Bundeswehr-Verstärkung für die NATO-Ostflanke: Überblick – und: Vorläufiges Ende der Ägäis-Mission (KORREKTUR)

In den vergangenen Tagen haben Verteidigungsministerium und Bundeswehr stückweise bekannt gegeben, was an Unterstützung und Verstärkung für die NATO-Mitgliedsländer im Osten der Allianz geleistet werden soll. Zum Wochenende ein – vorläufiger – Überblick. (Mit Korrektur, s. unten: entgegen ersten Angaben ist die Mission in der Ägäis zur Überwachung von Flüchtlingsrouten aus der Türkei nach Griechenland nicht beendet worden.)

• Die Marine hat zunächst drei Kriegsschiffe in Marsch gesetzt, die der Verstärkung der Ostflanke dienen sollen: Aus Wilhelmshaven lief am (heutigen) Samstag die Korvette Erfurt aus, die eigentlich für den Einsatz in der UN-Mission UNIFIL vor dem Libanon vorgesehen war. Statt dessen wird das Boot nun dem ständigen Einsatzverband der NATO für Nord- und Ostsee, der Standing NATO Maritime Group 1 (SNMG1) unterstellt.

KORREKTUR 24.03.2022: Wie sich erst Wochen später aufgrund eines Tweets aus dem Einsatzführungskommando zufällig herausgestellt hat, wurde die Lübeck entgegen den Aussagen vom 26.02.2022 nie aus der Ägäis-Mission herausgenommen – das sei geplant gewesen, dann aber nicht umgesetzt worden. Warum die Marine ihre entsprechenden Angaben nicht korrigiert hat, ist unklar. Jedenfalls läuft die Ägäis-Mission derzeit, mit der Lübeck, weiter. Der folgende Absatz ist damit hinfällig:

Im Mittelmeer wurde die Fregatte Lübeck der dortigen SNMG2 unterstellt. Formal gehörte das Schiff bereits zuvor schon zu diesem Verband, allerdings als gesonderte Task Unit, die in der Ägäis eingesetzt wurde, um dort zwischen den NATO-Partnern Griechenland und Türkei die Seegrenze zu überwachen. Seit dem (gestrigen) Freitag wurde die Lübeck – deren Entsendung in die Ägäis als letzter Einsatz des betagten Schiffes angekündigt wurde – wieder für die gesamten Aufgaben in der Region dem Kommandeur der SNMG2, dem italienischen Konteradmiral Mauro Panebianco, unterstellt.
Ein Ersatz der Fregatte in der Ägäis ist nach Angaben des Einsatzführungskommandos der Bundeswehr vorerst nicht vorgesehen. Faktisch ist damit diese Mission vorerst beendet.

Zusätzlich lief das Flottendienstboot Alster von Eckernförde in Einsatzgebiete der Ostsee aus – es gehört wenig Fantasie dazu, sich vorzustellen, dass dieses Einsatzgebiet zur elektronischen Aufklärung von der russischen Exklave Kaliningrad bis kurz vor St. Petersburg reicht. Allerdings ist die Alster formal nicht der NATO unterstellt, weil diese Aufklärung immer unter nationalem Kommando stattfindet; die gewonnenen Erkenntnisse werden allerdings immer auch der Allianz zugute kommen.

Darüber hinaus waren bereits zuvor Minenabwehreinheiten in den beiden ständigen entsprechenden NATO-Einsatzverbänden präsent, den Standing NATO Mine Countermeasures Groups (SNMCMG). Unter anderem war dafür das Minentauchereinsatzboot Bad Rappenau Anfang Februar Richtung Mittelmeer ausgelaufen – mit der Planung eines Aufenthalts im Schwarzen Meer. Es wird interessant sein zu sehen was daraus wird.

• Zu Lande war bereits vor dem russischen Angriff auf die Ukraine die deutsch geführte NATO-Battlegroup in Litauen verstärkt worden, gut 360 zusätzliche Soldatinnen und Soldaten und zusätzliches Gerät wie sechs Panzerhaubitzen wurden nach Rukla verlegt. Diese Verstärkungskräfte stammen allerdings noch aus der so genannten 10. Rotation für diesen Einsatz in der enhanced Forward Presence (eFP) der NATO; es bleibt abzuwarten, wann sie von den Verstärkungskräften der seit Anfang Februar dort aktiven 11. Rotation verstärkt werden.

Zusätzlich ist für Litauen geplant, Flugabwehrsysteme des Typs Ozelot für den Nahbereich nach Litauen zu verlegen, die als Leichtes Flugabwehrsystem bezeichnete aufgerüstete Variante der Stinger-Flugabwehrrakten. Darüber hinaus ist die Entsendung einer Marineschutzkompanie geplant – die, das ist das interessante daran, nicht wie die anderen Bundeswehreinheiten im Landesinneren bzw. nahe der Grenze zu Belarus stationiert werden soll, sondern in der Hafenstadt Klaipeda.

• Ein größeres Flugabwehrsystem, eine Patriot-Einheit zur Bekämpfung von gegnerischen Flugzeugen und Raketen, soll in die Slowakei verlegt werden. Das NATO-Mitgliedsland grenzt an die Ukraine an.

Ebenfalls in der Slowakei ist die Einrichtung einer NATO-Battlegroup ähnlich wie in Litauen und den anderen baltischen Ländern geplant, wie der slowakische NATO-Botschafter Peter Bator bestätigte. Sie soll dort auch von der Bundeswehr geführt werden; die Bezeichnung dafür ist dann allerdings nicht enhanced Forward Presence, sondern enhanced Vigilance Actvity (eVA) – vermutlich, weil der Umfang dafür etwas geringer sein dürfte.

Für diese Battlegroup ist zunächst eine Jägerkompanie vorgesehen, die zusammen mit anderen Bündnispartnern bis April vergrößert werden soll. Für den deutschen Anteil ist der Austausch der Jägerkompanie durch ein Panzergrenadierbataillon vorgesehen. Dass zunächst Jäger mit dem gepanzerten Transportfahrzeug Boxer in diese Mission gehen, hat vermutlich mit der Planungsablauf zu tun: Zunächst hatte es Überlegungen gegeben, die deutsche Kompanie zusammen mit einem Stryker-Bataillon der U.S. Army aus Vilseck in Bayern zusammen nach Rumänien zu schicken; die Boxer hätten in der Mobilität gut zu den Stryker-Kampffahrzeugen gepasst. Diese Planung wurde allerdings offensichtlich verworfen.

• Die Erfurt und die Lübeck sind Teil der NATO Response Force (NRF), deren Aktivierung nach der erfolgten Zustimmung des Nordatlantikrats im Ermessen des NATO-Oberbefehlshabers für Europa, des so genannten Supreme Allied Commander Europe (SACEUR) steht. Aus der Bundeswehr sind auch mehrere Tausend weitere Soldatinnen und Soldaten, vor allem aus den Landstreitkräften, für die NRF gemeldet. Deren Alarmierungs- und Bereitschaftszeiten wurden zwar verkürzt, in Marsch gesetzt wurden sie bisher nicht. Die genannten Planungen für Litauen und die Slowakei sind Truppen zusätzlich zur der so genannten Einmeldung in die NRF.

• Es gehört dazu (und Entschuldigung, dass ich es zunächst nicht aufgeführt habe): Seit Mitte vergangener Woche ist die Luftwaffe auf einer rumänischen Airbase nahe Konstanza am Schwarzen Meer an der Luftraumüberwachung an der Südostflanke der NATO beteiligt. Das Engagement von drei Eurofightern im Enhanced Air Policing South war schon lange geplant, zur Einübung gemeinsamer Operationen mit Eurofightern der italienischen Luftwaffe, aber hat durch den russischen Angriff auf die Ukraine eine andere Bedeutung bekommen. Am Freitag wurden drei weitere Eurofighter in diese Mission geschickt, und sie soll nun nicht wie zunächst geplant nach zwei Wochen enden, sondern wurde zunächst bis Ende März verlängert.

(Archivbild Juni 2019: Waffenträger Ozelot der Flugabwehrraketengruppe 61 beim Übungsschießen auf dem Raketenschießplatz Ustka im Rahmen der multinationalen Übung TOBRUQ LEGACY 2019 in Polen – Alexander Feja/Bundeswehr)