungen mit dem Label „Deeskalation“ können doch zur Eskalation beitragen. Selbstvergewisserung erhöht das Risiko der Selbstüberschätzung und Mehrdimensionalität setzt das konsequente Handhaben verschiedener Vektoren voraus.
Wobei eine der grössten Gefahren, wie Carlo sagte, von unbeteiligten Republikanern ausgeht.
@Werner 69 sagt: 19.03.2022 um 21:29 Uhr
„– und wenn ? Lieber tot als …unter Putins „Fuchtel““
Wer nicht bereit ist für seine Freiheit zu kämpfen und im schlimmsten Fall auch zu sterben, der wird sie sicherlich verlieren. Gegen Autokraten wie Putin hilft nur klare Kante und die Bereitschaft zur Eskalation.
Vielen Dank für diesen sehr gut gemachten und informativen Podcast, und vielen Dank an alle Teilnehmer!
Ich möchte noch gern zwei Aspekte ergänzen, die mir sehr wichtig erscheinen:
1. Zum Thema der selbsternannten „Realpolitiker“: Was diese Gruppe auch immer ignoriert ist die Tatsache, dass Russland zwar Atommacht ist, aber wirtschaftlich keineswegs eine Großmacht ist, ganz im Gegenteil. Vor der Invasion der Ukraine lag Russland nach BIP lediglich auf Platz 11, noch hinter Italien, Brasilien und Kanada. Und durch diesen Krieg und die Wirtschaftkrise innerhalb Russlands, die durch ihn ausgelöst wurde, wird Russland im Ranking innerhalb der nächsten Jahre weiter nach unten durchgereicht werden. Aber um eine wirkliche, vollständige Großmacht zu sein, muss man auch wirtschaftlich stark sein. Das war Russland aber nie, und wird es auch solange nicht sein können, solange das innovationsbremsende, korrupt-kleptokratische Putin-System dort an der Macht ist. Und im Bereich Wirtschaft zeigt sich noch eine weitere Fehleinschätzung dieser Gruppe: Sie behaupten ja auch ständig, man sei Russland und seinen Interessen nicht entgegengekommen. Falsch: Auf Einladung der G7 wurde dieses Format um Russland ergänzt auf G8. Dabei gehörte Russland aufgrund seiner viel zu geringen Wirtschaftsleistung gar nicht zu den acht stärksten Wirtschaftsmächten! Russland hatte also in diesem Format überhaupt nichts verloren! Trotzdem war man seitens der G7 Russland so extrem weit entgegengekommen.
2. Zum Thema, ob Waffenlieferungen an die Ukraine diesen Krieg verlängern würden: Nein, würden sie nicht, wenn sie umfangreich genug sind, würden sie den Krieg sogar verkürzen. Denn: Die Ukrainer kämpfen auf jeden Fall weiter. Ob mit oder ohne zusätzliche Waffen. Deren Entschlossenheit sollte nicht unterschätzt werden. Aber die Ukraine verfügt über 900.000 Reservisten, davon ca. 1/3 sogar mit Kampferfahrung aus dem Krieg im Donbass der letzten acht Jahre. Wenn eine signifikante Anzahl dieser Reservisten mit modernen Waffen ausgerüstet wird, hätte die Ukraine die Möglichkeit, die russische Invasion zurückzudrängen und aus dieser Position der Stärke heraus auch eine sehr viel bessere Verhandlungsposition. Zumindest um zunächst einen Waffenstillstand zu erreichen.
Ich bin hier ja auch idealisierter Falke.
Am ersten Tag der Invasion hatte ich den ersten Gedanken:
„OK Ukraine soll aufgeben, aber jeder der nicht unter Putin leben will darf zu uns kommen.“
Wollen wir mal über die Anzahl der Millionen Menschen spekulieren?
(Ist halt schön mit allen Freiheiten anderen Leuten zu sagen „IHR? FREIHEIT? ach nee habt ihr halt Pech! ist nur was für unseren Westklub“)
Ob und wie die Ukraine diesen Überfall (siehe Winterkrieg) ist derzeit völlig offen. Mit, Tapferkeit und Moral alles OK so weit auf ukrainischer Seite, aber! Jawoll, jetzt grosses Aber, die Lieferungen aus US und EU werden die (an)halten? Ich sehe da erhebliche Zweifel, zumal nur Polen, Slowakei und die baltischen Staaten wirklich Kante zeigen. Der Rest der „großen“ starrt wie das Kaninchen vor der Schlange!
@Koffer
„Wer nicht bereit ist für seine Freiheit zu kämpfen und im schlimmsten Fall auch zu sterben, der wird sie sicherlich verlieren. Gegen Autokraten wie Putin hilft nur klare Kante und die Bereitschaft zur Eskalation.“
Einen richtig heftigen Krieg (und mit Verlaub, dieser Krieg in der Ukraine ist zum Glück noch kein richtiger heftiger Krieg – siehe Opferzahlen bei den Zivilisten) will niemand.
Auch der Durschnittssoldat in der NATO nicht.
Wir müssen da nicht einmal von der Atomwaffe reden. (die klammer ich jetzt einfach mal aus – also bitte alles rein konventionell betrachten)
Ich habe mir mal die Zahlen zum Zweiten Weltkrieg angeschaut und auch zu den letzten Kriegen in Europa (Kosovokrieg, Kroatienkrieg, Bosnienkrieg) oder auch der Irakkrieg ab 2003 oder Afghanistankrieg ab 2001.
Die gingen natürlich über mehrere Jahre und das kann uns allen beim Ukrainekrieg auch noch blühen. (wenn man die Ukraine weiterhin mit Waffen und Material unterstützt und sie so zum Widerstand unterstützt, könnte das alles sehr lange dauern).
Jeder tote Zivilist und auch Soldat ist zu viel. Klar!
Aber wenn der ukr. Präsident irgendwelche 60 tote Kinder anführt, dann finde ich das schon mehr als zynische Propaganda. Ist vielleicht auch sein Job momentan, einfach Betroffenheit auslösen um Unterstützung (in welcher Form auch immer) um bekommen.
Aber bei jedem Erdbeben in Asien oder jeder Hungerswelle (die jedes Jahr stattfindet) sterben ein zigfaches an Kindern und Erwachsenen. Erdbeben sind nicht zu vermeiden, aber man kann die Folgen (Opferzahlen) verringern (Entwicklungshilfe für bessere Gebäude und Warnsysteme) und den Hunger könnte man sofort auf der Erde besiegen!
Wenn die circa 6-8 Millionen Hungertote PRO JAHR in der Welt denn die „Satten“ interessieren würden …..
So ähnlich ist es aber auch bei einem „richtigen“ Krieg (also „richtig heftig“).
Da sterben dann in der Ukraine nicht ein paar hundert Zivilisten am Tag, sondern ein paar Tausende (!).
Ich will Russland jetzt auf keinen Fall loben, aber sie vermeiden es zumindest (hat auch militärische Gründe) Zivilisten zu treffen.
Dieser obige Satz ist im Kontext vieler anderen Kriege der letzten 30 Jahre zu sehen.
Natürlich bombt Russland (wahrscheinlich auch sehr oft rechtswidrig) auch Zivilisten ins Jenseits.
DAS muss verurteilt werden! Auch andere russische Maßnahmen (brechen von Absprachen etc.)
Aber wer hätte denn 2021 gedacht, dass bei einer russischen Invasion in die Ukraine mit voller Waffengewalt nach 3-4 Wochen „nur“ rund 5000 Zivilisten umgekommen sind?
Was jetzt aber einige fordern (für die Freiheit) ist höchstwahrscheinlich (!) eine Eskalation dieses „kleinen Militärkrieges“ (mit all seinen schlimme Folgen wie Flucht und psychich und physisch Verletzten) zu einem „großen Krieg“ zwischen zwei Blöcken. Mit der geringen Wahrscheinlichkeit, dass China dann die Chance nutzt und Taiwan angreift und wir kurz vor einem 3. Weltkrieg stehen. (den sehe ich zwar nicht, aber ganz so unrealistisch ist er dann nicht)
Dann reden wir aber nicht nur von 180000 Bundeswehrsoldaten im Gefecht.
Und das können Sie mir glauben, der kleinste Teil der aktiven Soldaten hat sich dafür persönlich mental verpflichtet!
Eid hin oder her, aber wer nah am Soldaten ist (und das eben auch in den untersten Ebenen) weiß, dass 80 % der aktiven Soldaten den „Job“ nur als Job sehen und sich nur einer „geringen“ Gefährdung aussetzen wollen.
Bei einem „großen Krieg“ gegen Russland reden wir aber nicht von der Gefährdungsanalyse wie bei Mali oder Afghanistan.
Dann noch die Zivilisten, die während der letzten 30 Jahre in Deutschland selbst unter Berücksichtigung von möglichen Terroraktionen von Taliban etc. absolut gering (!) gefährdet waren.
DAS ist dann auch vorbei!
Freiheit nur für die Freiheit verteidigen klingt schön pathetisch, ist aber fern der Realität.
Am Ende will man (Soldat und Zivilst) immer den Preis kennen, wenn man für etwas kämpft!
Ein Feuerwehrmann würde auch nicht ohne Atemschutzgerät in ein vollgequalmtes Haus laufen, selbst wenn im 3. Stock Kinder schreien.
Der Preis für einen Freiheitskampf gegen das aktuelle (!) Russland ist aber sehr sehr hoch.
Bisschen Ukraine unterstützen und Gas aus anderen Ländern kaufen ist das eine. Wohlstandsverlust für die Freiheit ist der Bevölkerung einfach zu vermitteln.
Die Söhne, Töchter und Nachbaren nach Ostpolen schicken das andere.
Wochenlang ohne Strom und fließendes Wasser haben wahrscheinlich 99,9 % der Deutschen und EU-Bewohner überhaupt nicht auf dem Schirm.
Das ist aber die Realität dann bei einer Eskalation. Natürlich auch bei der russischen Bevölkerung. Aber welche Kultur und welches Staatssystem halten sie denn für fragiler?
Nach Corona sehe ich unsere Kultur/Bevölkerung (und nach US Capitolerstürmung auch die der USA) als ziemlich fragil und kein Stück gefestigt. (also auf die Bevölkerung und deren Mentalität gesehen).
Klare Kante hat die NATO/EU ja gezeigt mit den Maßnahmen die sie umsetzt:
Vollständige Isolation für Russland, eine direkte Unterstützung in einer abgeschwächten Form für die Ukraine, eine langfristige Abwendung wirtschaftlicher Natur und ein NEIN der NATO zur offenen Konfrontation.
Langfristig eine sehr gute Strategie.
Die „Bereitschaft zur Eskalation“ klingt einfach:
Aber irgendwann sagt dann der Autokrat gegenüber „ich will sehen“.
Lassen Sie dann sehen oder ziehen sie dann doch nicht die Eskalationsstufe?
Die Folge einer Eskalationsstufe könnte ein „Aufgeben des Autokraten“ sein. Möglich. Aber ist er nicht verrückt, wenn man einige Kommentatoren glauben darf? Wie wahrscheinlich ist also die Aufgabe mit Gesichtsverlust Putins?
Oder er wird sehen wollen und wir werden sehen lassen (Eskalationsstufe) und wird darauf selbst Antworten (müssen)!
So fängt die Spirale an.
Erst mit ein paar NATO Flugzeugen geschenkt, dann mit mehr Waffen und irgendwann sind es Truppen in der Ukraine.
Diese ganze Eskalationsspirale beginnt aber bei der Ukraine und deren Status.
Die eine Seite des Meinungsbildes sagt:
Wenn wir hier Russland gewähren lassen (also Verhandlung, neutraler Status Ukraine, teilweise Sanktionen dafür zurücknehmen), macht Russland in 10 Jahren bei anderen Ländern so weiter. Russland hat ja seinen Willen bekommen.
Deshalb MUSS Russland HIER gestoppt werden. Zur Not eben bis zur Eskalation.
Soweit verständlich die Logik!
Vergessen wird dabei aber immer, dass unserer Bevölkerung (zu einem ganz großen Teil) der Rest der Erde und damit auch die Ukraine egal ist.
Da wären wir wieder beim Preis, den es uns (jeden einzelnen Bürger) kostet.
Für das Klima (also gegen Verschlimmerung der Klimakrise) ein bisschen CO2 Steuer auf ein Flugticket oder auf den Dieselpreis und ab und zu in der Mensa ein vegetarisches Gericht statt Fleisch. Das macht der Bürger mit!
Aber was hier ja vorgeschlagen wird (Bereitschaft zur Eskalationsspirale) ist im Vergleich dann eher ein Preis in Form von Verbot (!) von Flugreisen und überhaupt kein Fleisch mehr.
Diesen Willen der Bevölkerung (in der Breite und nicht bei Anne Will oder auf ein paar Think Tanks Veranstaltungen) sehe ich einfach nicht.
Nicht bei der Ukraine und deren Status und auch nicht bei Georgien, Moldau oder Kasachstan.
Selbst bei NATO-Staaten sehe ich nicht diesen oft propagierten Willen, aber schon sehr viel mehr als bei Non-NATO-Staaten!
Wie gesagt: Bei einer Umfrage auf die Frage „Soll die NATO oder ihre aktuelle Regierung Truppen senden“ zu antworten ist das eine. Den folgenschweren Preis dann zu ertragen das andere!
@T. Wiegold
Ich weiß, das ist vielleicht alles sehr OT aber der Kontext ist folgender:
Worte und Taten. In den letzten Jahren sind jedem Menschen mit Internet und TV doch die Probleme der Erde bewusst geworden.
Trotzdem erleb(t)en SUV, Kamine, Kreuzfahrtreisen und FastFashion einen Boom.
Worte und Taten unterscheiden sich einfach. Leider aber ist das die Realität und bei der Ukraine könnte der Krieg leider „richtig heftig“ werden und nach 2 oder 3 Jahren heftigen Krieg gegen Russland, schauen dann alle zurück und bedauern, nach dem dann riesigem Leid für ganz Europa oder die Welt, die mangelhafte Entscheidung die Ukraine einfach als Neutral zu werten (Non-NATO, Non-EU). Selbstverständlich ist das dann der Preis für die Ukraine und deren Bevölkerung aber Menschen sind egoistisch.
Daher auch in diesem Artikel unter dem Podcast, weil die Verhandlungsoptionen momentan einfach der bessere Ausweg sind als ein großer Krieg.
Ich finde es bezeichnend, dass die aktuelle „Sicherheitshalber“-Folge beim DLF nahezu als einzige Quelle des Artikels „Sechs Gründe für den bisherigen Misserfolg der russischen Armee“ dient. Der Artikel ist quasi eine Kurzfassung des Podcast.
Also mal wieder vielen Dank für den guten Podcast!
Allerdings befindet sich eine große Zahl an Ukrainern auf der Flucht, insbesondere auch auf Grund des Rufs den sich Russland durch sein Vorgehen in den vergangenen Kriegen erarbeitet hat.
Russland hat schon angefangen wahllos in Städte zu feuern, es sind zum Glück nur kaum noch Zivilisten da.