Auslandsmissionen der Bundeswehr, Januar 2022: Operation Inherent Resolve

Die Beteiligung der Bundeswehr an der US-geführten internationalen Koalition für den Kampf gegen die Terrororganisation Islamischer Staat ist der einzige Auslandseinsatz deutscher Streitkräfte in einer Koalition jenseits des Rahmens von UN, NATO oder EU. Unter Führung der USA sind an der Operation Inherent Resolve rund 70 Staaten und die NATO beteiligt.

Aktuell beteiligen sich deutsche Soldaten an der Mission, benannt Operation Counter Daesh (nach der Bezeichnung Daesh für den IS) und Capacity Building Iraq vor allem mit einem Tankflugzeug, stationiert in Al Azraq/Jordanien; der A400M betankt die Kampfjets anderer an OIR beteiligter Nationen für Luftangriffe auf den IS in Syrien und im Irak. Auf der Luftwaffenbasis Al Asad im Zentralirak ist zudem ein Luftraumüberwachungsradar der Bundeswehr stationiert – vor allem als Schutz gegen befürchtete Angriffe auf US-Truppen, die den Großteil der Operation stellen. Anfang Januar wurde diese Basis mehrfach Ziel von Angriffen vermutlich von Iran unterstützter Milizen mit Raketen und Sprengstoff-Drohnen.

In Erbil im Nordirak sind weitere deutsche Soldatinnen und Soldaten stationiert; ihre Hauptaufgabe, die kurdischen Peshmerga auszubilden, ist allerdings vor dem Hintergrund der Coronavirus-Pandemie weitegehend ausgesetzt. Auch die frühere Ausbildung irakischer Streitkräfte durch Bundeswehrsoldaten im Zentralirak findet derzeit nicht statt. Wenn sie wieder möglich ist, sollen diese Ausbilder aus der Koalitions-Operation in die NATO-Mission im Irak (NMI) wechseln.

Derzeit sind rund 250 deutsche Soldatinnen und Soldaten im Anti-IS-Kampf und Ausbildung sowie im Stab der NATO-Mission eingesetzt. Rund 150 sind in Al-Azraq stationiert, weitere knapp 80 in Erbil. Jeweils rund zehn Soldaten sind zum Betrieb des Radars in Al-Asad und im NMI-Stab in Bagdad im Einsatz. Außerdem gehört zu dem Mandat, nicht in diesen Zahlen erfasst, der Einsatz von AWACS-Luftraumüberwachungsflugzeugen der NATO zur Unterstützung dieser Mission.

Das aktuelle Mandat laut Bundestagsdrucksache 19/22207 ist befristet bis 31. Januar 2022. Der Bundestag hatte dieses Mandat bereits Ende Oktober 2020 beschlossen;  damals hatten SPD und FDP überwiegend dafür, die Grünen jedoch geschlossen dagegen gestimmt.

Das Bundeskabinett wird voraussichtlich am 12. Januar den Entwurf des neuen Mandats beschließen, das dann zur Abstimmung an den Bundestag geht. Bei einem Besuch in Bagdad machte Verteidigungsministerin Christine Lambrecht am 9. Januar deutlich, dass die Bundesregierung eine Fortsetzung dieser Mission plant:

Lambrecht Irak 09jan2022     

 

Nicht im Statement, aber via Twitter ließ die Ministerin zudem im Hinblick auf das Parlament erklären: Dafür werbe ich mit Blick auf das Bundestagsvotum.

Der Auftrag laut Bundestagsmandat:
Ziel des deutschen Engagements ist es, durch einen vernetzten Ansatz zu einer umfassenden und nachhaltigen Stabilisierung der Region, insbesondere des ehemaligen Kerngebiets vom IS in Irak und Syrien, beizutragen. Der deutsche militärische Beitrag dient dazu, in Ergänzung des deutschen und internationalen Stabilisierungsengagements Erreichtes abzusichern, Fortschritte auszubauen und Rückschritte insbesondere im Kampf gegen den IS zu verhindern. Der deutsche Beitrag zum Fähigkeitsaufbau der regulären irakischen Streit- und Sicherheitskräfte sowie dazugehörige Unterstützungsleistungen können künftig sowohl im Rahmen der internationalen Anti-IS-Koalition als auch im Rahmen des NATO Engagements in Irak erbracht werden. Im Zuge der Anpassung und Reduzierung des Ausbildungsengagements von Operation Inherent Resolve, der internationalen Anti-IS-Koalition, kommt der NATO-Mission beim Fähigkeitsaufbau der irakischen Streit-und Sicherheitskräfte und insbesondere bei der Beratung irakischer Sicherheitsinstitutionen eine zunehmend größere Rolle zu, auch auf Wunsch der irakischen Regierung. Anders als Operation Inherent Resolve ist die NATO-Mission in Irak weiterhin nicht am unmittelbaren Kampf gegen den IS beteiligt und bringt keine kinetischen Fähigkeiten dafür ein. Im Rahmen der internationalen Anti-IS-Koalition leistet Deutschland auch in Zukunft durch die Bereitstellung von Fähigkeiten zur Luftbetankung, zur bodengebundenen Luftraumüberwachung und Stabspersonal sowie die Beteiligung an AWACS-Luftraumüberwachungsflügen einen wichtigen Beitrag.

Rechtliche Grundlagen – diesmal etwas komplizierter: Dieses Mandat ist das einzige für eine Bundeswehrbeteiligung an einer Koalition der Willigen; nicht im sonst üblichen Rahmen von UNO, NATO oder EU. Deshalb erläutert die Bundesregierung das auch erheblich ausführlicher (Auszug):
Die Entsendung bewaffneter deutscher Streitkräfte erfolgt in Übereinstimmung mit den verfassungsrechtlichen und völkerrechtlichen Vorgaben für Auslandseinsätze der Bundeswehr im Rahmen und nach den Regeln eines Systems gegenseitiger kollektiver Sicherheit nach Artikel 24 Absatz 2 des Grundgesetzes. Durch den vorgesehenen Einsatz deutscher Streitkräfte unterstützt die Bundesrepublik Deutschland den Irak, die internationale Anti-IS-Koalition und die regionalen Partner in ihrem Kampf gegen den IS auf der Grundlage des Rechts auf kollektive Selbstverteidigung gemäß Artikel 51 der Charta der Vereinten Nationen sowie im Rahmen der Resolutionen des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen und leistet im Rahmen der internationalen Anti-IS-Koalition sowie der NATO-Mission in Irak einen Beitrag zum Fähigkeitsaufbau der regulären irakischen Streit-und Sicherheitskräfte auf Bitten von und im Einvernehmen mit der irakischen Regierung.
Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hat mit Resolution 2170 (2014) vom 15. August 2014 und Resolution 2199 (2015) vom 12. Februar 2015 sowie mit Resolution 2249 (2015) vom 20. November 2015 und Folgeresolutionen wiederholt festgestellt, dass vom IS eine Bedrohung für den Weltfrieden und die internationale Sicherheit ausgeht. Mit Resolution 2249 (2015) vom 20. November 2015 hat der Sicherheitsrat die Mitgliedstaaten, die dazu in der Lage sind, aufgefordert, unter Einhaltung des Völkerrechts, insbesondere der Charta der Vereinten Nationen sowie der internationalen Menschenrechtsnormen, des Flüchtlingsvölkerrechts und des humanitären Völkerrechts, in dem unter der Kontrolle vom IS stehenden Gebiet in Irak und Syrien alle notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, ihre Anstrengungen zu verstärken und zu koordinieren, um terroristische Handlungen zu verhüten und zu unterbinden, die insbesondere vom IS und anderen terroristischen Gruppen begangen werden, die vom Sicherheitsrat der Vereinten Nationen als solche benannt wurden, und den sicheren Zufluchtsort für den IS zu beseitigen, den IS in erheblichen Teilen Iraks und Syriens geschaffen hat. (…)
Trotz der erzielten militärischen Erfolge gegen den IS gilt das Selbstverteidigungsrecht gemäß Artikel 51 der Charta der Vereinten Nationen daher unverändert fort. Mit Schreiben vom 25. Juni 2014 an den Generalsekretär der Vereinten Nationen (VN-Dokument S/2014/440) hat der irakische Außenminister alle Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen um Unterstützung im Kampf gegen den IS, auch mittels militärischer Ausbildung, gebeten. Diese Unterstützungsbitte hat die irakische Regierung wiederholt bestätigt. Die Beteiligung am Fähigkeitsaufbau der regulären irakischen Streit-und Sicher-heitskräfte im Rahmen der NATO-Mission in Irak erfolgt zudem auf Grundlage der Zustimmung der irakischen Regierung, ausgedrückt im Notenwechsel zwischen der NATO und der irakischen Regierung vom 14. April 2016 und erneut bestätigt durch den Briefwechsel des irakischen Premierministers Mustafa al-Kadhimi mit dem NATO-Generalsekretär vom 20. Juni 2020. Die Staats- und Regierungschefs der NATO haben zudem auf dem Gipfel in Warschau am 8./9. Juli 2016 eine Grundsatzentscheidung gefasst, die Koalition mit AWACS-Luftraumüberwachungsflugzeugen zu unterstützen. Diesen Beschluss hat der Nordatlantikrat am 19. Mai 2017 konkretisiert.

(Foto: Verteidigungsministerin Christine Lambrecht in Bagdad am 9. Januar 2022 mit dem stellvertretenden Kommandeur der Operation Inherent Resolve, dem britischen Brigadegeneral Karl Harris – Foto via BMVg)